Das Wasser des
Lebens 551
Märchentyp AT: 551; cf. 550
Grimm KHM: Das Wasser des Lebens 97
Ein alter König ist krank oder
blind und schickt seine drei Söhne aus, das Wasser des
Lebens, verjüngende Äpfel oder den Vogel Phönix zu
holen. Wer das wunderbare Heilmittel bringt, erbt den
Thron. Die beiden älteren Brüder begegnen einem Fuchs
(alte Frau, Zwerg etc.), der sie auf ihrem Weg der Suche
anspricht, nicht mit der gebührenden Achtung und
Freundlichkeit, der zuvorkommende Jüngste aber gewinnt
den Fuchs zum Helfer. In einem von Löwen, Leoparden oder
Drachen gut bewachten, wunderbaren Schloss, das nur eine
Stunde im Tag (Mittag) offen ist bzw. sich öffnet oder
dessen klappende Tore ruhen, findet er nach der Anweisung
des Fuchses in einem paradiesischen Garten mit einem
Brunnen das Wasser des Lebens (Lebensquelle,
Goldapfelbaum). In einem Zimmer sieht er eine
wunderschöne schlafende Prinzessin. Er wird so von dem
Anblick hingerissen, dass er sich zu ihr legt und sich mit
ihr vermählt, während sie noch schläft. Dann ritzt er
seinen Namen in ihr Lager und begibt sich gerade noch
rechtzeitig, bevor das Schlosstor schliesst, das Schloss
versinkt oder die Klappfelsen zuschlagen, nach Hause. Auf
dem Weg dorthin warnt ihn der Fuchs vor seinen falschen
Brüdern. Sie vertauschen das Wasser des Lebens mit
gewöhnlichem Seewasser. Als der Vater davon nur noch
kränker wird, reichen sie ihm endlich das Wasser aus der
Quelle des Lebens und geben vor, es selbst geholt zu
haben. Der Vater wird wieder gesund, verweist aber den
jüngsten Sohn des Landes, lässt ihn einmauern oder
verstosst ihn in ein armseliges Leben. Der Zusammenhang
wird erst entdeckt, als die Prinzessin, ausgerüstet mit
einem Heer und grossen Schätzen, den Vater ihres Kindes
sucht. Dieser wird an einem Merkzeichen (goldenes Tuch,
über das geritten werden muss etc.) erkannt. Gemeinsam
kehren sie in das Reich der Prinzessin zurück.
Anmerkung
Die Märchen 550 und 551 haben beide eine
gleichlautende Motivreihe und gemeinsame Motive, teils
wegen ihres sicherlich gemeinsamen Ursprungs, teils wegen
unausbleiblicher Entlehnungen.
Zuerst wollen wir die Aufmerksamkeit auf die Motive
richten. Das Einleitungsmotiv von 550 hat man mit dem
Schwanenjungfraumotiv in Verbindung bringen wollen. Hier
ist jedoch weder die Rede von einer Schwanenjungfrau, noch
handelt es sich um Riesenvögel wie den Vogel Garuda des
indischen Gottes Wischnu oder den Vogel Roch aus
Tausendundeiner Nacht, auf deren Rücken die Helden
geführt werden. Der goldene Vogel von 550 ist eher mit
dem Zaubervogel (567) verwandt, der demjenigen, der sein
Herz oder seine Leber isst, entweder eine Königskrone
oder täglich eine goldene Münze unter das Kopfkissen
gibt. In einer sehr grossen Anzahl Varianten des hier
behandelten Märchens trägt der Vogel jedoch den Namen
Phönix. Dieser Vogel wird schon von Hesiod (um 770
v.u.Z.) erwähnt und soll nach Herodot (gest. 425 v.u.Z.)
