Der magische
Ring 560
Märchentyp AT: 560; cf. 561
Grimm KHM: Die treuen Tiere 104a
Ein armer Junge rettet einen Hund,
eine Katze und eine Schlange vom Tod und bekommt einen
Wunschstein (einen Wunschring) vom Vater der Schlange bzw.
vom Schlangenkönig. Er wünscht sich ein Schloss und
vollbringt schwierige Brautaufgaben, so z.B. ein Schloss,
eine gläserne Brücke oder eine Kirche aus Wachs in einer
Nacht zu erbauen. Dies alles erfüllt er und heiratet die
Prinzessin. Diese selbst, ihr Liebhaber oder ein Mohr
stehlen den Zauberring und wünschen sich mit dem Schloss
auf eine ferne Insel. Der Junge sitzt nun wieder in seiner
Hütte oder wird ins Gefängnis gesteckt. Die Katze und
der Hund holen - oft mit Hilfe einer Maus - den Ring aus
dem Mund des Diebes, indem sie über das Meer schwimmen,
wo ihnen ein Fisch oder ein Krebs helfen, den auf dem
Rückweg nochmals verlorenen Ring wieder zu finden. Der
Junge wünscht sich dann Schloss und Prinzessin zurück
und bestraft den Dieb.
Anmerkung
Eine Fassung aus Slowenien berichtet, dass ein armer
Bursche mit dem einzigen Brot, das er und seine Mutter
besitzen, misshandelte Tiere freikauft: einen Hund, einen
Kater und eine Schlange. Die Schlange nimmt ihn mit zu
ihrer Mutter und rät ihm, als Dankeslohn nicht Silber
oder Gold zu wählen, sondern einen in der Ofenecke
liegenden Wunschring (Stein). Klopft man darauf, so
erscheinen zwölf Helfer. Nun verliebt er sich in die
Tochter des Kaisers und schickt seine Mutter als Werberin.
Der Kaiser ist erbost über seine Vermessenheit und stellt
ihm Brautaufgaben, die er unter Todesandrohung zu lösen
hat: Bis zum nächsten Morgen soll er einen Wald schlagen,
ein Feld anlegen und vom Weizen einen Kuchen backen. Dann
soll er einen Berg zermalmen, Weinberge anlegen und Wein
keltern. Abschliessend muss er ein Schloss gegenüber dem
Kaiserschloss erbauen. Dies alles bewerkstelligt er mit
seinen Helfern und richtet die Hochzeit mit der Tochter
des Kaisers. Nun folgt die Zwischenepisode mit dem Stehlen
und Suchen des Zauberringes und die Errettung des Helden
aus dem Kerker des Kaisers durch die Helfer, so dass die
Hochzeit glücklich stattfinden kann.
Literatur
Aarne, A.: Das Märchen vom Zauberring. In:
Mémoires de la société finno-ougrienne 25, 1908, p.
1-82.
Krohn, K.: Übersicht über einige Resultate der
Märchenforschung. Helsinki 1931.
Marx, A.: Griechische Märchen von dankbaren Tieren.
Stuttgart 1889.
Mudrak, E.: Herr und Herrin der Tiere. In: Fabula 4, 1961,
p. 163-173.
Schenda, R. (Hg.): Das Märchen der Märchen. Das
Pentamerone. Giambattista Basile. München 2000, p. 603.
Uther, H.-J.: Zur Bedeutung und Funktion
dienstbarer Geister in Märchen und Sage. In: Fabula 28,
1987, p. 227-244.
Märchen
>> Das grosse Buch der
Zaubermärchen
Hinweise
Schon bei Basile 3,5 erscheint der Loskauf dreier
Tiere, hier Mistkäfer, Maus und Heimchen, die dann aus
Dankbarkeit gegen ihren Wohltäter Nardiello die traurige
Prinzessin Milla zum Lachen bringen, ihn aus dem
Löwenzwinger retten und auf eine undelikate Art seinen
Nebenbuhler der Prinzessin verleiden, so dass Nardiello
schliesslich doch Millas Gatte wird. Und die zweite
Hälfte des Märchens, die Wiedergewinnung des entwendeten
Zauberringes durch die dankbaren Tiere, hat derselbe
Basile 4,1 zu einer andern Erzählung benutzt; doch gibt
er nicht an, warum die Maus, die dem schlafenden Zauberer
den Ring wegnimmt, dem Mann zu Dank verpflichtet ist.
