Die Schwester
  sucht ihre Brüder 451
  Märchentyp AT: 451; cf. 705, 707,
  710
  Grimm KHM: Die zwölf Brüder 9; Die sieben Raben 25; Die
  sechs Schwäne 49
  
  
  Eine Schar Brüder erfährt durch
  ein Zeichen von zu Hause, dass sie eine Schwester bekommen
  hat und damit zum Tod verurteilt ist. Sie fliehen und
  werden in Schwäne oder andere Vögel verwandelt. Oder der
  Vater, die Mutter, die zauberische Stiefmutter
  verwünschen sie in Tiere (Raben, Hirsche etc.). Ihre
  Schwester sucht und findet sie in einer Hütte im Wald.
  Sind die Brüder noch in Menschengestalt, verwandelt die
  Schwester diese in Tiere, indem sie unachtsam deren
  Lebens- und Seelenblumen pflückt. Von einer alten Frau
  oder von einem Bruder in Vogelgestalt - die Brüder sind
  tagsüber in Tiergestalt - erfährt sie, wie sie diese
  erlösen kann: Sie muss ihnen nicht nur Hemden aus Blumen
  nähen, sondern dabei auch sieben Jahre lang völlig stumm
  sein. Währenddessen wird sie im Wald von einem König
  gefunden und mit ihm gegen den Willen seiner Mutter
  verheiratet. Man beschuldigt sie, ihre neugeborenen Kinder
  aufgegessen zu haben (Unterschieben von Tierjungen,
  blutverschmierter Mund etc.), und sie wird zum Tod auf dem
  Scheiterhaufen verurteilt. Gerade als die siebenjährige
  Frist zu Ende ist, wird sie von ihren rückverwandelten
  Brüdern gerettet, denen sie in letzter Minute die Hemden
  übergeworfen hat, als diese in Tiergestalt zum Ort der
  Hinrichtung herbeikommen. Sie bringen die geretteten
  Kinder der Schwester zurück, welche die Verleumdungen und
  Untaten der dämonischen Schwiegermutter aufdeckt.
  
  
  Anmerkung
  
  Dieses Märchen erweckt beim ersten Ansehen den
  Eindruck, als ob es zu unseren ältesten Zaubermärchen
  gehört. Das Märchen scheint seinen Ursprung oder
  zumindest seinen ältesten Vertreter um 1185 in Lothringen
  zu haben, wo es der Mönch Johannes de Alta Silva in
  seinem lateinisch zusammengeschriebenen Dolopathos, eine
  Bearbeitung der Sieben weisen Meister, aufgenommen hat.
  Seine Vorbilder scheinen teils eine gewöhnliche
  Schwanenjungfrausage oder das Schwanenjungfraumärchen
  (400), das schon um 1150 Frankreich erreichte, teils das
  nach Östrup ursprünglich persische Märchen Die
  neidischen Schwestern (707) gewesen zu sein. Der Verfasser
  von Dolopathos lässt einen jungen Ritter eine aus der
  übernatürlichen Welt stammende Braut (Nymphe) dadurch
  gewinnen, dass er eine Kette durchschlägt, mit der sie
  ungefähr so gebunden war, wie wir es in 403A (Die weisse
  und die schwarze Braut) sahen. Sie gebiert ihm sechs
  Knaben und ein Mädchen, alle mit Ketten um den Hals. Sie
  wird von ihrer Schwiegermutter verleumdet, und als die
  Schwiegermutter die Kinder mit jungen Hunden vertauscht,
  wird sie von ihrem Gatten verstossen und bis zur Brust in
  die Erde eingegraben. Die Kinder, die jedesmal, wenn sie
  ihre Ketten ablegen, in Schwäne verwandelt werden, leben
  unerreichbar im Wald. Schliesslich beraubt sie der Diener
  der Schwiegermutter ihrer Ketten, wodurch sie Schwäne
  bleiben. Die Kette des Mädchens bekommt er jedoch nicht.
  Sie deckt dem Vater dann auf, wie alles zugegangen war,
  worauf die Mutter befreit wird und die Brüder ihre Ketten
  und die menschliche Gestalt wieder bekommen, ausser dem
  jüngsten, dessen Kette beschädigt wurde. Einer der
  Söhne war Gottfried von Bouillon, der seitdem immer von
  seinem jüngsten Bruder begleitet wurde.