seine Heimat in Arabien haben und alle 500 Jahre
wiedergeboren werden, dabei den Staub seines Vaters in
Heliopolis, d.h. der Stadt der Sonne, in Ägypten
hinterlassend. Seine Federn sind von Gold und Purpur. Man
braucht nicht in Zweifel zu ziehen, dass der Vogel Phönix
das Sinnbild der aufgehenden Sonne war, für die Ägypter
in Arabien lokalisiert, für die Griechen in Phönizien
(d.h. deren Namen für die nördliche "Levante"
oder das "Land des Sonnenaufgangs"). Man kann
also sagen, das Land des Vogels Phönix lag "östlich
der Sonne". Der Vogel Phönix wurde jedoch schon in
der Antike auch das Symbol der Unsterblichkeit, und nach
den Alchimisten hatte er die gleichen Eigenschaften wie
der Stein der Weisen. Er verwandelte alles zu Gold und gab
ewige Gesundheit. In jüngeren orientalischen und
südosteuropäischen Märchen scheint die Nachtigall oft
den Platz des etwas verblassten Vogels Phönix eingenommen
zu haben.
Ähnliche Lebenssymbole sind im Aten Testament der Baum
des Lebens im Garten Eden und in der griechischen
Mythologie die goldenen Äpfel der Hesperiden, die
Herkules im Land des Sonnenunterganges oder, in der
Sprache des Volksmärchens, "westlich des
Mondes" holen sollte. Die goldenen Äpfel, die nach
dem Einleitungsmotiv von 550 von den drei Söhnen des
Königs der Reihe nach Nacht für Nacht gegen die Angriffe
des Vogels Phönix behütet werden sollten, können
sicherlich als direkte oder indirekte Reminiszenzen dieser
namenskundigen, lebenspedenden, vom Drachen Ladon
bewachten Äpfel betrachtet werden.
Nahe verwandt mit diesen Äpfeln ist das lebenspedende
Kraut, das Gilgamesch (3. Jahrtausend v.u.Z.) suchte und
fand, das ihm aber von einer Schlage geraubt wurde.
Gilgamesch suchte auch das Lebenswasser. Dieses Wasser
kommt unter verschiedenen Umständen vor, u.a. im Soma
oder Haoma der Inder oder Perser, das der drachentötende
Gott vor dem Kampf genoss. In der Alexandersage, deren
früheste Aufzeichnung etwa aus dem Jahre 200 n.u.Z.
stammt und teilsweise den Stoff des Gilgameschepos
widerspiegelt, wird von Alexander gesagt, dass er die
Quelle des Lebens sucht, doch findet nicht er sie, sondern
sein Diener Khizr. Khizr lebt heute noch als eine
Hauptfiger in der Sagenwelt der Mohamedaner.
In mehreren Varianten von 551 wird das Lebenswasser
nicht nur von Löwen oder Leoparden, sondern sogar von
Drachen bewacht, die der Held töten muss, und in voller
Übereinstimmung hiermit wird das Erwerben des
Lebenswassers oft unmittelbar damit belohnt, dass er die
Prinzessin gewinnt. In einer indischen Variante ist der
Baum des Lebens mit der Prinzessin identisch.
Der Gedanke vom Lebensbaum als Gesundheitsspender ist
im Parzival (um 1200) bearbeitet, in dem die Lanze des
Longinus, mit der Christus verwundet wurde, das gesuchte
Heilmittel ist. Eine Bedingung ist jedoch, dass der
Überbringer die Keuschheit eines Heiligen besitze. Diese
Bedingung schimmert auch in einer Variante von 551 aus dem
14. Jahrhundert durch, die von dem südfranzösischen
Dominikaner Johannes Gobius Junior in Scala celi erzählt
wird. Die Quelle des Lebens wird nicht nur von einer
Schlange bewacht, die der Held - der jüngste von drei
Brüdern - töten muss, sondern er muss auch den Blick von
den schönen und verführerischen Jungfrauen abwenden, die
die Quelle umgeben, wie er sich dieser auch unbewaffnet
nähern muss, obzwar ihm Ritter und "Barone"die
ausgezeichnetsten Waffen und Pferde anbieten. Der
Gedankengang ist der gleiche wie in der Parzivalsage. Auch
der Vogel Phönix ist unter christlichem Einfluss ein
Symbol der Keuschheit geworden. Es ist dem antiken
Märchen vom Vogel Phönix und dessen Wiedergeburt auch
nicht unähnlich, wenn es heisst, dass jeden Karfreitag
eine Taube vom Himmel herabkommt, um die mit ewiger Jugend
verbundene Kraft zu erneuern, die im Gral auf dem Mons
silvaticus verwahrt wird. Zu dieser mittelalterlichen
Allegorisierung gehören auch die Versionen von 550 und
551, in denen der Held zusammen mit dem Vogel oder mit dem
Wasser Brot und Wein, die nie zu Ende gehen, und ein
unüberwindbares Schwert erhält. Diese Version tritt
jedoch nicht vor dem 17. Jahrhundert zutage. Sie ist in
Dänemark, auf Island, in Schweden und im tschechischen
Sprachgebiet aufgezeichnet worden und scheint in Grimms
Wasser des Lebens durch.
