Drei Haare des
Teufels 461
Märchentyp AT: 461; cf. 930
Grimm KHM: Der Teufel mit den drei goldenen Haaren 29
Einem armen Jungen wird eine
vornehme Heirat geweissagt. Der künftige Schwiegervater
kauft das Kind und lässt es aussetzen - in einem Wald
oder legt es in einer Kiste in ein Gewässer. (Oder man
legt das Kind vor eine Rinderherde oder eine Anzahl
fahrender Wagen oder auf eine Begräbnisstätte oder wirft
es in einen Abgrund, oder man versucht, die Mutter zu
töten.) Das Kind wird jedoch gerettet und wächst heran.
Als der künftige Schwiegervater dies erfährt, gibt er
dem Jüngling einen Uriasbrief, der unterwegs geändert
wird und die vorausgesagte Hochzeit während der
Abwesenheit des Schwiegervater durchgeführt. Da schickt
der Schwiegervater den Schwiegersohn fort, um ihn lebendig
in einem glühenden Ofen oder im Feuer verbrennen zu
lassen, aber die Untat kommt über ihn selbst oder über
seinen Sohn. Oder der Schwiegersohn wird ausgeschickt,
drei Haare aus dem Bart des Teufels zu holen, und wird von
verschiedenen Auftraggebern, die er unterwegs trifft,
veranlasst, Antwort auf gewisse von ihnen gestellte Fragen
zu suchen. Die Fragen sind: Warum gibt ein gewisser Baum
keine Früchte, ein gewisser Brunnen kein Wasser, wie ist
ein bestimmtes genanntes Wassertier von seinen Leiden zu
heilen, wie kann ein krankes Mädchen wieder gesund werden
oder der Fährmann, der den Helden in die Unterwelt
führt, freikommen. Der Junge löst seine Aufgaben mit
Hilfe einer der weiblichen Angehörigen des Teufels, die,
als sie diesen laust, die drei Haare nimmt und ihm die
Antwort auf die Fragen entlockt. Der Junge wird nach
Überbringen der Antworten reich belohnt. Neiderfüllt
zieht der Schwiegervater den gleichen Weg wie der
Schwiegersohn, muss aber als Fährmann zurückbleiben.
Anmerkung
Hier haben wir eigentlich zwei selbständige Märchen,
die zu einem dritten verschmolzen sind, d.h. zu dem hier
behandelten (461). Das erste Märchen, das bei Aarne die
Nr. 930 (Der Uriasbrief) erhalten hat und vielleicht
einmal ein Stammärchen war wie die Kyros- und
Habismärchen, finden wir in der ersten Hälfte des obigen
Auszuges.
Gegen Indien als Ursprungsland des Märchens spricht 1.
dass die indischen Versionen kein ursprüngliches Bild des
Märchens geben, 2. dass die dortigen Varianten nur
(direkt oder indirekt) der schriftlichen und nicht der
mündlichen Überlieferung angehören, 3. dass die
indische Überlieferung zwar eine Anzahl Züge hat, die
rings um das Ägäische und das Schwarze Meer fehlen, dass
aber diese Züge als literarisch zu bezeichnen sind,
während die Varianten um das Ägäische und das Schwarze
Meer gleichzeitig die für dieses Gebiet typischen Züge
(wie das Aussetzen des Kindes in einer Kiste auf dem
Wasser) sowie auch Züge umfassen, die sich im übrigen
nur in Indien finden, 4. dass die besonderen Züge der
indischen Varianten teilweise in dem seinem Ursprung nach
westlicheren und älteren Habismärchen wiederzufinden
sind (wo das Hinlegen des Kindes zum Zertrampeln und das
Aussetzen wiederholte Male geschieht). Gleiche
Aussetzungsmotive haben wir übrigens ausser in den
Erzählungen über Kyros und Habis in den Märchen von
Moses, Sargon, Ödipus, Romulus und Remus u.a.m. Justinus
nimmt neben dem Habismärchen auch die Erzählung über
Kyros (I, 4 = Herodot I, 107 ff.) mit dessen Aussetzung
und dem zweimaligen Hinzuziehen von Traumdeutern auf, das
sich auch in unserem Märchen findet.