  Diese Darstellung ist zum Vorbild geworden für eine
  unendliche Zahl meist westeuropäischer Bearbeitungen, die
  nach und nach teils in die mündliche Überlieferung,
  teils in Volksbücher Eingang fanden. Die Hemden spielen
  in der Grimmschen Version ungefähr dieselbe Rolle wie die
  Ketten in der Darstellung im Dolopathos. Sowohl an dem
  siebenten Hemd bei Grimm wie an der siebenten Kette im
  Dolopathos war ein Mangel. Im übrigen wird auf 400 (Das
  Schwanenjungfraumärchen) und 707 verwiesen.
  
  Literatur
  Derungs, K.: Amalia oder Der Vogel der Wahrheit.
  Mythen und Märchen aus Rätien im Kulturvergleich. Chur
  1994.
  Derungs, K.: Struktur des Zaubermärchens II. Hildesheim,
  Zürich, New York 1994.
  Göttner-Abendroth, H.: Für die Musen. Frankfurt 1988.
  Holbek, B.: Interpretation of fairy tales. Helsinki 1987.
  Lüthi, M.: So leben sie noch heute. Göttingen 1969.
  Propp, V.J.: Die historischen Wurzeln des Zaubermärchens.
  München 1987.
  Schenda, R. (Hg.): Das Märchen der Märchen. Das
  Pentamerone. Giambattista Basile. München 2000, p. 608.
  
  Märchen
  >> Das grosse Buch der
  Zaubermärchen
  
  Hinweise
  Die zwölf Brüder:
  Manche Züge dieses Märchens, die nur mit wenigen
  Strichen angedeutet sind, wie die Verwendung der Hemden,
  die Zauberkraft der Lilien und die Verleumdung der argen
  Schwieger, werden uns durch die Vergleichung andrer
  Fassungen klarer. Den Grundgedanken, die Erlösung der in
  Tiergestalt verwandelten Brüder durch deren junge
  Schwester, hat es mit den Märchen von den sechs Schwänen
  (KHM 49) und von den sieben Raben (KHM 25) gemeinsam;
  verschieden aber werden Ursprung und Aufhebung des Zaubers
  dargestellt. Entweder verwünscht der Vater selber im
  Unmut die Söhne zu Raben (KHM 25), oder eine böse
  Stiefmutter verhext die Kinder aus erster Ehe (KHM 49),
  oder die Schwester bringt unbewusst das Unheil über die
  im Waldhaus einsam lebenden Brüder (KHM 9), die der Vater
  zu töten gelobt hatte, falls ihm die ersehnte Tochter
  geboren würde. Ein Unhold (Hexe, Vogel), der das Mädchen
  bedroht oder ihr Blut aus dem kleinen Finger saugt, wird
  zwar von den Brüdern erschlagen, aber aus dem Grab
  wachsen Blumen oder Kräuter, die vom Mädchen gepflückt
  die Brüder in Tiere verwandeln. Um die Brüder zu
  entzaubern, darf die Schwester mehrere Jahre weder ein
  Wort reden noch lachen; und das wird ihr noch schwerer,
  weil ein Prinz sie im Wald findet und als seine Gattin
  heimführt, sie aber sich gegen die Verleumdungen der
  Schwieger, sie habe ihre eben geborenen Kinder gefressen
  oder Hunde geboren, mit keiner Silbe wehren kann; endlich
  in der höchsten Not erscheinen ihre Brüder, und ihr wird
  verstattet zu reden, weil die gesetzte Frist abgelaufen
  ist. Für diese Art der Erlösung tritt im Pentamerone
  eine Wallfahrt des Mädchens zur Mutter der Zeit ein, für
  die ihr verschiedene Leute Fragen mitgeben. Endlich gibt
  es auch Märchen, bei denen wie in unsrer KHM 11
  "Brüderchen und Schwesterchen" das Mädchen der
  Werbung des Prinzen folgt, ohne das Gebot der Stummheit
  erhalten zu haben, und die verwandelten Brüder mit sich
  führt. Da wird sie durch eine Hexe in den Abgrund
  gestossen, und diese nimmt ihren Platz ein.
