Der Vogel der
Wahrheit 707
Märchentyp AT: 707
Grimm KHM: Die drei Vögel 96
Drei Mädchen scherzen, dass sie
heiraten wollen: die Ältere den Bäcker des Königs, die
Mittlere den Koch des Königs und die Jüngste den König
selbst. Der König wird zufällig Ohrenzeuge - die
Jüngste werde eine wunderbare Tochter und zwei wunderbare
Söhne mit Gold, Silber, Diamanten, Sternen, Mond, Sonne
etc. gebären -, findet Gefallen an ihnen und heiratet die
Jüngste, während die anderen Schwestern den Bäcker und
Koch bekommen. Die beiden älteren Schwestern werden bald
neidisch auf ihre jüngste, und so oft sie ein Kind
bekommt, legen sie an dessen Stelle einen Hund oder eine
Katze. Die Kinder (Zwillinge, Drillinge) werden in einer
Kiste in einen Fluss geworfen, aber von einem Müller,
Gärtner oder Fischer gerettet. Die Kinder erfahren, dass
sie Stiefkinder sind und suchen ihre Eltern. Während die
Schwester mit ihren Brüdern in einem eigenen Haus wohnt,
versuchen diese für ihre geliebte Schwester den Vogel,
der die Wahrheit spricht, den singenden Baum und das
Wasser des Lebens (oder die Erdschöne etc.) zu erwerben -
oft auf Betreiben der neidischen Schwestern bzw. einer
alten Frau (Hebamme), die im Auftrag der Tanten die
Schwester besucht und von den Wunderdingen erzählt. Die
Brüder verfehlen jedoch ihr Ziel, schauen hinter sich zu
den lockenden Stimmen und werden durch den Zaubervogel
oder die Schöne der Welt versteinert. Die Schwester sucht
nun ihre Brüder, erklettert oder erreitet mit Hilfe einer
alten Frau oder eines alten Mannes ebenfalls einen
verzauberten Berg (Schloss) hinauf. Sie schafft es, nicht
zurückzuschauen, und gewinnt den Vogel, der die Wahrheit
sagt, in einem paradiesischen Garten (Rosengarten). Mit
dessen Hilfe oder mit einer Zauberrute erlöst sie ihre
versteinerten Brüder und alle Menschen bzw. Prinzen, die
ebenfalls 99 oder 100 Steine waren. Nun erzählt der Vogel
ihre königliche Herkunft oder der König findet die
Kinder auf der Jagd. Die Mutter, die im Gefängnis fast
umkam, wird wieder Königin, die neidischen Schwestern
werden bestraft.
Anmerkung
Das Märchen ist aus Gallands Tausendundeiner Nacht gut
bekannt unter dem Namen Die neidischen Schwestern. Leider
ist das Original nicht erhalten. Man erkennt darin Motive
aus 451 (Die zwölf Schwäne), 550 und 551 (Das Wasser des
Lebens), ferner aus 303 (Die Zwillingsbrüder) oder 318
(Das Batamärchen) sowie auch 530 (Der Glasberg) wieder.
Es wird behauptet, dass es, bevor es in Tausendundeiner
Nacht aufgenommen wurde, persisch gewesen ist, was u.a.
der persische Name des Vogels Bülbülhesar "tausend
Nachtigallen" bestätigt. Es ist jedoch in seiner
europäischen Form lange vor Gallands Zeit in Italien bei
Straparola (um 1550) zu finden, der die älteste
Aufzeichnung hat. Seine Version scheint auch Mme. d’Aulnoy
inspiriert zu haben. Das Märchen dürfte aber schon im
Zusammenhang mit den Kreuzzügen oder vielleicht schon
früher Europa erreicht haben. Das Geschick, das die
verleumdete Gattin zu erdulden hat, unterscheidet sich in
der Art nicht allzuviel von den Erlebnissen, die im
Apollonius von Tyrus geschildert werden, das schon im 3.
