Die Schwarze
  Madonna 710
  Märchentyp AT: 710
  Grimm KHM: Marienkind 3
  
  
  Aus Armut will sich ein Mann im
  Wald erhängen und trifft eine schwarze Frau oder Maria.
  Diese verspricht ihm gegen Gaben, seine Tochter mit sich
  zu nehmen und gut für sie zu sorgen. Der Mann willigt
  ein, und die Frau wird die Patin des Mädchens. Dieses
  darf alle Zimmer öffnen ausser eines, von denen sie die
  Schlüssel bekommt, während die Patin abwesend ist. Das
  Mädchen besichtigt das verbotene Zimmer (in dem die Patin
  als Nixe badet, tanzende Geister hausen oder lässt die
  Gestirne heraus), will aber ihre Übertretung nicht
  eingestehen, obwohl sie durch ihre Neugierde ein
  unauslöschliches Zeichen am Finger erhalten hat. Sie
  befindet sich dann plötzlich wieder auf der Erde,
  manchmal stumm auf einem Baum sitzend. Dort wird sie von
  einem König gefunden, der sich mit ihr gegen den Willen
  seiner Mutter verheiratet. In der Nacht raubt ihr die
  Patin Kind um Kind und schmiert ihr Blut um den Mund. Das
  Mädchen will nämlich noch immer nicht sagen, was sie in
  dem Zimmer gesehen oder getan hat, und wird schliesslich
  wegen Kindesmord zum Verbrennungstod verurteilt. Auf dem
  Scheiterhaufen erscheint ihr dann die Patin. Nun gesteht
  sie ihren Fehler, wird wieder Königin und erhält die
  Kinder zurück. Dadurch ist auch die Patin von einem
  Unheil erlöst.
  
  
  Anmerkung
  
  Dieses Märchen hat den Stoff von 332 (Gevatter Tod)
  übernommen, wobei die Jungfrau Maria sowohl als Patin als
  auch als Gabenspenderin die Stelle des Todes einnehmen
  durfte. Gleichzeitig ist das Märchen aber vom Jephtamotiv
  in 425 (Amor- und Psyche) beeinflusst worden. Es baut dann
  aber auf dem Motiv über das verbotene Zimmer auf in einer
  Form, die der klassischen Erzählung des dritten
  Kalendermönchs in Tausendundeiner Nacht nahesteht oder
  beispielsweise der des fünften Wesirs in der arabischen
  Version der Sieben weisen Meister, aber gleichzeitig ist
  ein Einschlag von 314 (Der Goldhaarige) zu bemerken.
  Der zweite Teil ist aus dem ebenfalls ursprünglich
  orientalischen Motiv von der verleumdeten und verjagten
  Frau in 707 oder zu 712 (Crescentia) und, was den Schluss
  betrifft, dem nahe verwandten 451 (Die zwölf Schwäne)
  mit dem Stummheitsmotiv, dem Scheiterhaufen und der im
  letzten Augenblick geschehenen Rettung zusammengesetzt
  (vgl. auch 887 Griseldis). Ein Blick auf die
  Entstehungsgeschichte dieser Märchen zeigt, dass sie -
  abgesehen vom Amor- und Psyche-Märchen - sich in Europa
  nicht weiter zurück als bis ins Mittelalter erstrecken,
  und möglicherweise sind sie, besonders wenn wir an die in
  diesem Fall spät hereingekommenen orientalischen
  Vorbilder denken, erst in der Neuzeit entstanden. Die von
  einigen Forschern erwähnten Varianten bei Straparola
  (I,4) und Basile (I,8) stehen dem Märchen eigentlich
  ziemlich fern.
  Man kann zwei Typen des Märchens unterscheiden. Im
  ersten ist die Jungfrau Maria das übernatürliche Wesen,
  im zweiten ist es ein böses, verzaubertes, schwarzes
  weibliches Wesen, manchmal in Melusinengestalt, manchmal,
  wie in Schweden, "das Schwarze Fräulein"
  genannt. Beide Typen sind ihrer Struktur nach unlogisch.