Das älteste Vorbild für unser Märchen haben wir in
der von Homer erwähnten Bellerophon-Mythe, die zweifellos
aus Kleinasien stammen dürfte und dort sogar den
Hethitern bekannt gewesen war, wenn auch der eigentliche
Bellerophonkult griechisch (wahrscheinlich vom Isthmus
stammend) genannt werden kann. Die Bellerophonmythe hat
eine typisch geradlinige Komposition. Wenn wir als
Einleitungsmotiv ein Stammärchen vom Habistyp mit
mehreren Aussetzungsmotiven nehmen, stehen wir bald mitten
in unserer eigenen Erzählung. Bellerophon wird zum Vater
der verschmähten Anteia, dem König Iobates von Lykien in
Kleinasien, mit einem Uriasbrief geschickt. Dadurch
veranlasst, schickt dieser den - wie behauptet wurde - in
die Tochter verliebten Bellerophon zu der feuerspeienden
Chimaira. Auf die gleiche Weise hat in einem späteren
Abschnitt der Ödipus-Legende der Held die alles
verheerende Sphinx zu töten, aber auch das bekannte
Rätsel zu lösen. In der Mythe wird der Chimaira
symbolisch durch ein Tier dargestellt, halb Schlange, halb
Löwe, auf dessen Rücken eine Ziege sitzt, aus deren
Rachen ständig Feuerflammen schlagen. Das Tier lag in
einer tiefen Bergkluft, und es leuchtete feuerrot, wenn
die Ziege ihren Schlund öffnete. Chimaira bedeutet auf
griechisch Ziege. In dieser feuerspeienden Chimaira haben
wir jedoch den ursprünglichen Schmelzofen des Märchens,
in den der Schwiegersohn lebend geworfen werden sollte.
Chimaira ist ein in Lykien tätiger Vulkan mit dem Namen
Janartasch, aus dem stets brennende Gase ausströmten.
Daraus lässt sich die Kopplung des Märchens mit Teufels-
und Höllenmotiven leicht erklären.
Folgen wir der Wanderung des Märchens weiter, so tritt
seine Herkunft aus Kleinasien noch klarer hervor. Wir
haben nämlich einige zwei- bis dreihundert Jahre alte
Handschriften in Ägypten und Abessinien, die ihre
Wurzelfäden im griechischen Kleinasien haben. Der
Schwiegervater heisst Markianos und der Schwiegersohn
Thalassion. Man braucht nicht einmal Griechisch gelernt zu
haben, um in dem Namen das bekannte griechische Wort
Thalatta zu erkennen, und Thalassion bedeutet, "ich
habe ihn im Meer gefunden". Namen dieser Art kommen
sowohl in der ägyptischen als auch in zwei der drei
abessinischen Handschriften vor.
Gehen wir nach Europa, finden wir zunächst eine Anzahl
historisch ausgeschmückter Varianten vom 12. bis zum 16.
Jahrhundert, wovon eine deutsche des Sachsen Gottfried von
Viterbo (geb. um 1120) mit Kaiser Heinrich III. als
Hauptperson sowohl in den Gesta Romanorum als auch in Ett
fornsvensk Legendarium (II, S. 771, 1210) wiedergegeben
wird, und eine altfranzösische verlegt ihre Erzählung
mit Kaiser Konstantin als verfolgtem Kind nach Byzanz und
in die Zeit vor der Einführung des Christentums. Diese
hat zum Teil auch die slawische Tradition erreicht und
weist Einzelheiten auf, die den Gedanken ungezwungen zum
Orient zurückführen. Noch mehr ist dies mit einer
türkischen Variante aus dem 17. Jahrhundert der Fall, die
sich direkt teils der indischen, teils den
ägyptisch-abessinischen Versionen anschliesst, ohne dass
man sie jedoch als von diesen abhängig bezeichnen
könnte. Ihre Vorlage scheint sogar älter zu sein als die
ägyptisch-abessinischen Texte. Da man ferner nicht
annahmen kann, dass diese Texte von der indischen Version
stammen, sieht es aus, als ob in voller Übereinstimmung
mit dem oben Gesagten auch der Ursprung der letzteren in
der Richtung nach Kleinasien zu verschieben wäre. Dieses
Land besitzt auch zwei für das Märchen so wichtige Züge
wie die im Namen des Kindes enthaltene Anspielung auf
gewisse Ereignisse und die Absicht, es zu ertränken.