Jahrhundert n.u.Z. in Byzanz bekannt war. Der Typ ist
demnach alt und steht nicht nur diesem Märchen, sondern
auch den entsprechenden Teilen von 705, 706, (709, 710)
und 712 nahe, auf welche wir hinweisen. Die Motive, einen
Hund oder dgl. den Platz eines neugeborenen Kindes
einnehmen zu lassen oder Blut um den Mund der Mutter zu
schmieren und die zu beschuldigen, ihr eigenes Kind
verzehrt zu haben, oder eine Waffe auf das Bett der
Verleumdeten zu legen, sind sämtlich aus dem Orient
geholt und sind in wechselnder Form sowohl in diesem als
auch in den vorhin genannten Märchen zu finden. Den
ältesten Beleg für ein solches Motiv haben wir in
Indien, wo das neugeborene Kind der Königin Padmavatis
von den Nebenfrauen des Königs in einen Fluss geworfen
wird, welche dann angeben, die Königin habe ihr Kind
verzehrt. In diesem Zusammenhang muss auch hervorgehoben
werden, dass eine verleumdete und vertriebene Stieftochter
auch bei Herodot vorkommt (Phromine im 4. Buch).
In Asien, besonders in Indien und China, existiert eine
Sonderform oder richtiger, eine Märchenparallele, zu
welcher wir auch das Märchen über Padmavati rechnen
können, mit einer Mutter, deren unnatürlich viele Kinder
von eifersüchtigen Konkubinen in einen Fluss geworfen und
an ihrer Stelle Steine in die Wiegen gelegt werden. Als
die geretteten Kinder herangewachsen sind, greifen sie das
Reich des Vaters an, werden aber über ihre Geburt dadurch
unterrichtet, dass ihre Mutteer auf übernatürliche Weise
Muttermilch in ihre Münder spritzt. (In Padmavatis
Fuss-Spuren wachsen, wie der Name angibt, Lotusblumen,
deren Pistillen der Überlieferung nach die Entstehung von
tausend Knaben veranlassten - siehe 403A). Ein anderes im
Orient häufiges Motiv ist, dass die ausgesetzten Kinder
goldenes Haar haben wie der Held in 314 (Der Goldhaarige)
oder einen Mond oder Stern auf der Stirn tragen. Die
Mutter wird manchmal der gleichen Probe unterzogen wie die
Heldin in 511 (Einäuglein, Zweiäuglein und Dreiäuglein)
beim Apfelbaum.
In der mündlichen Überlieferung Schwedens finden wir
nur selten den ersten Teil des Märchens von den
Schwestern, die sich Ehemänner vom Hof des Königs
wünschten, sondern meistens nur den späteren Teil mit
der Verleumdung der jungen Königin, dem Raub des Kindes
und ihrer Vertreibung. In einer zur Liungman-Sammlung
gehörenden Version, der die erste Hälfte des Märchens
fehlt, sind der singende Baum, der sprechende Vogel und
die musizierende Quelle Feengaben bei der Geburt des
Kindes und brauchen demnach nicht erworben zu werden.
Literatur
Cosquin, E.: Le lait de la mère et le coffre
flottant. In: Revue des questions historiques 42, 1908, p.
353-425 oder In: Etudes folkloriques. Paris 1922, p.
199-264.
Derungs, K.: Struktur des Zaubermärchens II. Hildesheim,
Zürich, New York 1994.
Derungs, K.: Amalia oder Der Vogel der Wahrheit. Mythen
und Märchen aus Rätien im Kulturvergleich. Chur 1994.
Hertel, J.: Zu den Erzählungen von der Muttermilch und
der schwimmenden Lade. In: Zeitschrift für Volkskunde 19,
1909, p. 83-92.
Horalek, K.: Zur slawischen Überlieferung des Typus AT
707. In: Harkort, W. u.a.: Volksüberlieferungen.
Göttingen 1968, p. 107-114.
Huet, G.: Le conte des soeurs jalouses. In: Revue d’ethnographie
et de sociologie 1, 2, 7-8, 1910.
Liebe, I.: G.F. Straparolas Piacevoli notti und seine
französischen Prosabearbeitungen. Berlin 1948.
Mudrak, E.: Die dritte Schwester. In: Deutsche Märchen,
deutsche Welt. Berlin 1939.
Nowak, U.: Die sprechende Nachtigall. In: Beiträge zur
Typologie des arabischen Volksmärchens. Freiburg 1969, p.
