Die Schwester
sucht ihre Brüder 451
Märchentyp AT: 451; cf. 705, 707,
710
Grimm KHM: Die zwölf Brüder 9; Die sieben Raben 25; Die
sechs Schwäne 49
Eine Schar Brüder erfährt durch
ein Zeichen von zu Hause, dass sie eine Schwester bekommen
hat und damit zum Tod verurteilt ist. Sie fliehen und
werden in Schwäne oder andere Vögel verwandelt. Oder der
Vater, die Mutter, die zauberische Stiefmutter
verwünschen sie in Tiere (Raben, Hirsche etc.). Ihre
Schwester sucht und findet sie in einer Hütte im Wald.
Sind die Brüder noch in Menschengestalt, verwandelt die
Schwester diese in Tiere, indem sie unachtsam deren
Lebens- und Seelenblumen pflückt. Von einer alten Frau
oder von einem Bruder in Vogelgestalt - die Brüder sind
tagsüber in Tiergestalt - erfährt sie, wie sie diese
erlösen kann: Sie muss ihnen nicht nur Hemden aus Blumen
nähen, sondern dabei auch sieben Jahre lang völlig stumm
sein. Währenddessen wird sie im Wald von einem König
gefunden und mit ihm gegen den Willen seiner Mutter
verheiratet. Man beschuldigt sie, ihre neugeborenen Kinder
aufgegessen zu haben (Unterschieben von Tierjungen,
blutverschmierter Mund etc.), und sie wird zum Tod auf dem
Scheiterhaufen verurteilt. Gerade als die siebenjährige
Frist zu Ende ist, wird sie von ihren rückverwandelten
Brüdern gerettet, denen sie in letzter Minute die Hemden
übergeworfen hat, als diese in Tiergestalt zum Ort der
Hinrichtung herbeikommen. Sie bringen die geretteten
Kinder der Schwester zurück, welche die Verleumdungen und
Untaten der dämonischen Schwiegermutter aufdeckt.
Anmerkung
Dieses Märchen erweckt beim ersten Ansehen den
Eindruck, als ob es zu unseren ältesten Zaubermärchen
gehört. Das Märchen scheint seinen Ursprung oder
zumindest seinen ältesten Vertreter um 1185 in Lothringen
zu haben, wo es der Mönch Johannes de Alta Silva in
seinem lateinisch zusammengeschriebenen Dolopathos, eine
Bearbeitung der Sieben weisen Meister, aufgenommen hat.
Seine Vorbilder scheinen teils eine gewöhnliche
Schwanenjungfrausage oder das Schwanenjungfraumärchen
(400), das schon um 1150 Frankreich erreichte, teils das
nach Östrup ursprünglich persische Märchen Die
neidischen Schwestern (707) gewesen zu sein. Der Verfasser
von Dolopathos lässt einen jungen Ritter eine aus der
übernatürlichen Welt stammende Braut (Nymphe) dadurch
gewinnen, dass er eine Kette durchschlägt, mit der sie
ungefähr so gebunden war, wie wir es in 403A (Die weisse
und die schwarze Braut) sahen. Sie gebiert ihm sechs
Knaben und ein Mädchen, alle mit Ketten um den Hals. Sie
wird von ihrer Schwiegermutter verleumdet, und als die
Schwiegermutter die Kinder mit jungen Hunden vertauscht,
wird sie von ihrem Gatten verstossen und bis zur Brust in
die Erde eingegraben. Die Kinder, die jedesmal, wenn sie
ihre Ketten ablegen, in Schwäne verwandelt werden, leben
unerreichbar im Wald. Schliesslich beraubt sie der Diener
der Schwiegermutter ihrer Ketten, wodurch sie Schwäne
bleiben. Die Kette des Mädchens bekommt er jedoch nicht.
Sie deckt dem Vater dann auf, wie alles zugegangen war,
worauf die Mutter befreit wird und die Brüder ihre Ketten
und die menschliche Gestalt wieder bekommen, ausser dem
jüngsten, dessen Kette beschädigt wurde. Einer der
Söhne war Gottfried von Bouillon, der seitdem immer von
seinem jüngsten Bruder begleitet wurde.
Diese Darstellung ist zum Vorbild geworden für eine
unendliche Zahl meist westeuropäischer Bearbeitungen, die
nach und nach teils in die mündliche Überlieferung,
teils in Volksbücher Eingang fanden. Die Hemden spielen
in der Grimmschen Version ungefähr dieselbe Rolle wie die
Ketten in der Darstellung im Dolopathos. Sowohl an dem
siebenten Hemd bei Grimm wie an der siebenten Kette im
Dolopathos war ein Mangel. Im übrigen wird auf 400 (Das
Schwanenjungfraumärchen) und 707 verwiesen.
Literatur
Derungs, K.: Amalia oder Der Vogel der Wahrheit.
Mythen und Märchen aus Rätien im Kulturvergleich. Chur
1994.
Derungs, K.: Struktur des Zaubermärchens II. Hildesheim,
Zürich, New York 1994.
Göttner-Abendroth, H.: Für die Musen. Frankfurt 1988.
