Kulturgeschichtliche Gedanken
zur Musik im Märchen
Leopold Schmidt
In verschiedenen Märchen kommen musikalische Züge vor. Die wichtigste Gruppe davon
ist die der Verwendung von Musikinstrumenten. Während nämlich andere musikalische
Einzelzüge nur zur Unterstützung grösserer Motive dienen, verbinden sich mit den
Instrumenten in der Regel ganze selbständige Motive, und zwar so weitgehend, dass das
betreffende Instrument schliesslich beherrschend im Mittelpunkt des betreffenden Märchens
stehen kann, oder es doch auch aus stark zersagten Varianten noch hervorgeht, welche Rolle
das Instrument ursprünglich gespielt haben muss. Diese zentrale Rolle des
Musikinstrumentes in diesen Märchen kann man kurz als "magische Funktion"
umschreiben. Im Märchen wird ein Instrument nicht aus künstlerischen Gründen und nicht
zur Unterhaltung gespielt, es dient vielmehr zur magischen, zauberischen Erwirkung einer
Handlung. In der Volksmusikforschung ist die Geige dafür berühmt geworden, welche der
arme Knecht im Märchen Der Jude im Dorn (Grimm, Kinder- und Hausmärchen Nr. 110) von dem
hilfreichen Männlein bekommt und nun so spielen kann, dass jedermann nach ihr tanzen
muss, bis des Knechtes Wünsche erfüllt sind.
Betrachtet man dieses Motiv vom Instrument her, so wird man zunächst versucht sein,
der Geige an sich diese zauberische Kraft zuzuschreiben. Dies vielleicht um so mehr, als
auch in der ältesten deutschen Fassung, dem "Fassnachtspiel von Fritz Dölla mit
seiner gewünschten Geigen" von Jakob Ayrer, um 1580, auch die Geige das
Zauberinstrument ist. Es gibt aber daneben Fassungen des Märchens, in denen nicht die
Geige das Wunsch- und Zauberinstrument darstellt, sondern eine Flöte. Sie kommt schon in
deutschen Fassungen des 18. Jahrhunderts vor, aber auch in flämischen und finnischen. Die
Gesamtüberlieferung des Märchens lässt einstweilen noch nicht erkennen, welches
Instrument in der ältesten Fassung gestanden sein mag. Im allgemeinen tritt die Geige
erst spät in derartige Zusammenhänge ein. Ein Vergleich mit der Sage vom Lieben Augustin
zeigt, dass dessen ältere Fassungen den Dudelsack heranziehen, und erst Erzählungen des
19. Jahrhunderts die Geige kennen.
Die ursprünglichere Geltung des einen oder anderen, oder auch eines weiteren
Instrumentes, lässt sich auch durch die Beobachtung der jeweiligen Häufigkeit der
Nennung von Flöte, Geige usw. in den verschiedenen Märchenfassungen gewinnen. Ein gutes
Beispiel bietet dafür das Märchen vom Unibos, vom Bauern Einrind, also jene seltsame
Geschichte, welche die Brüder Grimm unter dem Titel "Das Bürle" (KHM 61),
erzählt haben. In vielen Fassungen dieses Märchens gehört es zu den Schelmenstreichen
des Bürle, dass es angeblich seine Frau tötet und durch das Erklingenlassen eines
Musikinstrumentes wieder zum Leben erweckt. Da es sich hier um keine wirkliche magische
Handlung handelt, möchte man dabei von einer Parodierung der Musik-Magie sprechen. Wie
bei den anderen Märchen mit Verwendung von Instrumenten lässt sich aber auch hier
feststellen, dass es sich nicht immer um das gleiche Instrument handelt, sondern in
verschiedenen Zeiten und Gegenden um verschiedene Instrumente. Die meisten Fassungen aus
Deutschland, Holland, Flandern, Frankreich und Italien bringen die Flöte oder Pfeife.
