Der schwimmende
Stein 746*
Märchentyp AT: 746*
Grimm KHM:
Eine Stiefmutter beschliesst, ihre
Stieftochter in einen grossen Stein einzumauern und diesen
in einem See zu versenken. Die Stiefschwester achtet
darauf, dass der Stein gut eingerichtet wird und dass er
schwimmen kann, und geht gemeinsam mit der Stiefschwester
hinein. Der Stein wird von der Strömung weggeführt und
kommt nach und nach zu einem Schloss. Die Mädchen gehen
auf eine Wiese, um Essen zu beschaffen, und werden dort
von einem Prinzen und seinem Begleiter getroffen, die sie
dann später heiraten.
Anmerkung
Das Motiv des sich öffnenden und schliessenden Steines
dürfte auf die Architektur alter Stein-Grabanlagen
zurückzuführen sein, denn mit "Stein" ist wohl
die steinerne Grabkammer gemeint. Anschaulich lässt sich
dies an verschiedenen Megalithstätten studieren, die Orte
der Ahnen, des Todes und der Wiedergeburt waren. Das Motiv
des schwimmenden Steines deutet darauf hin, dass wir uns
in der Jenseitswelt (der "verkehrten" Welt)
befinden, wo oft die Gesetze des Diesseits gleichsam
gespiegelt vorkommen. Andererseits sind Steinstätten und
megalithische Grabanlagen gefunden worden, die eine
Schiffsform aufweisen. Vergleichen wir also den
mythologischen Gehalt des Zaubermärchens mit
mythologischen Anlagen in der Archäologie, so ist das
Märchen durchaus realistisch, wenn wir die Zusammenhänge
zu verstehen versuchen. Das Märchen selbst ist äusserst
selten, eine Referenz verweist auf eine Erzählung in
Schweden, wo eine entsprechende Megalithkultur vor 3000
Jahren bestand.
Literatur
Derungs, K.: Amalia oder Der Vogel der Wahrheit.
Mythen und Märchen aus Rätien im Kulturvergleich. Chur
1994.
Meier, J.: Der Brautstein. Frauen, Steine und
Hochzeitsbräuche. Bern 1996.
Propp, V.J.: Die historischen Wurzeln des Zaubermärchens.
München 1987.
Reden, S.v.: Megalithkultur. In: Mythologische
Landschaft Deutschland. Hrsg. von Heide Göttner-Abendroth
und Kurt Derungs. Bern 1999.
Ranke, K.: Brautstein und Rosengarten. In: John
Meier: Der Brautstein. Bern 1996.
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