Holbek, B.: Interpretation of fairy tales. Helsinki 1987.
Lüthi, M.: So leben sie noch heute. Göttingen 1969.
Propp, V.J.: Die historischen Wurzeln des Zaubermärchens.
München 1987.
Schenda, R. (Hg.): Das Märchen der Märchen. Das
Pentamerone. Giambattista Basile. München 2000, p. 608.
Märchen
>> Das grosse Buch der
Zaubermärchen
Hinweise
Die zwölf Brüder:
Manche Züge dieses Märchens, die nur mit wenigen
Strichen angedeutet sind, wie die Verwendung der Hemden,
die Zauberkraft der Lilien und die Verleumdung der argen
Schwieger, werden uns durch die Vergleichung andrer
Fassungen klarer. Den Grundgedanken, die Erlösung der in
Tiergestalt verwandelten Brüder durch deren junge
Schwester, hat es mit den Märchen von den sechs Schwänen
(KHM 49) und von den sieben Raben (KHM 25) gemeinsam;
verschieden aber werden Ursprung und Aufhebung des Zaubers
dargestellt. Entweder verwünscht der Vater selber im
Unmut die Söhne zu Raben (KHM 25), oder eine böse
Stiefmutter verhext die Kinder aus erster Ehe (KHM 49),
oder die Schwester bringt unbewusst das Unheil über die
im Waldhaus einsam lebenden Brüder (KHM 9), die der Vater
zu töten gelobt hatte, falls ihm die ersehnte Tochter
geboren würde. Ein Unhold (Hexe, Vogel), der das Mädchen
bedroht oder ihr Blut aus dem kleinen Finger saugt, wird
zwar von den Brüdern erschlagen, aber aus dem Grab
wachsen Blumen oder Kräuter, die vom Mädchen gepflückt
die Brüder in Tiere verwandeln. Um die Brüder zu
entzaubern, darf die Schwester mehrere Jahre weder ein
Wort reden noch lachen; und das wird ihr noch schwerer,
weil ein Prinz sie im Wald findet und als seine Gattin
heimführt, sie aber sich gegen die Verleumdungen der
Schwieger, sie habe ihre eben geborenen Kinder gefressen
oder Hunde geboren, mit keiner Silbe wehren kann; endlich
in der höchsten Not erscheinen ihre Brüder, und ihr wird
verstattet zu reden, weil die gesetzte Frist abgelaufen
ist. Für diese Art der Erlösung tritt im Pentamerone
eine Wallfahrt des Mädchens zur Mutter der Zeit ein, für
die ihr verschiedene Leute Fragen mitgeben. Endlich gibt
es auch Märchen, bei denen wie in unsrer KHM 11
"Brüderchen und Schwesterchen" das Mädchen der
Werbung des Prinzen folgt, ohne das Gebot der Stummheit
erhalten zu haben, und die verwandelten Brüder mit sich
führt. Da wird sie durch eine Hexe in den Abgrund
gestossen, und diese nimmt ihren Platz ein.
In einer österreichischen Fassung "Der schwarze
Vogel" saugt ein Rabe dem Mädchen Blut aus der Hand
und wird erschlagen; aus der Stelle, wo er eingegraben
war, spriesst ein Apfelbaum auf, dessen Früchte die
zwölf Brüder in ebensolche Vögel verwandelt. In der
schweizerischen Erzählung "S einzig Töchterli"
erscheint statt des blutsaugenden Vogels ein Drache, mit
dessen Tötung das Geisterschloss, in dem die sieben
Brüder leben, entzaubert ist; eine Verwandlung in
Tiergestalt kommt nicht vor. Vollständig dagegen stimmen
in der zweiten Hälfte mit dem Grimmschen eine
kärntnische Aufzeichnung "Von den drei Hirschen und
der Königin" und eine aus dem badischen Schwarzwald
"Die drei Hirsche", nur ist in jener der
Blutsauger ein Riese, in dieser die Stiefmutter der
Brüder, und die Brüder werden zu Hirschen. - Dänisch:
"De elleve Svaner", "Söster og
Brödre". In der Erzählung "Den stumme
Dronning" kämmt die Schwester die zwölf Brüder mit
dem Goldkamm des von ihnen erschlagenen Riesen, da werden
sie zu Hirschen. Bei der Entzauberung fehlt dem einen ein
Auge, weil ihr angesichts des Scheiterhaufens eine Träne
entfallen ist. - Norwegisch: "Die zwölf wilden
Enten"; die Königin will ihre zwölf Söhne hingeben
für eine Tochter weiss wie Schnee und rot wie Blut. Das
Mädchen kann die Brüder nur erlösen, wenn sie zwölf
Hemden, Mützen und Halstücher aus Butterblumen spinnt
und webt und stumm bleibt. - Isländisch: "Die zwölf
Brüder"; Hemden aus Eichenblättern für die zwölf
Raben. - Irisch: "The twelve wild geese". -
Französisch: "La fille et ses sept frères";
ohne Tierverwandlung und "Les sept garçons et leur
soeur"; ein wilder Mann als Blutsauger; Blätter von
seinem Grabe verwandeln die Jünglinge in Hirsche, die
durch übergeworfene Tücher von der Schwester erlöst
werden; kein Schweigegebot. "Les trois frères
métamorphosés en corbeaux et leur soeur"; Riese als