Ausserdem ist dieser Teil einer grossen Zahl neuerer
Märchen behandelt, die nach Aarnes sorgfältiger
Untersuchung (vergleichende Märchenforschung S. 1-82; Das
Märchen vom Zauberring) auf folgende Urform zurückgehen:
Ein Junge kauft einen Hund und eine Katze vom Tode los,
befreit eine Schlange und erhält von deren Vater einen
Wunschstein, durch den er sich ein prächtiges Schloss
schafft und die Königstochter zur Frau gewinnt. Aber ein
Dieb entwendet den Stein und versetzt Schloss und Gattin
übers Meer. Da schwimmen Hund und Katze hinüber, fangen
eine Maus und nötigen sie, nachts den Stein aus dem Munde
des Diebes zu holen. Auf dem Rückwege geraten Hund und
Katze in Streit, und der Stein fällt ins Meer; nachdem
sie ihn durch einen Frosch wiedererhalten, bringen sie ihn
ihrem Herrn, und er zaubert sein Schloss und seine Frau
wieder herbei.
Aus Kärnten "Das Zauberbüchel"; aus
Siebenbürgen "Der Knabe und die Schlange"; aus
Westfalen "Die eiserne Uhr"; französisch
"Le château suspendu dans les airs"
(Tierschwäger), "Béhanic et l’orgre",
"Le fis du pêcheur devenu roi"; italienisch
"Der Ring", "Der Kaufmannssohn aus
Genua", "L’anello comanda comanda";
portugiesisch "The hind of the golden apple";
argentinisch "Die Geschichte von der alten
Hexe"; baskisch "Tabakiera the snuffbox";
rumänisch "Der Mann mit dem Zauberring".
Schullerus "Das Tornisterchen"; griechisch
"Von den drei dankbaren Tieren", "The
snake, the dog and the cat", "L’anneau de
bronze"; albanisch "Die dankbaren Tiere",
"Le serpent reconnaissant et la pierre
merveilleuse", "Le serpent reconnaissant et la
boîte merveilleuse"; serbokroatisch "Dragojilo
und Dragana", "Der Schulknabe und die junge
Schlange"; Valjavec (der Liebhaber der Prinzessin
entwendet den Ring); bulgarisch (Frau entwendet
Zauberstein); Colakov (Frau tauscht den Ring um, ohne
seine Kraft zu kennen); polnisch (der König nimmt den
Zauberring, keine Liebesgeschichte); kleinrussisch
"Der Zauberdiamant", (Aladdins Lampe vertauscht,
durch Maus, Katze und Hund wiedererlangt); Hrincenko (die
befreite Schlange wird zu einem Mädchen); weissrussisch
(ohne die dankbaren Tiere); grossrussisch (eine fremde
Frau statt der Gattin); litauisch "Von einem Knecht
und seinem Hund, Kater und Zaubersteinchen";
ungarisch "Strohkönig", "Der wundersame
Ring" und "Der Schusterknabe und der Sohn des
Königs Olenburis"; "L’enfant âgé de sept
ans", "La bauge d’acier"; zigeunerisch
"Jack and his snuff-box"; türkisch (Liebhaber
stiehlt Ring); Kúnos (eine alte Frau stiehlt); armenisch
"La pierre de la bague"; tatarisch "Der
angelnde Jüngling", "Der Sohn der Atlen;
indisch "The wonderful ring".
Eine Zwischenstufe zwischen diesen Fassungen und der
mongolischen Erzählung im Siddhi-Kür scheint in den
türkischen Vierzig Vezieren vorzuliegen; denn wie in
jenen erhält der Jüngling den Zauberspiegel durch eine
dankbare Schlange; als ihm aber der Talisman durch den
König genommen ist, wird er ähnlich wie im Siddhi-Kür
in einem Brunnenloch eingekerkert; sein Jagdhund wühlt
einen Zugang, und sein Kätzchen bringt viele Mäuse um,
die ihn fressen wollen, und zwingt die übrigen, den
Zauberspiegel aus der Schatzkammer zu stehlen. In der
berühmten Erzählung von Aladdins Lampe fehlen völlig
die dankbaren Tiere, die dem Helden den Zauberstein
verschaffen und nach seiner Entwendung wieder zustellen.
Dankbare Tiere erscheinen auch in der weissen Schlange
(KHM 17), in der Bienenkönigin (KHM 62) und in andern
besprochenen Märchen, die öfter als wirksamen Gegensatz
die Undankbarkeit des Menschen hervorheben.
Variantenverzeichnis
>> Märchen-Suchdienst
Der Hahnenstein. Basile/Italien 4,1
Von den drei dankbaren Tieren. Hahn/Griechenland 9
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