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Oda und die Schlange

 

Es war einmal ein Mann, der hatte drei Töchter, von denen hiess die jüngste Oda. Nun wollte der Vater dieser drei einmal zu Markte fahren, und fragte seine Töchter, was er ihnen mitbringen sollte. Da bat die älteste um ein goldenes Spinnrad, die zweite um einen goldenen Reifen, Oda aber sagte: "Bring mir das mit, was unter deinem Wagen wegläuft, wenn du auf dem Rückweg bist." Da kaufte denn nun der Vater auf dem Markt ein, was sich die älteren Mädchen gewünscht, und fuhr heim, und siehe, da lief eine Schlange unter den Wagen, die fing der Mann und brachte sie Oda mit. Er warf sie untenhin in den Wagen und nachher vor die Haustür, wo er sie liegen liess. Wie nun Oda herauskam, da fing die Schlange an zu sprechen: "Oda! Liebe Oda! Soll ich nicht hinein in den Hausflur?" - "Was?" sagte Oda. "Mein Vater hat dich bis an unsere Tür mitgenommen, und du willst auch herein?" - Aber sie liess sie doch ein. Da nun Oda nach ihrer Kammer ging, so rief die Schlange wieder: "Oda, liebe Oda! Soll ich nicht vor deiner Kammertüre liegen?" - "Ei, seht doch!" sagte Oda. "Mein Vater hat dich bis an die Haustür gebracht, ich habe dich hereingelassen in den Hausflur, und nun willst du auch noch vor meiner Kammertür liegen? Doch es mag drum sein!" - Wie nun Oda in ihre Schlafkammer eingehen wollte und die Kammertür öffnete, da rief die Schlange wieder: "Ach, Oda, liebe Oda! Soll ich nicht in deine Kammer?" - "Wie", rief Oda, "hat dich mein Vater nicht bis an die Haustür mitgenommen? Hab' ich dich nicht in den Hausflur gelassen, und vor meine Kammertür? Und nun willst du auch noch mit in die Kammer? - Aber, wenn du nun zufrieden sein willst, so komm nur herein, liege aber still, das sag ich dir!" Damit liess Oda die Schlange ein und fing an, sich auszukleiden. Wie sie nun ihr Bettchen besteigen wollte, so rief die Schlange doch wieder: "Ach, Oda, liebste Oda! Soll ich denn nicht mit in dein Bett?" "Nun wird es aber zu toll!" rief Oda zornig aus. "Mein Vater hat dich bis an die Haustür mitgenommen, nachher herein in die Kammer - und nun willst du gar noch zu mir ins Bett? Aber du bist wohl erfroren? Nun, so komm mit herein und wärme dich, du armer Wurm!" Und da streckte die gute Oda selbst ihre weiche warme Hand aus und hob die kalte Schlange - die lange Zeit verzaubert gewesen war und die nur erlöst werden konnte, wenn alles das geschah, was mit ihr sich zugetragen hatte - in einen jungen und schönen Prinzen, der alsobald die gute Oda zu seiner Frau nahm.

 

Märchen aus Deutschland (Ludwig Bechstein). (AT 440, Deutschland)


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