  In einer österreichischen Fassung "Der schwarze
  Vogel" saugt ein Rabe dem Mädchen Blut aus der Hand
  und wird erschlagen; aus der Stelle, wo er eingegraben
  war, spriesst ein Apfelbaum auf, dessen Früchte die
  zwölf Brüder in ebensolche Vögel verwandelt. In der
  schweizerischen Erzählung "S einzig Töchterli"
  erscheint statt des blutsaugenden Vogels ein Drache, mit
  dessen Tötung das Geisterschloss, in dem die sieben
  Brüder leben, entzaubert ist; eine Verwandlung in
  Tiergestalt kommt nicht vor. Vollständig dagegen stimmen
  in der zweiten Hälfte mit dem Grimmschen eine
  kärntnische Aufzeichnung "Von den drei Hirschen und
  der Königin" und eine aus dem badischen Schwarzwald
  "Die drei Hirsche", nur ist in jener der
  Blutsauger ein Riese, in dieser die Stiefmutter der
  Brüder, und die Brüder werden zu Hirschen. - Dänisch:
  "De elleve Svaner", "Söster og
  Brödre". In der Erzählung "Den stumme
  Dronning" kämmt die Schwester die zwölf Brüder mit
  dem Goldkamm des von ihnen erschlagenen Riesen, da werden
  sie zu Hirschen. Bei der Entzauberung fehlt dem einen ein
  Auge, weil ihr angesichts des Scheiterhaufens eine Träne
  entfallen ist. - Norwegisch: "Die zwölf wilden
  Enten"; die Königin will ihre zwölf Söhne hingeben
  für eine Tochter weiss wie Schnee und rot wie Blut. Das
  Mädchen kann die Brüder nur erlösen, wenn sie zwölf
  Hemden, Mützen und Halstücher aus Butterblumen spinnt
  und webt und stumm bleibt. - Isländisch: "Die zwölf
  Brüder"; Hemden aus Eichenblättern für die zwölf
  Raben. - Irisch: "The twelve wild geese". -
  Französisch: "La fille et ses sept frères";
  ohne Tierverwandlung und "Les sept garçons et leur
  soeur"; ein wilder Mann als Blutsauger; Blätter von
  seinem Grabe verwandeln die Jünglinge in Hirsche, die
  durch übergeworfene Tücher von der Schwester erlöst
  werden; kein Schweigegebot. "Les trois frères
  métamorphosés en corbeaux et leur soeur"; Riese als
  Blutsauger; seine Mutter wirft ein Zauberpulver in die
  Suppe der Brüder. Marie, die ein Jahr und einen Tag lang
  nichts sagen darf als Ja, wird als Kammermädchen der
  Königin der Ermordung des kleinen Prinzen beschuldigt und
  soll, da sie Ja sagt, gehängt werden; aber ihre Brüder
  erscheinen, und ihre Unschuld wird offenbar. Nach dem Tode
  seiner Frau heiratet sie der König. "Les neuf
  frères métamorphosés en moutons et leur soeur";
  die Hexe verwandelt die Brüder, ihre Tochter stösst die
  Schwester in den Brunnen und legt sich in ihr Bett, der
  Gatte hört die Geschwister klagen. - Italienisch:
  "Die sieben Tauben"; die Brüder wünschen sich
  eine Schwester, werden aber getäuscht und ziehen in den
  Wald zu einem blinden Menschfresser. Bei diesem will sich
  ihre Schwester Cianna später Feuer holen, er verfolgt
  sie, aber die Brüder eilen herbei und bringen ihn um; sie
  werden, als Cianna von seinem Grab Rosmarin bricht in
  Tauben verwandelt. "Les onze cygnes"; die
  Stiefmutter verwandelt die elf Knaben in Schwäne und
  verstösst gleichzeitig das Mädchen. Dies flicht zwölf
  Decken aus Schilfgras und bleibt während der ganzen Zeit
  stumm) und "Les sept frères"; die Brüder
  töten die blutsaugende Nachbarin nicht und werden erst
  nach der Heirat ihrer Schwester durch die alte Königin in
  Schweine verwandelt, die Schwester aber ins Meer geworfen
  und von einem Schwertfisch verschluckt und "I dodici
  buoi"; die Blutsaugerin wird enthauptet lebt aber
  wieder auf, verwandelt die Brüder durch eine Suppe in
  Ochsen, stürzt die junge Königin in eine Zisterne und
  verlangt von dem Fleisch des Kalbes zu essen. Der Diener
  belauscht wie in der vorausgehenden Fassung das Gespräch
  von Bruder und Schwester. "L'anneau enchanté";
  Milia befreit ihre sechs von einer Hexe in Böcke
  verwandelten Brüder, indem sie auf den Rat eines Vogels
  der Hexe im Schlaf den Hals abschneidet und ihr Zauberhemd
  anlegt. - Kroatisch: eine alte Frau nimmt die Brüder und
  erlaubt ihnen alles im Garten zu nehmen, nur die zwölf
  Lilien nicht. - Bulgarisch: Zeichen der Geburt vertauscht.
