Die drei
Sprachen 671
Märchentyp AT: 671; cf. 517
Grimm KHM: Die drei Sprachen 33
Ein Junge (eines Königs, eines
Grafen) wird zu einem Meister in einem fernen Land ins
Studium geschickt, damit er etwas lerne. Er lernt dort
nacheinander die Sprache der Frösche (Kröte, Schlange),
der Vögel und der Hunde (Sphären des Wassers, der Luft
und der Erde). Der Vater, der nach dem Gelernten fragt,
ist über seinen Sohn erzürnt, als dieser ihm antwortet,
er verstehe die Sprache der Tiere. Das wiederholt sich bis
zum dritten Mal, dann ordnet der Vater an, den Sohn zu
töten. Ein Diener (Jäger) hat jedoch Erbarmen und lässt
den Jungen frei; dem Grafen zeigt er als Ersatz Augen oder
Leber eines Tieres (Hasen). Oder der Junge muss zur Strafe
zuhause bleiben, arbeiten und die Schafe hüten. Von zwei
Wanderern erfährt er, dass ein König (Papst, Graf,
Landeshauptmann) gewählt werden soll, und zieht mit ihnen
in die Ferne. Der junge Held bestreitet nun mit Hilfe der
Tiere bzw. seiner Tiersprachenkenntnis verschiedene
Abenteuer, in denen jeweils nur er helfen oder heilen
kann: eine kranke Prinzessin heilen, dämonische Hunde
zähmen und einen Schatz heben usw. Schliesslich wird er
mit Hilfe der Vögel (Tauben, Raben) zum König oder Papst
gewählt, die ihm alles ins Ohr flüstern. Eines Tages
erscheint der Vater beim Papst und begehrt Absolution. Er
wird erkannt, und der Sohn verzeiht ihm.
Anmerkung
Eine enge Verwandtschaft des Märchens besteht zu AT
725 Der Traum, wo ein Sohn nicht sagen will, was er
geträumt hat. Auf Drängen des Vaters erzählt dieser
jedoch seinen Traum (oder schweigt), worauf der Sohn
umkommen soll: Er wird bei einer Überfahrt auf dem Schiff
über Bord geworfen, denn er prophezeit, dass ihm Vater
und Mutter einmal die Hände waschen würden etc., also
seine zukünftige Hoheit. Nach verschiedenen Abenteuern
wie in AT 671 wird er schliesslich König oder Papst, so
dass der Traum in Erfüllung geht. Das Erlernen einer
Tiersprache ist ein schamanistisches Motiv im
Zaubermärchen, ebenso geht der junge Held zu einem
"Meister" in die Fremde, wo er die Sprache der
Tiere zu verstehen beginnt. Diese Tiere lassen sich in
Landtiere, Tiere des Wassers und Tiere der Lüfte
einteilen, die damit die alte Dreiteilung der Welt in eine
Ober-, Mittel- und Unterwelt repräsentieren. Dazu sind
sie (schamanistische) Helfertiere des Helden, der ohne sie
keine Proben bestehen könnte. Nicht immer stehen die
Aufgaben im Zusammenhang mit einer Prinzessin, doch ist es
vom Handlungsverlauf der verschiedenen Fassungen her klar,
dass es sich eigentlich um Brautaufgaben des Helden
handelt. Dieser wird dann inthronisiert oder belohnt, d.h.
er bekommt durch die Tiere einen Thron bzw. ein
Königreich. Die Tiere aber repräsentieren eine alte
Landschaftsgöttin, die einen männlichen Partner wählt
und auf ihrem Thron regieren lässt. Die Erd- und
Mondgöttin erscheint in einer Variante des Märchens noch
in einer isolierten Gestalt einer Prinzessin, die eine
Kröte (Schlange) im Körper (Schoss) trägt, was die
häufig vorkommende Kröte in diesem so scheinbar
männlichen Zaubermärchen enträtselt.
