Die Brücke zur
anderen Welt 471
Märchentyp AT: 471
Grimm KHM:
Drei Brüder ziehen nacheinander
aus, um ihre Schwester zu befreien. Mitunter bekommen sie
von einem Riesen den Auftrag, sieben Ochsen (Lämmer) zu
hüten und Proben von dem vorzuzeigen, was die Tiere
frassen. Den beiden Älteren misslingt es, und sie werden
zu Stein verwandelt, aber der Jüngste lässt sich auf
seinem Weg selbst von den Verlockungen glitzernder Bäume,
von Vögeln oder alten Frauen nicht aufhalten. Er kommt
über eine Brücke und sieht die merkwürdigsten Dinge:
magere Tiere auf fetter Weide, fette Tiere auf magerer
Weide und Tiere, die einander bekämpfen. Der Junge kann
vorzeigen, was die Tiere (Ochsen) gegessen haben. Auf
diese Weise wird die Schwester befreit und die Brüder
werden wieder zurückverwandelt.
Anmerkung
Schon um das Jahr 600 begegnen wir in den Dialogen des
Papstes Gregorius der Grosse der Vorstellung von einer
Totenfahrt ins Jenseits. Der Weg ging durch den offenen
Rachen eines Untiers. Diese Vorstellung spiegelt sich in
der isländischen, norwegischen und finnischen Dichtung
wieder, u.a. in dem isländischen Märchen aus dem 14.
Jahrhundert von Eriks Fahrt nach Odainsakr oder dem
Paradies. Diese Dichtung scheint mit einer älteren
Schicht des Märchens zusammenzugehören. Gleichzeitig ist
noch festzustellen, dass Reisen ins Totenreich, die an und
für sich ein allgemein-menschliches Motiv sind, nicht nur
der babylonisch-sumerischen Dichtkunst, wie dem
Gilgameschepos, sondern auch der indischen angehört
haben, die nicht ohne Einfluss auf die Visionsdichtung des
Mittelalters gewesen sein dürfte. Besonders die
Erklärungen der Visionen sind ein typisch indischer Zug.
Man darf jedoch auch nicht die entsprechenden Motive der
Antike vergessen, die u.a. in 1180 (Wasser im Sieb holen)
durchschimmern. Man vergleiche auch 470 (Der tote Freund
und der Bräutigam) und 1248 (Stangen kreuzweise tragen).
Literatur
Christiansen, R. Th.: Studies in Irish and
Scandinavian folktales. Copenhagen 1959.
Daxelmüller, C.: Entrückung. In: EM 4, p. 42-58.
Derungs, K.: Struktur des Zaubermärchens I. Bern
1994.
Dinzelbacher, P.: Die Jenseitsbrücke im Mittelalter. Wien
1973.
Dinzelbacher, P.: Jenseitsvisionen. In: EM 7, 1994, p.
533-546.
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In: Fabula 14, 1973, p. 91-101.
Grambo, R.: Traces of shamanism in Norwegian folktales and
popular legends. In: Fabula 16, 1975, p. 20-46.
Karlinger, F.: Menschen im Märchen. Wien 1994.
Niederwestberg, M.: Jenseitsfahrten im
europäischen Volksmärchen. Freiburg 1975.
Petschel, G.: Brücke zur anderen Welt. In: EM 2, p.
835-838.
Märchen
>> Das grosse Buch der
Zaubermärchen
Hinweise
Variantenverzeichnis
>> Märchen-Suchdienst
Die Gattin des Todes. Soupault/Frankreich 17
Si-Osire führt seinen Vater Setom Chaemwese in die
Unterwelt. Brunner-Traut/Aegypten 34
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