Wenn der Held der beiden Märchen 550 und 551 nach
wohlverrichteter Arbeit wieder mit seinen Brüdern
zusammentrifft, wird er von ihnen in einen Brunnen
geworfen.
Die Teppiche, durch deren unbekümmertes Betreten der
Held, besonders in 551, seine Identität beweist, sind
orientalischen Ursprungs. Sie kommen u.a. in einigen
tschechischen Handschriften aus dem 15. Jahrhundert vor,
die den seinem Typus nach griechisch-byzantinischen Roman
Apollonius von Tyrus (aus dem 3. Jahrhundert n.u.Z.)
wiedergeben. Der oft zusammen mit dem Fuchs auftretende
dankbare Tote deutet auch auf östlichen Einfluss hin
(siehe 506A).
In Tausendundeiner Nacht sind die beiden Märchen Die
drei Prinzen und der Zaubervogel sowie der Sultan von
Jemen und seine drei Söhne die besten Vertreter und
stehen 550 am nächsten (vgl. auch das ursprünglich
persische Märchen 707, in dem die drei Geschwister das
Wasser des Lebens zu holen versuchen). Wir wollen auch an
die Parallelität mit dem Tobiasmärchen erinnern. Es ist,
wenn auch mit deutlichen Semitismen, etwa um 150 v.u.Z. in
Kleinasien griechisch niedergeschrieben worden. Auch
Tobias zieht mit einem in Wirklichkeit dankbaren Toten
aus, um Heilmittel - die Galle (Leber, Herz) eines Fisches
- für seinen blinden Vater zu holen.
Wann die Märchen Europa erreichten, ist ungewiss. Am
wahrscheinlichsten ist, dass sie zumindest nach Westeuropa
im Zusammenhang mit den Kreuzzügen eingeführt wurden.
Für diesen Zeitpunkt spricht u.a. die frühe
mittelalterliche Literatur, wo sich die Züge der Märchen
in einer christlich vertieften Lebensbetrachtung spiegeln.
Der älteste westeuropäische, wenn auch etwas
verstümmelte Beleg, der Roman van Walewein, scheint aus
dem 12. oder 13. Jahrhundert aus Frankreich oder den
Niederlanden zu stammen und dem Artuskreis anzugehören.
Dort handelt es sich nicht darum, ein Heilmittel zu holen,
sondern zuerst ein Schachbrett und dann, um dieses zu
bekommen, ein Schwert, und um das zu erhalten, noch eine
Prinzessin. Bereits in dieser Version des Artuskreises ist
jedoch ein eigentümlicher Zug angedeutet, der in gewissem
Masse erklärt, weshalb der Fuchs in einer grösseren
Anzahl europäischer Varianten von 550 als dankbarer Toter
(vgl. 506A bis 508) angesehen wird. In dieser frühen
Version tritt nämlich teils ein in einen Fuchs
verwandelter Prinz mit dem Namen Roges, teils der auch
sonst aus dem Artuskreis bekannte Rote Ritter oder Le
Rouge Chevalier in der Gestalt eines für sein
christliches Begräbnis dankbaren Toten auf.
Um das Schwarze Meer und in Griechenland gibt es eine
Sonderform von 551, nach der es heisst, dass eine Kirche
oder Moschee nicht fertig werden könne, wenn nicht der
goldene Vogel gewonnen werde. Dies hängt mit dem
ägyptischen, griechischen und römischen Brauch zusammen,
auf der Vorderseite des Tempels einen Adler aufzuhängen.