Literatur
Aarne, A.: Der tiersprachenkundige Mann und
seine neugierige Frau. Hamina 1914.
Derungs, K.: Struktur des Zaubermärchens I. Bern,
Stuttgart, Wien 1994.
Derungs, K.: Archaische Naturmotive in den
Zaubermärchen. In: Die ursprünglichen Märchen der
Brüder Grimm. Bern 1999.
Mudrak, E.: Herr und Herrin der Tiere. In: Fabula 4, 1961,
p. 163-173.
Hellbusch, S. u.a.: Tier und Totem.
Naturverbundenheit in archaischen Kulturen. Bern 1998.
Mudrak, E.: Die Berufung durch überirdische Mächte in
sagtümlicher Überlieferung. In: Fabula 2, 1959, p.
122-138.
Röhrich, L.: Herr der Tiere. In: EM 6, p. 866-879.
Märchen
>> Das grosse Buch der
Zaubermärchen
Hinweise
Französisch: "Le langage des bêtes". Hier
melden die Hunde, dass nachts Räuber ins Haus einbrechen
wollen, die Frösche, dass ein Mädchen erkrankt ist, weil
es die Hostie fortgeworfen hat, und die Vögel, dass einer
der drei Pilger in Rom zum Papst erwählt werden wird. Im
griechischen Märchen "Von einem, der die
Vogelsprache erlernte", fehlt das Gespräch der Hunde
und die Papstwahl; der von seiner Frau gescholtene Mann
heilt die Königin, in deren Leib eine Kröte sitzt.
Während in diesen Märchen der Vater den Sohn, der die
Sprachen der Tiere gelernt hat, aus Ärger über diese
nutzlose Beschäftigung fortjagt oder gar töten lassen
will, treibt ihn in einer Erzählung des lateinischen
Romans von den sieben weisen Meistern dazu die Eifersucht
auf die dem Sohn durch Vögel prophezeite Hoheit. Als der
Sohn dem Vater das Geschrei zweier Raben dahin deutet,
dass ihm einst die Eltern Waschwasser und Handtuch reichen
werden, stösst ihn der Vater vom Schiff ins Meer. In fast
all diesen Märchen wird der Knabe später nicht Papst,
sondern König.
Für die wahrsagenden Vögel ist in einer andern Gruppe
von Märchen ein Traum des Knaben eingetreten. Der Knabe
träumt, seine Eltern reichten ihm Waschwasser, und wird,
da er den Traum niemandem erzählen will, ins Gefängnis
geworfen. - Ein weibliches Seitenstück bei Kúnos,
"Die verjagte Sultanstochter".
Unter diesen drei Gestaltungen einer an Josephs
bedeutungsvolle Träume mahnenden Erzählung scheint die
der sieben weisen Meister die älteste und die Quelle für
die beiden andern zu sein. Zu der Übertragung des
Tiersprachenmärchens auf einen Papst gab vielleicht die
Überlieferung über Silvester II. Anlass. Doch auch von
der Wahl Innocenz III. im Jahr 1198 wird erzählt, drei
Tauben seien in der Kirche umhergeflogen und zuletzt habe
sich eine weisse zu seiner Rechten gesetzt.
In einem andern Märchen von der Tiersprache wird der
Mann vom Hahn gewarnt, um seiner neugierigen Frau willen
sein Leben aufs Spiel zu setzen (KHM 17); in einem dritten
muss der Kenner der Vogelsprache die goldhaarige Jungfrau
für den König holen.
Dass ein Vogel den zu erwählenden König bezeichnet,
kommt noch in vielen Märchen vom Glücksvogel (KHM 60,
122) vor.
Variantenverzeichnis
>> Märchen-Suchdienst
Die drei Sprachen. Grimm/KHM 33
Die Vogelsprache. Afanasjew/Russland 247
Die drei Sprachen. Derungs/SdZ I
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