  Von der Jungfrau Maria kann man sich nicht gut vorstellen,
  dass sie ein Kind raubt und dabei, wie es oft heisst, der
  Mutter Blut um den Mund streicht; und ein böses
  weibliches Wesen wird sich kaum, wie es im Märchen
  heisst, ohne eigenen Vorteil eines Kindes annehmen. Sucht
  man aber die Erklärung in einer Art Erlösung der bösen
  Frau, so reimt sich dies kaum damit, dass das Kind, dessen
  sie sich angenommen hat, stumm wird und in seiner
  Verlogenheit verharrt.
  Die Behauptung, dass Schweden es nicht zuliess, dass
  die Jungfrau Maria ihren Charakter beibehalte, sondern sie
  in eine böse Hexe verwandelte, ist nicht richtig. Die
  Jungfrau-Maria-Version kann im Gegenteil, gerade als den
  Ländern mit vorwiegend protestantischem Glauben
  zugehörig angesehen werden und die Version mit dem bösen
  verzauberten Wesen den südlicheren, katholischen. Die
  Ursache zu den verschiedenen Charakteren dieser Varianten
  liegt auch auf einer ganz anderen Ebene. In Wirklichkeit
  sind beide Versionen gleichermassen missverstanden. Das
  schwarze, böse weibliche Wesen stammt von den schwarzen
  Marienbildern der katholischen Kirche her, mit Ahnen in
  den schwarzen Demeter-Standbildern der Antike. Bei diesen
  schwarzen Marienbildern unterscheidet man eine östliche,
  hauptsächlich slawische, und eine westliche Gruppe. Zur
  letzteren gehören das Gebiet um den Mittelrhein,
  Oberbayern, Süd- und Südwesteuropa. Nach allem zu
  urteilen ist das Märchen auch unter den Katholiken im
  Gebiet des Mittelrheins oder in Oberbayern entstanden, wo
  sowohl das Märchen als auch schwarze Marienbilder reich
  vertreten sind. In Hessen, nicht allzuweit von Franken, wo
  332 (Gevatter Tod) entstanden ist, gibt es eine alles
  klarlegende Variante, die im Jahr 1807 den Brüdern Grimm
  von Gretchen Wild erzählt wurde und die der Urform
  ziemlich nahestehen dürfte.
  Die Variante beginnt mit einem Jephta-Motiv, das mit
  einem Ziehmutter- oder Patinnenmotiv zusammengelegt wurde,
  und sie lässt dann die "Schwarz Jungfrau" durch
  und durch gut sein, wenn auch von der Strenge der
  Gerechtigkeit durchdrungen. Sie schlägt sogar ihre
  Ziehtochter auf den Mund. Aber nicht sie ist es, die der
  Ziehtochter die Kinder raubt; nicht sie ist es, die ihr
  Blut um den Mund schmiert, sondern die Intrigantin ist wie
  in den Vorbildern des Märchens aus dem Kreis Die
  verleumdete und verstossene Gattin (am ehesten 707 und 712
  sowie 451) eine Verwandte von ihr, in diesem Fall ihre
  Schwiegermutter. Als die Ziehtochter zum Tode auf dem
  Scheiterhaufen verurteilt wird, tritt die "Schwarze
  Jungfrau" als Retterin auf, gibt ihr das
  Sprechvermögen wieder und später die Kinder, die die
  Schwiegermutter in den See geworfen hatte. Der Betrug wird
  ans Licht gebracht und die Schwiegermutter bestraft.
  Die Logik des Märchens erscheint somit anfangs
  einwandfrei, doch haben die Erzähler den Zusammenhang
  bald missverstanden und die Schwiegermutter und die Patin
  (d.h. die Schwarze Madonna) zu einer Person gemacht, und
  diese Gestalt wurde einmal als überwiegend gut, ein
  andermal als überwiegend böse dargestellt.
  
  Literatur
  Bottigheimer, R.B.: Marienkind, In: Arv 46,
  1990, p. 7-31.
  Früh, S./Derungs, K.: Schwarze Madonna im
  Märchen. Mythen und Märchen von der Schwarzen Frau. Bern
  1998.
  Derungs, K.: Struktur des Zaubermärchens II. Hildesheim,
  Zürich, New York 1994.
  Derungs, K.: Amalia oder Der Vogel der Wahrheit. Mythen
  und Märchen aus Rätien im Kulturvergleich. Chur 1994.
  Drascek, D.: Marienkind. In: EM 9, 1999. p. 336 ff.
