Lieb wie das
Salz 923
Märchentyp AT: 923
Grimm KHM: Die Gänsehirtin am Brunnen 179
Ein König (Graf,
Vater, Ehemann) will wissen bzw. sein Reich vererben,
welche seiner drei Töchter (Frau) ihn am meisten liebt.
Die Älteste sagt, sie liebe ihn wie das Gold, die
Mittlere wie Edelsteine oder andere Kostbarkeiten. Die
Jüngste jedoch erwidert, sie liebe ihn wie das Salz.
Darüber gerät der König in Zorn und verstösst die
jüngste Prinzessin. Auf ihrem Weg gelangt sie zu einem
Schloss, wo sie als Magd unerkannt dient und einen Prinzen
heiratet. Die junge Königin lädt zum Hochzeitsmahl ihren
Vater ein, dem sie ungesalzene Speisen vorsetzen lässt.
Dadurch erkennt er sie wieder und bereut sein Verhalten.
Anmerkung
Das Märchen ist vor allem in West- und Mitteleuropa
verbreitet. Es gehört zum Aschenputtel-Motiv, AT 510A
Aschenputtel, AT 510B Allerleirauh, und ist nicht nur oft
damit verbunden, sondern erscheint in diesem Stoff auch
als Einleitungsmotiv. Die Frage des Vaters, welche Tochter
ihn am meisten liebt, ist vor allem von Shakespeare in
seinem Stück "König Lear" von 1606
dramaturgisch bearbeitet und bekannt. Ein ähnliches
Lear-Motiv berichtet schon der englische Historiker
Geoffrey of Monmouth (um 1135), so dass wir hier eine
literarische Tradition zurückverfolgen können. Das
eigentliche Lear-Motiv - Verstossung des kranken Königs
durch die älteren Töchter - fehlt in den meisten
Fassungen der Volkstradition.
Literatur
Bode, E.: Die Learsage vor Shakespeare. Halle
1904.
Cox, M.E.R.: Cinderella.
Three Hundred and Forty-five Variants of Cinderella,
Catskin and Cap o'Rushes Abstracted and Tabulated with a
Discussion of Medieval Analogues and Notes. London 1893.
(reprinted 1967)
Dundes, A.: To love my father all. In: Southern
Folklore Quarterly 40, 1976. p. 353 ff.
Köhler, R.: Lieb wie Salz. In: Aufsätze über
Märchen und Volkslieder. Berlin 1984.
Schenkel, K.: Die Gänsehirtin am Brunnen. In:
Germania 11, 1866. p. 450.
Schmitt, C.: Lieb wie das Salz. In: EM 8, p.
1038-1042.
Märchen
>> Das grosse Buch der
Zaubermärchen
Hinweise
Bei Grimm nach einer Erzählung aus Wien von Andreas
Schumacher in Kletkes Almanach deutscher Volksmärchen
1840 S. 36, Nr. 2 "Die Gänsehüterin". Die
mundartliche Fassung steht in Schumachers Wiener
Gesellschafter 1833 und danach in Kletkes Märchensaal 2,
320 (1845) "D’Ganslhiadarin"; vgl. Hamann, die
literarischen Vorlagen der KHM, S. 91.
Das Märchen gehört zu der Gruppe von Aschenputtel,
Allerleirauh und Einäuglein. Die Hexe entspricht der
fürsorglichen Fee oder Patin, die alte Haut, dem
Krähenpelz oder Eselsfell in Allerleirauh und Peau d’âne;
und schöner als im französischen Märchen wirkt die
Belauschung der vertriebenen Jungfrau an der Quelle.
Unvollständig aber ist das Motiv "Lieb wie das
Salz" (1) durchgeführt; es fehlt die Beschämung des
alten Königs, der durch die ungesalzenen Speisen den Wert
des Salzes erkennt und eingesteht, die Versicherung seiner
jüngsten Tochter, sie liebe ihn wie das Salz, sei kein
Spott gewesen. (vgl. "Prinzessin Mäusehaut",
Grimm 1812, Nr. 71; BP 2, 47)
(1) Auf die Verwandtschaft mit den Fragen Lears
an seine drei Töchter bei Shakespeare machte Schenkl,
Germania 11, 450 aufmerksam. - Auch die wegen eines
Traumes von künftiger Herrlichkeit (BP 1, 324)
verstossene Tochter nimmt später den Vater liebevoll auf.
- Im norwegischen Märchen antwortet die Frau auf die
Frage, wie lieb sie ihren Gatten habe: "Wie den Wind
im warmen Sonnenschein."
Schwedisch: "Salt och bröd". Zum Schluss
verstösst der König die beiden älteren Töchter, die
versichert hatten, sie liebten ihn wie Gott im Himmel oder
wie sich selbst. - Englisch "Sugar and salt". -
Französisch "La pouilleuse"; "Le sel de la
princesse"; "La gardeuse de dindons". Der
Vater wird von den beiden älteren Töchtern aus dem Lande
getrieben wie König Lear und durch einen treuen Diener
ernährt. - Rätoromanisch: "La princeesa, che haveva
bugien siu bab sco il sa". Ein Fisch spendet die
Schachteln mit Kleidern. - Italienisch: "Marie, la
fille du roi". Das Salz wird in der Antwort der
Prinzessin nicht erwähnt. Prinz belauscht die
Ziegenhirtin im Eselsfell. "La scartozze de
sale". Die Hühner singen von der Schönheit ihrer
Hüterin, Prinz lauscht und raubt das abgelegte Fell;
"La fòla dèl candlir". Zizola soll getötet
werden, verbirgt sich aber auf Veranstaltung der Mutter in
einem Leuchter; "Occhi-marci". Die Amme kauft
ihr die Haut eines alten Weibes; "La
sendraroeula". Flüchtige Heldin in Eselshaut von
Hexen beschenkt; "Come `l bon sale". Von einer
alten Frau erhält die Heldin ein Stäbchen, das sie in
eine Greisin verwandelt, sobald sie es in den Busen
steckt; "L’acqua e lu sali". Der Zauberer
lässt sich von der Hochzeit der Heldin töten und
verwandelt sich in Gold und Edelsteine; "Il padre
santo"; "Il re di Francia"; "Lu
sali". - Maltesisch: "Die kluge
Königstochter". - Slovakisch: Die jüngste Tochter
bringt dem erkrankten Vater Salz und weist mit einer
Wünschelrute ein Salzbergwerk nach. - Polnisch: Im
Gasthaus, wo die jüngste Tochter dient, setzt sie dem
Vater Kartoffeln ohne Salz vor. - Indisch: "The
princess who loved her father like salt" -
Berberisch: "Von einem Könige und seinen drei
Töchtern". Bekannte Fassungen bespricht M. C. Cox,
Cinderella, p. 80-86, 469-471.
Variantenverzeichnis
>> Märchen-Suchdienst
Die Gänsehirtin am Brunnen.
Grimm/KHM 179
Nothwendigkeit des Salzes. Zingerle/Tirol 1,31
So lieb wie das Salz. Meier/Deutschland 27
Das Unentbehrlichste. Bechstein/Deutschland 22
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