Der Flug mit
dem Adler 537
Märchentyp AT: 537 (Etanamärchen)
Grimm KHM:
Ein Mann zielt auf einen Adler, als
dieser plötzlich zu sprechen beginnt. Er lässt von dem
Tier ab, denn es hat einen Flügel gebrochen. Der Mann
kümmert sich um den Vogel und gibt dafür all sein Geld
aus. Schliesslich wird der Adler wieder gesund und möchte
dem Mann für seine Freundlichkeit danken. Er nimmt ihn
auf seinem Rücken mit und fliegt über das Meer zu seinem
Königreich. Der Vater oder die Schwester des Adlers geben
ihm ein Kästchen (eine Dose, Schachtel, Büchse etc.) mit
der Warnung, diese nicht zu öffnen, bevor er nicht wieder
zu Hause ist. Trotzdem öffnet er aus Neugier das
Kästchen auf seinem Heimweg. Aus diesem geht ein Schloss
hervor, welches er aber nicht mehr in das Kästchen
hineinbringt. Der Teufel hilft ihm unter der Bedingung,
dass er den Sohn des Mannes bekommt.
Anmerkung
Die Erzählung wird auch Etana-Märchen genannt, weil
eine frühe schriftliche Überlieferung aus Babylon (ca.
1500 v.u.Z.) gefunden wurde. In einem verschachtelten
Bericht kommt ein König namens Etana vor, der den
Sonnengott Schamasch um das "Gebärkraut"
bittet. Dieses soll mit Hilfe eines Adlers gewonnen
werden, der zum Himmel der Götter aufbricht. Der Vogel
lädt sich Etana auf, schwingt in die Lüfte und fordert
den König auf, nach jeder Doppelstunde nach unten zu
blicken. Zuerst erscheint die Erde als Berg und das Meer
als Fluss. Dann wird das Land zum Garten und das Meer zu
einem Trog, bis beides nicht mehr zu sehen ist. Darauf
beschwört Etana den Adler umzukehren. Dieser lässt ihn
fallen und fängt ihn wieder auf, was noch zweimal
geschieht. Dann bricht der Text ab. Varianten der
Erzählung sind, dass der Adler (Greif, Auerhahn) von
einem Mann dreimal mit dem Tod bedroht wird und sich dann
mit dem dreimaligen Sturz rächt. Oder der Vogel steigt
nach seiner Pflege zu einem kupfernen, silbernen und
goldenen Schloss auf, wo sein Retter durch Schätze
belohnt wird. Das "Gebärkraut" dürfte mit dem
Kraut der Unsterblichkeit zusammenhängen, wie es z.B. im
ebenfalls babylonischen Gilgamesch-Epos vorkommt. Von
einer Himmelfahrt wird auch in der Geschichte von
Alexander dem Grossen berichtet, als er in Persien von
zwei Adlern in die Lüfte getragen wurde. Sicher spielt AT
537 mit märchenhaften Motiven, doch es dürfte sich eher
um eine lehrreiche Tierfabel handeln, die von der
Vermessenheit eines Herrschers berichtet.
Literatur
Freydank, H.: Die Tierfabeln im Etana-Mythos.
In: Mitteilungen des Instituts für Orientforschung 17,
1971, p. 1-13.
Haavio, M.: Der Etanamythos in Finnland. Helsinki
1955.
Levin, I.: Etana. In: Fabula 8, 1966, p. 1-63.
Levin, I.: Über eines der ältesten Märchen der
Welt. In: Märchenspiegel 4/1994, p. 2-6.
Röllig, W.: Etana. In: EM 4, p. 493-499.
Märchen
>> Das grosse Buch der
Zaubermärchen
Hinweise
Variantenverzeichnis
>> Märchen-Suchdienst
Die Brücke über das Meer. Karlinger/Portugal 1
Die Spanklauber. Schier/Schweden 32
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