  Das Mädchen nimmt eiserne Stiefel und einen eisernen
  Stock. Dann lenkt die Erzählung über in die von
  Sneewittchen. - Slowakisch: das Mädchen kommt in das
  Schloss, wo ihre zwölf Brüder leben; der jüngste Bruder
  löst den auf der Familie und dem Land ruhenden Fluch,
  indem er den feindseligen Oheim enthauptet. - Eine
  eigenartige Einleitung hat eine polnische Fassung: die
  vier Brüder ziehen in die Wildnis, weil ihr Vater ihre
  Mutter misshandelt. Die Schwester sucht sie auf und führt
  ihren Haushalt. Die Brüder erschiessen den Zauberer, der
  zu ihrer Tür fliegt und aus der Schwester Daumen Blut
  saugt, werden aber durch die auf seinem Grab gewachsenen
  Lilien in Löwen verwandelt. Der älteste Bruder, dem die
  Schwester die abgepflückten Lilien gereicht hatte, sagt
  ihr, dass sie zu ihrer Erlösung stumm bleiben und vier
  Hemden nähen müsse. - Kleinrussisch: die zwölf Brüder
  werden zu Schwänen, als die Schwester ihre Hemden ins
  Meer fallen lässt. Da sie auf dem Scheiterhaufen das
  zwölfte Hemd noch nicht fertig hat, behält der jüngste
  Bruder einen Flügel.
  In einem griechischen Märchen "Ljelje Kurwe"
  und in einem kabylischen "Les sept frères"
  zwingt eine Magd, die das Mädchen zu ihren fernen
  Brüdern geleitet, unterwegs dieses, vom Pferd zu steigen
  und mit ihm die Rolle zu tauschen, wie in den Erzählungen
  von der falschen Braut (KHM 11). In einem 1itauischen
  "Von den neun Brüdern" hüllt sich eine Laume
  (Albgeist), nachdem sie den warnenden Hasen erschlagen, in
  die Kleider des Mädchens und steigt statt ihrer auf den
  Wagen.
   
  Die sieben Raben:
  Ähnlichkeit hat das Märchen von den sechs Schwänen
  (KHM 49), und das Märchen von den zwölf Brüdern (KHM
  9). Wir unterscheiden folgende Teile: A. Die Mutter oder
  der Vater verwünscht die Söhne ihrer Naschhaftigkeit
  oder einer andern Unart wegen in Raben; B. das
  Schwesterchen will sie aufsuchen und fragt Sonne, Mond und
  Sterne nach ihnen; C. es findet sie auf dem Glasberg, und
  damit ist meist die Erlösung vollbracht; D. bisweilen
  aber muss die Schwester noch Jahre lang stumm sein und
  Hemden anfertigen, verliert ihre Kinder und ist nahe
  daran, von Henkershand zu sterben, ganz wie in KHM 9 und
  49.
  Schlesisch: "Die drei Raben"; die
  Entzauberung erfolgt schon, als der König das Mädchen im
  Wald findet. "Die zwölf Rabenkrähen";
  Anfertigung der Hemden. Brandenburgisch: "Vom
  Mädchen, das seine Brüder sucht"; acht Schwäne;
  Wind, Mond, Sonne; Schluss ähnlich der Genovefa-Legende.
  Ostpreussisch: "Die drei weissen Wölfe";
  Mariechen fragt bei Sonne, Mond, Sternen und Wind und
  "Die drei Schwäne"; Wind, Frost, Sonne. Die
  Schwäne selber wollen die Schwester zum Sprechen bringen
  und rauben ihr die Kinder.