Wichtig ist, dass auch die älteste literarische Fassung, die dem ganzen Märchentypus den
Namen gegeben hat, die "Versus de Unibove", die wohl noch im 10. Jahrhundert in
Niederlothringen entstanden sein dürften, das Instrument kennt. Andere Instrumente werden
bei diesem Motiv seltener genannt: das Horn einigemal in Irland, Schottland und Norwegen,
die Oboe in der Bretagne, die Trompete einmal in Italien. Das Motiv bedingt die starke
Bevorzugung der Blasinstrumente. Dennoch finden sich ab und zu auch Saiteninstrumente für
die Pseudoerweckung der Frau genannt, nämlich die Geige in der Bretagne und in
Deutschland. Hier sogar zweimal, aber freilich in literarischen Bearbeitungen des
Märchens, nämlich in Valentin Schumanns "Nachtbüchlein" von 1559, und zwar in
der Erzählung von dem Bäcker mit der "wundertätigen Geige", und in dem
Fastnachtspiel "Der Beck, welcher sein Weib wieder lebendig geigt hat", in dem
Jakob Ayrer wohl Schumann gefolgt ist. Die Absicht, diese literarischen Fassungen so
aktuell als möglich zu halten, ergibt sich auch daraus, dass darin die Herkunft der
Zaubergeige aus Neapel betont wird. In Italien selbst, nämlich auf Sizilien, wurde eine
Fassung des Märchens aufgezeichnet, in der eine Gitarre die Rolle des magisch wirkenden
Instrumentes spielt.
In den Fassungen des Unibos-Märchens spielt also die Flöte zahlenmässig die
Hauptrolle. Wenden wir uns nun dem aufschlussreichsten aller Märchen mit
magisch-musikalischem Motiv, nämlich dem Märchen vom singenden Knochen, zu, so lässt
sich die gleiche Erscheinung feststellen, nur dass hier der humoristisch-parodistische Zug
gänzlich fehlt. Hier scheint der Glaube an die Magie der Musik am stärksten ausgeprägt,
und zugleich das Werden des magischen Instrumentes in eine durchaus urzeitliche
Entstehungssphäre gerückt. Im Märchen vom singenden Knochen (KHM 28), geht es um eine
motivreiche Heilbringer-Erzählung, bei der der Held knapp vor dem endlichen Erfolg von
seinem Nebenbuhler getötet wird. Sein Leib wird begraben, der Nebenbuhler erntet die dem
Heilbringer zustehenden Ehren und Erfolge. Durch irgendeine Motivverknüpfung werden die
Knochen des Ermordeten gefunden, zunächst meist nur ein Knochen, aus dem sich ein Hirt
eine Flöte macht, oder, wie es in der Fassung der Brüder Grimm heisst, ein Mundstück
für sein Horn. Als er zum erstenmal darauf geblasen hatte, so fing das Knöchlein zu
grosser Verwunderung des Hirten von selbst an zu singen: "Ach du liebes Hirtelein, du
bläst auf meinem Knöchelein..." Und nun entwickelt sich rasch die Entdeckung der
Untat, mit der in vielen Fassungen die Wiedererweckung des ermordeten Heilbringers
verbunden ist. Die Grimmsche Fassung ist keine sehr bezeichnende und bringt auch einen
verstümmelten Schluss. Darauf mag es auch zurückgehen, dass in ihr von einem Mundstück
des Hirtenhorns oder nicht direkt von einer Flöte gesprochen wird. Wie viele deutsche,
schweizerische und flämische Fassungen zeigen, handelt es sich aber hauptsächlich um das
Schnitzen einer Flöte aus dem gefundenen Knochen. Bis nach Welschtirol ist dieses Motiv
nach dem Süden ausgestrahlt und bis zu den Russen nach dem Osten.
