König Lindwurm
  433B 
  Märchentyp AT: 433AB; cf. 425, 711 
  Grimm KHM: 
   
  
  Das Märchen handelt von einem
  König und einer kinderlosen Königin, die von einer alten
  Frau eine Frucht (Zwiebel, Apfel, Rosen etc.) zu essen
  bekommt. Sie befolgt deren Vorschriften jedoch nicht
  richtig und gebärt am gleichen Tag zuerst einen Lindwurm
  und dann einen Prinzen. Als der Lindwurm herangewachsen
  ist, fordert er eine Braut. Dem Vater gelingt es, eine
  Frau zu finden, die bereit ist, sich mit dem Lindwurm zu
  verheiraten; (aber in der Hochzeitsnacht tötet er seine
  Gemahlin und verschlingt sie ganz. Dies wiederholt sich
  mehrfach), bis die Braut in ihm so völlig aufgeht, dass
  der Zauber gebrochen wird und der Lindwurm sich in seiner
  menschlichen Gestalt als schöner Jüngling zeigt. Der
  Vater beeilt sich sodann, die Schlangenhaut zu verbrennen.
  Oder die Erlösung vollzieht sich dadurch, dass die junge
  Braut den Lindwurm zwingt, seine Haut abzulegen, wenn sie
  eines ihrer zahlreichen Hemden auszieht, und dann ihn in
  Wasser oder Milch badet oder ihn peitscht, um an seiner
  Seite zu schlafen. Die Häute des schönen Jünglings
  werden verbrannt.
  
   
  Anmerkung 
  
  In den südeuropäischen Varianten ist das Märchen
  meistens so wie die lange Version des Amor- und
  Psyche-Märchens (425) mit dem Verschwinden des Gatten auf
  Grund eines gebrochenen Tabus ausgebaut, in den
  orientalisch-südosteuropäischen mit einem mit dem
  Schwanenjungfraumärchen (400) verwandten Motiv von einem
  verzauberten Scheintoten, und in den nordeuropäischen
  Varianten ist es mit einem Verstossungsmotiv kombiniert
  worden, entweder aus dem Märchen vom Zurückholen des
  Vertrages mit dem Teufel (756B) oder aus dem Märchen Die
  zwölf Schwäne oder Raben (451). Dass das letztgenannte
  Märchen eingeflochten wurde, dürfte zumindest teilweise
  auf den vielen Hemden sowohl in 451 und auf der hier
  behandelten Verwandlungsszene beruhen. Nach dem
  Wiederfinden endet das Märchen sowohl in den
  nordeuropäischen wie in den
  orientalisch-südeuropäischen Varianten mit der Wahl der
  Heldin zwischen ihrem ersten und dem zweiten, auf
  irgendeine Weise verzauberten, zugedachten oder wirklichen
  Gemahl. Der zweite Gemahl ist in den
  orientalisch-südosteuropäischen Varianten der
  verzauberte Scheintote, dem in den nordeuropäischen der
  durch den Teufelskontrakt Verschwundene oder der
  verzauberte Vogel entspricht. In beiden Variantengruppen
  tut die Heldin bei der Wahl eine gleichartige, halb
  verifizierte Äusserung, aus der hervorgeht, dass ihre
  erste Liebe die stärkste ist. In den südeuropäischen
  Varianten finden sich die Partner wie im Amor- und
  Psyche-Märchen wieder, wenn das gebrochene Tabu,
  gewöhnlich das Verbot umfassend, von dem Helden zu
  sprechen oder seinen Namen zu nennen, gesühnt wurde. Der
  Name dieser südeuropäischen Varianten ist oft König
  Schlange (Il re serpente), was dem nordeuropäischen
  König Lindwurm entspricht. Es ist zwar richtig, dass
  Indien als das Gebiet betrachtet werden muss, auf dem die
  Scshlangenverwandlungen und der Schlangenkult am
  sichersten zu Hause sind, aber das Märchen ist in Indien
  viel ärmer als in Europa, und der Schlangenkult war,
  besonders in den ältesten Zeiten, etwas für die gesamte
  Antike gemeinsames. Es ist daher nicht ausgeschlossen,
  dass das Märchen weiter westlich, beispielsweise in
  Kleinasien oder Nordsyrien, entstanden ist, wo das Amor-
  und Psyche-Märchen (425) entstand, auf das unser Märchen
  aufbaut, und wo die Schlange bereits in der Hethiterzeit
  sehr beachtet wurde. Das Vorkommen des Märchens im
  Pantschatantra (I, 8 N) deutet jedoch auf ein ansehnliches
  Alter, selbst wenn es dort spät hineingekommen ist und
  das Manuskript erst aus dem Jahre 1199 stammt. Es gehört
  vielleicht wie das Amor- und Psyche-Märchen der
  hellenistisch-römischen Periode an oder möglicherweise
  der frühbyzantinischen. Von Indien aus hat das Thema als
  Sage frühzeitig China erreicht, und es hat sich dort
  daraus spätestens während der Zeit der Ming-Dynastie
  (1368-1644) ein für dieses Land spezieller Variantentyp
  entwickelt. Sicher ist, wie Olrik hervorhob, dass der für
  den Norden typische Name König Lindwurm seine Ahnen nicht
  weiter zurück als bis zum Mittelalter zählen kann, und
  es ist möglich, dass das Märchen erst zu Beginn des 17.
  Jahrhunderts Dänemark erreicht hat. Wir scheinen hier,
  zumindest was den Norden betrifft, die gleichen
  Verhältnisse wie bei dem Batamärchen (318) zu haben,
  dessen morgenländische Varianten viel älter sind als die
  westlichen, europäischen. Dasselbe wurde auch bei unseren
  Tiermärchen mehrfach nachgewiesen. Wenn die Heldin in
  einem Teil südeuropäischer Varianten nach dem
  gebrochenen Tabu den Helden sucht, wird sie mit
  Eisenbändern umgeben, die sie hindern, das erwartete Kind
  zu gebären, ehe sie ihn gefunden hat. 
   
  Literatur 
  Egli, H.: Das Schlangensymbol. Olten 1982. 
  Frank, E.: Der Schlangenkuss. Leipzig 1928. 
  Holbek, B.: Several versions of one tale type AT 433B King
  Wivern. In: Interpretation of fairy tales. Helsinki 1987. 
  Jahn, S.: Zur Herkunft nubischer und sudan-arabischer
  Varianten vom Streit der Erretteten um ihre wundertätige
  Braut. In: Fabula 23, 1982, p. 75-94. 
  Schenda, R. (Hg.): Das Märchen der Märchen. Das
  Pentamerone. Giambattista Basile. München 2000, p. 588. 
   
  Märchen 
  >> Der
  verzauberte Brahmanensohn 
  >> The water
  snake 
  >> Transformation
  into a Nightingale and a Cuckoo 
  >> The snake
  and the princess 
  >> Die
  Schlange und das kleine Mädchen 
  >> Das
  Mädchen und die Schlange 
  >> The river
  snake 
  >> König
  Lindwurm 
   
  Hinweise 
  
    
  
   
  Variantenverzeichnis 
  >> Märchen-Suchdienst 
  König Lindwurm. Stroebe/Skandinavien 1,1 
  Die Schlange. Basile/Italien 2,5 
  Die Schlange. Zingerle/Tirol 2,42 
  Siebenhaut. Bechstein/Deutschland 49 
  Das Schlangenkind. Hahn/Griechenland 2,100 
   
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