Bemerkenswert ist, dass die Märchen ziemlich
zahlreiche und altertümliche Belege in Skandinavien,
besonders in Dänemark haben. Der Name des Helden Bryde
erinnert uns an die Übereinstimmung der Schlussmotive
dieses Märchens und des Märchens vom Jäger, der nicht
danebenschiessen konnte (304). Von besonders grossem
Interesse ist jedoch, dass sich die Motive beider Märchen
in Rudbecks Atlantica (II, 249) finden. Seine Darstellung
gehört den oben erwähnten Versionen mit dem Brot, dem
Wein und dem unüberwindlichen Schwert an und spielt in
einem lappländischen Milieu. Sein Gewährsmann war sicher
aus Norrland. Der kranke König wird durch Freyja oder
Frejum ersetzt, die das Augenlicht verloren hat und es nur
wiedergewinnen kann, wenn sie dem Gesang des Vogels Fanins
lauschen darf, den Rudbeck selbst dem Vogel Phönix
gleichstellt. Die Königssöhne werden durch Freyjas
eigene Söhne ersetzt, die für diese Fahrt Schneeschuhe
anlegen. Die Darstellung scheint den Hauptzügen eines
dänischen Volksbuches, gleichfalls von der Brot-, Wein-
und Schwertversion, zu folgen, das beinahe eine
Zusammenziehung von 550 und 551 ist. Der älteste noch
vorhandene Druck dieses Volksbuches ist jedoch noch etwas
jünger als Atlantica, nämlich von 1696, während der
zweite Teil von Atlantica 1689 herauskam. Nach eigener
Aussage ist das dänische Volksbuch eine Übersetzung aus
dem Holländischen. Diese scheint auch einem
dementsprechenden schwedischen Volksbuch zugrunde zu
liegen, dessen ältester bekannter Druck erst von 1745
ist, mit einigen Dutzend Auflagen bis 1840. Sowohl das
dänische als auch das schwedische Volksbuch sind gereimt,
und die Personen gehören teilweise dem Artuskreis an
genau wie in den früher erwähnten französischen und
holländischen Darstellungen aus dem 12. und 13.
Jahrhundert. Eine ähnliche isländische Prosaaufzeichnung
in der Königlichen Bibliothek in Stockholm trägt die
Jahreszahl 1691. Sie ist also nur zwei Jahre jünger als
Atlantica, gibt aber Zeugnis von einer älteren Vorlage.
In diesem Zusammenhang ist auch das nahestehende
isländische Ävintyri af Ajax zu verzeichnen, das auch
aus dem 17. Jahrhundert stammt.
Literatur
Derungs, K.: Struktur des Zaubermärchens II.
Hildesheim, Zürich, New York 1994.
Derungs, K. (Hg.): Keltische Frauen und Göttinnen.
Matriarchale Spuren bei Kelten, Pikten und Schotten. Bern
1995.
Gehrts, H.: Die Klappfelsen. In:
Veröffentlichungen der Europ. Märchengesellschaft 7,
1984. p. 92-123.
Holmberg, U.: Der Baum des Lebens. Göttinnen und
Baumkult. Bern 1996.
Holmberg, U.: Das Wasser des Lebens. Göttinnen und
Wasserkult. Bern 1996.
Weinhold, K.: Die Verehrung der Quellen. In: Mythologische
Landschaft Deutschland. Hrsg. von Heide Göttner-Abendroth
und Kurt Derungs. Bern 1999.
Wünsche, A.: Die Sagen vom Lebensbaum und Lebenswasser.
Leipzig 1905.
Wünsche, A.: Das Wasser des Lebens in den Märchen der
Völker. In: Zeitschrift für vergleichende
Litteraturgeschichte 13, 1899, p. 166-180.