Diese beiden gehören gleichzeitig dem Habismärchen an.
Was Habis bedeutet, ist zwar nicht völlig klar, aber aus
dem Zusammenhang geht hervor, dass der Name auf gewisse
Umstände des Märchens abzielt (abea "Gebüsch,
Wald").
In der mündlichen Überlieferung wird das Märchen im
ganzen Orient bis nach China sowie in Europa, wo es gegen
Westen und Südwesten am schüttersten belegt ist, in
einer Form wiedergegeben, die der in den Ländern um das
Ägäische und das Schwarze Meer vorkommenden Version am
nächsten steht. Der religiöse Einschlag ist besonders in
den russischen Aufzeichnungen zu bemerken. Es dürfte auch
nicht ausgeschlossen sein, dass deren Quelle ein
griechisch-orthodoxes Kloster war. Auf Chalkidike hat man
nämlich im Athoskloster ein Bild gefunden, das die
Rettung des künftigen Schwiegersohnes aus dem Wasser
durch die Engel Gabriel und Michael darstellt.
Erzählungen dieses Typs enden oft mit dem Tod des
Schwiegervaters durch einen Unglücksfall oder damit, dass
der eigene Sohn in den Ofen fällt.
Damit kommen wir zur zweiten Hälfte des hier
behandelten Märchens. Sie fusst auf einem orientalischen
Märchen, das in Aarnes Typenkatalog die Nummer 460AB
(Antwort von Gott holen) besitzt und worin der Held Gott
oder das Schicksal - in China Buddha - aufsucht, um
Antwort auf eine Frage zu erhalten, die ihn bekümmert,
oder um eine Belohnung zu bekommen. Unterwegs begegnet er
Blumen, Tieren und Menschen, die ihn bitten, weitere
Fragen vorzubringen. In den indischen und chinesischen
Varianten führt seine Wanderung zu irdischem Glück, in
den Ländern um das Ägäische und das Schwarze Meer und
auch in Italien endet das Märchen dagegen oft mit dem Tod
des Wanderers. Da das Märchen weiter nach Westen wieder
den gleichen Schluss wie in Indien erhält, darf man davon
ausgehen, dass diese Alternative auch in den
dazwischenliegenden Gebieten vorhanden war, aber teilweise
durch eine christlich-religiöse Version ersetzt wurde. In
Böhmen zieht der Antwort suchende Held wohl noch zu dem
allwissenden Gott, aber auch zur halb menschenfeindlichen
Sonne und selbst zum Teufel. Dem letztgenannten Zug
begegnen wir bereits auf der geographischen Breite von
Drau und Save. Dieses Märchen ist es, das sich in Europa
mit der ersten Hälfte des hier behandelten vereinigt hat,
um sich dann mit diesem über unseren gesamten Erdteil zu
verbreiten, im Südwesten bis zur Pyrenäischen Halbinsel,
im Westen ungefähr bis zum Rhein und im Nordwesten bis
zur Bretagne. Spuren des ursprünglich selbständigen
Märchens Antwort von Gott holen finden sich jedoch fast
auf dem gesamten Gebiet. In der Sowjetunion u.a. zieht der
Held auch in dem zusammengesetzten Märchen oft zur Sonne
anstatt zum Teufel. Ausläufer dieses kombinierten
Märchens gibt es mehr oder minder vollständig nicht nur
in China, sondern auch im nördlichen und mittleren Afrika
und, was das Schlussmotiv betrifft, besonders in
Indonesien. Die Wanderung zu Frau Mutter Sonne ist über
die Kapverdischen Inseln nach Massachusetts gekommen, wird
aber auch unter den Thompson-Indianern bis hinauf in den
kanadischen Teil des Kaskadengebirges erzählt.