Blutsauger; seine Mutter wirft ein Zauberpulver in die
Suppe der Brüder. Marie, die ein Jahr und einen Tag lang
nichts sagen darf als Ja, wird als Kammermädchen der
Königin der Ermordung des kleinen Prinzen beschuldigt und
soll, da sie Ja sagt, gehängt werden; aber ihre Brüder
erscheinen, und ihre Unschuld wird offenbar. Nach dem Tode
seiner Frau heiratet sie der König. "Les neuf
frères métamorphosés en moutons et leur soeur";
die Hexe verwandelt die Brüder, ihre Tochter stösst die
Schwester in den Brunnen und legt sich in ihr Bett, der
Gatte hört die Geschwister klagen. - Italienisch:
"Die sieben Tauben"; die Brüder wünschen sich
eine Schwester, werden aber getäuscht und ziehen in den
Wald zu einem blinden Menschfresser. Bei diesem will sich
ihre Schwester Cianna später Feuer holen, er verfolgt
sie, aber die Brüder eilen herbei und bringen ihn um; sie
werden, als Cianna von seinem Grab Rosmarin bricht in
Tauben verwandelt. "Les onze cygnes"; die
Stiefmutter verwandelt die elf Knaben in Schwäne und
verstösst gleichzeitig das Mädchen. Dies flicht zwölf
Decken aus Schilfgras und bleibt während der ganzen Zeit
stumm) und "Les sept frères"; die Brüder
töten die blutsaugende Nachbarin nicht und werden erst
nach der Heirat ihrer Schwester durch die alte Königin in
Schweine verwandelt, die Schwester aber ins Meer geworfen
und von einem Schwertfisch verschluckt und "I dodici
buoi"; die Blutsaugerin wird enthauptet lebt aber
wieder auf, verwandelt die Brüder durch eine Suppe in
Ochsen, stürzt die junge Königin in eine Zisterne und
verlangt von dem Fleisch des Kalbes zu essen. Der Diener
belauscht wie in der vorausgehenden Fassung das Gespräch
von Bruder und Schwester. "L'anneau enchanté";
Milia befreit ihre sechs von einer Hexe in Böcke
verwandelten Brüder, indem sie auf den Rat eines Vogels
der Hexe im Schlaf den Hals abschneidet und ihr Zauberhemd
anlegt. - Kroatisch: eine alte Frau nimmt die Brüder und
erlaubt ihnen alles im Garten zu nehmen, nur die zwölf
Lilien nicht. - Bulgarisch: Zeichen der Geburt vertauscht.
Das Mädchen nimmt eiserne Stiefel und einen eisernen
Stock. Dann lenkt die Erzählung über in die von
Sneewittchen. - Slowakisch: das Mädchen kommt in das
Schloss, wo ihre zwölf Brüder leben; der jüngste Bruder
löst den auf der Familie und dem Land ruhenden Fluch,
indem er den feindseligen Oheim enthauptet. - Eine
eigenartige Einleitung hat eine polnische Fassung: die
vier Brüder ziehen in die Wildnis, weil ihr Vater ihre
Mutter misshandelt. Die Schwester sucht sie auf und führt
ihren Haushalt. Die Brüder erschiessen den Zauberer, der
zu ihrer Tür fliegt und aus der Schwester Daumen Blut
saugt, werden aber durch die auf seinem Grab gewachsenen
Lilien in Löwen verwandelt. Der älteste Bruder, dem die
Schwester die abgepflückten Lilien gereicht hatte, sagt
ihr, dass sie zu ihrer Erlösung stumm bleiben und vier
Hemden nähen müsse. - Kleinrussisch: die zwölf Brüder
werden zu Schwänen, als die Schwester ihre Hemden ins
Meer fallen lässt. Da sie auf dem Scheiterhaufen das
zwölfte Hemd noch nicht fertig hat, behält der jüngste
Bruder einen Flügel.
In einem griechischen Märchen "Ljelje Kurwe"
und in einem kabylischen "Les sept frères"
zwingt eine Magd, die das Mädchen zu ihren fernen
Brüdern geleitet, unterwegs dieses, vom Pferd zu steigen
und mit ihm die Rolle zu tauschen, wie in den Erzählungen
von der falschen Braut (KHM 11). In einem 1itauischen
"Von den neun Brüdern" hüllt sich eine Laume
(Albgeist), nachdem sie den warnenden Hasen erschlagen, in
die Kleider des Mädchens und steigt statt ihrer auf den
Wagen.
Die sieben Raben:
Ähnlichkeit hat das Märchen von den sechs Schwänen
(KHM 49), und das Märchen von den zwölf Brüdern (KHM
9). Wir unterscheiden folgende Teile: A. Die Mutter oder
der Vater verwünscht die Söhne ihrer Naschhaftigkeit
oder einer andern Unart wegen in Raben; B. das
Schwesterchen will sie aufsuchen und fragt Sonne, Mond und
Sterne nach ihnen; C. es findet sie auf dem Glasberg, und
damit ist meist die Erlösung vollbracht; D. bisweilen
aber muss die Schwester noch Jahre lang stumm sein und
Hemden anfertigen, verliert ihre Kinder und ist nahe
daran, von Henkershand zu sterben, ganz wie in KHM 9 und
49.
