Die Maus als
Braut 402
Märchentyp AT: 402
Grimm KHM: Die drei Federn 63; Der arme Müllerbursch und
das Kätzchen 106
Einer von drei Brüdern soll Haus
und Hof bzw. das Königreich erben, der den feinsten
Stoff, das am besten gebackene Brot, den kostbarsten Ring
oder die schönste Braut zu bringen vermag. Durch
schicksalsbestimmende Gegenstände (Pfeil, Feder, rollende
Kugel, Baum) gelangt der Jüngste zu einer Froschfrau,
Maus oder Katze, die ihn als Bräutigam wählt. Er dient
und bewährt sich bei ihr, die unterirdisch wohnt: Loch,
Sumpf, verwunschenes Schloss etc. Darauf erhält er von
ihr die wunderbaren Gaben und erfüllt die Bedingung.
Diese wird jedoch wiederholt, aber immer bringt der
Jüngste von der Tierbraut die verlangten Gaben.
Schliesslich erscheint die Fröschin (Maus, Katze) mit dem
Jungen selbst und wandelt sich zur schönsten Frau und
Braut. Die Verwandlung vollzieht sich oft durch Köpfen,
Ertränken oder durch das Verbrennen des Felles. Der
Jüngste erhält nun das Königreich oder bekommt eines
durch seine Frau.
Anmerkung
Das Märchen findet sich seit je in Tausendundeiner
Nacht im Märchen von Pari Banou, aber die Braut des
Jüngsten ist dort kein Tier, sondern eine Feenkönigin.
Zweifelsohne hat jedoch, zumindestens in Europa, der
Frosch das Prioritätsrecht, auch wenn seine Aufnahme in
die Grimmsche Version nicht ohne Einfluss gewesen ist. Er
gehört zum Verbreitungsgebiet des Märchens von Portugal
im Westen bis zu den Philippinen im Osten. Die Katze - d’Aulnoys
La Chatte blanche - gehört hingegen hauptsächlich nach
Westeuropa und die Maus nach Nordeuropa, insbesondere
Skandinavien. In Schweden ist das Märchen eines der am
häufigsten vorkommenden. Der Übergang vom Frosch zur
Maus kann durch eine anfänglich ganz unbedeutende
Änderung hervorgerufen worden sein.
Das Märchen wird besonders auf slawischem und
orientalischem Gebiet damit eingeleitet, dass drei Pfeile
abgeschossen werden, die dem Helden und seinen Brüdern
die Wege weisen. In Westeuropa folgt der Held hingegen der
Feder, die der Wind treibt, und in Schweden wird der Pfeil
oft durch ein wegweisendes Knäuel oder durch einen
rollenden Apfel ersetzt. Das Verbrennen des Tierfelles ist
ein besonders für die Sowjetunion und Indien typischer
Zug, bedingt aber im letztgenannten Land nach indischer
Denkweise das Verschwinden des Tieres mit darauffolgender
himmlischer Vereinigung. Pari Banou in Tausendundeiner
Nacht gehört zu den Märchen, die ungeachtet des
fehlenden Originales in das 8. oder 9. Jahrhundert gesetzt
werden, und seine ursprünglich geradlinige Komposition
scheint durch. Möglicherweise haben wir hierin wie in dem
vorhergehenden Märchen eine Schöpfung aus der
hellenistisch-römischen Zeit, möglicherweise auch aus
der frühen byzantinischen Zeit vor uns, deren
Ursprungsgebiet in oder westlich von Persien innerhalb der
Grenzen des Römischen Reiches liegt. Den Ursprung des
Märchens wie Wesselski in dem ältesten europäischen
literarischen Beleg, einer ziemlich phantastischen
Erzählung des Florentiners A. Doni aus dem Jahr 1552, zu
sehen, dürfte aber nicht richtig sein. Doni war ein
bekannter Nachahmer, und nicht einmal Wesselski will von
der Möglichkeit absehen, dass er sich eines
orientalischen Vorbildes bedient hat.
Literatur
Derungs, K.: Struktur des Zaubermärchens I.
Bern, Stuttgart, Wien 1994.
Haiding, K.: Die Schlangenbraut. In: Österreichische
Zeitschrift für Volkskunde 84, 1981, p. 237-241.
Köhler-Zülch, J.: Maus als Braut. In: Fabula 22, 1991,
p. 107-115.
