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Das Mädchen ohne Hände 706

Märchentyp AT: 706
Grimm KHM: Das Mädchen ohne Hände 31


Einem Mädchen werden die Hände abgeschlagen, weil die auf ihre Schönheit eifersüchtige Mutter einen Tötungsbeweis verlangt, sie dem Teufel verkauft werden soll, die Schwägerin sie beim Bruder verleumdet oder sie den verwitweten Vater nicht heiraten will. Sie wird vertrieben oder kann fliehen. In einem Garten mit Früchten findet sie der Prinz und heiratet sie. Als sie ein Kind gebiert, wird sie von seinen Angehörigen - Schwiegermutter, Nebenfrauen, Schwägerin etc. - verleumdet und bezichtigt, einer Missgeburt oder einem Tier das Leben geschenkt zu haben. Diese Nachricht wird in einem gefälschten Brief übermittelt, und die junge Königin wird mit dem Kind (oder zwei Kindern) neuerlich vertrieben. In der Einsamkeit findet sie eine hilfreiche Gestalt (Engel). Als sie an einer Quelle trinken will und ihr das Kind entgleitet, greift sie in das Wasser und erhält die Hände wieder. Oder diese wachsen ihr nach, nachdem sie einen Baum umarmt hat. Nach der Rückkehr des Prinzen aus dem Krieg sucht er seine Frau, die er zunächst unerkannt im Wald findet. Sie gibt sich ihm zu erkennen, als sie dem Sohn seinen Vater nennt.


Anmerkung

Das Charakteristische für den europäischen Zweig dieses Märchens sind nicht die abgeschlagenen Hände, denn eine Menge altertümlicher Varianten enthält dieses Motiv nicht, sondern es ist eher das zweimalige Vertreiben der Heldin, zuerst aus ihrem Vaterhaus und dann aus dem Haus ihres Gatten. Das letzte deutet jedoch auf eine sicherlich wenig ursprüngliche Dublierung hin, wozu noch kommt, dass das Abschlagen der Hände im europäischen Märchen keine gut begründete Ursache hat. Die Dublierung könnte jedoch auf dem Einfluss anderer Märchen beruhen, die zu diesem gehören (705-712).

Man hat jedoch allgemein die Meinung vertreten, dass das Märchen seinen Ursprung in dem im grossen und ganzen damit übereinstimmenden Erzählungen von König Offa oder, wie es oft heisst, Offa I. und Offa II. von Mercia in England und ihren Gemahlinnen hat. Man kann annehmen, dass Offa I. möglicherweise im 4. Jahrhundert gelebt hat, während Offa II. von 757 bis 796 regierte. Als hauptsächlicher Verfasser wird Mathäus Parisiensis (gest. um 1259) angegeben. Der Verfasser lässt die Heldin das gleiche Geschick erleiden wie die Heldin in dem hier behandelten Märchen. Das Thema ist dann in zahlreichen Versionen von zumeist englischen und französischen Verfassern, u.a. Chaucer, behandelt worden. Die Geschehnisse, die oft ins Unendliche ausgesponnen sind, werden einmal nach England, einmal nach Frankreich oder Rom verlegt, und der Papst darf in der Erzählung eine nicht unwesentliche Rolle spielen. Die Heldin dieser letzteren Erzählungen heisst manchmal Constance und ist dann die Tochter des Kaisers Tiberius Kontantinus von Konstantinopel und vermählt mit König Alle von Northumberland. So verhält es sich in einer anglo-normannischen Handschrift aus dem 14. Jahrhundert in der Königlichen Bibliothek in Stockholm. Manchmal wird sie auch Helena von Konstantinopel genannt und manchmal La Manekine (wie z.B. von Beaumanoir um 1270) oder Emare. Ein Vergleich mit der Entstehungsgeschichte des Aschenputtelmärchens zeigt uns, wie gewisse Varianten des Mädchens ohne Hände nach und nach in die Version des Aschenputtelmärchens übergehen.