Die Vorstellung, dass das Haar der Sitz der Kraft eines
Menschen sei, ist uralt, und wir kennen sie schon aus dem
Märchen von Simson. Äschylus (geb. 525 v.u.Z.). erzählt
über König Ninos von Megara, dass dessen Leben mit einem
goldenen Haar verquickt war, das auf seinem Haupt wuchs.
Diese Vorstellung findet sich sowohl bei Apollodoros, als
auch bei Ovid und Tzetzes (im 12. Jahrhundert in
Konstantinopel). Während des Mittelalters war ein Haar
aus dem Bart des Teufels vom magischen Standpunkt aus
nahezu mit dem Stein der Weisen vergleichbar und deshalb,
selbst wenn es einen scheusslichen Gestank verbreitete,
wohl wert, geholt zu werden. Durch dieses Hol-Motiv
nähert sich das Märchen jedoch 550. Die Haare werden
sogar mitunter durch drei Federn und der Teufel durch
einen Vogel oder Drachen ersetzt.
Die in den Fragen erwähnten Tiere, die an der Wurzel
des Baumes nagen, haben ein Echo in den sogenannten
Jatakas oder Erzählungen über Buddhas Inkarnationen,
ferner in den beiden Edden im Eichhörnchen Ratatoskr
(wohl eigentlich Rattenzahn) und in der Schlange Nidhöggr
(siehe 1353).
Der Schwiegervater heisst in der Sowjetunion meistens
Marko oder Marko bogaty (= reich), was mit Markianos in
der ägyptischen Variante zusammenhängt. In
Übereinstimmung hiermit findet man in den ostfinnischen
Varianten Namen wie Markke, Bohattova oder dgl., ja, man
findet sowohl dort als auch in Kleinasien sogar Namen mit
der ungefähr gleichen Bedeutung, wie sie das abessinische
Thalassion hat. Im Norden und in Deutschland heisst
dagegen der Schwiegervater oft "Rike Per
Krämare" oder "der reichste Kaufmann aus
Amsterdam". Diesen Namen finden wir in finnischen
Varianten als Pärkkäämäri oder Riikapeskreemeri
wieder.
Von den vielen indischen Varianten, die die erste
Hälfte des hier behandelten Märchens umfassen und
Aufzeichnungen haben, die bis 1400 zurückreichen, wurde
schon vor 280 eine Übersetzung ins Chinesische gemacht,
die ins Tripitaka aufgenommen wurde. In einigen dieser
indischen Varianten wird des Kindes Fuss beim Aussetzen
verletzt, genau wie in der Ödipusmythe (Ödipus =
geschwollener Fuss).
Wir sahen, dass beiden Teilen des Märchens, jedem für
sich, sowohl in Indien als auch in den Ländern um das
Ägäische und das Schwarze Meer gern ein religiöser
Stempel aufgedrückt wurde, und mitunter hat das
kombinierte Märchen ein rein christliches Gepräge, wie
in Ägypten und Abessinien. Auch der Fährmann hat einen
religiösen Hintergrund. Das ist jedoch ein europäischer
Zug. Den Gedankengang finden wir aber sowohl im
Pantschatantra (V,3) wie im Tripitaka in der Mythe vom
Mann, der gezwungen ist, ein Eisenrad zu schwingen, bis er
abgelöst wird.
Beide Hälften des Märchens haben den Norden in einer
vom nordeuropäischen Gesichtspunkt aus relativ frühen
Zeit erreicht. Wir finden Spuren davon bei Saxo (um 1200)
in seinem 3. und 4. Buch in den Märchen von Amleth
(Hamlet) mit deren doppeltem Uriasmotiv sowie im 8. Buch
im Märchen von Torkils Fahrt zu Utgardaloki, die Torkil
unternimmt, um Antwort auf gewisse Fragen der richtigen
Gottesverehrung zu bekommen, und um ein Haar aus dem Bart
des Riesen zu holen. Die Fahrt zu Geirröds Hof im selben
8. Buch ist nur eine Dublette. Das Ofenmotiv haben wir
wieder in einer Variante von 910 (Die guten Ratschläge).