Mudrak, E.: Die Krötenfrau. In: Deutsche Märchen,
deutsche Welt. Berlin 1939, p. 235-256.
Wisser, W.: Musche. In: Niederdeutsche Zeitschrift für
Volkskunde 5, 1927, p. 8 ff.
Thompson, S.: The Folktale. New York 1951.
Märchen
>> Das
Märchen von der Padde
>> Der Frosch
(La Rana)
>> Grindköpfchen
>> The frog
maiden
>> The dog
bride
>> The cat who
became a queen
>> The mouse
maiden
>> The frog's
skin
>> Doll'i the
grass
>> Die
Froschkönigin
>> The
enchanted toad
>> Die Puppe im
Gras
>> La
chatte blanche/The White Cat
Hinweise
Hessische Fassung: Es war einmal ein König, der
schickte seine drei Söhne in die Welt, und welcher von
ihnen das feinste Linnengarn mitbrächte, der sollte nach
seinem Tode das Reich haben. Und damit sie wüssten,
wohinaus sie zögen, stellte er sich vor sein Schloss und
blies drei Federn in die Luft, nach deren Flug sollten sie
sich richten. Die eine flog nach Westen, der folgte der
älteste, die andere nach Osten, der folgte der zweite,
die dritte aber fiel auf einen Stein nicht weit von dem
Palast; da musste der dritte Prinz, der Dummling,
zurückbleiben, und die andern lachten ihn aus und sagten,
er sollte bei dem Stein das Linnengarn aufsuchen. Der
Dummling aber setzte sich auf den Stein und weinte; und
wie er so hin und her wankte, schob sich der Stein fort,
und darunter lag eine Marmorplatte mit einem Ring. Der
Dummling hob sie auf, und da war eine Treppe, die führte
hinunter; darauf ging er fort und kam in ein
unterirdisches Gewölbe, da sass ein Mädchen und spann
Flachs. Es fragte ihn, warum er so verweinte Augen hätte;
da klagte er ihm sein Leid, dass er das feinste Linnen
suchen solle und doch nicht darnach ausziehen dürfe. Da
haspelte ihm das Mädchen sein Garn ab, das war das
allerfeinste Linnengarn, und hiess ihn das hinauf zu
seinem Vater bringen. Wie er nun hinaufkam, war er lange
Zeit weg gewesen, und seine Brüder waren eben
zurückgekommen und glaubten gewiss, sie hätten das
feinste mitgebracht. Als aber ein jeder das seinige
vorzeigte, da hatte der Dummling noch einmal so feines,
und das Reich wäre sein gewesen; aber die zwei andern
gaben sich nicht zufrieden und verlangten von dem Vater,
er solle noch eine Bedingung machen. - Der König
verlangte nun den schönsten Teppich und blies die drei
Federn wieder in die Luft, und die dritte fiel wieder auf
den Stein, und der Dummling durfte nicht weiter gehen, die
andern aber zogen nach Osten und Westen. Er hob den Stein
auf und ging wieder hinab und fand das Mädchen
geschäftig, wie es kleine Webeschiffchen herüber und
hinüber warf, einen wunderschönen Teppich aus den
brennendsten Farben zu weben; und als er fertig war,
sprach es: "Der ist für dich gewirkt, den trag
hinauf; kein Mensch auf der Welt wird einen so prächtigen
haben". Er ging damit vor seinen Vater und übertraf
wieder seine Brüder, die die schönsten Teppiche aus
allen Ländern zusammengebracht hatten; aber diese
brachten den König doch dahin, dass er die neue Bedingung
machte, wer das Reich erben wolle, müsse die schönste
Frau mit nach hause bringen. - Die Federn werden wieder
geblasen, und Dummlings seine bleibt auf dem Stein liegen.
Da ging er hinunter und klagte dem Mädchen, was sein
Vater wieder für ihn so Schweres aufgelegt habe. Das
Mädchen aber sagte, es wolle ihm schon helfen, er solle
nur weiter in dem Gewölbe gehen, da werde er die
Schönste auf der Welt finden. Der Dummling ging hin und
kam an ein Gemach, worin alles von Gold und Edelsteinen
schimmerte und flimmerte; aber statt einer schönen Frau
sass ein garstiger Frosch mitten darin. Der Frosch rief
ihm zu: "Umschling mich und versenk dich!" Er
wollte aber nicht, da rief der Frosch zum zweiten und
drittenmal: "Umschling mich und versenk dich!"