Die Erzählung über Offa dürfte indessen auf eine Weise entstanden sein, die in Frankreich und England im 12. Jahrhundert häufig war, nämlich durch einen Impuls von Osten. In Tausendundeiner Nacht findet sich auch richtig eine kleine, in diesem Zusammenhang von der Forschung sehr oft übersehene oder wegerklärte Legende, die von einer schönen Frau und ihrer Frömmigkeit handelt: Der König hat verboten, Almosen auszuteilen, und als Strafe für das Übertreten des Verbotes das Abschlagen der Hände des Schuldigen angeordnet. Eines Tages wird die Heldin des Märchens von einem Bettler angesprochen, der sie anfleht, seinen Hunger zu stillen, und sie gibt ihm zwei Brote. Der König lässt ihr daraufhin beide Hände abschlagen. Nach einiger Zeit will sich der König verehelichen und bittet seine Mutter um Rat. Die Mutter antwortet, dass nicht weit entfernt eine wunderschöne Frau wohne, doch habe sie beide Hände verloren. Sie wird zum König geführt, der von ihr entzückt ist und sie heiratet. Aber die Nebenfrauen des Königs werden eifersüchtig und schildern sie als eine leichtfertige Frau. Da schreibt der König seiner Mutter und befiehlt ihr, seine Gemahlin aus seinem Harem zu vertreiben. Unglücklich wandert die junge Mutter mit ihrem Kind im Arme in die Wüste hinaus, und als sie an einem Bach ihren Durst stillen will, fällt ihr das Kind ins Wasser. Zwei Männer kommen ihr zu Hilfe und bitten Gott, das Kind zu retten. Gott erhört ihr Gebet, und sie erhält ihr Kind wieder. Danach fragen sie sie, ob sie ihre Hände wieder haben wolle, und nachdem sie sich neuerlich im Gebet versenkt, wachsen ihr die Hände wieder. Darauf fragen die beiden Männer, ob sie wisse, wer sie seien. Als sie verneint, erklären sie, sie seien die beiden Brote, die sie dem Bettler gab und derentwegen sie ihre Hände verlor.

Diese Erzählung gibt es in mehreren orientalischen Varianten, u.a. in Ägypten. Die oben aufgewiesene, im abendländischen Märchen vorkommende Dublierung gibt es in dieser Legende nicht, und das Abschlagen der Hände hat eine befriedigende Erklärung erhalten, die eng mit der übrigen Darstellung verbunden ist. Es scheint irgendeine solche Version mit verschlungener Komposition zu sein, die der oben erwähnten Erzählung über König Offas Gemahlin und der ganzen französisch-englischen Dichtung über dieses Thema zugrunde liegt. Es muss hier auch hervorgehoben werden, dass das Motiv der vor dem Heiratsantrag ihres Vaters fliehenden Tochter schon bei Herodot bekannt war.


Literatur

Bernier, H.: La fille aux mains coupées. Québec 1971.
Bolte, J.: Die märkische Sage von der keuschen Nonne. In: Zeitschrift für Volkskunde 35, 1925, p. 98-103.
Brackert, H.: Und wenn sie nicht gestorben sind. Frankfurt 1980.
Däumling, H.: Studie über den Typus des Mädchens ohne Hände innerhalb des Konstanze-Zyklus. München 1912.
Derungs, K.: Der psychologische Mythos. Frauen, Märchen & Sexismus. Bern 1996.
Jason, H. u.a.: Patterns of oral literature. The Hague 1977.
Heintze, M.: Helene von Konstantinopel. In: EM 6, p. 767-772.

Pott, F.: Das Mädchen ohne Hände. Freiburg 1988.
Rölleke, H.: Constanze. In: EM 3, p. 130-131.

Schenda, R. (Hg.): Das Märchen der Märchen. Das Pentamerone. Giambattista Basile. München 2000, p. 596.


