Rumpelstilzchen
500
Märchentyp AT: 500
Grimm KHM: Rumpelstilzchen 55
Eine Mutter (Vater) behauptet, dass
ihre Tochter etwas ganz Merkwürdiges spinnen könne,
sogar Gold aus gewöhnlichem Stroh. Der König verspricht,
sich mit dem Mädchen zu verheiraten, wenn dies wahr
wäre, im anderen Fall werde es das Leben verlieren.
Sodann macht er die Probe. Da kommt ein Männlein und
verspricht dem Mädchen zu helfen, wenn es seinerseits
verspräche, die Seine zu werden. Von diesem Versprechen
könne es nur entbunden werden, wenn es innerhalb einer
gewissen Frist den Namen des Männleins errate. Das
Mädchen besteht die Probe zur grössten Zufriedenheit des
Königs, doch da kommt das Männlein und will hören, ob
es seinen Namen erraten habe. Jemand erzählt dem
Mädchen, dass er ein Männlein um ein Feuer tanzen sehen
und seinen Namen singen hören habe. Da wird das Mädchen
froh, und als das Männlein wiederkommt, gibt es sich den
Anschein, als ob es zweimal falsch geraten hätte, aber
beim dritten Mal sagt es den richtigen Namen. Darüber
wird das Männlein so zornig, dass es sich selbst mitten
entzwei reisst.
Anmerkung
Literatur
Clodd, E.: Tom Tit Tot. Detroit 1968.
Krohn, K.: Übersicht über einige Resultate der
Märchenforschung. Helsinki 1931.
Lüthi, M.: Rumpelstilzchen. In: Antaios 12, 1971, p.
419-436.
Polivka, J.: Tom Tit Tot. In: Zeitschrift für Volkskunde
10, 1900, p. 254 ff.
Röhrich, L.: Rumpelstilzchen. Vom
Methodenpluralismus in der Erzählforschung. In: Schweiz.
Archiv für Volkskunde 68/69, 1972/73. p. 567-596.
Röhrich, L.: Sage und Märchen. Freiburg 1976.
Uther, H.-J.: Zur Bedeutung und Funktion dienstbarer
Geister in Märchen und Sage. In: Fabula 28, 1987, p.
227-244.
Märchen
>> The
girl who could spin gold from clay
>> Tom Tit Tot
>> Whuppity
Stoorie
>> Peerie Fool
>> Gwarwyn-a-throt
>> Penelop
Hinweise
In einer Erzählung ist der Schluss insoweit
abweichend, dass die Königin keinen Boten aussendet,
fremde Namen zu erkundigen, sondern der König kommt am
dritten Tag von der Jagd und hat zufällig das Männlein
behorcht und gehört, wie es sich selbst da genannt habe.
Eine andere Erzählung fängt folgendergestalt an:
Einem kleinen Mädchen wird eine Kaute Flachs gegeben Garn
zu spinnen, aber was es spann, war immer Goldgarn und kein
Flachsgarn. Da wurde es traurig, setzte sich aufs Dach,
spann und spann, aber immer nichts als Gold. Da kam ein
Männlein gegangen und sprach: "Ich will dir aus
aller Not helfen, ein junger Königssohn soll
vorbeikommen, dich mitnehmen und heiraten; aber du musst
mir dein erstes Kind versprechen." Hernach geht die
Magd der Königin hinaus, sieht das Männlein auf einem
Kochlöffel um das Feuer reiten und hört den Spruch. Als
sich Rumpelstilzchen verraten seiht, fliegt es auf dem
Kochlöffel zum Fenster hinaus.
Noch ist eine abweichende Erzählung aus Hessen
anzuführen, welche nichts von dem Spinnen sagt. Eine Frau
geht vor einem Garten vorbei, worin schöne Kirschen
hängen, bekommt ein Gelüsten, steigt ein und isst davon;
aber ein schwarzer Mann kommt aus der Erde, und sie muss
ihm für den Raub ihr Kind versprechen (wie KHM 12). Als
es geboren ist, dringt er durch alle Wachen, die der Mann
ausgestellt hat, und will der Frau nur dann das Kind
lassen, wenn sie seinen Namen weiss. Nun geht der Mann
nach, sieht, wie er in eine Höhle steigt, die von allen
Seiten mit Kochlöffeln behangen ist, und hört, wie er
sich Flederflitz nennt.