Schlesisch: "Die drei Raben"; die
Entzauberung erfolgt schon, als der König das Mädchen im
Wald findet. "Die zwölf Rabenkrähen";
Anfertigung der Hemden. Brandenburgisch: "Vom
Mädchen, das seine Brüder sucht"; acht Schwäne;
Wind, Mond, Sonne; Schluss ähnlich der Genovefa-Legende.
Ostpreussisch: "Die drei weissen Wölfe";
Mariechen fragt bei Sonne, Mond, Sternen und Wind und
"Die drei Schwäne"; Wind, Frost, Sonne. Die
Schwäne selber wollen die Schwester zum Sprechen bringen
und rauben ihr die Kinder.
Rumänisch: zwei Adler; da die Schwester nach fünf
Jahren ihr Schweigen bricht, behalten die Brüder ihre
Tiergestalt. - Serbokroatisch: "Die zwölf
Raben"; von der Stiefmutter verwünscht, weil ihnen
ein Schwein auf der Weide verloren gegangen ist, auf den
Glasberg versetzt. Die Schwester muss sieben Jahre lang
stumm sein, von der Schwieger verfolgt, gebiert im Wald
einen Wolfsknaben, vom Gatten aufgesucht; die Wolfshaut
wird verbrannt. Valjavec: sieben Raben; die Schwester
findet sie im gläsernen Haus auf dem Berg, näht sechs
Jahre Hemden für die Brüder; im siebenten nimmt ein Graf
sie zur Frau. Mikulicic: neun Söhne von der Mutter wegen
ihres Heisshungers zu Wölfen verwünscht; die Schwester
findet der Prinz auf der Weide. Strohal: drei Wölfe; das
Mädchen wird vom Grafen bei seinen Kirschen betroffen.
Drei Raben; drei Greise, die Herren der Vögel, weisen die
Schwester zurecht; sie fastet neun Jahre in einer Eiche. -
Tschechisch: sieben Raben bei Wind, Mond, Sonne gesucht;
Leiter von Hühnerknöchlein zur Bergspitze; die Schwester
muss schweigend Flachs säen, spinnen, weben und die
Hemden nähen. Südböhmen: Sonne, Wind, Mond. Eigentlich
hatte die Mutter des Prinzen die sieben Brüder
verzaubert. Mähren: "Der gläserne Berg"; zwei
Raben; Sonne, Mond, Wind; eingemischt Aschenputtel. Elpl:
sieben Raben, von der Schwester selbst im Wald gefunden.
Václavek: zwölf Raben. Eine Hexe weist der nachgeborenen
Schwester den Weg zum Glasberg. - Slowakisch: drei Raben;
die Schwester wird von Mond, Sonne und Wind zum Glasberg
gewiesen. In einer Variante weist ein Greis, der
Schutzengel der Brüder, zum Glasberg. - Polnisch: drei
Vögel; die Schwester erfährt im Räuberhaus vom
Glasberg. Oberschlesien: sieben Raben; Mond, Sonne, Wind.
Aus Posen: sieben Raben; Mond, Frost, Wind; drei Jahre
schweigen. Aus Krakau: sieben Störche; zwei Einsiedler
weisen zum steilen, schlüpfrigen Berg. Aus Lublin: zwei
Brüder vom Vater in kämpfende Vögel verwünscht; die
Schwester trifft sie zufällig, muss schweigen. -
Kaschubisch: sieben schwarze Vögel; Sonne, Mond, Wind; im
siebenten Jahr heiratet der König die Schwester; dann das
Mädchen ohne Hände. - Slovinzisch: sieben Raben; Sonne,
Mond, Sterne; nach drei Jahren kommt der Prinz in den
Wald. - Weissrussisch: drei am Sonntag sich raufende
Brüder werden von der Mutter zu Vögeln verwünscht; die
nachgeborene Schwester kommt zu ihrer Hütte; (drei
Wölfe; die Schwester soll sieben Jahre nicht sprechen
noch weinen). - Litauisch: zwölf Adler; Wolf und Bär
tragen das Mädchen zu einer Kapelle und zur Jungfrau
Maria, wo die Brüder täglich zu den drei Mahlzeiten
erscheinen; Maria heisst das Mädchen drei Jahre lang
stumm sein und bringt zum Schluss, als es am Galgen steht,
die drei Kinder und die zwölf Brüder herbei. "Der
Rabe"; ein Kraut belebt die getöteten Kinder. -
Estnisch: "Die kämpfenden Brüder"; die Mutter
verwünscht die drei zankenden Söhne nicht zu Tieren,
sondern zu stetem Kampf. Die Schwester kommt zum Herrn der
Waldtiere und zu dem der Vögel und erhält ein rollendes
Knäuel.
