Brünhilde 519
Märchentyp AT: 519; cf. 513A
Grimm KHM:
Ein Prinz hat einen oder mehrere
Brüder oder Kameraden entweder dadurch bekommen, dass ein
Fisch einen kleinen Knaben verschluckte und ihn dann dem
Vater des Prinzen übergeben hat, oder dadurch, dass jener
einen Spielgefährten für seinen Sohn kaufte, oder
dadurch, dass nicht nur die Mutter, sondern auch eine
Dienerin oder ein Pferd (eine Kuh) durch das Verzehren
einer gewissen Frucht oder eines Fisches schwanger wurden.
Der gefundene, gekaufte oder vom Pferd (von der Kuh)
geborene Knabe ist der überaus starke Held des Märchens.
Er wächst mit Brüdern oder Spielgefährten unter wilden
Spielen auf; sie haben Eisenstangen, die sie hoch in die
Luft werfen. Während der Fahrt zur starken Frau besiegt
der Held auf einer Brücke drei Drachen und gewinnt
dadurch ausgezeichnete Pferde, die den Drachen gehörten.
Mitunter erwirbt er auch Gerten aus verschiedenen
Metallarten und eine Tarnkappe. Als er mit den Brüdern
kommt, um für den Prinzen um die starke Frau zu freien,
die Heere anführt und mit Waffen ausgerüstet ist, die
zwölf Männer zum Tragen erfordern, bricht der Held den
Eisenzaun nieder und tötet den Wächter. Auf den Zaun
hatte man die Köpfe der Freier gesteckt, die die Aufgaben
der Heldin nicht erfüllen konnten. Die Aufgaben lauten:
die Waffen der starken Frau ebenso gut zu führen wie sie
selbst, ihr ungezähmtes Pferd zu reiten und schliesslich,
ein Rätsel zu raten oder zu erraten, wessen Haar es ist,
das sie vorzeigt. Der Held führt diese Aufträge aus,
mitunter mit Beihilfe der Gefährten, so dass alle
glauben, es sei der Prinz selbst, der sie ausführt. Als
der Prinz während der Brautnacht von der Heldin erstickt
zu werden droht, nimmt der Held heimlich (mit Hilfe den
Tarnkappe) dessen Platz ein. Hierdurch und durch das
Peitschen mit den Gerten wird die Heldin aus einer
dämonischen Verzauberung erlöst und verliert ihre
übernatürlichen Kräfte. Sie merkt jedoch, dass sie
überlistet worden ist, schlägt dem Helden die Füsse ab
und macht den Prinzen zum Schweinehirten. Der Held lässt
sich dann von einem Blinden tragen und zwingt ein
übernatürliches Wesen, ihm Lebenswasser zu geben, und
wird dadurch wieder geheilt. Dann setzt er den Prinzen
wieder ein und wird sein erster Mann in der Regierung des
Reiches.
Anmerkung
Dieses Märchen finden wir im europäischen Teil der
Sowjetunion mit dem Zentrum Kiew sowie mit einzelnen
Varianten in den baltischen Ländern, in Böhmen, der
Slowakei und Ungarn. Das Märchen, das auch die
Brunhildesage genannt wird, ist ein Schwestermärchen der
Siegfriedsage. Die eigentliche Vorstellung von starken
Frauen dürfte es bereits bei den Hethitern gegeben haben
und dann bei den Griechen, und sie wird sowohl im
Mahabharata (um 400 v.u.Z. - 400 n.u.Z.) als auch in der
arabischen und tunesisch-bengalischen Version der Sieben
weisen Meister erwähnt.
Schon lange vor Brünhilde und Siegfried der
mittelalterlichen Nibelungensage gab es in der
nordeuropäischen Mythologie eine Brünhild und den Helden
Sigurd. Gleich bei ihrer ersten Begegnung entbrannte er in
heftiger Liebe zur ihr. Aus ihrer Vereinigung entsprang
die Tochter Aslaung. Sigurd jedoch zog es fort, und er
gelangte in das Gebiet des Rheines, wo er Grimhild traf,
die ihn für ihre Tochter Gudrun gewinnen wollte. Aus
Treue zu Brünhild lehnt der Held dies ab, doch
verabreicht ihm Grimhild einen Zaubertrank, so dass er
sein Versprechen vergisst und Gudrun heiratet. Danach
schlägt Grimhild vor, dass Brünhild die geeignete Frau
für ihren Sohn Gunnar wäre, den sie auf die Suche nach
der schönen Heldin schickt. Brünhild liegt jedoch in
einem tiefen Schlaf, umgeben von einem Feuerring. In
manchen Versionen schläft sie auf einem Glasberg. Gunnar
vermag es nicht, den Feuerwall mit seinem Pferd (oder mit
dem Zauberpferd Sigurds) zu überspringen. Sigurd tauscht
mit Gunnar die Gestalt und durchbricht unbeschadet das
Feuer. Darauf erwacht Brünhild, die den Helden
Gunnar/Sigurd heiratet. Die schicksalshaften Paare sind
nun Gudrun-Sigurd und Brünhild-Gunnar. Doch Sigurd
erhält durch seine jenseitige Begegnung mit Brünhild
seine frühere Erinnerung an sie wieder zurück. Sigurd
ist von Tag zu Tag an Gudruns Seite immer unglücklicher,
und als sie den Grund des Kummers erfährt, verrät sie
Brünhild in Zorn und Bitterkeit, dass diese eigentlich
Sigurd in Gunnars Körper geheiratet habe. Auf Gudruns
Verlangen tötet Gunnar den Helden Sigurd, während
Brünhild sich selbst den Tod gibt.
Literatur
Beyschlag, S.: Märchen, Mythos, Dichtung.
München 1963.
Burkhart, D.: Heldenjungfrau. In: EM 6, p. 745-753.
Derungs, K.: Struktur des Zaubermärchens II. Hildesheim,
Zürich, New York 1994.
Geissler, F.: Brautwerbung in der Weltliteratur. Halle
1955.
Menar, A. Löwis of: Die Brünhildsage in Russland.
Leipzig 1923.
See, K.v.: Die Werbung um Brünhild. In: Zeitschrift für
deutsches Altertum und deutsche Literatur 88, 1957-1958,
p. 1-20.
Märchen
>> Das grosse Buch der
Zaubermärchen
Hinweise
Variantenverzeichnis
>> Märchen-Suchdienst
Der beinlose und der blinde Held.
Afanasjew/Russland 199
Sturmrecke Ivan Kuhsohn. Afanasjew/Russland 136
Recke Ohnbein und Recke Ohnaug. Afanasjew/Russland 198
top
|