178-179.
Schang, T.: Chinas Weise Frauen. Bern 1996, p. 93 f.
Märchen
>> Die
beiden Goldkinder
>> Der Vogel,
der die Wahrheit sagt
>> Der goldene
Baum
>> The Boys
with the Golden Stars
Hinweise
Drei Stunden von Corvei westlich liegt der Keuterberg,
Köterberg, Teuteberg (übereinstimmend mit dem nicht weit
davon anhebenden Teutoburger Wald), auf dessen Gipfel sich
die Corveischen, Hannöverschen und Lippischen Grenzen
berühren. Er ist von beträchtlicher Höhe und mag leicht
mehr als vierzig Stunden im Umkreis beherrschen; tiefer
ist er mit Wäldern bewachsen, die Kuppe selbst ist kahl,
hier und da mit grossen Steinen besät und gewährt
dürftige Weide für Schafe. An ihn haben sich natürlich
viele Sagen geknüpft und durch ihn erhalten. Rings um den
Berg liegen sechs Dörfer; aus einem derselben ist das
Märchen ganz in der Mundart mit allen ungleichen
zwielichtigen Formen aufgenommen.
Schweizerisch: "Die Sternkinder"; eine
Spinnerin, die beim Licht eingeschlafen ist, muss dem
König ihren Traum erzählen; böse Schwieger. Aus Tirol:
"Die zwei Königskinder"; Verfolgung der
Schwiegermutter; der Bruder holt den Sonnenbaum und
"Der Vogel Phönix, das Wasser des Lebens und die
Wunderblume"; verbunden mit dem goldenen Vogel, KHM
57. Aus Kärnten: "Die schwarzen und die weissen
Steine". Aus Franken: "Die Knaben mit den
goldenen Sternlein". Aus Hannover: "Drei
Königskinder"; Schwestern; Vogel der Wahrheit,
Wasser des Lebens, Wasser Sina. Aus Norddeutschland:
"Springendes Wasser, sprechender Vogel, singender
Baum"; Schwestern. Dithmarsisch: "Die
abgünstige Schwester"; die jüngste der drei
belauschten Schwestern gebiert dem König zwölf Knaben;
die älteste vertauscht die Briefe, so dass der jungen
Mutter die linke Hand abgeschlagen und sie mit den Kindern
verstossen wird; diese wirft elf Kinder in den See; auf
einer Jagd findet der König seine Frau und alle Kinder.
Französisch: "Les trois lingères"; die
älteste träumt, den König geheiratet zu haben, die
zweite den Gärtner, die dritte den Kammerdiener; zwei
Knaben und ein Mädchen geboren. - Italienisch: "Die
drei Schönheiten der Welt". - Maltesisch:
"Sonne und Mond, das tanzende Wasser und der singende
Vogel". - Baskisch: "The singing tree, the bird
which tells the truth and the water that makes
young". - Griechisch: "Sonne, Mond und
Morgenstern". - Slowenisch: Schwiegermutter statt der
neidischen Schwestern. - Serbokroatisch: "Die böse
Schwiegermutter"; das erste Mädchen will einen
Müller, das zweite einen Hirten heiraten, die jüngste
Schwester einen Prinzen; die zwei Knaben und das Mädchen,
die diese geboren, werden nach dem sprechenden Vogel, dem
singenden Baum und dem grünen Wasser ausgesandt. Nikolic:
aus dem Grab der von den neidischen Schwestern
umgebrachten Kinder spriessen zwei goldene Föhren auf;
weitere Verwandlungen. "The golden haired
twins"; die erste Schwester will dem König einen
Heldensohn schenken, die zweite zwei goldhaarige Söhne,
die dritte das schönste Mädchen; der König wählt die
zweite, deren Zwillinge von seiner Stiefmutter vergraben
zu Goldbäumen werden. Preindlsberger: die dritte
Schwester gebiert zwei Goldkinder, die von den andern
Frauen des Kaisers in den Fluss geworfen werden.
