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Die Prinzessin in der Erdhöhle 870

Märchentyp AT: 870
Grimm KHM: Jungfrau Maleen 198


Eine schöne Prinzessin wird von ihrem Vater in einer in einen Hügel gegrabenen Kammer eingeschlossen, um sie vor einem Freier zu schützen, den der König abgewiesen hatte und der deshalb einen Krieg begann. Sie hat ihre beiden älteren Schwestern, einen Hund und Verpflegung für sieben Jahre bei sich. Der König stirbt, das Land wird eingenommen, und niemand weiss, wo sich die Prinzessinnen befinden. Nach sieben Jahren geht das Essen zu Ende und nur die jüngste Prinzessin überlebt. Allein unternimmt sie den Versuch, sich auszugraben, und es gelingt ihr, indem sie ein Mauseloch vergrössert. Draussen erfährt sie, dass der junge König, ihr früherer Bräutigam, heiraten werde, und sie erhält eine Stellung in der Küche des Schlosses. Die Braut aber erwartet von einem anderen ein Kind und bittet das neue Küchenmädchen, das ihr nicht unähnlich ist, sie zu vertreten. Während des Rittes zur Kirche auf ihrem eigenen, alten Pferd, sagt sie einen Vers nach dem anderen mit Anspielungen auf das Gewesene vor sich hin. Der König gibt ihr beim Altar einen Handschuh, den sie niemand anderem geben darf als ihm. Als sie heimkommen, will die Braut wissen, was das Küchenmädchen gesagt hat, um die Fragen des Königs beantworten zu können. Sie erfährt es, aber als der Handschuh übergeben werden soll, muss es das Küchenmädchen unter dem Mantel der Braut machen. So erfährt der König, wer den Handschuh hatte, und sagt, er wolle diejenige haben, mit der er getraut wurde.


Anmerkung

So wurde das Märchen in den Hauptzügen erzählt, als es um das Jahr 1300 im nördlichen Jütland, auf einer dort noch lebendigen Sage aufbauend, die in Saxos 7. Buch wiedergegeben ist, entstand. Schon auf Seeland schmuggelten sich fremde Züge u.a. aus 425C (Amor- und Psyche) ein. Von dort aus verbreitete sich das Märchen mit einigen Varianten teils nach Nordwestdeutschland, teils nach Norwegen, Island, Schweden und Finnland.


Literatur

Arfert, P.: Das Motiv von der unterschobenen Braut in der internationalen Erzählungslitteratur. Rostock 1897.
Göttner-Abendroth, H.: Die Göttin und ihr Heros. München 1993.

Göttner-Abendroth, H./Derungs, K. (Hg.): Mythologische Landschaft Deutschland. Bern 1999.
Karlinger, F.: Menschen im Märchen. Wien 1994.
Liebers, C.: Neolithische Megalithgräber in Volksglauben und Volksleben. Frankfurt, Bern, New York 1986.
Lüthi, M.: So leben sie noch heute. Göttingen 1969.
Marold, E.: Die Königstochter im Erdhügel. In: Festschrift für O. Höfler. Wien 1968.
Meier, J.: Der Brautstein. Bern 1996.
Olrik, A.: Die Königstochter im Hügel. In: Zeitschrift für Volkskunde 2, 1892, p. 367-370.


Märchen

>> Das grosse Buch der Zaubermärchen


Hinweise

Maleen, Marlene ist abgekürzt aus Maria Magdalena. Der Schlussreim "Kling klang kloria, ser sitt in diesen Thoria" usw. gehört einem Kinderspiel von der vermauerten Königstochter an. Holsteinisch: "De Könisdochter in'n Keller" wird (A) die Königstochter, die ihrem Verlobten treu bleiben will, von dem ergrimmten Vater samt ihrer Dienerin in einem unterirdischen Gemach verschlossen; (B) als die beiden nach sieben Jahren nichts mehr zu essen haben und auch die im Keller wachsenden Nesseln verzehrt sind, schlüpft die Prinzessin durch die morsch gewordene Tür hinaus, nachdem ihre Dienerin durch die davor gelagerten Löwen zerrissen worden ist, und findet ihres Vaters Burg niedergebrannt und öde. (C) Im Schloss ihres einstigen Verlobten nimmt sie unerkannt als Küchenmagd Dienst an und wird von dessen Braut, welche in Kindsnöten ist, gezwungen, in ihrem Kleid an der Seite des Prinzen zur Trauung zu gehen. (D) Wie sie in der ersten Fassung auf dem Kirchgang durch Anreden an den Nesselbusch, die Brücke und Kirchtür und durch Erwähnung des Namens Maleen des Prinzen Erinnerung weckt, so spricht sie hier am Keller vorüberschreitend:

Nettel, Nettel grön,
Wat steihs du hier so schön!
Wie oft hab ich dich ungesalzt
Und ungeschmalzt gegessen!
Vor dem abgebrannten Schloss ihres Vaters:
Hier liegen die schneeweissen Falken
Von meines Vaters Hausbalken.

Und weiterhin:
Hier stehen die schönen Linden,
Die ich gepflanzet hab mit meinem goldnen Ringe.