Der Eingang des Märchens erinnert an das altdänische
Lied vom Walraben, der von der Stiefmutter verflucht war,
und dem die Schwester ihr kleines Kind gibt, durch dessen
Augen- und Herzblut er seine menschliche Gestalt wieder
erlangt. - Dagegen ist es in unsrer KHM 93 ein Mädchen,
das durch den Fluch der Mutter Rabengestalt erhält; und
ebenso wird in einer schlesischen Erzählung die Tochter
zur Taube verwünscht und durch ihren Bruder auf die
gleiche Weise wie in KHM 25 erlöst: er fragt bei Wind,
Rabe und Sonne nach, passiert die gläserne Brücke und
bringt ihr ein neues Hemd, dann muss er sie in der
finstern Welt aufsuchen und eine Mandel Besen zu Asche
kehren.
Wenn das Schwesterchen hier an das Weltende gelangt, so
vergleiche man, was zu dem Froschkönig aus dem
Schottischen bemerkt ist. Auch Fortunatus reiste so weit,
bis er endlich nicht mehr weiter konnte.
Dass Sonne, Mond und Sterne oder die Winde nach dem Weg
gefragt werden, kommt auch in andern Märchen vor; vgl.
das Löweneckerchen unter KHM 88 und KHM 127. König Artus
wohnt bei der Fee Morgan auf der Glasinsel, und leicht ist
ein Zusammenhang, nicht bloss in den Worten, mit dem
nordeuropäischen Gläsiswoll. In Schottland gibt es noch
Mauern, die wie mit Glas überzogen sind (vitrified
forts). Vgl. Archaeologia Britannica 4, 242. Sämund. Edda
2, 879 Anm. Gervasius von Tilbury, hsg. von Liebrecht 1856
S. 151.
Auch der Glasberg kehrt in vielen Erzählungen wieder.
Ein Märchen aus dem Hanauischen lautet: Es war eine
verzauberte Königstochter, die konnte niemand erlösen,
als wer den Glasberg erstiegen hatte, worein sie gebannt
war. Da kam ein junger Gesell ins Wirtshaus, zum
Mittagessen wurde ihm ein gekocht Hühnchen vorgesetzt,
alle Knöchlein davon sammelte er sorgfältig, steckte sie
ein und ging nach dem Glasberg zu. Wie er dabei angekommen
war, nahm er ein Knöchlein und steckte es in den Berg und
stieg darauf, und dann als ein Knöchlein und als eins,
bis er so fast ganz hinaufgestiegen war. Er hatte nur noch
eine einzige Stufe übrig, da fehlte ihm aber das
Knöchelchen, worauf er sich den kleinen Finger abschnitt
und in den Glasberg steckte; so kam er vollends hinauf und
erlöste die Königstochter. - So erlöst Sivard die
stolze Bryniel auf dem Glasberg, indem er mit seinem
Fohlen hinaufreitet.
Die sechs Schwäne:
Das Märchen hängt mit dem von den sieben Raben (KHM
25) zusammen; nur sind es hier weisse Schwäne. Eine
andere Erzählung knüpft auch wirklich beide Märchen
zusammen. Sie stimmt mit KHM 25 bis da, wo die Schwester
mit einem Laib Brot und einem Krüglein Wasser in die Welt
geht und ihre Brüder sucht. Dann heisst es:
So wanderte sie einen und den andern Tag fort, viele
Meilen weit, und traf immer keine Spur an, endlich
gelangte sie zu einem alten wüsten Mauerschloss und
dachte vielleicht da etwas zu finden. Aber in dem Schloss
war keine Menschenseele zu erblicken, doch sah sie Rauch
steigen und hörte Funken knistern. "Wo Rauch geht
und Feuer brennt, da müssen auch Menschen wohnen",
dachte sie und folgte dem nach; endlich kam sie in eine
Küche, da standen sieben Töpfe um den Herd, schäumten
und brutzelten, nur kein Koch war dabei. "Ei, was
wird da gekocht?" sagte das Mädchen und guckte in
die Töpfe nein, da waren seltsame Wurzeln und Gekräutig
drinnen. "Wie muss das wohl schmecken?" Kostete
darauf aus jedem ein wenig und rührt es besser herum, wie
sich's gehörte. Hatte so ihre Freude am Kochen, das sie
lange nicht getan, und auch das bisschen warme Speise tat
ihr wohl, die sie so lange nicht über die Zunge gebracht
hatte. Indem entstand ein Sausen in der Luft, und sieben
schwarze Raben kamen durch den Schornstein geschwirrt,
fasste jeder sein Töpfel und flogen damit ins Esszimmer
und huben an Mittag zu halten. Ein paar Schnäbelvoll
hatte der erste Rabe genommen, sprach er: "Sonderbar,
meines Frasses ist etwas minder, als es sein sollte; aber
es schmeckt als wie von Menschenhand gekocht." -
"Mir geht's auch so," sagte der zweite,
