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Die Puppe im Gras

 

Es war einmal ein König, der hatte zwölf Söhne; und als sie gross geworden waren, sprach er zu ihnen, sie sollten in die weite Welt hinausziehen und sich eine Frau suchen; aber sie müsse spinnen, weben und ein Hemd an einem Tag nähen können, sonst wolle er sie nicht zur Schwiegertochter. Jeder Sohn bekam ein Pferd und eine ganz neue Rüstung; und so machten sich alle auf, um eine Frau zu finden. Als sie aber eine Strecke zurückgelegt hatten, sagten sie, den jüngsten, den Aschenper, wollten sie nicht weiter mitnehmen, denn er tauge ja doch zu nichts.

Ja, da musste Aschenper nun zurückbleiben und wusste gar nicht, was er anfangen oder wohin er sich wenden sollte. Da wurde er so traurig, dass er vom Pferd stieg, sich ins Gras setzte und weinte. Als er ein Weilchen gesessen hatte, bewegte sich plötzlich ein Grasbüschel, und eine kleine, weisse Gestalt trat hervor; als sie näherkam, erkannte Aschenper, dass es ein niedliches, zartes Mädchen war, aber winzig klein. Es trat auf ihn zu und fragte, ob er nicht zu ihm kommen und das Püppchen im Gras besuchen wolle. O doch, das wollte er, und so ging er mit. Als er sich zu ihr niederbeugte, sass die Puppe im Gras auf einem winzigen Stuhl, und sie war wirklich schön und herausgeputzt. Nun fragte sie Aschenper, wohin er unterwegs sei und warum er diese Reise mache.

Da erzählte er ihr, sie seien zwölf Brüder; der König, ihr Vater, habe jedem Pferd und Rüstung geschenkt und gesagt, sie sollten hinaus in die Welt und sich eine Frau suchen, die weben, spinnen und an einem Tag ein Hemd nähen könne. Wolltest du das tun und meine Frau werden, will ich nicht länger weiterziehen! sprach Aschenper zur Puppe im Gras. Ach ja, das wollte sie gern, machte sich sogleich an die Arbeit und fing an zu spinnen und zu weben. Und sie nähte das Hemd an einem Tag fertig. Allerdings war es so schrecklich klein, nicht länger als so...

Mit diesem Hemd eilte Aschenper nun heim. Als er es aber seinem Vater zeigte, schämte er sich, weil es eben so klein war. Der König aber sagte, er könne das Mädchen ruhig heiraten. Da fuhr Aschenper natürlich lustig und vergnügt zurück, um seine Herzliebste heimzuholen. Als er bei der Puppe im Gras anlangte, wollte er sie zu sich aufs Pferd heben; aber nein, das wollte sie nicht; in einem Silberlöffel wollte sie fahren, bespannt mit zwei Schimmeln. So reisten sie denn los: er auf dem Pferd und sie im silbernen Löffel; aber die Schimmel, die sie zogen, waren nichts anderes als zwei weisse Mäuschen. Aschenper ritt immer auf der einen Seite des Wegs, denn er hatte grosse Angst, sein Pferd könne auf die Braut treten, die ja nur ein so winziges Wesen war. Als sie eine Wegstrecke gereist waren, kamen sie zu einem grossen Wasser; da scheute Aschenpers Pferd, sprang auf die andere Wegseite und warf den Löffel um, so dass die Puppe im Gras ins Wasser fiel. Aschenper wurde ganz traurig, wusste er doch nicht, wie er sie retten sollte; aber nicht lange, da tauchte ein Meermann mit ihr auf, und nun war sie so gross wie ein erwachsener Mensch und weit schöner als zuvor. Da setzte Aschenper sie vor sich aufs Pferd und ritt heim.

Als er dort ankam, waren auch schon seine anderen Brüder, jeder mit seiner Braut, eingetroffen. Aber die waren allesamt so hässlich, bösartig und widerwärtig, dass sie sich schon unterwegs ständig mit ihren Bewerbern gezankt hatten. Auf den Köpfen trugen sie seltsame, mit Teer und Russ beschmierte Hüte, und davon war ihnen einiges ins Gesicht getröpfelt, so dass sie noch greulicher und abscheulicher aussahen. Wie nun die Brüder Aschenpers Liebste zu Gesicht bekamen, wurden sie allesamt sehr neidisch auf ihn. Der König aber war so von beiden angetan, dass er alle anderen einfach vor die Tür setzte. Und danach hielt Aschenper Hochzeit mit der Puppe im Gras. Von da an lebten sie zufrieden und vergnügt eine lange, lange Zeit; und wenn sie nicht gestorben sind, leben sie noch heute.

 

Märchen aus Skandinavien. (AT 402, Skandinavien)


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