Märchen

>> Das grosse Buch der Zaubermärchen


Hinweise

In der Grimmfassung 1819 umgestaltet. Die zweite Fassung hat den Eingang nicht, sondern sagt nur, ein Vater habe seine eigene Tochter zur Frau begehrt und, als diese sich geweigert, ihr Hände und Brüste abschneiden und ein weisses Hemd antun lassen, darauf sie in die Welt fortgejagt. Im weiteren Verlauf aber, der fast ganz nach ihr erzählt ist, übertrifft sie an innerer Vollständigkeit die erste, aus der nur beibehalten ist, dass der Teufel die Briefe vertauscht, während es hier die alte Königin tut, die von Anfang gegen ihre Schwiegertochter böse gesinnt ist. Eigentümliche Züge der Kassler Fassung sind noch, dass das Mädchen, eh sie der König heiratet, eine Zeitlang die Hühner an seinem Hof hütet und dass hernach, als sie mit dem Kind auf dem Rücken in den wilden Wald verstossen ist, ein alter Mann sie heisst die abgestumpften Arme dreimal um einen Baum schlingen, während hier Arme und Brüste durch Gottes Gnade von selbst wieder wachsen. Auch sagt er ihr, dass sie das Haus, in welchem sie wohnen soll, nur dem öffnen dürfe, der dreimal um Gottes willen darum bitte; was hernach der König, als er davor kommt, tun muss, eh er eingelassen wird.

Eine Erzählung aus dem Paderbörnischen stimmt im ganzen mit der aus Zwehrn. Statt eines Engels leitet ein vom Himmel herabkommendes Lichtlein das arme Mädchen. Als es im Wald mit den abgehauenen Händen umhergeht, sieht es ein blindes Mäuschen, das den Kopf in ein vorbeirinnendes Wasser hält und dadurch wieder sehend wird; da hält das Mädchen unter Beten und Weinen die Arme ins Wasser, und es wachsen ihm die Hände wieder.

Eine Erzählung aus dem Mecklenburgischen enthält eine andere Gestaltung der Sage. Ein Mann hat eine Tochter noch im Kindesalter, die betet immer Tag und Nacht. Da wird er böse und verbietet es ihr, aber sie betet immer fort; da schneidet er ihr endlich die Zugen aus, aber sie betet in Gedanken und schlägt das Kreuz dazu. Da wird der Mann noch zorniger und haut ihr die rechte Hand ab, aber sie schlägt mit der linken das Kreuz. Da haut er ihr den Arm bis an den Ellbogen ab. Nun spricht ein Mann zu ihr: "Geh fort! Sonst haut dir dein Vater auch noch den linken Arm ab." Da war sie erst sieben Jahre alt, und ging fort und immer fort, bis sie abends vor ein grosses Haus kam, vor dem stand ein Jäger. Sie gab ihm zu verstehen, dass sie Hunger hätte und er sie aufnehmen möchte. Der Jäger hätte es gerne getan, er wusste aber nicht, wo er sie hinbringen sollte; endlich brachte er sie in den Hundestall, wo die zwei Lieblingshunde des reichen Grafen lagen, bei dem er diente. In dem Ställchen blieb sie zwei Jahre lang und ass und trank mit den Hunden. Nun merkte der Graf, dass seine Hunde so mager wurden, und fragte den Jäger um die Ursache; da gestand er, dass er ein Mädchen aufgenommen habe, das mit den Hunden das Essen und Trinken teile. Sprach der Graf, er solle es vor ihn bringen, aber das Mädchen wollte nicht; da ging er selbst hinab in den Stall und sah es und sprach: "Es soll zu mir ins Schloss, ich will es erziehen." Da war es neun Jahre alt. Es trug sich zu, dass, als es einmal vor der Tür stand, ein armer greiser Mann daher kam und um eine milde Gabe bat. Es schenkte ihm etwas, da sprach er: "Du sollst deine Zunge und deinen Arm wieder haben", und gab ihm einen Stab und sagte: "Nimm diesen Stab und geh gerade fort! Er wird dich vor Bösem schützen und dir den Weg zeigen." Da nahm es den Stab und ging fort ein paar Jahre lang. Es gelangte zu einem Wasser und trank daraus, da kam seine Zunge geschwommen und wuchs fest in dem Mund; es hielt den abgehauenen Stumpf ins Wasser, da kam der Arm und wuchs fest, und darnach auch die Hand. Nun nahm es den Stab und ging wieder zurück zum Grafen; aber es war so schön geworden, dass er es nicht mehr erkannte. Da gab es sich zu erkennen, und sie wurden Eheleute.