"wie wenn unser Schwesterchen da wäre?" -
"Ach," fiel der dritte ein, "die an all
unserm Elend schuld ist, wir hackten ihr die Augen
aus." - "Was kann sie denn dafür?" sprach
der vierte Rabe. Der fünfte: "Ich wollte ihr nichts
zuleid tun." - "Sie könnte uns vielleicht noch
erlösen", sagte der sechste. Und als der siebente
eben rief: "Gott geb, sie wär da!" so trat sie
zur Stubentür herein; denn sie hatte dem ganzen Gespräch
zugelauscht und konnte es nicht über ihr Herz bringen,
länger zu warten vor grossem Mitleiden, dass sie ihre
leiblichen Brüder in so hässliche Vögel verwandelt
erblickte. "Tut mir an, was ihr wollt. Ich bin eure
Schwester mit dem güldnen Kreuz, und sagt an, ob ich euch
erlösen kann!" - "Ja", sprachen sie,
"du kannst uns noch erlösen, aber es ist sehr
schwer." Sie erbot sich willig und mit Freuden zu
allem, was es nur wäre, da sagten die Raben: "Du
musst sieben ganze Jahre kein Sterbenswort sprechen und
musst in der Zeit für jeden von uns ein Hemd und ein Tuch
nähen und ein paar Strümpfe stricken, die dürfen nicht
eher noch später fertig werden als den letzten Tag von
den sieben Jahren. Bei uns aber kannst du der Zeit nicht
bleiben; denn wir möchten dir einmal Schaden tun, wenn
uns die Rabennatur übernimmt, oder durch unsre
Gesellschaft dich einmal zum Reden verleiten." Also
suchten sie im Wald nach einem hohlen Baum, setzten sie
oben hinein, dass sie da fein still und einsam bliebe,
schufen den nötigen Flachs und Spinngerät und trugen ihr
von Zeit zu Zeit Futter herbei, dass sie nicht Hungers
verkäme.
So verstrich ein Jahr, ein zweites und noch eins, und
das gute Schwesterchen sass still in dem hohlen Baum,
rührte und regte sich nicht, als so viel es zum Spinnen
brauchte. Da geschah, dass der Fürst des Reiches, wozu
der Wald gehörte, eines Tags eine Jagd anstellte und in
der Irre ein Rudel Hunde durch Strauch und Busch, wohin
sonst kein Jäger gelangt war, und bis zu dem hohlen Baum
drang. Da standen die Hunde still, weil sie etwas
Lebendiges spürten, schnoberten und stellten sich bellend
um den Baum. Die Jäger aber folgten dem Geschrei und
näherten sich, konnten jedoch anfangs das Tier nicht
finden, dessen Spur die Hunde hatten, weil die Jungfrau
ganz still sass und sich nicht regte und vor der Länge
der Zeit Moos auf ihr gewachsen war, dass sie fast dem
Holz glich. Zuletzt aber erkannten sie die Gestalt ihres
Leibes und berichteten ihrem Herrn, da in einem hohlen
Baum sitze ein Tier von menschlicher Gestalt, rühre sich
nicht und gebe keinen Laut von sich. Der Fürstensohn ging
hinzu und befahl, sie herauszunehmen; sie liess alles
geschehen, rührte keine Stimme nicht. Als sie nun
anfingen, das Moos von ihr abzunehmen und sie zu reinigen,
kam ihr weisses Gesicht zum Vorschein und das Kreuz auf
der Stirne, dass der Fürst über ihre grosse Schönheit
erstaunte und sie in allen Sprachen, die er nur wusste,
anredete, um zu hören, wer sie wäre und wie sie dahin
geraten. Allein auf alles blieb sie stumm als ein Fisch,
und der Fürst nahm sie mit sich heim, übergab sie den
Kammerfrauen und befahl, sie zu waschen und zu kleiden,
welches vollkommen nach seinem Willen geschah. War sie nun
vorher schöne gewesen, so strahlte sie in den reichen
Kleidern wie der helle Tag, nur dass kein Wort aus ihr zu
bringen war. Nichtsdestoweniger setzte sie der Fürst
über Tisch an seine Seite und wurde von ihrer Miene und
Sittsamkeit aufs tiefste bewegt, und nach einigen Tagen
begehrte er sie zu heiraten, keine andere auf der Welt.
Seine Mutter widersetzte sich dieser Vermählung zwar
heftig, indem sie äusserte, man wisse ja doch nicht
recht, ob sie Tier oder Mensch sei, sprechen tue sie
nichts und begehre nicht es zu lernen, und von einer
solchen Ehe stände nichts wie Sünde zu erwarten. Allein
keine Einrede half; der König sprach: "Wie kann man
zweifeln, dass sie ein Mensch ist, die eine engelschöne
Gestalt hat und deren edle Abkunft das Kreuz auf ihrer
Stirne verrät?" Mithin wurde das Beilager in Schmuck
und Freuden vollzogen.