Der Osten bevorzugt im allgemeinen aber sonst nicht die Flöte aus dem Totenbein,
sondern eine ganz andere Fassung, die auf einem Umweg ebenfalls zu einer magischen Flöte
führt. Den ältesten Typus vertritt hier wohl Indien, wo es eine ganze Gruppe von
Santal-Erzählungen gibt, in denen Kinder getötet und begraben werden. Auf ihrem Grab
wächst Bambus, aus diesem Bambus macht dann ein Zauberkundiger die Instrumente, welche
sich entweder direkt in die wieder lebenden Getöteten verwandeln, oder aus denen sie
herauskommen, sobald die Angehörigen sie gespielt hören, oder wie die Spielarten dieser
Gruppe sonst lauten. Ganz Osteuropa scheint von dort in dem Sinn beeinflusst, dass auch
dort überall das Opfer, der Heilbringer, begraben wird, und über seinem Grab nun
verschiedene Pflanzen wachsen, aus denen sich tatsächlich Flöten herstellen lassen: bei
den Grossrussen wie bei den Weissrussen und den Ukrainern gibt es derartige Fassungen, in
denen die Flöte aus einem Rohrstengel geschnitten wird, desgleichen in Siebenbürgen und
in Pommern. Ungefähr im gleichen osteuropäischen Gebiet wird das gleiche Motiv auch von
einem Weidenzweig erzählt, wobei an die Bedeutung der Weide für die Maipfeifen der
Hirten erinnert werden muss. Für Polen ist diese Fassung ebenso bezeugt wie für
Brandenburg, die Zigeuner in Siebenbürgen kennen sie auch. In seltenen Fällen werden
auch andere Pflanzen erwähnt, deren Stengel zum Pfeifenschneiden geeignet sind, in der
Gegend von Kiew die Kuhpetersilie (Anthriscus silvestris), in Samara die Engelwurz. Hier
lebt also auch das Wissen der Hirten, der Hüterjungen, um solche bescheidene Behelfe
volkstümlichen Musizierens im Märchen.
Verfolgt man die Erwähnung anderer Instrumente an der gleichen funktionellen Stelle in
diesem Märchen in anderen Fassungen, so ergibt sich ganz ähnlich wie beim
Unibos-Märchen, dass dabei kaum zu einer festen Regelmässigkeit zu gelangen ist.
Mitunter, in Hessen wie in Lauenburg, tritt das Horn in die Funktion der allgemein
geläufigen Flöte ein, wobei schon das Moment einer etwas komplizierteren Herstellung des
Instrumentes auffällt. In einer Fassung aus Sizilien ist dieses noch dadurch gesteigert,
dass der Hirt sich aus den Knochen und der Haut des Toten einen Dudelsack verfertigt.
Eine ebenso auffallende wie wichtige Wendung des ganzen Motives erfolgt jedoch im
skandinavischen Norden. Das Märchen selbst ist in England und in Skandinavien nicht
bekannt, dafür ist dort die Ballade von der sprechenden Harfe zu Hause, welche in einigen
wesentlichen Zügen, vor allem in der Tötung eines unschuldigen Menschen und der
Entdeckung der Tat durch die magische Musik, unserem Märchen entspricht. Es handelt sich
hier um eine von ihrer Schwester getöteten Königstochter, deren Leiche Schiffer ans Land
ziehen. Ein Spielmann macht aus ihrem Brustbein ein Harfengestell, nimmt die
Fingerknöchlein zu Wirbelschrauben und das Goldhaar zu Saiten, und spielt nun auf diesem
Instrument bei der Hochzeit der verbrecherischen Schwester. Wie in den Flötenfassungen
des Märchens das Instrument den Mord verkündet, so auch hier die Harfe. Der Schluss
zeigt meist nicht, ob der Strafe an der Verbrecherin auch die sinnvolle Wiedererweckung
der Toten folgt. Nur die von Norden nach dem Osten ausgestrahlten Fassungen haben zum Teil
das Motiv in seiner Gänze erhalten, so das estnische Märchen von der ermordeten
Schwester. Dort wird die Harfe nicht aus dem Gebein der Toten verfertigt, sondern aus dem
Birkenbaum, der an der Mordstelle gewachsen ist, was deutlich an die Rohrstengel- und
Weidenpfeifen-Fassungen unseres Märchens gemahnt. Diese Birkenharfe spielt wieder das
Schicksalslied der Ermordeten und verwandelt sich schliesslich nach verschiedenen
Zwischenmotiven in das Mädchen. In diesen und verwandten Formen lässt sich das Motiv vom
Baltikum über Schlesien und Mähren bis in die Gottschee verfolgen. Dass dabei, zunehmend
nach dem Süden, immer mehr von Geigen als von Harfen die Rede ist, kann nicht
wundernehmen.