Märchen
>> Das grosse Buch der
Zaubermärchen
Hinweise
In einer paderbörnischen Erzählung gibt den drei
Prinzen, die zusammen reisen, statt des Zwergs ein Fischer
Auskunft. Sie können in das verzauberte Schloss nicht
eher gelangen, bis jeder drei Federn von einem Falken hat,
der alle drei Tage dreimal geflogen kommt und jedesmal
eine fallen lässt. Im Schloss müssen sie mit einem
siebenköpfigen Drachen kämpfen: wer ihn nicht in drei
Tagen besiegt, der wird in Stein verwandelt; wer ihn aber
tötet, bekommt das Wasser des Lebens. Sie gelangen mit
den Falkenfedern ins Schloss, der Kampf wird angeordnet,
die Königstochter und der Hof, alles ganz schwarz
gekleidet, sehen zu. Die beiden ältesten können dem
Drachen nichts anhaben und werden zu Stein; nun kommt der
jüngste daran, der in einem Schlag die sieben Köpfe
abhaut. Die Prinzessin gibt ihm also das Lebenswasser, und
auf seine Bitte den Brüdern das Leben wieder. - In einer
Erzählung aus dem Hannöverschen verschiedenes
Eigentümliche. Die beiden ältesten Söhne vertun auf der
Reise ihr Geld und stehlen in der Stadt, wo sie bleiben
mussten, einen Schatz, werden aber ergriffen und ins
Gefängnis geworfen. Nun zieht der jüngste Sohn aus. Er
kommt in jene Stadt und hört, dass zwei Diebe sollen
gehängt werden, da bittet er bis zu seiner Wiederkunft
damit zu warten, reitet weiter und gelangt in einen Wald,
wo das Pferd nicht mehr fort kann. Er steigt ab und findet
ein Haus, davor liegt ein Riese, der fragt was er suche.
"Das Lebenswasser; weisst du nicht, wo es zu finden
ist?" - "Nein", antwortet der Riese,
"aber vielleicht wissens meine Hasen und
Füchse." Da pfeift er, und alsbald kommen von allen
Seiten Hasen und Füchse gelaufen, über dreihundert. Der
Riese fragt, ob sie nichts von dem Wasser wüssten, aber
keiner kennt es, da spricht er: "Wissens die nicht,
so wird's wohl mein Bruder wissen; der wohnt dreitausend
Meilen von hier, aber ich will dich hintragen
lassen". Ein alter Fuchs muss den Königssohn auf den
Rücken nehmen, und in wenig Augenblicken bringt er ihn zu
seines Herrn Bruder. Dieser ist noch viel grösser, weiss
aber auch nichts von dem wunderbaren Wasser. Da ruft er
sein Feuer und fragt es darnach, und dann seine Winde,
aber keiner kennt es; nur der Nordwind, der zuletzt noch
kommt, der sagt: "Ja, ich weiss, wo es zu holen
ist". Der Nordwind muss den Königssohn zu dem
Schloss bringen und zwar zwischen elf und zwölf Uhr, wo
das Schloss allein zu sehen ist, denn hernach versinkt es
ins Wasser. Auch sagt er ihm alles, was geschehen würde
und was er zu tun hätte. Er kommt in eine prächtige
Stube, darin liegt eine schöne Königstochter und
schläft, darauf in eine andere noch prächtigere, darin
schläft auch eine schöne Jungfrau, endlich in die
dritte, die prächtigste, darin liegt die allerschönste
und schläft. Da schreibt er auf ein Blatt seinen Namen
und Tag und Jahr und legt sich dann zu ihr ins Bett, und
als er wieder aufwacht, nimmt er drei Schlüssel unter
ihrem Kopfkissen und geht in den Keller hinab und füllt
drei Flaschen mit dem Wasser. Nun steigt er eilig hinauf,
und wie er zum Tor hinaus ist, so schlägts zwölf Uhr,
und das Schloss verschwindet. Der Nordwind, der auf ihn
gelauert hat, trägt ihn zurück zum alten Fuchs, und
dieser wieder zu seinem Pferd bei dem ersten Riesen. Nun
reitet der Königssohn in die Stadt und will die Diebe
aufhängen sehen, da erkennt er seine Brüder und kauft
sie los. Jetzt folgt übereinstimmend der Verrat der
Brüder. Die Königstochter schreibt einen Brief und
verlangt den zum Gemahl, welcher bei ihr gewesen sei. Die
beiden andern melden sich nacheinander, aber sie merkt an
ihren Reden, dass sie nicht die rechten sind. Der jüngste
wird nochmals von ihr gefordert, und es kommt an den Tag,
dass er noch lebt. Er geht in den Lumpen, die er hat
tragen müssen, zu der schönen Königstochter, die ein
Söhnlein geboren hat und ihn mit Freuden empfängt.