Da fasste der Dummling den Frosch und trug ihn herauf zu
einem Teich und sprang mit ihm hinein; kaum aber hatte das
Wasser sie berührt, so hielt er die allerschönste
Jungfrau in seinen Armen. Und sie stiegen heraus, und er
führte sie vor seinen Vater; da war sie tausendmal
schöner als die Frauen, die sich die andern Prinzen
mitgebracht. - Nun wäre das Reich wieder dem Dummling
gewesen; aber die zwei lärmten und verlangten, der sollte
den Vorzug haben, dessen Frau bis zu einem Ring, der
mitten im Saal festhing, springen könnte. Der König
willigte auch endlich darein; die Frau des Ältesten
konnte aber kaum halb so hoch hinaufkommen, die Frau des
zweiten kam ein wenig höher, aber die Frau des dritten
sprang bis in den Ring. Da mussten sie endlich zugeben,
dass Dummling nach ihres Vaters Tod das Reich erben solle;
und als der starb, wurde er König und hat lange in
Weisheit regiert.
In andern hessischen Fassungen finden sich häufig
kleine Abweichungen in den Aufgaben. So hat der Dummling
eine Kröte erhalten, die muss er neben sich als seine
Frau auf die Bank setzen; von da springt sie auf den
Tisch, dann auf die Teller und in die Schüssel zum
Schrecken aller, die mitessen; erst auf dem Salat sitzt
sie still. Da muss sie nun der Dummling packen, auf ein
Bett legen und mit einem scharfen Schwert gerade durchs
Herz schneiden; es knackt, und eine Jungfrau liegt da, die
an Schönheit die Bräute der Brüder weit übertrifft.
Ferner, der Vater gibt jedem der drei Söhne einen Apfel,
wer den seinen am weitesten wegwirft, soll das Reich
erben. Der Apfel des jüngsten fliegt am weitesten; weil
er aber gar zu dumm ist, will der Vater ihm das Recht
nicht lassen und verlangt zwanzig Steigen Leinwand in
einer Nussschale. Der älteste reist nach Holland, der
zweite nach Schlesien, wo feine Leinwand sein soll; der
dritte, der Dumme, geht in den Wald, da fällt eine
Nussschale von einem Baum, worin die Leinwand steckt.
Darnach verlangt der Vater einen Hund, so klein, dass er
durch seinen Trauring springen kann, dann drei Zahlen
Garn, die durch ein Nadelöhr gehen; alles bringt der
Dummling. - Oder auch, der soll des Königs Gut erben, der
den schönsten Geruch mitbringt; der Dumme kommt vor ein
Haus, da sitzt die Katze vor der Tür und fragt: "Was
bist du so traurig?" "Ach, du kannst mir doch
nicht helfen!" "Nun hör einer! Sag nur, was dir
fehlt!" Die Katze verschafft ihm dann den besten
Geruch. - Wiederum ist die Einleitung mannigfach. Der
Vater jagt den dummen Hans fort, weil er gar zu dumm ist;
er geht an des Meeres Gestade, setzt sich hin und weint.
Da kommt die Kröte, die eine verzauberte Jungfrau ist;
mit der springt er auf ihr Geheiss ins Wasser, ringt mit
ihr und erwirbt sich das Reich, indem sie ihre schöne
menschliche Gestalt dadurch wieder gewinnt. - Aus Hessen:
"Vom Herrn Hendrich und der Krotto"; Kröte
hilft zum schönsten Lappen, Ring, Jungfrau. - In den
Feenmärchen "Der König und seine drei Söhne"
soll der Dummling auch einen Kahn bringen, an dem kein
Spänchen gehauen und der gerade in dieser Gestalt
gewachsen ist, das feinste Linnengeweb bringt er in einem
Gerstenkorn, das noch in einer Nuss steckt. - Aus dem
Wallis: "Der dumme Hansel"; Kröte, Garn. - Aus
Schlesien: "Die entzauberte Kröte"; Braut
gesucht. - Aus dem Harz: "Das weisse Kätzchen";
Kahn, Leinwand, Prinzessin. "Das Schiff, das auf dem
trockenen Lande geht"; Männchen und Katze; Schiff,
Leinwand, Prinzessin.