Denn alle aus diesem Stoff abzuleitenden Folgerungen ergeben doch vor allem folgendes:
1. Das Instrument steht in den Märchenfassungen jeweils an einer funktionellen Stelle.
Es muss dort in allen Fällen ein Musikinstrument eintreten, das auf irgendeine Weise aus
dem Getöteten entstanden ist oder gewonnen wurde. Dabei ist es für die zauberische
Bekundung durch Sprechen, Singen oder Spielen nicht sehr wesentlich, um welche
Instrumentengattung es sich handelt.
2. Die Gattung des Instrumentes ergibt sich aus der betreffenden kulturhistorischen
Situation des Erzählers und seiner Gemeinschaft.
Da das Märchen von hoher Altertümlichkeit ist und allgemein als ein Spiegel
urgeschichtlicher Zustände aufgefasst wird, haben selbstverständlich viele Fassungen an
den ältesten Instrumententypen festgehalten. Dennoch kommen auch Wandlungen vor. Wo
bestimmte Instrumente stark im Vordergrund stehen, werden sie eher herangezogen als
andere. Die Berücksichtigung historisch jüngerer Instrumente in jüngeren Fassungen gibt
Anlass, hier von einer Gesetzlichkeit der Requisitverschiebung zu sprechen, die der
geläufigen Zahlenverschiebung im Märchen entspricht.
Aus diesen Folgerungen lässt sich ableiten, dass gerade das Märchen vom singenden
Knochen nicht nur für die Problematik der Musikinstrumente im Märchen, sondern auch für
die kulturhistorische Erschliessung der Musikinstrumente selbst von Bedeutung ist. Der
bedeutsamste Hinweis darauf ist die Betonung des "singenden Knochens" selbst,
also der aus einem Knochen geschnitzten Flöte. Das Vorkommen dieses Motives entspricht
nämlich durchaus nicht der Verwendung von Knochenflöten in der lebenden Volksmusik. In
Mitteleuropa kann ja heute von Knochenflöten überhaupt nicht die Rede sein. Dagegen
gehören Knochenflöten zum ältesten Instrumentenschatz der Menschheit an sich, sie
scheinen besonders in Westeuropa mindestens seit dem Miolithikum allgemein geläufig. Die
bei weitem meisten dieser verschiedenen steinzeitlichen Knochenflöten sind
selbstverständlich aus Tierknochen hergestellt. Es gibt meines Wissens nur ein Stück,
das aus einem menschlichen Röhrenknochen gearbeitet ist, nämlich die mixoneolithische
Flöte aus der Val Rossandra oberhalb Moligno di Bagnoli in Istrien. Curt Sachs hat den
zauberischen Gedanken unseres Märchens an solche Menschenknochenflöten angeschlossen und
dabei auch an die verwandten Stücke im tibetanischen Kult erinnert.
Denkt man freilich an die in den nordeuropäischen Balladen geschilderte Harfe aus den
Knochen der Ermordeten, so wird man diesen Gedankengängen nicht ganz folgen können.
Knochenflöten hat es gegeben, sogar Menschenknochenflöten. Sie spielen im Märchen eine
Rolle. Knochenharfen dagegen der geschilderten Herstellungsart hat es wohl kaum je
gegeben. Man könnte nun denken, dass im Norden, der immer ausgesprochen harfenfreudig
war, das beliebte Spielmannsinstrument an jene "funktionelle Stelle" der
Motiverzählung eingefügt wurde, wo in den mitteleuropäischen Fassungen die
Knochenflöte stand. Ein solcher Vorgang würde durchaus der Gesetzlichkeit der
"Requisitverschiebung im Märchen" entsprechen.