  Schenda, R. (Hg.): Das Märchen der Märchen. Das
  Pentamerone. Giambattista Basile. München 2000, p. 582.
  Schweickert, H.: Der Märchentypus vom Marienkind.
  Heidelberg 1924.
  Seifert, E.K.: Untersuchungen zu Grimm’s Märchen Das
  Marienkind. München 1952.
  
  Märchen
  >> Golden-Curls
  and How She Kept Silent
  
  Hinweise
  Nach einer andern Erzählung geht der arme Mann, da er
  seine Kinder nicht ernähren kann, in den Wald und will
  sich erhenken. Da kommt ein schwarzer Wagen mit vier
  schwarzen Pferden; eine schöne, schwarzgekleidete
  Jungfrau steigt aus und sagt ihm, er werde in einem Busch
  vor seinem Haus einen Sack mit Geld finden, dafür solle
  er ihr geben, was im Hause verborgen sei. Der Mann willigt
  ein, findet das Geld, das Verborgene aber ist das Kind im
  Mutterleib. Als es geboren ist, kommt die Jungfrau und
  will es abholen, doch weil die Mutter so viel bittet,
  lässt sie es noch bis zum zwölften Jahr. Dann führt sie
  es fort zu einem schwarzen Schloss; alles ist prächtig
  darin, es darf an alle Orte hin, nur nicht in eine Kammer.
  Vier Jahre gehorcht das Mädchen, da kann es der Qual der
  Neugierde nicht länger widerstehen und guckt durch einen
  Ritz hinein. Es sieht vier schwarze Jungfrauen, die, in
  Bücherlesen vertieft, in dem Augenblick zu erschrecken
  scheinen; seine Pflegemutter aber kommt heraus und sagt:
  "Ich muss dich verstossen; was willst du am liebsten
  verlieren?" "Die Sprache", antwortet das
  Mädchen. Sie schlägt ihm auf den Mund, dass das Blut
  hervorquillt, und treibt es fort. Es muss unter einem Baum
  übernachten, da findet es am Morgen der Königssohn,
  führt es mit sich fort und vermählt sich, gegen seiner
  Mutter Willen, mit der stummen Schönheit. Als das erste
  Kind zur Welt kommt, nimmt es die böse Schwiegermutter,
  wirft es ins Wasser, bespritzt die kranke Königin mit
  Blut und gibt vor, sie habe ihr eigen Kind gefressen. So
  geht es noch zweimal, da soll die Unschuldige, die sich
  nicht verteidigen kann, verbrannt werden. Schon steht sie
  in dem Feuer, da kommt der schwarze Wagen, die Jungfrau
  tritt heraus, geht durch die Flammen, die sich gleich
  niederlegen und erlöschen, hin zu der Königin, schlägt
  ihr auf den Mund und gibt ihr damit die Sprache wieder.
  Die drei andern Jungfrauen bringen die drei Kinder, die
  sie aus dem Wasser gerettet haben. Der Verrat kommt an den
  Tag, und die böse Schwiegermutter wird in ein Fass getan,
  das mit Schlangen und giftigen Nattern ausgeschlagen ist,
  und wird einen Berg herabgerollt.
  In diesen und den verwandten Märchen handelt es sich
  teils um eine dem Mädchen auferlegte Prüfung des
  Gehorsams oder der Geduld im Leiden, teils um die
  Erlösung eins verzauberten Wesens durch standhaftes
  Schweigen, obwohl der Grundgedanke nicht immer klar
  entwickelt ist. Wir können drei Gruppen unterscheiden;
  entweder ist es die Jungfrau Maria, die ihrem Paten- oder
  Pflegekinde die Probe des verbotenen Zimmers (oder des
  verbotenen Rosenstockes oder das Hühnleinhüten)
  auferlegt, oder wie in unsrer zweiten Erzählung eine
  geheimnisvolle schwarze Frau, die wie Melusine zu gewissen
  Zeiten Tiergestalt annehmen muss oder der Erlösung harrt,
  oder drittens ein Mann.