Stefanovic: Knabe und Mädchen von der Köchin vergraben,
werden zu Pappelbäumen; Verwandlungen. Strohal: die zwei
goldhaarigen Kinder, die das dritte Mädchen dem jungen
Grafen gebiert, von der Schwieger vergraben, werden
Bäume; Lichtbrennen verboten; die drei Schwestern
träumen von der Heirat mit des Kaisers Bäcker, Diener
und dem Kaiser selber; beide Kinder ins Wasser geworfen,
beleben auf des Goldvogels Rat die Gebeine ihrer Mutter
durch den Wunderquell und gehen an den Kaiserhof.
Dvorovic: Lichtbrennen verboten, Schwestern belauscht;
Kinder ins Wasser geworfen; der Knabe holt die Blume, den
Spiegel der Feenkönigin und diese selbst. "Die
Königin und ihre drei Töchter". "Zwei goldene
Kinder"; die Zwillinge von der Magd vergraben, werden
Fichtenbäume usw. Broch: drei Mädchen belauscht; die
Hebamme setzt die zwei Goldkinder in einem Kasten auf dem
Meer aus; der Knabe heiratet eine reiche Jungfrau und
ladet den König zur Hochzeit, der über sein Goldhaar
staunt. - Bulgarisch: drei Schwestern belauscht; die
jüngste gebiert dem Kaiser einen Knaben und ein Mädchen;
eine Alte klärt den Kaiser auf. Šapkarev: Knabe und Mädchen
werden vergraben oder in der 2. Fassung im Fass ins Wasser
geworfen; der Knabe wird später am Stern auf der Stirn
erkannt. Šapkarev: die neidischen Schwestern setzen die
beiden Kinder im Gebirge aus; der Knabe soll die Schönste
der Welt holen. Sbornik: der singende Baum berät die nach
ihm ausgesandten beiden Kinder, verwandelt sich in eine
Frau und klärt den König auf. Sprostranov: ein Müller
erzieht die von den Schwestern ins Wasser geworfenen
beiden Knaben und das Mädchen; die Brüder wollen den
sprechenden Vogel, den singenden Baum und das Lebenswasser
holen, werden zu Stein, durch das Mädchen entzaubert. -
Tschechisch: "Vom Prinzen mit der goldenen Sonne und
der Prinzessin mit dem goldenen Mond auf der Brust".
"Vom sprechenden Vogel, Lebenswasser und drei
goldenen Apfelbäumen". - Polnisch: "Von zwei
aufs Wasser gesetzten Kindern"; die Schwestern
wünschen sich den Bäcker, Koch oder Prinzen; ein Fischer
zieht die beiden Kinder auf; Knabe zieht zum singenden
Baum und sprechenden Vogel, versteinert. Chelchowski: als
die Königin zwölf Söhne gebiert, wirft die Schwester
elf davon im Glasgefäss ins Meer; der König verstösst
die Frau mit dem einen Knaben. Wisla: neidische
Schwestern; aus dem Grab des goldköpfigen Knaben wächst
ein Apfelbaum; die Magd tötet den Knaben mit dem Stern
auf der Stirn und beschuldigt die Kindbetterin, die ins
Meer geworfen wird; der Knabe durch Schlangensalbe belebt,
erscheint auf der zweiten Hochzeit des Vaters. -
Kleinrussisch: Träume dreier Schwestern belauscht; die
Tochter befreit die versteinerten Brüder. Cubinskij: die
Dienerin wirft die zwölf goldhaarigen Söhne in den
Brunnen. Aus Kiew: dreimal Drillinge; die Mutter mit dem
jüngsten Sohn im Fass auf dem Meer ausgesetzt. -
Weissrussisch: Schwester vertauscht die Briefe, vergräbt
die Kinder, Ahorne mit goldnen und silbernen Zweigen
spriessen auf. "Dub Dorochvej"; aus den Tränen
dreier von der Stiefmutter in den Wald verstossener
Mädchen entstehen Ströme; der König lässt die Quelle
suchen und heiratet das jüngste Mädchen, das ihm zwölf
Söhne gebiert. "Prinz Ivan Ivanovic, Gottes
königlicher Prinz"; zwei Töchter der Baba Jaga und
ihre Stieftochter beim Flachsjäten belauscht. "Ivan