Aus Meran: "Die schöne Wirtstochter"; die eigne Mutter lässt aus Neid dem Mädchen Hände und Füsse abhacken; die alte Königin treibt sie mit ihren beiden Kindlein in den Wald, wo zwei Männer ihr gesunde Hände und Füsse als Patengeschenk für ihre Söhne verleihen. - Aus Schlesien: "Die hl. drei Könige"; die von der Schwieger verstossene Königin gebiert drei Söhne, Caspar, Melchior und Balthasar. - Aus dem Oberharz: "Die schöne Magdalene"; die Mutter lässt der schönen Tochter aus Eifersucht die Arme abhacken und vertauscht später die beiden Briefe. Eine Stimme im Wald heisst die junge Königin ihre Stümpfe in die Quelle tauchen; ein Löwe und ein weisses Männlein dienen ihr. - Flämisch: der Bruder schlägt der von seiner Frau verleumdeten Schwester die Hände ab; ein Hund bringt ihr Brot; Briefvertauschung durch die Schwägerin; Christus und Petrus geben die Hände wieder.

Der Stoff des Märchens erscheint zuerst gegen Ende des 12. Jahrhunderts im südlichen England und ist bis ins 17. Jahrhundert häufig dichterisch behandelt worden.

In den Volksmärchen finden wir Berührungen mit den Erzählungen vom Marienkind (KHM 3), von Brüderchen und Schwesterchen (KHM 11), von Sneewittchen (KHM 53), den neidischen Schwestern (KHM 96); und die Motive des mittelalterlichen Romans sind nicht selten abgeändert:

A. Der Heldin werden die Hände abgehauen, weil sie (A1) nicht ihren Vater heiraten will, oder (A2) weil dieser sie dem Teufel verkauft hat, (A3) ihr das Beten verwehren will, (A4) weil die Mutter auf sie eifersüchtig ist, (A5) ihre Schwägerin sie beim Bruder verleumdet hat. - B. Ein König findet sie im Wald (Garten, Stall, Meer) und macht sie zu seiner Gattin trotz ihrer Verstümmlung. - C. Sie wird zum zweitenmal mit den neugeborenen Kindern verstossen, weil (C1) die Schwieger, (C2) ihr Vater, (C3) ihre Mutter, (C4) Schwägerin oder (C5) der Teufel einen Brief des Königs gefälscht hat. - D. Sie erhält im Wald durch ein Wunder ihre Hände wieder. - E. Wird vom Gatten wieder aufgefunden.

Französisch: "La fille aux bras coupés"; die Stiefmutter stösst sich bei der Aussetzung einen Dorn ins Knie; eine Elster bringt der Heldin Speise. "La fille du marchand de Lyon"; Lösung durch einen Bericht der als Mann verkleideten Heldin. Die Verstümmlung der Hände wird nicht erwähnt. "La belle Madeleine"; die Schwieger lässt der Heldin die Hände abhauen; Jesus, Petrus und Johannes heilen sie. Der Gatte hört von Schwalben, dass seine Mutter ihn belogen, und belauscht ein Gespräch seiner spinnenden Frau mit dem Flachs über ihre Leiden. "La frère et la soeur"; erst die wiederaufgenommene Schwester vermag den Dorn aus dem Fuss des Bruders zu ziehen. - Italienisch bei Basile: "La Penta manomozza"; mit künstlicherer Verwicklung. Penta sendet ihrem Bruder, der sie heiraten will, ihre abgehauenen Hände zu und wird in einem Kasten ins Meer geworfen. Sie wird zuerst von einem Schiffsherrn und, nachdem dessen eifersüchtige Frau Nuccia sie wiederum ausgesetzt hat, von einem König aufgefischt, dessen Gattin ihm, ehe sie stirbt, anempfiehlt, Penta zu heiraten. Die Briefvertauschung geschieht durch Nuccia. Ein guter Zauberer nimmt Penta auf, lässt ihren Gatten und ihren Bruder ihr Geschick erzählen und schenkt der Penta neue Hände. "La bella ostessina"; der Diener schlägt der Heldin die Hände nicht ab, die arge Mutter entdeckt ihren Aufenthalt bei der Fee und vergiftet sie wie Sneewittchens Stiefmutter. Nach der Heirat will die Schwiegermutter sie in siedendes Öl werfen, aber sie ruft rechtzeitig ihren Gatten durch Schütteln ihres Glöckchenkleides herbei. "La bella Giuditta e la su' figliola Maria"; die Hände werden nicht abgehauen; drei Puppen anstatt der Königin und der Kinder verbrannt, die übers Meer flieht. "La Rosina per il mare"; die Lehrerin beredet Rosina, ihre Mutter zu töten, heiratet den Mann und nötigt ihn, seiner Tochter die Hand abzuhauen. Eine Alte setzt sie ihr wieder an. Der Schwager lässt sie mit den Kindern in einer Kiste ins Meer werfen und drei Wachspuppen dafür verbrennen. "Das Mädchen ohne Hände"; das vom Diener verschonte Mädchen kehrt aus Heimweh zur argen Mutter zurück und verliert nun erst ihre Hände. "The apple-tree"; kinderlose Frau vom Gatten verstümmelt, und, nachdem sie ihm zwei Kinder geboren, auf Verleumdung hin verstossen, infolge eines Traumes aus dem Feenschloss zurückgeholt. - Maltesisch: "Sonne und Mond".