Literatur
Aarne, A.: Der reiche Mann und sein
Schwiegersohn. Hamina 1916.
Binder, G.: Die Aussetzung des Königskindes. Meisenheim
1964.
Cosquin, E.: Le lait de la mère et le coffre flottant.
In: Revue des questions historiques 42, 1908, p. 353-425.
Krohn, K.: Übersicht über einige Resultate der
Märchenforschung. Helsinki 1931.
Lüthi, M.: So leben sie noch heute. Göttingen 1969.
Marzolph, U.: Haare. In: EM 6, p. 343-348.
Röhrich, L.: Sage und Märchen. Freiburg 1976.
Schang, T.: Chinas Weise Frauen. Bern 1996, p. 93 f.
Märchen
>> Das grosse Buch der
Zaubermärchen
Hinweise
In diesem Märchen von dem mutigen Jüngling, der einem
dämonischen Wesen drei Haare (Federn) und Auskunft auf
verschiedene Fragen entlockt, unterscheiden wir folgende
Motive: A 1) Verfolgung des Neugeborenen durch dessen
künftigen Schwiegervater und A 2) Vertauschung des
Uriasbriefes mit einem Befehl zur Heirat mit der Tochter;
B) Der Schwiegervater schickt den Helden fort, drei haare
des Teufels (Riesen, Drachen, Vogels) zu holen; C)
Begegnende tragen ihm Fragen auf; D) des Unholds Frau
verbirgt ihn und verschafft ihm die drei Haare und die
Antworten; E) er erhält Belohnungen und F) heiratet die
Königstochter; G) der Schwiegervater geht denselben Weg
und wird genötigt, den Fährmann abzulösen.
Schwäbisch: "Die Reise zum Vogel Strauss".
Niederrhein: "Die drei goldenen Haare des
Teufels". Aus Norddeutschland: "Sausewind";
statt der Federn ein Stück von der Goldklippe, Erlösung
dreier verwünschter Mädchen. Aus der Uckermark:
"Der Popanz"; für die Amme, nicht für den
König werden sieben Federn und sieben Antworten geholt. -
Slowakisch: "Die Reise zur Sonne"; die Sonne
antwortet dem Jungen unmittelbar. - Kleinrussisch aus
Kiew: Heirat mit der vom Drachen entführten Prinzessin. -
Weissrussisch: der Kaufmann schickt den Findling, den
dessen Mutter ausgesetzt hatte, zu Gott, um zu fragen,
warum die Sonne drei Tage nicht geschienen habe und drei
Tage lang kein Regen gefallen sei; der Held entführt nach
Gottes Weisung die Meerjungfer, die der Kaufmann behalten
will; Bad in siedender Milch. - Ungarisch: der weise Vogel
Greif, dem der Student drei silberne Birnen bringt,
beantwortet dessen Fragen und lässt sich eine Feder
ausreissen, die auf alles Bescheid erteilt. -
Zigeunerisch: "Die drei goldenen Haare des
Sonnenkönigs". - Tatarisch: der ferne Bruder des
Kaufmanns Aziz verschont den ihm mit einem Uriasbrief
zugesandten Jungen, beantwortet die ihm auferlegten Fragen
und sendet in als reichen Prinzen heim.
Die Einleitung (A1, 2) von dem vergeblichen Hass des
Königs wider den ihm prophezeiten Schwiegersohn, den er
durch Aussetzung und durch einen Uriasbrief zu töten
sucht, und von der Briefvertauschung, welche die
Vermählung mit seiner Tochter herbeiführt, erscheint
schon in den mittelalterlichen Sagen vom Kaiser Constantin
und vom Kaiser Heinrich III. - Auf ein Mädchen wird
dieselbe Geschichte übertragen.