Als Gemahlin des Fürsten lebte sie sittsam und
fleissig in ihrem Kämmerlein, arbeitete an dem Geräte
fort, das ihre Brüder aus dem Bann erlösen sollte. Nach
einem halben Jahr, als sie gerade schwanger ging, musste
der Fürst in den Krieg ziehen und befahl seiner Mutter,
dass sie seine Gemahlin wohl hüten sollte. Aber der
Mutter war seine Abwesenheit gerade recht, und als die
Stunde der Niederkunft kam und sie einen bildschönen
Knaben gebar mit einem gülden Kreuz auf der Stirne, wie
sie selber hatte, gab die Alte das Kind einem Diener mit
dem Befehl, es in den Wald zu tragen, zu morden und ihr
zum Zeichen die Zunge zu bringen. Dem Fürsten schrieb sie
einen Brief, worin stand, seine Gemahlin, die man selbst
für ein halbes Tier halten müsse, sei, wie zu erwarten
gestanden, eines Hundes genesen, den man habe ersaufen
lassen. Worauf der Fürst antwortete, man solle sie
dennoch wie seine Gemahlin halten, bis er aus dem Feld
heimkehre und dann selber entscheide, was geschehn solle.
Der Diener inzwischen war mit dem Knäblein in den Wald
gegangen, begegnete ihm eine Löwin, der warf er's vor,
dachte, sie möcht es fressen, so brauch er's nicht zu
töten; die Löwin aber leckte es mit ihrer Zunge.
"Hat ein reissend Tier Mitleiden, so kann ich noch
viel weniger grausam sein", dachte der Diener, liess
das Kind der Löwin und brachte der Alten eine Hundszunge
mit. Bald darauf kehrte der Fürst aus dem Krieg heim, und
wie er die Schönheit seiner Gemahlin sah, musste er sie
für unschuldig halten und konnte ihr keine Strafe antun.
- Das folgende Jahr war sie abermals guter Hoffnung, und
weil gerade der Fürst wiederum abreisen musste, trug sich
alles wie das erste Mal zu, das geborene Kind kam wieder
zur Löwin und wurde von ihr erzogen. Die alte Fürstin
klagte sie noch viel heftiger an, aber der Fürst wurde
nochmals von ihrer Unschuld überwunden, obgleich sie
keine Silbe zu ihrer Verantwortung vorbringen durfte. Wie
aber beim dritten Mal alle die vorigen Umstände
wiederholt eintraten, glaubte der Fürst, dass ihn Gottes
Zorn treffen werde, wofern er länger mit einer Gemahlin
lebe, die ihm keine menschlichen Erben, sondern Tiere zur
Welt bringe, befahl also bei seiner Heimkunft, sie durch
Feuer vom Leben zum Tod zu bringe. Nun war gerade der Tag
der Hinrichtung der letzte von den sieben Jahren, und wie
sie den letzten Stich tat, dachte sie seufzend: "Du
lieber Gott, soll denn endlich die schwere Zeit um
sein!" In demselben Augenblick waren ihre sieben
Brüder erlöst und aus Raben wieder Menschen geworden,
schwangen sich alsbald auf sieben gesattelte Pferde und
sprengten durch den Wald. Mitten drin sehen sie bei einer
Löwin drei Knäblein mit einem Goldkreuze auf der Stirn:
"Das sind unserer lieben Schwester Kinder!",
nehmen sie zu sich aufs Pferd. Als sie aus dem Wald
reiten, sehen sie von weitem eine Menge Volks stehen und
den Scheiterhaufen brennen, winken mit ihren Tüchern und
reiten Galopp: "Liebste Schwester, wie geht's dir? Da
sind auch deine drei Kinder wieder!" Sie wurde
losgebunden, und da ihr die Sprache wieder erlaubt war, so
dankte sie Gott mit lauter Stimme. An ihrer Stelle aber
wurde die böse Alte zu Asche verbrannt.
In dieser Fassung werden also die Brüder nicht durch
die böse Stiefmutter verwandelt, sondern wie in KHM 25
durch einen unbedachten Wunsch des Vaters; ihre Erlösung
aber, die dort die Schwester durch mühevolle Erkundigung
und Erklimmen des Glasberges erreicht, bewirkt sie hier
durch eine freiwillig unter den grössten Gefahren und
Seelenqualen bewahrte Stummheit; gerade wie in unsrer KHM
9, 49 und in einigen zu KHM 25 angeführten Fassungen. -
In einer dänischen Erzählung "Kong Lindorms
dronning" schliesst sich an die Entzauberung des
Schlangenbräutigams die Verleumdung seiner Gattin durch
die Schwieger wie in unserm Märchen, und dann erlöst die
verstossene Königin drei Schwanjünglinge, indem sie drei
Tage lang schweigt und drei Hemden für sie näht. -
Irisch: "Gilla of the enchantement"; Stiefmutter
lässt die drei Brüder töten; die Schwester belebt sie
wieder, aber sie werden Fisch-Ottern, dann Tauben, dann
Raben und zuletzt durch drei Hemden von Efeublättern
wieder Menschen. Der zum Tod verurteilten Schwester
entfällt kurz vor der Entzauberung eine Träne.