Serbokroatisch: "Wie sich die Tochter des Kaisers in ein Lamm verwandelte"; um den Vater nicht heiraten zu müssen, stösst sie sich einen Dolch ins Herz; wiederbelebt schlägt sie sich eine Hand ab und verbrennt die andere; geheilt ergreift sie einen Zauberstab, der sie in ein Lamm verwandelt. "Die böse Stiefmutter"; durch einen Traum erfährt der Vater die Untat und das Heilmittel und kehrt heim. Popovic S. 38. Nikolic: die Hände werden nicht abgehauen, sie schwimmt in einer Kiste in ein andres Land. Der verkleidete Vater tötet ihr Kind, worauf ihr die Hände abgeschlagen werden und sie mit dem Kind in den Wald verstossen wird; Maria erscheint ihr. Lacooglu: zwei Mägde werfen die Fliehende in einen Brunnen; auf eine von ihnen, die einen Beamten heiratet, werden alle Schicksale der Heldin übertragen, ihr Kind vom Vater getötet, sie geblendet in ein Fass gesteckt, um ins Meer geworfen zu werden; aber die Ochsen spiessen den Vater auf, sie wird mit dem Kind geheilt und im Gasthaus vom Gatten aufgefunden.

In einer ansehnlichen Gruppe südslawischer Volkslieder verursacht die Schwägerin oder auch die Stiefmutter die Verstümmelung des Mädchens. Da die Schwägerin bei der Frau des andern Bruders keine Unterstützung gegen die Heldin findet, so tötet sie das Pferd, den Falken, ja das eigne Kind und beschuldigt die Jungfrau dieser Untaten. Ergrimmt lässt ihr Mann die Schwester von Pferden zerreissen, vollzieht aber, als die Lüge der bösen Frau an den Tag kommt, an ihr dieselbe Strafe. In den südöstlichen Fassungen handeln die Frauen beider Brüder gegen die Schwester; so bei Balgarski: die Brüder meinen, ein Kind würden sie gewiss wieder bekommen, eine Schwester aber nicht. In dem serbischen Lied bei Petranovic, verstümmelt die zweite Frau Kaiser Stefans ihre Stieftochter Mara, um ihre eigne Tochter mit deren Verlobten, dem Vezier Lazar, zu vermählen; Lazar aber findet auf der Jagd die händelose Mara in einer Höhle und vermählt sich mit ihr; als der Kaiser wieder aus dem Krieg heimkehrt, lässt er die böse Gattin und deren Tochter von Pferden zerreissen.