  Als eine grüne Eidechse tritt im italienischen
  Märchen bei Basile 1, 8 die Fee auf; da das von ihr
  erzogene arme Mädchen nach ihrer Erhebung zur
  Königsbraut ihrer Pflegerin undankbar begegnet,
  verwandelt sie ihr Antlitz in das einer Ziege; der König
  setzt sie mit einer Magd in eine Kammer und heisst sie
  spinnen und einen Hund pflegen; erst als sie die Fee um
  Verzeihung gebeten, gibt ihr diese ihre Schönheit
  zurück. In der Erzählung aus den Abruzzen verbietet die
  Fee der Pflegetochter, einen Granatapfel zu pflücken. In
  der aus Pisa bekennen die älteren Töchter des Holzhauers
  der Fee, die verbotene Tür geöffnet zu haben, und werden
  getötet; die dritte leugnet standhaft ihre Tat. Im
  cechischen Märchen erblickt Mariška im verbotenen Zimmer
  ihrer Patin ein nickendes Gerippe und verliert, da sie
  leugnet, die Sprache; da sie aber auch auf dem
  Scheiterhaufen hartnäckig bleibt, erklärt die Patin, sie
  sei jetzt durch sie erlöst. Bei Kubin sieht das Mädchen
  durch das Schlüsselloch, dass ihre Gevatterin halb Frau,
  halb Fisch ist. Bei Mikšícek befreit Karolinka durch
  ihren Ungehorsam zwölf Greise, diese bringen zum
  Scheiterhaufen die Kinder, die "weisse Frau"
  wird ins Feuer geworfen. Bei Kulda gerät Pepinka in ein
  Räuberhaus, betritt das von der alten Frau verbotenen
  Zimmer und wird von dem Kruzifix beschworen, nie zu
  gestehen, dass sie dort gewesen; durch eine Granatenschnur
  in Zauberschlaf versenkt, wird sie vom König gefunden und
  erweckt. Ebenso flehen bei Rimanskí zwölf verwünschte
  Menschen im hundertsten Zimmer das Mädchen um Schweigen
  an, und dieses befreit durch Standhaftigkeit sie und ihre
  Pflegemutter. Bei Czambel erblickt Mariechen in der
  verbotenen dreizehnten Stube die Zauberin selbst; ebenso
  schaukelt sich die Gevatterin, "Jungfrau Maria die
  Verwünschte", in der 13. Stube auf einer feurigen
  Schaukel.
  Ein schwarzes Männlein erscheint im schwäbischen
  Märchen (Rosenstock nicht berühren). Ein schwedisches
  Märchen vom Graumantel, das auch mit dem vom
  Löweneckerchen (KHM 88) zusammenhängt, hat H. R. v.
  Schröter in Ostgotland aufgezeichnet: Ein König hat drei
  Töchter und liebt vorzüglich die jüngste. Einmal
  verirrt er sich im Wald; wo er hinaus will, immer tritt
  ihm ein Mann in grauem Mantel entgegen. "Wenn du fort
  willst", sagt er, "so gib mir das erste lebende
  Wesen, was dir bei deiner Ankunft begegnet." Der
  König denkt "Das wird wie immer mein Windspiel
  sein", und sagt ja. Es ist aber seine jüngste und
  liebste Tochter. Er schickt die beiden ältesten dem
  Graumantel nacheinander in den Wald hinaus, aber dieser
  sendet jede reich beschenkt zurück. Graumantel erhält
  nun die jüngste, führt sie in ein prächtiges Schloss
  und schenkt ihr alle Herrlichkeiten darin, nur verbietet
  er ihr, eine einzige Luke im Fussboden des Zimmers zu
  öffnen. Er zeigt sich nur beim Essen, wo er sie bedient;
  nachts im Traum erscheint ihr ein schöner Jüngling.
  Einmal, als Graumantel abwesend ist, überwältigt sie die
  Neugierde, sie öffnet die Luke und sieht darunter gerade
  den Graumantel stehen. Indem kommt er auch aus der Ferne
  daher gegangen und fragt zornig: "Was hast du unter
  der Luke gesehen?" Sie kann vor Schrecken nicht
  antworten und fällt wie tot zur Erde nieder; beim
  Erwachen ist das Schloss mit allen Herrlichkeiten
  verschwunden, und sie befindet sich in einer Wildnis. Hier
  erblickt sie auf der Jagd ein König und nimmt sie mit,
  und wegen ihrer Schönheit macht er sie zu seiner
  Gemahlin. Wie sie aber bei der Trauung ja gesagt hat,
  vergeht ihr die Sprache, und sie wird stumm. Sie bringt
  einen Sohn zur Welt, Graumantel erscheint und fragt, was
  sie unter der Luke gesehen habe; und da sie vor Schrecken
  nicht antwortet, so nimmt er das Kind mit und macht ihr
  den Mund blutig. Ebenso beim zweiten Knaben; das lässt
  der König noch hingehen, als aber beim dritten Mal sich
  dasselbe ereignet, so soll sie als Hexe verbrannt werden.
