Der Vogel als
Helfer 553
Märchentyp AT: 553; cf. 300, 537
Grimm KHM: Die Bienenkönigin 62
Ein Junge schiesst auf einen
schwarzen Raben (Kranich, Adler etc.). Der Vogel bittet
ihn, sein Leben zu schonen, und bietet dafür seine Hilfe
an. Er trägt ihn zu seinen Schwestern. Die geben ihm
einmal Rüstungen, einmal verschiedene Tiere, die ihn
begleiten. Schliesslich wird sein Haar in Gold verwandelt.
Hernach tötet er ein Seeungeheuer, das drei Prinzessinnen
geraubt hat. Nach dieser Tat wird der Junge an seinem Haar
(Ring etc.) erkannt, entlarvt einen Betrüger und heiratet
die jüngste Prinzessin.
Anmerkung
Literatur
Derungs, K.: Struktur des Zaubermärchens I.
Bern, Stuttgart, Wien 1994.
Propp, V.J.: Die historischen Wurzeln des Zaubermärchens.
München 1987.
Röhrich, L.: Märchen und Wirklichkeit. Wiesbaden 1974.
Thompson, S.: The Folktale. New York 1951.
Märchen
>> Das grosse Buch der
Zaubermärchen
Hinweise
Das Märchen gehört zusammen mit der weissen Schlange
(KHM 17) und dem Meerhäschen (KHM 191) und erzählt, wie
ein Jüngling, der oft der jüngste von drei Brüdern ist,
auf der Wanderung drei Tiere (Ameisen, Enten, Bienen oder
einen Raben, Fisch, Fuchs u. a.) aus Gefahr und Hungersnot
errettet und dafür von ihnen bei der Lösung mehrerer
Aufgaben unterstützt wird, durch die er eine schöne
Jungfrau gewinnt: er soll ausgestreute Hirse, Rübsamen
oder Perlen auslesen, einen Ring oder Schlüssel aus dem
Meer heraufholen, Wasser des Lebens und des Todes
herbeischaffen, einen Palast erbauen, unter einer Schar
gleichgekleideter Mädchen die jüngste Prinzessin
herausfinden oder sich vor der zauberkundigen Jungfrau
verstecken. In einigen Fassungen erhält er von den
dankbaren Tieren die Fähigkeit, sich in ihre Gestalt zu
verwandeln, wodurch er eine vom Drachen geraubte Jungfrau
befreit. Bisweilen holt er die ferne Schöne nicht für
sich, sondern für seinen König; dieser aber ist meist
durch einen neidischen Ratgeber wider den Jüngling
eingenommen und wird durch die Jungfrau, die den tapferen
Jüngling liebt, umgebracht.
Aus Siebenbürgen: "Von der Königstochter, die
von ihrem Schloss alles in ihrem Reich sah"; Rabe,
Fisch und Fuchs verstecken den Jüngling, wie bei Grimm
KHM 191. Aus Schwaben: "Donner, Blitz und
Wetter"; die dankbaren Tiere Wolf, Fisch und Hornisse
helfen dem Helden drei Pferde hüten, in die sich die
Entführer seiner drei Schwestern verwandelt haben. Aus
Thüringen: "Die verzauberte Prinzessin"; der
ältere Bruder übt an den Tieren Mutwillen und vermag die
drei Aufgaben nicht zu lösen. Vom Harz: "Soldat
Lorenz"; Ameisen und Enten suchen Rübsamen auf und
holen den Schlüssel aus dem See und "Von den
ungetreuen Wirtstöchtern und der Prinzessin mit den
goldenen Haaren"; Tiersprache erlernt. Die gerettete
Fliege hilft dem Jüngling im Dienst eines strengen Herrn
und bei der Erringung der Prinzessin, die dieser nicht zu
besitzen, sondern nur zu sehen verlangt. Aus Westfalen:
"Die schwarze Prinzessin"; wird durch den
Soldaten erlöst, der sich drei Nächte stumm von Geistern
misshandeln lässt und drei Aufgaben mit Hilfe dankbarer
Frösche, Ameisen und Wespen löst.
