Die goldene
Gans 571
Märchentyp AT: 571
Grimm KHM: Die goldene Gans 64
Drei Brüder gehen zum Königshof,
um die schwermütige Prinzessin zum Lachen zu bringen und
sie damit zur Gemahlin zu bekommen. Auf dem Weg begegnen
alle nacheinander einem wunderlichen Männlein. Die beiden
Ältesten sind zu ihm unfreundlich, während der jüngste
höfliche Bruder sein Essen mit ihm teilt. Darauf erhält
er von ihm eine goldene Gans (Bock, Adler, Ente, Ziege)
oder einen selbstfahrenden, kleinen Goldwagen (Schlitten).
Ein jeder, der sich dieser nähert, bleibt an ihr kleben,
und dann zieht sie mit ihm und vielen anderen in einer
langen Reihe dahin. Zuerst kommt der Bursche mit der Gans
und dann nicht nur die Mädchen des Gastwirts, sondern
auch der Pfarrer, der Glöckner und viele andere, die des
Weges kamen. Die Prinzessin erblickt das Schauspiel und
lacht laut auf, und damit hat der Bursche sein Ziel
erreicht und gewinnt sie zur Frau.
Anmerkung
Jemanden zum Lachen zu bringen ist ein oft vorkommendes
Motiv, es scheint aber in diesem Märchen ziemlich
ursprünglich zu sein. Wir finden es u.a. in der jüngeren
Edda (von etwa 1220 in Skaldskaparmal, Kap. 56). Die
Götter mussten sich mit Skadi aussöhnen, deren Vater,
Tjasse, sie getötet hatten. Zu den Bedingungen, die
aufgestellt wurden, gehörte, dass sie einen von ihnen zum
Gatten wählen dürfe oder dass irgendeiner von ihnen sie
zum Lachen bringen sollte. Loki band daraufhin das eine
Ende einer Schnur an sein Glied und das andere an den Bart
einer Ziege (vgl. 1685). Da gab es einen Schrei und die
tollsten Bewegungen, und zuletzt fiel Loki direkt in die
Arme der Skadi, und da lachte sie. Wir haben hier sicher
eine Travestie der besprochenen Märchen 571 und 1685 vor
uns, die dem Verfasser des Skaldskaparmal nicht unbekannt
gewesen sein dürften. Loki war gebunden wie der Knabe an
den Bock oder der Pfarrer und der Glöckner an die Gans,
und das Ergebnis ist dasselbe wie in unserem Märchen: Die
Auserkorene wird zum Lachen gebracht. Seltsam genug war
einige Zeilen vorher im Skaldskaparmal
Loki in Adlergestalt an Tjasse in einer Weise hängen
geblieben und begleitete ihn in einer Weise, die noch mehr
derjenigen gleicht, in der der Pfarrer und der Glöckner
der Gans folgen. Wie wir sahen, ersetzen auch Bock oder
Adler in mehreren Varianten die Gans.
In Wolframs Parzival heisst es, dass die Jungfrau
Cunneware nicht lachen könne, ehe sie den Mann zu sehen
bekäme, auf den sie den höchsten Wert setzte. Sie
erblickte ihn, als sie den noch tölpelhaften Parzival den
Roten Ritter zu Boden werfen sah, und lachte. Wir sehen,
dass der Gedankengang damals nicht unbekannt war.
Die an einem verzauberten Gegenstand haftende lange
Reihe von Pfarrern, Bürgern und Dienstleuten ist am
besten und frühesten im 15. Jahrhundert in England im
Gedicht The tale of the baryn dargestellt. Das Motiv von
der Prinzessin, die nicht lachen konnte, gibt es auch in
anderen Märchen, u.a. in 621 (Das Fell der grossen Laus),
in 675 (Der faule Bursche mit Zaubermacht) und 1642 (Der
vernunftlose Handel).
Literatur
Honti, H.: Gans, die goldene. In:
Handwörterbuch des deutschen Märchens. Hrsg. von J.
Bolte und L. Mackensen. Leipzig 1920-1940.
Propp, V.J.: Die historischen Wurzeln des Zaubermärchens.
München 1987.
Ranke, K.: Schleswig-holsteinische Volksmärchen. Kiel
1955.
Schenda, R. (Hg.): Das Märchen der Märchen. Das
Pentamerone. Giambattista Basile. München 2000, p. 610.
Scherf, W.: Das Märchenlexikon. München 1995.
Märchen
>> Das grosse Buch der
Zaubermärchen
Hinweise
Aus Tirol: "Fischlein kleb an"; Hans soll
für die Stiefmutter Wasser im Sieb holen und erhält von
einer alten Frau den Wunderfisch. Aus Pommern: "Wie
Dummhans für ein Gerstenkorn ein Königreich bekam";
durch den Goldhengst, an dem alle hängen bleiben, wenn
Hans "Bleek an" sagt, erlangt er einen Himphamp;
ein Prinz kauft diesen und bringt die Prinzessin zum
Lachen, doch verdrängt ihn Hans wieder durch drei kleine
Tiere. Aus Posen: "Das feuerrote Skelett";
Zauberstab, Schwan, traurige Königstochter.
Italienisch: "'na giornata di sagra"; Katze
springt in ein Spinnennetz, bleibt haften, ebenso de Hund
an ihrem Schwanz, die Frau an dem des Hundes, der Mann an
der Frau; endlich löst sie der Nachbar. - Griechisch:
"Hänschen, dem ein Mohr in den Mund speit";
Hans erreicht durch seine Zaubermacht, dass die ihm
versprochene und dann einem andern vermählte Braut ihm
zugesprochen wird. - Grossrussisch: "Die Ziege mit
den goldenen Hörnern"; vom jüngsten Sohn gefangen;
er heiratete die dritte der an der Ziege haftenden
Pfarrerstöchter.
Variantenverzeichnis
>> Märchen-Suchdienst
Die goldene Gans. Grimm/KHM 64
Schwan, kleb an. Bechstein/Deutschland 53
Das Märchen vom Himphamp. Jahn/Deutschland 44
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