Die Sprache der
Tiere 670
Märchentyp AT: 670; cf. 517, 671
Grimm KHM:
Ein Mann hat, meistens durch eine
dankbare Schlange, die Sprache der Tiere verstehen
gelernt, darf aber sein Geheimnis bei Verlust seines
Lebens nicht preisgeben. Er hört Tiere sprechen und muss
über ihr Gespräch lachen. Seine Frau ist ständig
neugierig und fordert ihn auf, ihr den Anlass seines
Lachens zu verraten. Er ist vom ständigen Drängen der
Frau müde geworden. Gerade, als er bereit ist, sein
Geheimnis zu offenbaren, obwohl er dann sterben muss,
hört er, wie sich der prahlende Hahn wundert, dass der
Mann seiner Frau nicht Herr wird, wo doch er aller seiner
Hühner Herr wird. Der Mann schlägt seine Frau und
behält das Geheimnis für sich.
Anmerkung
Die Gabe, die Sprache der Tiere zu verstehen, hat
Anlass zu mehreren Sagen gegeben, deren älteste des
Apollodoros Erzählung über Melampus zu sein scheint, die
interessanteste jedoch Philostratos’ Lebensbeschreibung
des bekannten Apollonius von Tyana in Kleinasien. Die Sage
ist in früher Zeit mit dem anekdotenmässigen Ausspruch
des Hahns verschmolzen worden. Diese Zusammenstellung
finden wir bei den Indern schon in den Jatakas oder
Erzählungen von Buddhas Inkarnationen, im Ramayana, in
der Jainaliteratur, im (tamulischen) Vetalapancavimsatika
und schliesslich im Sukasaptati (Nr. 5). Sie findet sich
auch im Tripitaka der Chinesen und ist dort aus dem
Sanskrit vor 280 n.u.Z. übersetzt worden. Im westlichen
Orient ist das Märchen weitverbreitet, u.a. in
Tausendundeiner Nacht in der Fabel vom Esel, Ochsen und
Knecht und in seiner Schlussepisode, die einmal dem
persischen Kern der Sammlung, d.h. Hesar Afsaneh, aus dem
8. oder 9. Jahrhundert angehört haben dürfte. Das
Märchen scheint sowohl auf literarischem Weg als auch
durch mündliche Überlieferung Europa erreicht zu haben
und findet sich schon bei Petrus Alfonsi (um 1110) und in
den Gesta Romanorum (um 1300) sowie möglicherweise in der
Floamannasaga (Kap. 31).
Literatur
Aarne, A.: Der tiersprachenkundige Mann und
seine neugierige Frau. Hamina 1914.
Aarne, A.: Zum Märchen von der Tiersprache. In:
Zeitschrift für Volkskunde 19, 1909, p. 298-303.
Derungs, K.: Struktur des Zaubermärchens I. Bern,
Stuttgart, Wien 1994.
Hellbusch, S. u.a.: Tier und Totem.
Naturverbundenheit in archaischen Kulturen. Bern 1998.
Littmann, E.: Die Geschichte von der Schlangenkönigin und
Hasib Karim ed-Din. In: Die Erzählungen aus den 1001
Nächten. Wiesbaden 1953.
Märchen
>> The
King Who Learnt the Speech of Animals
>> The Snake's
Gift: Language of Animals
Hinweise
Variantenverzeichnis
>> Märchen-Suchdienst
Das Geheimnis der Schlange. Karlinger/Italien 30
Guter Rat. Straparola/Italien 12,3
Der Jäger und seine Frau. Afanasjew/Russland 248
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