  Schon steht sie auf dem Scheiterhaufen, da erscheint der
  Graumantel und fragt abermals: "Was hast du in der
  Luke gesehen?" Sie überwindet da ihre Angst und
  sagt: "Dich sah ich, du abscheulicher
  Graumantel". In demselben Augenblick fällt der graue
  Mantel wie Asche zusammen, und der schöne Jüngling, den
  sie im Traum gesehen, steht vor ihr. Er nimmt sie mit auf
  sein Schloss, wo sie ihre drei Kinder findet, und erzählt
  ihr, eine Waldfrau, deren Liebe er verschmäht, habe ihn
  so verwandelt, dass sein Leib unsichtbar, nur der graue
  Mantel sichtbar sein solle; und erlöst könne er nur
  werden, wenn eine Königstochter mit ihm getraut würde,
  ihn liebe und drei Söhne mit ihm zeuge, ihn gleichwohl so
  hasse, dass sie vor seinem Anblick erschrecke und sich
  abwende.
  Aus Algier: "La femme qui se sauva de chez un
  ghoul". Wie im schwedischen Märchen vom Graumantel
  belauscht die Heldin den Dämon, welcher Eselfleisch
  kocht, und wird von ihm, weil sie beständig leugnet,
  etwas von seinem Tun gesehen zu haben, in ein fernes Land
  getragen und überall, wo sie Aufnahme findet, verfolgt.
  Die Kaufleute, die ihr Barmherzigkeit erweisen, finden
  morgens ihre Waren vernichtet; der Königssohn, der sie
  heiratet, sperrt sie in den Hühnerstall, weil er glaubt,
  sie habe ihre beiden Kinder nachts gefressen. Da klagt sie
  einer hölzernen Schüssel und einem Dolche ihr Leid; der
  Ghul erscheint, bringt ihre Kinder zurück und verkündet
  das Ende ihrer Nöte, und der Gatte, welcher die Szene
  belauscht hat, nimmt sie voller Freude auf. Auch in einem
  südarabischen Märchen der Mehri hält die Verfolgte ein
  Gespräch mit Tasse, Kern und Messer.
  Die ältere Form, nach welcher der eigene Vater (wie in
  der Geschichte vom Mädchen ohne Hände KHM 31) die
  Tochter zur Ehe begehrt, ist erhalten in zwei
  isländischen Märchen, wo ein Rindsmagen und eine
  einbeinige Frau rettend eingreifen, und bei Straparola 1,
  4, wo schliesslich die alte Amme die Schandtaten des als
  Astrolog verkappten Vaters aufdeckt. Doch schon die alte
  Lebensbeschreibung des fabelhaften Angelnkönigs Offa,
  berichtet ähnliches.
  Die Leiden der im Kindbett liegenden Königin, die von
  der bösen Schwieger oder andern beim Gatten verleumdet
  wird, als habe sie ihre Kinder gefressen oder Hunde
  geboren, kehren in vielen mittelalterlichen Erzählungen
  von unschuldig verfolgten Frauen wieder. In einigen
  dänischen Märchen geht ihnen eine Einleitung über die
  wunderbare Empfängnis und Geburt der Heldin vorauf.
  Die dem Mädchen als Strafe auferlegte Stummheit
  erinnert daran, wie in den zwölf Brüdern (KHM 9) und in
  den sechs Schwänen (KHM 49) die Heldin auf gleiche Weise
  ihre Brüder von der Verzauberung erlöst.
  
  Variantenverzeichnis
  >> Märchen-Suchdienst
  Die drei Kronen. Basile/Italien 4,6
  Das Märchen von der Schlange. Schneller/Tirol 40
  Das Marienkind. Grimm/KHM 3
  Die Nymphe des Brunnens. Musäus/Deutschland 2,6
  Das Ziegengesicht. Basile/Italien 1,8
  Das stumme Mädchen. Früh/Madonna
  
  top