Slowakisch: der Vater ist ein Werwolf, frisst zwei Töchter und tötet verkleidet die Kinder der ihm entronnenen jüngsten Tochter; ein Greis weist dieser die belebende Quelle; der König findet sie in einem Häuschen. - Polnisch: die verfolgte Stieftochter dient im Wald bei der Mutter Gottes, vom König geheiratet, von der Schwieger verleumdet. - Kleinrussisch: die Hände haut der Geliebte auf Befehl seiner Eltern ab, sucht sie nach deren Tod auf. Aus Südungarn: Zauberin statt Teufel. - Weissrussisch: der Vater schickt eine Hexe zum Räuberhaus, welche die entflohene Tochter in Todesschlaf versenkt, schleicht später zur jungen Königin nachts in den Palast und ermordet das Kind, Hände abgehauen, Lebenswasser vom Raben gebracht. Romanov: das Mädchen entflieht; ohne dass die Hände ihr abgehauen wären; der Vater mordet ihr Kind; Schlangenkraut; 15 Jahre im Wald; die treulose Mutter. - Grossrussisch: sie erzählt im Kaufhof selbst dem Bruder und Gatten ihre Geschichte. Ebd. im Haus des Bruders, wo die Schwägerin die Heldin nicht erkennt, erzählt ihr Söhnchen die Geschichte.

Litauisch: "Von der hl. Margareta"; die Heldin erhält von Maria das im Brunnen ertrunkene Kind lebendig wieder und erzählt vor Bruder und Gatten ihre Geschichte. "Von der Königstochter"; sie flieht, weil sie einen Bedienten hat umbringen lassen. Eine Hand wird ihr auf Veranstaltung der Schwieger abgehauen, aber nicht wieder ersetzt. - Finnisch bei Salmelainen: die Quelle macht Mutter und Kind noch schöner. - Lappisch: vom Schwiegervater verstossen, bittet sie einen Baum, ihr ihre Hände wiederzugeben; keine Kinder. Aus Südsibirien: ein Werwolf errät des Mädchens Namen und führt sie heim, sie aber entrinnt auf ihrem ratgebenden Pferd und wird eines Helden Gattin; Briefvertauschung durch die Mutter des Werwolfs, Verstossung und Wiederfinden. Keine abgehauenen Hände. - Aramäisch: der Bruder verstümmelt die Heldin nicht, sondern lässt sie in einer Höhle. - Arabisch: die beiden den Armen gespendeten Brote verwandeln sich in Männer, die den ins Wasser gefallenen Säugling retten und seiner Mutter die abgehauenen Hände ersetzen. - Suaheli: habsüchtiger Bruder; hilfreiche Schlange rette Kind und gibt der Heldin die Hand wieder und einen Wunschring; sie erzählt einer Gesellschaft ihr Geschick. - Somali: vom Priester verleumdet, Erzählung ihres Schicksals.

Ein Gegenstück von einem Mann ohne Hände gibt "Geschichte eines Sultans, des Herrn von zehntausend Schiffen". Ferner "The unjust king and wicked goldsmith". Einem König, der auf der Jagd badet, werden seine Kleider gestohlen; er findet eine kostbare Perlenschnur, aber da ein Goldschmied des benachbarten Reiches ihn des Diebstahls bezichtigt, werden ihm die Füsse abgehauen; die Königin, die sich seiner angenommen, wird mit ihm weggejagt. Ihr Knabe fällt ins Wasser, da hört der fusslose Vater zwei Vögel reden, er werde, wenn er in das Wasser springe, seine beiden Füsse wiederbekommen und auch den Knaben retten. Endlich findet ihn sein Wesir und führt ihn in sein Reich zurück. Im weissrussischen Märchen bei Romanov lebt der Held, dem des Freundes überwundene Braut im Schlaf die Füsse abgehauen hat, mit einem Mann ohne Hände zusammen im Wald, beide fangen eine Hexe, die ihrer Wirtschafterin Blut saugt, und erhalten durch eine Quelle Hände und Füsse wieder.


Variantenverzeichnis

>> Märchen-Suchdienst

Das Mädchen ohne Hände. Basile/Italien 3,2
Das Mädchen ohne Hände. Grimm/KHM 31
Ohnärmchen. Afanasjew/Russland 282
Von der Frau, die dem Armen ein Almosen gab. 1001 Nacht/Arabien 3


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