  Rumänisch: zwei Adler; da die Schwester nach fünf
  Jahren ihr Schweigen bricht, behalten die Brüder ihre
  Tiergestalt. - Serbokroatisch: "Die zwölf
  Raben"; von der Stiefmutter verwünscht, weil ihnen
  ein Schwein auf der Weide verloren gegangen ist, auf den
  Glasberg versetzt. Die Schwester muss sieben Jahre lang
  stumm sein, von der Schwieger verfolgt, gebiert im Wald
  einen Wolfsknaben, vom Gatten aufgesucht; die Wolfshaut
  wird verbrannt. Valjavec: sieben Raben; die Schwester
  findet sie im gläsernen Haus auf dem Berg, näht sechs
  Jahre Hemden für die Brüder; im siebenten nimmt ein Graf
  sie zur Frau. Mikulicic: neun Söhne von der Mutter wegen
  ihres Heisshungers zu Wölfen verwünscht; die Schwester
  findet der Prinz auf der Weide. Strohal: drei Wölfe; das
  Mädchen wird vom Grafen bei seinen Kirschen betroffen.
  Drei Raben; drei Greise, die Herren der Vögel, weisen die
  Schwester zurecht; sie fastet neun Jahre in einer Eiche. -
  Tschechisch: sieben Raben bei Wind, Mond, Sonne gesucht;
  Leiter von Hühnerknöchlein zur Bergspitze; die Schwester
  muss schweigend Flachs säen, spinnen, weben und die
  Hemden nähen. Südböhmen: Sonne, Wind, Mond. Eigentlich
  hatte die Mutter des Prinzen die sieben Brüder
  verzaubert. Mähren: "Der gläserne Berg"; zwei
  Raben; Sonne, Mond, Wind; eingemischt Aschenputtel. Elpl:
  sieben Raben, von der Schwester selbst im Wald gefunden.
  Václavek: zwölf Raben. Eine Hexe weist der nachgeborenen
  Schwester den Weg zum Glasberg. - Slowakisch: drei Raben;
  die Schwester wird von Mond, Sonne und Wind zum Glasberg
  gewiesen. In einer Variante weist ein Greis, der
  Schutzengel der Brüder, zum Glasberg. - Polnisch: drei
  Vögel; die Schwester erfährt im Räuberhaus vom
  Glasberg. Oberschlesien: sieben Raben; Mond, Sonne, Wind.
  Aus Posen: sieben Raben; Mond, Frost, Wind; drei Jahre
  schweigen. Aus Krakau: sieben Störche; zwei Einsiedler
  weisen zum steilen, schlüpfrigen Berg. Aus Lublin: zwei
  Brüder vom Vater in kämpfende Vögel verwünscht; die
  Schwester trifft sie zufällig, muss schweigen. -
  Kaschubisch: sieben schwarze Vögel; Sonne, Mond, Wind; im
  siebenten Jahr heiratet der König die Schwester; dann das
  Mädchen ohne Hände. - Slovinzisch: sieben Raben; Sonne,
  Mond, Sterne; nach drei Jahren kommt der Prinz in den
  Wald. - Weissrussisch: drei am Sonntag sich raufende
  Brüder werden von der Mutter zu Vögeln verwünscht; die
  nachgeborene Schwester kommt zu ihrer Hütte; (drei
  Wölfe; die Schwester soll sieben Jahre nicht sprechen
  noch weinen). - Litauisch: zwölf Adler; Wolf und Bär
  tragen das Mädchen zu einer Kapelle und zur Jungfrau
  Maria, wo die Brüder täglich zu den drei Mahlzeiten
  erscheinen; Maria heisst das Mädchen drei Jahre lang
  stumm sein und bringt zum Schluss, als es am Galgen steht,
  die drei Kinder und die zwölf Brüder herbei. "Der
  Rabe"; ein Kraut belebt die getöteten Kinder. -
  Estnisch: "Die kämpfenden Brüder"; die Mutter
  verwünscht die drei zankenden Söhne nicht zu Tieren,
  sondern zu stetem Kampf. Die Schwester kommt zum Herrn der
  Waldtiere und zu dem der Vögel und erhält ein rollendes
  Knäuel.