Ivanovic der Kaufmannssohn"; drei nicht verwandte
Mädchen an verschiedenen Orten belauscht; die Schwieger
beseitigt die goldenen Knäblein, die beiden Mädchen
vertauschen die Briefe. Federowski: die Hexe beseitigt elf
Söhne von den dreimal geborenen Vierlingen, die Mutter
mit dem zwölften im Fass aufs Meer; die beiden Knaben
ziehen nach dem Goldvogel aus, der ihnen ihre Abstammung
verkündet; die zwei Mädchen und ein Knabe wollen den
sprechenden Vogel, spielenden Baum und das goldene Wasser
holen, versteinert. Federowski: vom Grab der von der Tante
umgebrachten Kinder frisst ein Schaf eine Blume und wirft
zwei Lämmer, die zu Knaben werden und ihre Mutter
auffinden. - Grossrussisch: Baba Jaga statt der neidischen
Schwestern; Hebamme verwandelt drei Knaben in Tauben;
Hebamme schiebt Hund und Katze unter. Aus Archangelsk:
zwei Knäblein mit goldenen Händen. Aus Jenissej: die
belauschten Mädchen sind eine Bauerntochter und eine
Tochter der Baba Jaga; drei Söhne, die Baba Jaga ist
Hebamme. Aus Samara: der Zar hat drei Frauen; die dritte
gebiert dreimal Drillinge; welche die Hebamme in Tauben
verwandelt, das viertemal einen Sohn, der mit ihr ins Meer
geworfen wird. - Ungarisch: "Die Drillinge mit dem
Goldhaar". "Fee Ilona und der goldhaarige
Jüngling".
Türkisch: "Die goldhaarigen Kinder"; Distel,
Spiegel und die schöne Dilrukesch geholt. - Swanetisch:
die beiden goldenen Kinder ins Wasser geworfen; der Knabe
will auf des Kaisers Befehl den goldenen Apfelbaum, den
Spiegel und die Kaiserstochter des Westens holen und
entgeht der Versteinerung, als er sich des "Schatzes
der Mutterbrust" erinnert. - Udinisch: aus dem Kopf
des Knaben fällt Gold, aus dem des Mädchens Silber; die
Kinder ins Wasser geworfen, vom Müller erzogen; der
Bruder holt den Baum und die Schöne. - Tatarisch: drei
von der Stiefmutter verstossene Schwestern werden von
einem Chan aufgenommen, der die älteste heiratet; sie
gebiert einen Knaben und ein Mädchen mit goldenen Zähnen
und Haaren; die Stiefmutter wirft diese in den Fluss, aber
die Flussgöttin nimmt sie auf und belehrt sie über ihre
Abkunft. - Burjatisch: "Der reiche König
Badma"; zweimal werfen seine beiden älteren Frauen
das Kind der jüngsten Frau ins Meer; das drittemal
verbirgt diese den neugeborenen Knaben im Ärmel und
schiebt ein Hündchen unter; wie sie im Fass auf dem Meer
ausgesetzt wird und auf eine Insel gelangt, zerschlägt
der Knabe das Fass, erbaut ein Schloss und gewinnt eine
immergrüne Birke, ein pflügendes Schwein und einen
eisernen Palast, findet seine beiden Brüder und sucht mit
ihnen seinen Vater auf. - Mongolisch:
"Budzin-Dava-Chan"; heiratet drei Schwestern und
lässt die jüngste am Kreuzweg lebendig begraben, da der
Verschnittene für ihre Zwillinge, einen goldenen Knaben
und eine silberne Tochter, Hunde untergeschoben hat; aber
ein Fischer zieht die ausgesetzten Kinder auf;
herangewachsen, gewinnt der Jüngling eine Jungfrau,
welche die Gebeine seiner Mutter belebt. - Karagassisch:
als Gott auf Erden wandelte, wollte er eins von den drei
Mädchen heiraten; die jüngste verspricht, zwei Knaben
mit goldener Brust und einen mit menschlicher zu gebären;
Gott tötet die untergeschobenen Hunde, näht die Frau mit
dem dritten, nicht vertauschten Sohn in eine Kuhhaut und
wirft diese ins Meer; der jüngste Sohn findet seine
älteren Brüder.