Flämisch: Hase, Ameise, Frosch, die der Jüngling auf
sein wunderbares Schiff mitgenommen hat, ermitteln den
Schatzdieb, lesen Korn aus dem Wald auf und holen den Ring
aus dem Brunnen. - Dänisch: "Under Galgen St.-Hans
Nat"; Rabe, Fisch und Hummel fällen Bäume, holen
einen Ring und bauen ein über Wasser und Land gehendes
Schiff. "Den tredie Søn"; labt auf des Pferdes
Rat Fische, Schweine und Tauben, die dann für ihn einen
Berg abtragen, Flachssamen sammeln und einen Ring aus dem
Meer holen; er versäumt des Pferdes Erlösung und wird
dafür ein Jahr von seiner Gattin ferngehalten. -
Schwedisch: "Die beiden Pflegebrüder"; Ente,
Ameise und Biene holen Schlüssel, lesen Getreide und
zeigen unter sieben Bildern das rechte. - Französisch:
"La sirène et l'épervier"; Wolf und Sperber
verleihen ihre Gestalt; Gänse, Ameise und Hummel holen
die Silberkugel, sondern die Körner und bezeichnen die
jüngste Prinzessin. "Les trois rencontres";
Fisch, Ameise, Rabe; Ring, Sand, Goldäpfel vom Berg des
Todes. "Le joueur de fifre"; Fisch, Ameise,
Biene; Schlüssel, Hirse, Prinzessin erkennen. "La
fille du roi de France"; Fliege, Schwein, Fisch. -
Mallorkinisch: "Der Lügensack"; Schlangen,
Ameisen, Falke; Pinie fällen, gemischten Samen sondern. -
Rumänisch: "Die Prinzessin und der
Schweinehirt"; er versteckt sich dreimal mit Hilfe
eines Adlers, Fisches und Waldgeistes und zerschlägt den
Zauberspiegel der Prinzessin. - Serbokroatisch: Ameise,
Fisch, Adler; Korn ausklauben, Dukaten aus dem Wasser
holen, Jordanwasser. Strohal: Krähe, Biene, Fisch;
Lebenswasser, Ring, Schöne erkennen. Valjavec: Wolf,
Adler, Fisch, Ameise; Pferde finden, Hirse zählen; mit
dem Zauberpferd befreit der Held die vom Drachen geraubte
Liebste. - Tschechisch: Ameise, Ente, Bienen; Perlen aus
dem Gras, Schlüssel aus dem See, jüngste Schwester
erkennen. "Die Taube mit den drei goldenen
Federn"; Pferd rät dem Helden, der seine vom Drachen
entführte Gattin sucht; Fliege, Wolf und Krebs helfen die
Pferde der Zauberin hüten. - Slowakisch: Ameise, Vogel,
Fisch; Mohn und Hirse sondern, Lebenswasser, Ring aus dem
Meer. Sbornik: Ameisen, Fisch, Teufel; Mohn aus der Asche,
Perle aus dem Meer, Rosen aus der Hölle. - Kleinrussisch:
Mäuse, Raben; Mohn auslesen, Seidentuch holen, Mädchen
erkennen. "Iwan der Nackte und sein Bruder";
Mäuse, Mücken, Hechte; Getreide, Ring, Jüngste
erkennen. Kolberg: Ente, Storch, Kranich; Mohn, Ring,
sprechendes Kind gleich nach der Brautnacht. -
Weissrussisch: Bär, Wolf, Fuchs, Hase, Täuberich,
Ameise; der Held entflieht mit der entführten Prinzessin,
sich und sie in jene Tiere verwandelnd; ermordet wie der
Drachentöter; Wolf, Biene, Ameise, Maus; Weizen
ausdreschen, Schuhe, Kirche aus Wachs anfertigen, Stute
mit zwölf goldenen und silbernen Fohlen holen. -
Ungarisch: "Die dankbaren Tiere"; Wolf, Maus und
Biene helfen Ferkó ein Schloss bauen, Getreidekörner
zusammenlesen und alle Wölfe versammeln; diese zerreissen
die neidischen Brüder des Helden und den König.