Aus Tirol: "Zistel im Körbel"; so nennt sich
der Jäger, von dem das arme Mädchen wie im
Aschenputtelmärchen schöne Kleider erhält, und
"Purzinigele"; dieser soll die Frau des Grafen
bekommen, wenn sie seinen Namen nicht errät. Aus
Österreich: Hopfenhütel verheisst der kinderlosen
Königin einen Sohn, der ihm gehören soll, falls sie nach
18 Jahren seinen Namen nicht mehr weiss. Aus Bayern:
"Das alte Haus bei Aicha"; die Dirne, die der
Jäger schön und reich gemacht hat, soll nach drei Jahren
seinen Namen Silfingerl erraten. Aus Niederdeutschland:
"Fru Rumpentrumpen"; die junge Königin
vergisst, die eine der drei hilfreichen Spinnerinnen
einzuladen, und soll deshalb ihr Kind hergeben, falls sie
ihren Namen nicht errät.
Dänisch: "Trillevip"; Zwerg hilft spinnen
für das Versprechen ihn zu heiraten. Namen erraten.
Angehängt die drei Spinnerinnen. "Pisk-i-Aske";
ein Aschenbrödel erhält drei prächtige Kleider gegen
das Versprechen, ihre künftigen drei Kinder an den Mann
hinzugeben; von einem alten Bettler hört die Königin
nicht wie sonst den Namen des bösen Geistes, sondern dass
sie bloss dreimal zu sagen brauche: "Du kaltes rotes
Vieh bekommst meine Kinder nicht", dann werde er zu
Stein werden. - Englische Fassung: "Tom Tit
Tot"; als das näschige Mädchen fünf Kuchen
verzehrt hat, sing die spinnende Mutter:
My darter ha 'ate five, five pies to-day,
verbessert sich aber, als der König vorbeikommt und
fragt, was sie da singe:
My darter ha 'spun five, five skeins to-day.
Der König wählt das Mädchen zur Braut, verlangt
aber, dass sie ebensoviel spinne. Ein schwarzer Kobold
hilft ihr, doch soll sie ihm folgen, falls sie seinen
Namen nicht errät. In einer Aufzeichnung aus Cornwall
"Duffy and the devil", heisst der schwarze Herr
Terrytop, in einer von Orkneys, ist das kleine Volk
"Peerifolk" an seine Stelle getreten. -
Französisch: die älteste, leider durch viele Zutaten und
Ausschmückungen entstellte Fassung findet sich 1705 in
der "Tour tenébreuse" der Marie Jeanne
Lhéritier: "Ricdin-Ricdon" (= Cabinet des fées
12, 31); deren Nachwirkung wir schon in Deutschland,
Dänemark und Island begegneten. Hier soll die Braut des
Prinzen den Namen des fremden Helfers nicht erraten,
sondern im Gedächtnis behalten, bis sie ihm nach drei
Monaten sein Zauberstäbchen zurückgibt. -
Serbokroatisch: eine Hexe hilft der Braut spinnen; dafür
soll diese ihr das erste Kind übergeben oder ihren Namen
erraten. - Wendisch: der Vater sagt, seine Tochter spinne
Haberstroh zu Seide; das hilfreiche Männlein heisst
Cyketarušk. - Tschechisch: das Männlein zeigt dem
Mädchen einen Brunnen, der die Haare vergoldet. - In der
polnischen Erzählung aus Kielce, ist eine Vermischung mit
dem Motiv der drei Spinnerinnen eingetreten; diese haben
sich das erste Kind des Mädchens ausbedungen und verraten
im Gesang ihre Namen Ciacia, Lacia und Lup-cup-cup po
drodze. - In einem kleinrussischen Märchen fehlt der
hilfreiche Dämon völlig; das von der Mutter zuerst wegen
seiner Gefrässigkeit gescholtene und dann als fleissige
Spinnerin gepriesene Mädchen zeigt vielmehr ihrem
Bräutigam eine Raupe an der Wand; dies sei eine Frau
gewesen, die sieben Jahre hindurch täglich ein
Garngebinde versponnen habe, das gleiche Los stehe nun
auch ihr bevor. - Litauisch: die Laume nennt beim Weben
unbedacht ihren Namen Bigutte. - Lettisch: der Zwerg, der
Moos zu Seide spinnt, heisst Neezinsch, d. i. Nichts.