Die in unsrer Fassung dem neugeborenen Helden eigne
Glückshaut, pileus naturalis bei Lampridius, mhd.
hüetelîn, batwât, kindbälgel, westerhuot, heisst in
Belgien Helm; und nach der roten oder bleichen und
schwärzlichen Farbe schliesst man auf das zukünftige
Glück. Bei den Isländern heisst sie fylgja; ein Geist
soll darin wohnen, der durchs ganze Leben das Kind
begleite, daher die Glückshaut sorgfältig bewahrt und
versteckt wird.
Das Holen dreier Haare des Teufels entspricht
merkwürdig einer Erzählung bei Saxo Grammaticus im 8.
Buch p. 294. Thorkill gelangt nach Utgard, das gleich der
Hölle beschrieben wird, und reisst dort dem Utgarthiloki
eins seiner langen Barthaare aus, das greulichen Gestank
verbreitet. Huon von Bordeaux wird von Karl dem Grossen
ausgesandt, dem Kalifen einige Barthaare auszuraufen. Im
Zigeunermärchen reisst ein Bursch dem schlafenden
Teufelkönig drei Barthaare aus, mit denen er alle Steine
in Gold verwandeln kann. Im italienischen Märchen bei
Finamore wird der kinderlosen Königin eine Abkochung von
drei Barthaaren des Teufels verordnet.
Von des Teufels Mutter oder Grossmutter ist die Rede.
Sie ist hier gutmütig und steht dem Bedrängten bei. Auch
die Töchter des Riesen zeigen sich dem Fremdling geneigt.
Der bei der Befragung des Teufels zuhörende Jüngling
wird zuweilen vorher in eine Ameise oder eine Hechel
verwandelt.
Die Episode der durch Begegnende dem Helden
aufgetragenen Fragen tritt auch in andern Märchenkreisen
auf. Am nächsten stehen die Fälle, wo ein Jüngling zur
Heilung des Königs drei Federn des Greifs holen oder beim
Drachen oder bei der Sonne nach einem Mittel für eine
Kranke fragen soll. Auch der Dummling, der sich eine Frau
suchen soll, der Pechvogel, der unabsichtlich überall
Schaden anrichtet und darum vor den Richter geführt wird,
der boshafte Knecht, der seinem Herrn die drei Ringe [!]
des Teufels holen soll, der vom Unglück Geplagte, der
sich beim Schicksal beschweren will, der Wohltätige, der
den ihm verheissenen hundertfältigen Lohn einzufordern
gedenkt, der mit einer Frage des Königs zu drei weisen
Greisen geschickte Landmann, Ciana, die, um ihre sieben
verwünschten Brüder zu erlösen, zur Mutter der Zeit
wandert, der Jüngling, der den Ring der Peri vom
Sonnentreiber holen soll, der Bursche, der die Sonne
fragen soll, warum sie nicht immerfort scheine, alle diese
treffen auf ihrer Wanderung Leute, die sich nach ihrem
Reiseziel erkundigen und sie ersuchen, auch für ihre
Nöte ein Orakel einzuholen. Bald soll der Wanderer
ausfindig machen, warum ein Apfelbaum nicht mehr Früchte
trägt, bald warum ein Brunnen versiegt ist, wo der
verlorene Schlüssel der Schatzkammer liegt, wie die
erkrankte Königstochter zu heilen ist, warum zwei Berge
fortwährend aneinander schlagen, warum im Kloster beim
Mittagsmahl stets Zank entsteht u. a.; endlich fragt ein
Fährmann, wann er denn abgelöst werde; er erhält den
Bescheid, er brauche nur dem nächsten Wanderer, den er
übersetzte, sein Ruder in die Hand zu geben; die gleiche
Antwort wird dem Soldaten, der stets eine Kanone halten
muss, zuteil. Diese Ablösung fällt in vielen Fassungen
dem missgünstigen und habgierigen Schwiegervater des
Helden zu.
Variantenverzeichnis
>> Märchen-Suchdienst
Jäppa in Norrland. Schier/Schweden 29
Der Teufel mit den drei goldenen Haaren. Grimm/KHM 29
Marko der Reiche und Vasilij Ohnglück. Afanasjew/Russland
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