  Der Eingang des Märchens erinnert an das altdänische
  Lied vom Walraben, der von der Stiefmutter verflucht war,
  und dem die Schwester ihr kleines Kind gibt, durch dessen
  Augen- und Herzblut er seine menschliche Gestalt wieder
  erlangt. - Dagegen ist es in unsrer KHM 93 ein Mädchen,
  das durch den Fluch der Mutter Rabengestalt erhält; und
  ebenso wird in einer schlesischen Erzählung die Tochter
  zur Taube verwünscht und durch ihren Bruder auf die
  gleiche Weise wie in KHM 25 erlöst: er fragt bei Wind,
  Rabe und Sonne nach, passiert die gläserne Brücke und
  bringt ihr ein neues Hemd, dann muss er sie in der
  finstern Welt aufsuchen und eine Mandel Besen zu Asche
  kehren.
  Wenn das Schwesterchen hier an das Weltende gelangt, so
  vergleiche man, was zu dem Froschkönig aus dem
  Schottischen bemerkt ist. Auch Fortunatus reiste so weit,
  bis er endlich nicht mehr weiter konnte.
  Dass Sonne, Mond und Sterne oder die Winde nach dem Weg
  gefragt werden, kommt auch in andern Märchen vor; vgl.
  das Löweneckerchen unter KHM 88 und KHM 127. König Artus
  wohnt bei der Fee Morgan auf der Glasinsel, und leicht ist
  ein Zusammenhang, nicht bloss in den Worten, mit dem
  nordeuropäischen Gläsiswoll. In Schottland gibt es noch
  Mauern, die wie mit Glas überzogen sind (vitrified
  forts). Vgl. Archaeologia Britannica 4, 242. Sämund. Edda
  2, 879 Anm. Gervasius von Tilbury, hsg. von Liebrecht 1856
  S. 151.
  Auch der Glasberg kehrt in vielen Erzählungen wieder.
  Ein Märchen aus dem Hanauischen lautet: Es war eine
  verzauberte Königstochter, die konnte niemand erlösen,
  als wer den Glasberg erstiegen hatte, worein sie gebannt
  war. Da kam ein junger Gesell ins Wirtshaus, zum
  Mittagessen wurde ihm ein gekocht Hühnchen vorgesetzt,
  alle Knöchlein davon sammelte er sorgfältig, steckte sie
  ein und ging nach dem Glasberg zu. Wie er dabei angekommen
  war, nahm er ein Knöchlein und steckte es in den Berg und
  stieg darauf, und dann als ein Knöchlein und als eins,
  bis er so fast ganz hinaufgestiegen war. Er hatte nur noch
  eine einzige Stufe übrig, da fehlte ihm aber das
  Knöchelchen, worauf er sich den kleinen Finger abschnitt
  und in den Glasberg steckte; so kam er vollends hinauf und
  erlöste die Königstochter. - So erlöst Sivard die
  stolze Bryniel auf dem Glasberg, indem er mit seinem
  Fohlen hinaufreitet.
   
  Die sechs Schwäne:
  Das Märchen hängt mit dem von den sieben Raben (KHM
  25) zusammen; nur sind es hier weisse Schwäne. Eine
  andere Erzählung knüpft auch wirklich beide Märchen
  zusammen. Sie stimmt mit KHM 25 bis da, wo die Schwester
  mit einem Laib Brot und einem Krüglein Wasser in die Welt
  geht und ihre Brüder sucht. Dann heisst es:
  So wanderte sie einen und den andern Tag fort, viele
  Meilen weit, und traf immer keine Spur an, endlich
  gelangte sie zu einem alten wüsten Mauerschloss und
  dachte vielleicht da etwas zu finden. Aber in dem Schloss
  war keine Menschenseele zu erblicken, doch sah sie Rauch
  steigen und hörte Funken knistern. "Wo Rauch geht
  und Feuer brennt, da müssen auch Menschen wohnen",
  dachte sie und folgte dem nach; endlich kam sie in eine
  Küche, da standen sieben Töpfe um den Herd, schäumten
  und brutzelten, nur kein Koch war dabei. "Ei, was
  wird da gekocht?" sagte das Mädchen und guckte in
  die Töpfe nein, da waren seltsame Wurzeln und Gekräutig
  drinnen. "Wie muss das wohl schmecken?" Kostete
  darauf aus jedem ein wenig und rührt es besser herum, wie
  sich's gehörte. Hatte so ihre Freude am Kochen, das sie
  lange nicht getan, und auch das bisschen warme Speise tat
  ihr wohl, die sie so lange nicht über die Zunge gebracht
  hatte. Indem entstand ein Sausen in der Luft, und sieben
  schwarze Raben kamen durch den Schornstein geschwirrt,
  fasste jeder sein Töpfel und flogen damit ins Esszimmer
