Sesam, öffne
dich! 676
Märchentyp AT: 676
Grimm KHM: Simeliberg 142
Ein armer Mann wird gewahr, wie
Räuber einen Berg dazu bringen, sich zu öffnen. Sie
rufen: Sesam, öffne dich! Als die Räuber fortgegangen
sind, macht er es ebenso und findet alle ihre Schätze.
Abends muss er sich von seinem reichen Bruder ein Mass
leihen, um das Geld zu messen, aber eine Münze bleibt im
Mass stecken und verrät ihn seinem Bruder, der das
Geheimnis erfährt. Der Bruder geht daraufhin allein zum
Berg, öffnet ihn, kann dann aber nicht mehr heraus, weil
er den Zauberspruch vergessen hat. Die Räuber finden und
töten ihn.
Anmerkung
Das Zauberwort Sesam, das auf unzählige Arten verdreht
wird - man findet sowohl Susanna als auch Zentrum -
verrät die ziemlich späte Abstammung dieses Märchens
von Ali Baba und die vierzig Räuber (914) in Gallands
Tausendundeiner Nacht (aus dem Jahr 1712), das bis zu
einer 1910 bekanntgewordenen Handschrift die einzige in
Europa vorhandene orientalische Variante dieses Märchens
war. Sogar in Massachusetts erkennt man im Namen der
Sklavin, Mesiana, Gallands Morgiane (Mardschane). Das
Märchen dürfte in Europa in erster Linie durch die im
19. Jahrhundert so populären Volksdrucke verbreitet
worden sein. Trotz gewisser Ähnlichkeiten mit einem alten
ägyptischen Papyrus (siehe 914) und mit dem uralten
Ramspinitmärchen (950) dürfte das Märchen Ali Baba und
die vierzig Räuber als Ganzes gesehen als eine ziemlich
junge Schöpfung angesehen werden, die vermutlich aus
Syrien stammt. Das Motiv vom geliehenen Geldmass finden
wir jedoch in Europa schon im 10. und 11. Jahrhundert in
einer alten Version des Märchens 1535 (Der grosse und der
kleine Klaus), worauf wir hinweisen.
Literatur
Dundes, A.: The binary structure of unsuccessful
repetition in Lithuanian folk tales. In: Western folklore
21, 1962, p. 165-174.
Gerhardt, M.I.: The art of story telling. Leiden 1963.
Nöldeke, T.: Ali Baba und die 40 Räuber. In: Zeitschrift
für Assyriologie und verwandte Gebiete 28, 1914, p.
242-252.
Ranke, K.: Ali Baba und die 40 Räuber. In: EM 1, p.
302-311.
Walther, W.: Die Geschichte von Ali Baba und den 40
Räubern. In: 1001 Nacht. München, Zürich 1987, p.
105-112.
Märchen
>> Das grosse Buch der
Zaubermärchen
Hinweise
Inhalt: A. Ein armer Mann sieht, wie Räuber ihre
Schätze in einem Berg verstecken, der sich auf das
Losungswort "Berg Semsi, tu dich auf" und
"tu dich zu" öffnet und schliesst, und eignet
sich von ihrem Gold an. B. Sein reicher Bruder, von dem er
sich einen Scheffel zum Geldmessen leiht, entlockt ihm das
Geheimnis; (C) geht gleichfalls in die Höhle, ruft aber
"Berg Semeli" statt "Semsi" und wird
von den heimkehrenden Räubern umgebracht. - Die Brüder
Grimm erblickten im Semeliberg eine Entstellung von
Simeliberg, das sie aus dem schweizerischen Lied vom
Vreneli ab em Guggisberg kannten und wiederzufinden
glaubten. Ob der schweizerische Bergname von simel (mhd.
sinwel, rund) oder von einem Simon herstammt, ist
streitig; für den deutschen Ursprung des Märchens, in
welchem ja Semeli nur als eine Entstellung von Semsi
auftritt, bietet er jedenfalls eine schwache Stütze.
Dieses ist vielmehr gleich den weiterhin zu musternden
Varianten aus dem arabischen Märchen von "Ali Baba
und den vierzig Räubern" geflossen, an das W. Grimm
sich schon 1814 erinnert hatte; nur der Schluss, die durch
eine kluge Frau vereitelte Rache der Räuber am Helden
(D), fehlt.
Am Harz wird das Märchen von der Dummburg oder
Hochburg erzählt, wo Geister statt der Räuber Schätze
hüten; Adalbert Kuhn hörte, einen Knaben aus Heteborn,
eine halbe Stunde von der Dummburg, das Märchen nicht von
dieser, sondern wie in vielen andern Gegenden vom
Sesamberg erzählen. Schwäbische Fassung: "Simson tu
dich auf"; in der Höhle sind Prinz und Prinzessin
gefangen. Rheinländisch: "Kleesam"; die kluge
Sklavin Morgiane ist zur listigen Tochter des Holzhackers
Marianne geworden. Bei "Sim-Sim-seliger Berg"
leitet ein sprechender Rabe den Bauer zur Räuberhöhle.
Aus Posen: "Die Räuber im Walde" und
"Eiche, Eiche, goldens Knäuel öffne dich". Aus
Pommern: "Sesam, tue dich auf". Aus Holstein:
"Simson tu dich auf".