Tirolisch: "Das verzauberte Schloss"; ein
altes Weiblein rät; das Heilwasser wird von den Brüdern
vertauscht. Schwäbisch: "Der kranke König und seine
drei Söhne"; Früchte. Aus dem Odenwald: "Die
Königstochter im Berge Muntserrat"; Brunnen der
Schönheit, des Lebens und des Todes; Flaschen vertauscht.
Ostpreussisch: Wasser der Schönheit, der Gesundheit und
des Lebens vertauscht. - Schwedisch: "Das Land der
Jugend"; Äpfel und Lebenswasser vertauscht. -
Rumänisch: "Die Fee der Morgenröte". -
Polnisch: holt der jüngste Königssohn das Lebenswasser,
um die gestorbene Schwester zu erwecken. - Grossrussisch:
verjüngende Äpfel und Lebenswasser gegen Blindheit. Aus
Tver: Lebenswasser, Todeswasser, verjüngende Äpfel. Aus
Archangelsk: Augenwasser und Lebenswasser. Aus Olonetz:
die Blumen zerrissen; verjüngende Äpfel und Lebenswasser
im Garten der Schönen; verjüngende Beeren und
Lebenswasser im Garten der Schönen. - Litauisch: Arznei
und zwei Äpfel. - Awarisch: "Das Mädchen, das
König war". - Nordafrikanisch: "Von den beiden
Knaben, die Kopf und Herz des Vogels assen"; für den
kranken König soll Löwenmilch, Wasser und Apfel geholt
werden. "Le roi et le dragon"; Blatt eines
Baumes heilt das vom Hauch eines Drachen schwarz gewordene
Antlitz des Königs.
In der Anmerkung zum goldenen Vogel ist auf dessen enge
Verwandtschaft mit unserm Märchen hingewiesen. Beidemal
ziehen drei Königssöhne aus, ein Heilmittel für ihren
erkrankten Vater zu holen, was nur dem jüngsten gelingt;
in unserer Erzählung aber tritt der wohlmeinende Helfer
(Fuchs; Greis) zurück gegen die schöne Jungfrau, mit
welcher der jüngste Bruder, während sie im Schlaf liegt,
der Liebe pflegt und die ihn später aufsucht oder suchen
lässt. Auch die drei Vügelkens (KHM 96) und die dort
angeführten Erzählungen bei Straparola und in der 1001
Nacht enthalten gemeinsame Züge, wie das zu-Stein-werden
und die Belebung durch das Wunderwasser.
Zu den gegebenen Nachweisen über das Lebenswasser sei
noch ein armenisches Märchen gefügt, wo der König seine
drei Schwiegersöhne danach aussendet, um seine tote
Gattin zu erwecken, und ein schottisches, wo die Töchter
der kranken Königin ausziehen. Ein Augenwasser verlangt
der kranke König im baskischen und griechischen Märchen;
den Wein, der die Jugend gibt, im gascognischen.
Anderwärts ist das ersehnte Heilmittel die Milch einer
Hinde, Stute, Füchsin oder gar Vogelmilch, Drachenblut,
eine Salbe aus Fuchsfett oder Fischfett, oder
Lebensäpfel, Orangen, Kirschen, eine Rose, Malve, Blume
Kulebaka (die verbrannt Blindheit heilt), Blätter, Eier,
eine bestimmte Erde. In einer tschechischen Erzählung
wird der König um 25 Jahre verjüngt, als er das goldene
Buch liest, das sein jüngster Sohn aus dem verwünschten
Schloss der schlafenden Jungfrau geholt hat.
Variantenverzeichnis
>> Märchen-Suchdienst
Das Wasser des Lebens. Grimm/KHM 97
Das Märchen von dem jungen Recken und dem Wasser des
Lebens. Afanasjew/Russland 172
Die drei Begleiter. Karlinger/Katalanien 34
Vom singenden Dudelsack. Gonzenbach/Sizilien 51
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