Schwedisch: "Den förtröllade grodan";
Froschweibchen: Tischtuch, Becher, Braut und "Den
förtrollade fästemön"; Goldapfel rollt zur Ratte;
Brot, Gewebe, Braut. In Ostgotland: ein übereinstimmendes
Märchen von den drei Feen; die drei Aufgaben sind das
feinste Linnen, der beste Hund und die schönste Frau.
Unter den französischen Fassungen hat die der Gräfin
Aulnoy, "La chatte blanche" am meisten
Verbreitung gewonnen. Der König sendet seine drei Söhne
aus, um ihm einen ganz kleinen Hund zu verschaffen; der
jüngste gelangt zu dem Schloss der weissen Katze, wo er
von unsichtbaren Händen bedient ein Jahr zubringt und
eine Eichel mit einem Hündchen darin erhält. Obwohl er
das Verlangen des Vaters erfüllt hat, gebietet dieser
seinen Söhnen noch ein zweites und drittes Mal
auszuziehen und ihm ein Stück feiner Leinwand, das durch
ein Nadelöhr hindurch geht, und endlich die schönste
Jungfrau zu bringen. Auch hier trägt der jüngste den
Sieg davon; er entzaubert die geliebte Katze, indem er ihr
Kopf und Schwanz abhaut und ins Feuer wirft. "La
princesse métamorphosée en souris"; Leinwand, Frau;
die Maus wird entzaubert, weil sie die Schwester der
erzürnten Fee zum Lachen gebracht. - Italienisch:
"La jimmuruta"; die bucklige Prinzessin besiegt
ihre beiden Schwestern; Vorhang, Hündchen, Schönheit. -
Serbokroatisch: "Wem Gott hilft, kann niemand
schaden"; drei Nächte im Spukzimmer; Tuch, Kette,
Braut. - Tschechisch: "Vom Mausloch"; Pfeile,
Frosch; Spiegel, Bild der Braut, Braut. - Grossrussisch
aus Jenisej: Pfeile, Frosch; Hochzeitskleid verbrannt, in
dessen Tasche das Herz der Schönen war. - Zigeunerisch:
"Fairy bride"; Pfeil ins Haus der Feenkönigin,
Tuch. - Gagausisch: Pfeile, Schildkröte. - Armenisch:
Frosch wird zum Mädchen; ihrem Gatten stellt der König
schwere Aufgaben.
Der Grundgedanke des Märchens ist also: ein Vater will
die Tüchtigkeit seiner drei Söhne (oder ihrer Gattinnen)
erproben und verlangt, dass sie ihm seltsame oder kostbare
Dinge herbeischaffen; den Preis erhält der verachtete
Jüngste mit Hilfe einer verzauberten Prinzessin, die ihm
als Katze, Ratte, Frosch, Eidechse, Äffin oder als Puppe,
Strumpf oder Nachtmütze entgegentritt und erst zuletzt
ihre menschliche Gestalt wiedererlangt; die Entzauberung
geschieht bisweilen durch Kuss oder durch Enthauptung oder
dadurch, dass der Jüngling drei Nächte hindurch
schweigend die Martern der Geister erträgt.
Im Eingang der hessischen Fassung ist ein alter Brauch
erhalten: wer unschlüssig war, wohinaus er gehen sollte,
blies eine Feder in die Luft und folgte ihrer Richtung. -
In den griechischen, slawischen und finnischen Fassungen
unsres Märchens schiessen die Brüder Pfeile ab, und wo
diese hinfallen, sollen sie ihre Braut finden. Auf diese
Weise erhält auch im indischen Märchen "Histoire
des sept princes" der jüngste eine Äffin zur Frau.
- In italienischen und weissrussischen Fassungen
schleudern die drei Brüder statt dessen Kugeln oder
Bälle; in einer schwedischen entrollt dem jüngsten der
goldene Apfel, den er der Braut überreichen soll.
Variantenverzeichnis
>> Märchen-Suchdienst
Der arme Müllerbursche und das
Kätzchen. Grimm/KHM 106
Carevna Unke. Afanasjew/Russland 269
Die drei Federn. Grimm/KHM 63
Die weisse Katze. Aulnoy/Frankreich 6,2
Der Wacholderbusch. Schier/Schweden 35
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