Isländisch: "Die zwölf Räuber" und
"Tu dich auf, mein Stein". - Französisch:
"La caverne des sept voleurs". - Maltesisch:
"Die sieben Räuber". "Falltüre, schliesse
dich" und "Der Karren Seegras" ebenso
"Berg schliesse dich". - Bulgarisch aus
Mazedonien: zwei Diener einer menschenfressenden
Prinzessin; Eiche öffne dich! - Tschechisch: zwei
Gevattern; Zentrum öffne dich! "Sesáno öffne
dich". Aus Glatz: Mana öffne dich! Beráno öffne
dich! Ein Wagen voll Dukaten fährt heraus. Rebeno öffne
dich! - Slowakisch: Erde öffne dich! Sbornik: Sonne,
Mond, Sterne öffne dich! Esion öffne dich! -
Kaschubisch: Cuyzama öffne dich! - Polnisch aus dem
Krakauer Land: Susanna öffne dich! Ciszewski: Öffne dich
Salsemo! Cezanna öffne dich. Öffne dich Siezama! Cezama
öffne dich! Aus Galizien: Sezami! Diamant! Babilon! Aus
Plock: Alibaba. Sadzamin öffne dich! Die Tochter heisst
Maryjanna. - Kleinrussisch aus Galizien: "Die Höhlen
im Schwarzen Berge", "Die Grotten im schwarzen
Berge", "Türlein, tu dich auf". -
Litauisch: "Berg, tu dich auf"; ein Mädchen
anstelle des Helden. Es waren eine reiche und eine arme
Schwester. Als der Mann der armen Schwester eines Abends
auf die Jagd ging, sah er zwölf Männer kommen und
verkroch sich ins Gebüsch. Da hörte er sie sagen:
"Berg Minsel, tu dich auf!" Da öffnete sich der
Berg, sie gingen hinein und kamen nicht lange danach
wieder heraus. Der Jäger wartete, bis sie weit weg waren,
und sprach, wie jene gesprochen hatten: "Berg Minsel,
tu dich auf!" Der Berg öffnete sich, und er trat
ein, fand einen Haufen Geld und füllte damit Taschen und
Mütze. Daheim angekommen, sandte er seine älteste
Tochter zu der reichen Schwägerin und bat sie, ihm einen
halben Scheffel zu leihen; als er ihn zurückschickte,
bestrich er den Boden mit Teer und liess einige Dukaten
daran ankleben. Da lief die reiche Frau zum Schwager und
setzte ihm mit Fragen solange zu, bis er ihr das Geheimnis
der Räuberhöhle entdeckte. Am andern Morgen kam der
reiche Schwager mit einigen Eseln angeritten und forderte
den Jäger auf, mit ihm zu dem Berg zu gehen. Beide holten
sich dort Schätze; als aber am folgenden Tag der Reiche
wieder mit seinen Eseln erschien, sagte der Jäger:
"Ich habe nun genug; ein drittes Mal zu gehn gibt ein
Unglück". Da machte sich der andre allein auf den
Weg, liess die Esel vor dem Berg stehn und füllte drin
die Säcke; aber wie er zur Tür hinauswollte, hatte er
das Wort vergessen. Die Räuber kehrten heim, fanden ihn
und rissen ihn in Stücke und hieben den Eseln die Köpfe
ab. - Lettisch: Wachse Berg "Kalns augut",
öffne dich!
Arabisch: Ali Baba, ein armer Holzhacker, hört auf
einem Baum sitzend, wie vierzig Räuber einen Felsen durch
das Zauberwort "Sesam tu dich auf" öffnen,
dringt selber dort ein und belädt seine drei Esel mit dem
gefundenen Gold. Seine Frau will dieses messen und leiht
dazu von seinem reichen Bruder Kasim ein Mass (Wagschale).
Kasims Frau aber streicht aus Neugier etwas Talg auf
dessen Boden und findet ein Goldstück festgeklebt. Kasim
nötigt nun seinen Bruder, ihm das Geheimnis zu entdecken,
und zieht mit zehn Eseln zu der Höhle, vergisst aber das
Zauberwort und wird von den zurückkehrenden Räubern
überrascht und gevierteilt. Ali Baba, der auf Bitten
seiner Schwägerin ihm nachgeht, holt Nesims Leichnam und
lässt ihn feierlich bestatten, nachdem auf den Rat seiner
klugen Sklavin Morgiane (Mardschâne) ein Flickschuster
(Schneider), den sie mit verbundenen Augen ins Haus
führt, die Stücke des Toten zusammengenäht und den
Verdacht eines gewaltsamen Endes entfernt hat. Aber dem
Räuberhauptmann gelingt es mit Hilfe jenes Schusters
Kasims Haus ausfindig zu machen, wobei Morgiane zweimal
das Kreidezeichen an der Tür entdeckt und die
Nachbarhäuser auf gleiche Weise zeichnet. Er verkleidet
sich als Kaufmann und bittet Ali Baba um Herberge für
sich und seine neunzehn mit Ölschläuchen beladenen
Maultiere. Wiederum entdeckt Morgiane, welche nachts Öl
für ihre Lampe bedarf, dass in den Schläuchen 37 Räuber
stecken und nur ein Schlauch Öl enthält; sie siedet dies
und giesst es in die Schläuche, sodass die Räuber alle
umkommen. Nur der Hauptmann entrinnt und kehrt in anderer
Verkleidung zurück; da er beim Mahl Speisen ohne Salz
verlangt (um nicht durch den Genuss davon zur Schonung
seines Wirtes verpflichtet zu werden), schöpft Morgiane
Verdacht, erkennt den Räuber und erdolcht ihn. Zum Lohn
vermählt Ali Baba sie mit seinem Sohn (Neffen). -
Afrikanisch: "Dodo, the robber and the magic
door", "Le lézard et la tortue" (Pierre,
ouvre-toi), "Kurie" und "Kurkib".
Variantenverzeichnis
>> Märchen-Suchdienst
Die Geschichte von Ali Baba und den vierzig
Räubern. 1001 Nacht/Arabien 2
Die kluge Jungfrau und die sieben Räuber.
Afanasjew/Russland 345
Simeliberg. Grimm/KHM 142
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