Hat es nun zur Zeit und in der Entstehungslandschaft des Märchens vom singenden
Knochen eigentlich auch Knochenflöten gegeben? Zieht man die indischen und die
osteuropäischen Fassungen des Märchens näher heran, so gewinnt man den Eindruck, dass
sie die älteren und vollständigeren sind, in denen die zauberische Handlung,
insbesondere die körperliche Wiederbelebung der Getöteten, am zwanglosesten erzählt
wird. Die Wiederbelebung aus dem lebenden Stoff, aus dem Rohr oder dem Baum auf dem Grab
des Toten, gehört zu einer grossen Gruppe von Erzählungen, welche mit Baumverwandlung,
Zweigglauben usw. zu der grossen Motivgemeinschaft des Lebensbaumes gehört. Die
Auferstehung aus dem musikalisch verwendeten Lebensbaum stellt sich dann vielleicht als
eine spezielle Ausformung eines allgemeiner verbreiteten Volksglaubens dar, dessen
besondere Geltung bei den indoeuropäischen Völkern deutlich erwiesen ist.
Für diese Völker gilt aber musikhistorisch nicht die Knochenflöte als ältester
Besitz. Sie scheinen vielmehr immer mit Holzinstrumenten ausgestattet. Die Rohr- und
Weidenpfeifen sind allgemeiner Volksbesitz bei ihnen geblieben. Wie sie allgemein ihre
Gebrauchskulturgüter und ihre volkskünstlerischen Erzeugnisse aus vergänglichen
Stoffen, aus Holz vor allem, gefertigt haben, so auch ihre Musikinstrumente. Die von den
Hüterbuben selbst verfertigten Kinderinstrumente bezeugen die fortdauernde Geltung dieser
Anlage.
Wenn diese Voraussetzungen zutreffen, dann könnte man schliesslich folgende
Schlussfolgerung daranknüpfen: Das Märchen von dem durch magische Musik wiedererweckten
Toten ist ebenso indoeuropäischer Herkunft wie die Flöte aus vergänglichem Material.
Beide sind mit den Indoeuropäern in urgeschichtlicher Zeit aus dem Osten nach Europa
gekommen. Auf mittel- und westeuropäischem Boden haben sie die steinzeitlichen Kulturen
angetroffen, welche Knochenflöten kannten. Nach dem Gesetz der
"Requisitverschiebung" im Märchen wurden diese Instrumente, welche zum Teil bei
der vorindoeuropäischen Bevölkerung magisch betont waren, an die "funktionelle
Stelle" eingeschoben, wie in späterer Zeit jüngere Instrumente, sobald diese in den
Gesichtskreis der Erzähler traten. Beweiskräftig erscheint dafür, dass auch in den
rezenten Märchen Knochenflöten fast nur in westdeutschen Fassungen vorkommen, wogegen in
ganz Osteuropa fast ausschliesslich Rohr- und Weidenflöten an dieser Stelle genannt
werden.
Die kulturhistorische Bestimmung von Alter und Herkunft des Märchens vom singenden
Knochen, die von der musikhistorischen Bestimmung des im Mittelpunkt des Märchens
stehenden Instrumentes ausgeht, ergibt einen neuen Zugang zum Verständnis dieser
einzelnen Erzählung und vielleicht auch der ganzen Gattung. Das wird vor allem dann
deutlich, wenn man die bisherige Forschung über dieses Märchen nachprüft. Freilich ist
dabei eben gerade die so überaus wichtige Knochenflöte für die Erschliessung der
ältesten Fassungen unberücksichtigt geblieben. Man kann jedoch angesichts der modernen
kulturhistorischen Methoden und des grossen Materials, das gerade die Musikgeschichte und
Musik-Ethnologie für diese bereitgestellt hat, heute nicht mehr so vorgehen. Auch für
die Märchenforschung lässt sich dadurch mehr als bisher erkennen. Für die musikalischen
Züge in den Märchen wird aber dabei besonders viel zu erheben sein. Sehr alte Schichten
der Volksmusik leben hier mit einer noch nicht zu Bewusstsein gebrachten Stärke fort, und
aufmerksame Beobachtung und strenge Handhabung der modernen Forschungsmethoden werden für
beide Gebiete, die sich hier so reizvoll treffen, für das Märchen wie für die Musik,
wichtige Erkenntnisse ergeben.
Quelle: Musikerziehung 3, 1950. p. 144-148, gekürzt und sprachlich leicht
angepasst.
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