  und huben an Mittag zu halten. Ein paar Schnäbelvoll
  hatte der erste Rabe genommen, sprach er: "Sonderbar,
  meines Frasses ist etwas minder, als es sein sollte; aber
  es schmeckt als wie von Menschenhand gekocht." -
  "Mir geht's auch so," sagte der zweite,
  "wie wenn unser Schwesterchen da wäre?" -
  "Ach," fiel der dritte ein, "die an all
  unserm Elend schuld ist, wir hackten ihr die Augen
  aus." - "Was kann sie denn dafür?" sprach
  der vierte Rabe. Der fünfte: "Ich wollte ihr nichts
  zuleid tun." - "Sie könnte uns vielleicht noch
  erlösen", sagte der sechste. Und als der siebente
  eben rief: "Gott geb, sie wär da!" so trat sie
  zur Stubentür herein; denn sie hatte dem ganzen Gespräch
  zugelauscht und konnte es nicht über ihr Herz bringen,
  länger zu warten vor grossem Mitleiden, dass sie ihre
  leiblichen Brüder in so hässliche Vögel verwandelt
  erblickte. "Tut mir an, was ihr wollt. Ich bin eure
  Schwester mit dem güldnen Kreuz, und sagt an, ob ich euch
  erlösen kann!" - "Ja", sprachen sie,
  "du kannst uns noch erlösen, aber es ist sehr
  schwer." Sie erbot sich willig und mit Freuden zu
  allem, was es nur wäre, da sagten die Raben: "Du
  musst sieben ganze Jahre kein Sterbenswort sprechen und
  musst in der Zeit für jeden von uns ein Hemd und ein Tuch
  nähen und ein paar Strümpfe stricken, die dürfen nicht
  eher noch später fertig werden als den letzten Tag von
  den sieben Jahren. Bei uns aber kannst du der Zeit nicht
  bleiben; denn wir möchten dir einmal Schaden tun, wenn
  uns die Rabennatur übernimmt, oder durch unsre
  Gesellschaft dich einmal zum Reden verleiten." Also
  suchten sie im Wald nach einem hohlen Baum, setzten sie
  oben hinein, dass sie da fein still und einsam bliebe,
  schufen den nötigen Flachs und Spinngerät und trugen ihr
  von Zeit zu Zeit Futter herbei, dass sie nicht Hungers
  verkäme.
  So verstrich ein Jahr, ein zweites und noch eins, und
  das gute Schwesterchen sass still in dem hohlen Baum,
  rührte und regte sich nicht, als so viel es zum Spinnen
  brauchte. Da geschah, dass der Fürst des Reiches, wozu
  der Wald gehörte, eines Tags eine Jagd anstellte und in
  der Irre ein Rudel Hunde durch Strauch und Busch, wohin
  sonst kein Jäger gelangt war, und bis zu dem hohlen Baum
  drang. Da standen die Hunde still, weil sie etwas
  Lebendiges spürten, schnoberten und stellten sich bellend
  um den Baum. Die Jäger aber folgten dem Geschrei und
  näherten sich, konnten jedoch anfangs das Tier nicht
  finden, dessen Spur die Hunde hatten, weil die Jungfrau
  ganz still sass und sich nicht regte und vor der Länge
  der Zeit Moos auf ihr gewachsen war, dass sie fast dem
  Holz glich. Zuletzt aber erkannten sie die Gestalt ihres
  Leibes und berichteten ihrem Herrn, da in einem hohlen
  Baum sitze ein Tier von menschlicher Gestalt, rühre sich
  nicht und gebe keinen Laut von sich. Der Fürstensohn ging
  hinzu und befahl, sie herauszunehmen; sie liess alles
  geschehen, rührte keine Stimme nicht. Als sie nun
  anfingen, das Moos von ihr abzunehmen und sie zu reinigen,
  kam ihr weisses Gesicht zum Vorschein und das Kreuz auf
  der Stirne, dass der Fürst über ihre grosse Schönheit
  erstaunte und sie in allen Sprachen, die er nur wusste,
  anredete, um zu hören, wer sie wäre und wie sie dahin
  geraten. Allein auf alles blieb sie stumm als ein Fisch,
  und der Fürst nahm sie mit sich heim, übergab sie den
  Kammerfrauen und befahl, sie zu waschen und zu kleiden,
  welches vollkommen nach seinem Willen geschah. War sie nun
  vorher schöne gewesen, so strahlte sie in den reichen
  Kleidern wie der helle Tag, nur dass kein Wort aus ihr zu
  bringen war. Nichtsdestoweniger setzte sie der Fürst
  über Tisch an seine Seite und wurde von ihrer Miene und
  Sittsamkeit aufs tiefste bewegt, und nach einigen Tagen
  begehrte er sie zu heiraten, keine andere auf der Welt.