In diesen Märchen hilft das elbische Wesen, dessen
Namen binnen einer bestimmten Frist erraten werden muss
oder nicht vergessen werden darf, einem Mädchen, das in
kurzer Zeit eine grosse Menge Flachs oder gar Stroh
verspinnen soll; vermag sie den Namen nicht zu sagen, so
soll sie oder ihr Kind jenem Wesen angehören. Bisweilen
ist es auch ein Mann, dem der Zwerg unter der gleichen
Bedingung aus der Not hilft. In verschiedenen
norddeutschen und skandinavischen Ortssagen handelt es
sich um die Errichtung eines grossen Bauwerkes. Von dem
Bau des Domes zu Lund erzählt man, dass ein Riese dem
heiligen Laurentius den Bau zu vollenden verhiess; wenn
diese im aber nachher seinen Namen nicht zu nennen wisse,
so habe er ihm Sonne und Mond zu geben (wie auch in
Snorres Edda, Gylfaginning c. 42 dem Asgård bauenden
Riesen verheissen wird) oder müsse sich seine Augen
ausstechen lassen. Als das Werk fast vollendet war, ging
der Heilige sorgenvoll umher, da hörte er einer
Riesenfrau Stimme: "Schweig stille, mein Kind! Bald
kommt dein Vater Find und bringt die Sonne und Mond zum
Spielzeug oder des heiligen Laurentius beide Augen".
Froh kehrte Laurentius heim; wie er den Riesen mit seinem
Namen anredete wurde dieser zu Stein. - In Südnorwegen
heisst der Riese Finn, Fingfang, Kinn, Flinkflottflank,
Piblak usw., in Nordskandinavien Skalle, Slätt, Vigge,
Fille, Påwel, Vind-och-Väder, Tväster, Fysling usw. In
einer finnischen Sage verheisst der Baumeister eine grosse
Summe dem, der die Namen der Riesen entdecke, die beim
Kirchenbau geholfen; eine Riesenmutter singt von Kilia,
Nalli und dem Fremdling. - Die Unterirdischen führen
Namen, die bei den Menschen nicht in Gebrauch sind, und
wollen nicht, dass man ihre Namen weiss. Denn mit des
bösen Geistes Namen vernichtet man seine Macht. Auch in
einem Tiermärchen aus Kamerun will die Tigerkatze den
Tieren ihre Beile nur leihen, wenn sie ihren Namen
erraten; auf den Rat der Spinne tut die Antilope einen
Fisch in die Vogelfalle und einen Vogel in die Reuse und
horcht, wie die Kinder der Tigerkatze diese anreden. Auf
ähnliche Weise belauscht in einem Märchen aus Jamaika
die Spinne die drei Königstöchter, deren Namen geheim
gehalten werden, und singt dann die Namen Yung-kyum-pyung,
Eggie-Law und Margret-Powell-Alone laut vor den Ohren des
Königs, so dass dieser vor Ärger stirbt. In der Novelle
von Turandot, hat Kalaf alle ihre Rätsel gelöst, will
sich aber doch seines Rechts wieder begeben, wenn sie
seinen Namen erraten könne. Eine ihrer Jungfrauen geht
listig zu ihm und erzählt von der grausamen
Unmenschlichkeit der Turandot, die ihn wolle ermorden
lassen, weil sie sein Rätsel nicht raten könne. Da ruft
er unvorsichtig aus: "O unglückseliger Sohn des
Timurtas, o beklagenswerter Kalaf!" So erfährt
Turandot seinen Namen. In einer kirgisischen Erzählung
muss die Jungfrau dem Werwolf folgen der ihren Namen
erraten hat.
Manchmal verlangt der Kobold, dass nicht sein Name,
sondern sein Alter erraten werde. So in einer
lothringischen Erzählung, wo der Bauer in einem hohlen
Baum wie ein Kuckuck schreit und der Teufel erstaunt ruft:
"Hunderttausend Jahre bin ich alt, und nie hörte ich
den Kuckuck zu dieser Jahreszeit". In einem
übereinstimmenden mährischen Schwank sind es 7 x 777
Jahre.
Variantenverzeichnis
>> Märchen-Suchdienst
Cistl im Körbl. Zingerle/Tirol 1,2
Riquet mit dem Schopf. Perrault/Frankreich 7
Rumpelstilzchen. Grimm/KHM 55
Die sieben Schwarten. Basile/Italien 4,4
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