(E) Aus der Kirche zurückgekehrt, gibt sie der Braut ihr Kleid zurück; als abends der Prinz diese nach den unterwegs gesprochenen Worten fragt, muss sie jedesmal hinausgehen und sich bei der Magd Bescheid holen. Als er aber die Halskette sehen will, die er ihr umgelegt und deren Schlüssel er bei sich behalten hat, kommt die Wahrheit an den Tag. (F) Er verstösst die falsche und behält die ihm angetraute Braut.

Die zahlreichen dänischen Fassungen versetzen durchweg die Heldin in einen Erdhügel, aus dem sie sich nach sieben Jahren herausgräbt, und bezeichnen als den Grund, aus dem die Braut beim Kirchgang eine Stellvertreterin wählt, gleich der zweiten holsteinischen Aufzeichnung ihre Schwangerschaft, nicht ihre Hässlichkeit. Nur Fintkongs Tochter Usmatone wagt die Kirche nicht zu betreten, weil sie eine Hexe ist.

In der schwedischen Variante "Die Prinzessin in der Erdhöhle" wird Åsa, die in andern Aufzeichnungen Klara oder Lossamente heisst, durch einen Wolf, dem sie dafür ihren Hund ausliefern muss, übers Wasser getragen. Sie vollendet für die Braut das Goldgewebe und wäscht die Flecken aus dem Handtuch, das sie einst selber ihrem Verlobten als Erinnerungszeichen übergeben hatte. Unter ihren Reimversen, die zu den dänischen stimmen, ist einer an die Linde gerichtet, unter der sie mit dem Prinzen die Ringe tauschte. - Ein isländisches Märchen ist in ziemlich äusserlicher Weise mit der Tristansage verknüpft. Hier wird die blonde Isól nicht vom Vater aus Besorgnis vor dem Ausgang des gefährlichen Krieges in einer Erdhöhle geborgen, sondern wird von ihrer Stiefmutter nebst ihren zwei Dienerinnen in eine tiefe Grube gestossen. Sie entrinnt aber glücklich und kehrt unerkannt als Magd unter dem Namen Næfrakolla an den Hof zurück, wo ihr Jugendgespiele und Verlobter Tistram, der von der argen Königin einen Vergessenheitstrank erhalten hat, mit ihrer Stiefschwester, der schwarzen Isóta, Hochzeit halten soll. Da diese aber eben heimlich ein Kind geboren hat, muss statt ihrer Næfrakolla in bräutlichem Schmuck mit Tistram in den Wald reiten. Sie grüsst in Reimversen die Trümmer des Vaterhauses, den Bach, der ihr Verlöbnis mit Tistram gesehen, und die Grube, in der ihre beiden Mägde gestorben sind. Als Tistram abends daheim Isóta fragt, was sie unterwegs gesagt habe, und den Trug entdeckt, ersticht er in der Wut die Braut und deren Mutter und vermählt sich mit Næfrakolla.

"Der Fluch der Patin" und "Hindeprinsessen"; dort ist die Prinzessin verwünscht, in der Hochzeitsnacht zu einem Sperling oder Reh zu werden, und ihre Dienerin tritt an ihre Stelle, bis der Gatte im rechten Augenblick die Tierhaut verbrennt oder durch einen Schwerthieb den Zauber bricht. In andern Dichtungen weigert sich die Dienerin, nach der Hochzeitsnacht der Herrin ihren Platz wieder einzuräumen, und wird von ihr getötet, oder ein wahrsagender Gegenstand, das Bett, das Schwert oder eine Nachtigall, die der Bräutigam über die Keuschheit seiner Braut befragt, offenbart ihm die Unterschiebung der Dienerin. So bewegt in einer dänischen Erzählung "Bitte Mette", die in der zweiten Hälfte zu unserm Märchen stimmt, die vornehme Braut das Schäfermädchen Mette, in ihrem Gewand zur Hochzeit zu gehen, weil sie befürchtet, von dem wahrsagenden Stein vor des Prinzen Tür der Unkeuschheit geziehen zu werden, wie es vordem schon drei vom Prinzen erkorenen und verstossenen Bräuten ergangen ist. Ebenso das Gänsemädchen Aase im norwegischen Märchen.

Der Eingang unsres Märchens von der im Erdhügel verborgenen Königstochter ist, ein altes nordeuropäisches Sagenmotiv. Nach Saxo Grammaticus versteckte der norwegische König Regnald, als der schwedische Seeräuber Gunnar sein Land verheerte, seine einzige Tochter Drott mit Dienern und Speise in einer unterirdischen Höhle; er wurde aber im Kampf von Gunnar erschlagen, der nach der Prinzessin suchte, sie in der Höhle auffand und zu seiner Frau machte. In einer dänischen Volkssage werden die drei versteckten Königstöchter durch das Bellen ihres Hündchens den wilden Kämpen, die ihren Vater erschlagen, verraten, erstechen sich aber, um jenen nicht in die Hände zu fallen.


Variantenverzeichnis

>> Märchen-Suchdienst

Das Gesicht. Basile/Italien 3,3
Jungfrau Maleen. Grimm/KHM 198
Siebenschön. Bechstein/Deutschland 39


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