"Feenprinzessin Goldhaar"; Hund, Fisch, Tauben;
Prinzessin für den König holen. - Türkisch: "Der
verzauberte Granatenzweig und die Weltschöne";
Fisch, Ameise, Vogel; Ring, Hirse, Wasser des Paradieses.
Schon im 14. Jahrhundert (1330) erzählt der Perser
Nachschabî unser Märchen im Papageienbuch; vgl. Benfey,
Pantschatantra 1, 216. 415. Ein König stirbt und
hinterlässt zwei Söhne. Der älteste eignet sich die
Krone zu, der jüngste wandert aus. Er kommt zu einem
Teich, wo eine Schlange einen Frosch ergriffen hat. Er
ruft der Schlange zu, und diese lässt den Frosch los, der
wieder ins Wasser hüpft. Um die Schlange zu
entschädigen, schneidet er sich ein Stück Fleisch aus
dem Leib (eine indischen Erzählungen eigne Aufopferung,
s. Benfey 1, 388. 2, 543). Für diese Wohltaten sich
dankbar zu erweisen, kommen beide, der Frosch und die
Schlange, in Menschengestalt zu ihm und dienen ihm. Der
Prinz geht in den Dienst eines Königs; diesem fällt bei
einem Fischfang sein Ring ins Wasser, und er verlangt von
dem Prinzen, dass er ihn wieder heraufhole. Der
Froschmensch nimmt seine Froschgestalt an, begibt sich ins
Wasser und bringt den Ring herauf. Bald hernach wird die
Tochter des Königs von einer Schlange gebissen, und
niemand kann sie vom Tod erretten als der Schlangenmensch,
der das Gift aus der Wunde saugt. Darauf gibt der König
dem Prinzen seine Tochter zur Gemahlin. Die beiden treuen
Diener nehmen jetzt ihren Abschied und geben sich zuvor zu
erkennen als der Frosch, dem er das Leben gerettet, und
als die Schlange, der er von seinem eigenen Fleisch zu
essen gegeben hatte. - Aus Ceylon: Elefant, Schwein,
Turteltaube; Wald ausroden, Körner zusammenklauben,
Schöne im dunkeln Zimmer erkennen. - Auch in der 1001
Nacht "Le prince de Sind et Fatime" helfen
dankbare Heuschrecken, Elefanten und Geister Getreide
sondern, einen Wasserbehälter leeren und einen Palast
bauen, wodurch der Prinz die Schöne gewinnt. - Japanisch:
Libelle, Affe, Schildkröte setzen den Helden über den
Strom, holen den Kranich und zeigen unter den Mädchen die
rechte Braut.
Unter den Aufgaben, die dankbare Tiere (KHM 17) für
den Helden lösen, kommt das Auslesen von verschiedenen
Samenkörnern schon im Psychemärchen des Apuleius (Metam
6, 10) vor, ferner im Aschenputtel (KHM 21). - Wasser aus
der stygischen Quelle holt bei Apuleius 6, 15 ein Adler
für Psyche, ebenda 6, 16 Schönheitssalbe der Proserpina.
Lebenswasser wird ausser in den hier und zu KHM 126
angeführten Erzählungen auch in KHM 97 herbeigeschafft.
- Das Herausfinden der Braut aus einer Schar von Mädchen
ist ein in Frankreich, Italien und Serbien geübter
Hochzeitsbrauch. Nahe verwandt ist das Aufsuchen einer
versteckten Braut, das in verschiedenen der angeführten
Märchen vorkommt. - Umgekehrt erhält auch der Jüngling
die Aufgabe, sich vor dem Mädchen zu verstecken (KHM
191).
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