Die Aufzeichnung Straparolas, zerfällt in drei Teile:
A. das belauschte Gespräch dreier Schwestern, deren
jüngste sich vermisst, sie werde dem König, falls dieser
sie heirate, Drillinge mit goldenen Haaren, einer
Halskette und einem Stern auf der Stirn gebären; B. die
Unterschiebung von Hündlein an Stelle der beiden
neugeborenen Knaben und des Mädchens durch die neidischen
Schwestern und die böse Schwieger; die Kinder werden in
den Fluss geworfen und von einem Müller gerettet, die
Königin aber ins Gefängnis verstossen; C. die
Gefährdung der herangewachsenen Geschwister. Die ihre
Entlarvung fürchtenden Schwestern stiften durch die
Hebamme das Mädchen Serena an, ihre Brüder nach dem
tanzenden Wasser, dem singenden Apfel und dem grünen
Vogel auszuschicken; als sie bei dem dritten Abenteuer in
Marmorsäulen verwandelt werden, zieht Serena ihnen nach,
entzaubert sie und kehrt mit ihnen heim; der grüne Vogel
offenbart dem König die Schandtaten seiner Mutter und
seiner Schwägerinnen; diese werden verbrannt, die
unschuldige Gattin aber und die Kinder zu Ehren erhoben.
Mit diesem Märchen stimmt das arabische bis auf wenige
Einzelheiten überein: der Schah Khosru belauscht das
Gespräch der Schwestern verkleidet selber; es fehlt aber
der schöne Zug, dass den Kindern, wenn sie gekämmt
werden, Perlen und Edelsteine aus den Haaren fallen, und
es bleibt unerklärt, warum die Pilgerin die Neugierde der
Schwester rege macht, während bei Straparola die
Schuldigen, von denen die Kinder ins Wasser geworfen
waren, mit gutem Grund bewirken, dass die Schwester ihre
Brüder zu dem gefährlichen Unternehmen reizt, weil sie
hoffen, diese sollten dabei umkommen; dagegen kommt das
Verbot sich nicht umzusehen ohne Not bei Straparola vor,
da die Strafe in Stein verwandelt zu werden nicht darauf
steht. Neue Motive der arabischen Erzählung sind, dass
der eine Bruder als Zeichen seines Ergehens sein Messer
zurücklässt, das sich bei seinem Tod blutig färbt, dass
der Prinz dem Derwisch erst Bart- und Augenhaar
abschneiden muss, ehe dieser redet, und dass er dafür
eine rollende Kugel erhält, der er nachlaufen soll. - Die
Sterne auf der Stirn der Kinder weist Prato als alte
Symbole der Schönheit und der hohen Abkunft nach.
Die Abenteuer der drei Kinder, welche drei Wunderdinge
zu holen ausziehen, vergleichen sich den Erzählungen vom
goldenen Vogel (KHM 57) und vom Wasser des Lebens (KHM
97); nur trägt nicht der jüngste Bruder den Preis davon,
sondern die Schwester, welche die versteinerten Brüder
erlöst.
In dem westfälischen Märchen stimmt zu Straparola,
dass die Kinder einen roten (goldenen) Stern auf der Stirn
mit zur Welt bringen, wovon die arabische Erzählung
nichts weiss; mit dieser dagegen, dass keine böse
Stiefmutter wie bei Straparola mitwirkt, sondern bloss die
Schwestern; ferner, dass die Kinder in drei Jahren
nacheinander, nicht auf einmal zu Welt kommen. Dem
deutschen eigentümlich ist, dass aus dem Wasser jedesmal,
wie das Kind hineingeworfen wird, ein Vögelchen
aufsteigt.
Variantenverzeichnis
>> Märchen-Suchdienst
Die beiden Goldkinder. Haltrich/Deutschland 1
Drei Königskinder. Busch/Deutschland 25
Die drei Vögel. Grimm/KHM 96
Die Knaben mit den goldenen Sternlein.
Bechstein/Deutschland 65
Der Vogel der Wahrheit. Derungs/SdZ II
Der sprechende Vogel. Afanasjew/Russland 289
Geschichte der Prinzessin Schöngestirn und des Prinzen
Vielgeliebt. Aulnoy/Frankreich 7,2
Der Vogel der Wahrheit. Derungs/Amalia
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