"Lirs Kinder"; in Schwäne verwandelt von der
Stiefmutter, keine Erlösung durch eine Schwester. Viele
Besonderheiten hat eine bretonische Überlieferung:
"Les neuf frères métamorphosés en moutons et leur
soeur". Eine Hexe verlangt, einer der neun Brüder
solle sie ehelichen, und verwandelt sie in Schafe; die
Schwester nimmt diese mit in das Schloss des Edelmanns,
der sie zur Gattin erwählt hat, wird aber, durch die
Tochter jener Hexe in einen Brunnen gestürzt. Die
Entzauberung der Brüder findet nicht auf die gewöhnliche
Weise statt, sondern in der Kirche bei der Taufe ihres
Neffen. - Italienisch: "La maledizione di sèt
fiù"; hier darf die Schwester sieben Jahre, sieben
Monate, sieben Wochen, sieben Tage, sieben Stunden und
sieben Minuten nicht sprechen. "I tre corvi";
die Schwester erkennt die Hütte der drei von der
Stiefmutter verzauberten Raben an den draussen hängenden
Hemden und muss dreizehn Jahre stumm bleiben. -
Weissrussisch: die Schwester sucht die zwölf in Wölfe
verwandelten Brüder in der Waldhütte auf und muss vor
ihnen auf eine Fichte flüchten, wo der Prinz sie findet.
Bei Glinski verwandelt die Stiefmutter die zwölf Brüder
in Adler und ihre Schwester in eine Taube; doch erhält
diese durch einen Greis ihre menschliche Gestalt wieder
und erlöst in einer andern Welt die Brüder, die sie aus
dem mit ihren Tränen gefüllten Becher besprengt; ein
Riesenvogel trägt sie zurück. - Lettisch: der König
verspricht der Hexe, seine zwölf Söhne zu töten, falls
ihm eine Tochter geboren werde; die Schwester sucht die
Brüder bei der Hexe auf und erfährt von dieser, dass sie
fünf Jahre weder sprechen noch lachen darf, um sie zu
erlösen; als Mann verkleidet verleumdet die Hexe die
junge Königin, aber die zwölf Raben löschen den
Scheiterhaufen und werden wieder zu Menschen. - In einem
französischen Märchen aus Louisiana verwandelt die
Stiefmutter die elf Brüder in Vögel, die Schwester aber
in eine Negerin.
Das Märchen zeigt ein hohes Alter. Bereits im 12.
Jahrhundert wurde es mit der Sage vom Schwanritter, in die
es ursprünglich nicht hineingehört, verbunden. Um 1190
erzählt der Mönch Johannes der lothringischen Abtei
Haute-Seille in seinem lateinischen Dolopathos, wie ein
junger Ritter auf der Jagd eine schöne Nixe (nympha)
findet und heimführt. Sie gebiert ihm nach Jahresfrist
sechs Söhne und eine Tochter, jedes mit einem goldenen
Kettchen um den Hals. Die Schwieger aber lässt sie
aussetzen, legt statt ihrer junge Hunde ins Bett und
bewegt den Ritter, seine Frau lebendig bis zur Brust
eingraben zu lassen. Nach sieben Jahren erblickt dieser
seine von einer Hindin gesäugten und von einem Einsiedler
erzogenen Kinder im Wald, ohne sie erreichen zu können.
Seine Mutter sendet nun einen Diener aus, die Goldketten
zu rauben; das gelingt ihm, da die Knaben als Schwäne
sich im Fluss tummeln, während die Schwester neben den
abgelegten Ketten am Ufer steht. Das Mädchen erbettelt
nun im Schloss Nahrung für sich und die Schwäne und
teilt auch ihrer noch unerkannten gefangenen Mutter davon
mit. Endlich entdeckt der Ritter den Frevel und lässt die
Halsketten den Schwänen umlegen, sodass sie ihre
menschliche Gestalt wieder gewinnen bis auf einen, dessen
Kette der Goldschmied zerbrochen hatte; die unschuldige
Gattin wird befreit und die boshafte Schwieger an ihrer
Stelle eingekerkert. - Deutlich treten uns in dieser und
den verwandten Fassungen der Schwanrittersage die
hauptsächlichen Züge des Märchens entgegen: die
verzauberten und bis auf einen erlösten Schwanbrüder,
ihre hilfreiche Schwester, die unschuldig von der argen
Schwieger verklagte Frau, freilich ist die Doppelgestalt
der kettentragenden Schwankinder hier in der Feennatur
ihrer Mutter mitbegründet, und ihre Erlösung wird nicht
ausschliesslich durch die Schwester bewirkt. Verblasst und
entstellt erscheint diese alte Form des Märchens in einer
jungen irischen Sage "The fate of the children of
Lir, or the four white swans". Aoifé, die zweite
Frau des Königs Lir, verwandelt dessen aus der ersten Ehe
stammende drei Söhne und eine Tochter, während sie
baden, in Singschwäne. Neunhundert Jahre leben sie
verzaubert, da sieht sie der h. Mochaomhog und lässt
ihnen zwei silberne Ketten machen. Als der König Lairgnen
sie mit Gewalt vom Altar wegreisst, werden sie zu Menschen
und sinken, nachdem sie die Taufe empfangen, tot zu Boden.
Variantenverzeichnis
>> Märchen-Suchdienst
Die sechs Schwäne. Grimm/KHM 49
Die sieben Schwanen. Bechstein/Deutschland 54
Die sieben Raben. Grimm/KHM 25
Die sieben Tauben. Basile/Italien 4,8
Die zwölf Brüder. Grimm/KHM 9
Die wilden Schwäne. Andersen/Dänemark 13
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