  Seine Mutter widersetzte sich dieser Vermählung zwar
  heftig, indem sie äusserte, man wisse ja doch nicht
  recht, ob sie Tier oder Mensch sei, sprechen tue sie
  nichts und begehre nicht es zu lernen, und von einer
  solchen Ehe stände nichts wie Sünde zu erwarten. Allein
  keine Einrede half; der König sprach: "Wie kann man
  zweifeln, dass sie ein Mensch ist, die eine engelschöne
  Gestalt hat und deren edle Abkunft das Kreuz auf ihrer
  Stirne verrät?" Mithin wurde das Beilager in Schmuck
  und Freuden vollzogen.
  Als Gemahlin des Fürsten lebte sie sittsam und
  fleissig in ihrem Kämmerlein, arbeitete an dem Geräte
  fort, das ihre Brüder aus dem Bann erlösen sollte. Nach
  einem halben Jahr, als sie gerade schwanger ging, musste
  der Fürst in den Krieg ziehen und befahl seiner Mutter,
  dass sie seine Gemahlin wohl hüten sollte. Aber der
  Mutter war seine Abwesenheit gerade recht, und als die
  Stunde der Niederkunft kam und sie einen bildschönen
  Knaben gebar mit einem gülden Kreuz auf der Stirne, wie
  sie selber hatte, gab die Alte das Kind einem Diener mit
  dem Befehl, es in den Wald zu tragen, zu morden und ihr
  zum Zeichen die Zunge zu bringen. Dem Fürsten schrieb sie
  einen Brief, worin stand, seine Gemahlin, die man selbst
  für ein halbes Tier halten müsse, sei, wie zu erwarten
  gestanden, eines Hundes genesen, den man habe ersaufen
  lassen. Worauf der Fürst antwortete, man solle sie
  dennoch wie seine Gemahlin halten, bis er aus dem Feld
  heimkehre und dann selber entscheide, was geschehn solle.
  Der Diener inzwischen war mit dem Knäblein in den Wald
  gegangen, begegnete ihm eine Löwin, der warf er's vor,
  dachte, sie möcht es fressen, so brauch er's nicht zu
  töten; die Löwin aber leckte es mit ihrer Zunge.
  "Hat ein reissend Tier Mitleiden, so kann ich noch
  viel weniger grausam sein", dachte der Diener, liess
  das Kind der Löwin und brachte der Alten eine Hundszunge
  mit. Bald darauf kehrte der Fürst aus dem Krieg heim, und
  wie er die Schönheit seiner Gemahlin sah, musste er sie
  für unschuldig halten und konnte ihr keine Strafe antun.
  - Das folgende Jahr war sie abermals guter Hoffnung, und
  weil gerade der Fürst wiederum abreisen musste, trug sich
  alles wie das erste Mal zu, das geborene Kind kam wieder
  zur Löwin und wurde von ihr erzogen. Die alte Fürstin
  klagte sie noch viel heftiger an, aber der Fürst wurde
  nochmals von ihrer Unschuld überwunden, obgleich sie
  keine Silbe zu ihrer Verantwortung vorbringen durfte. Wie
  aber beim dritten Mal alle die vorigen Umstände
  wiederholt eintraten, glaubte der Fürst, dass ihn Gottes
  Zorn treffen werde, wofern er länger mit einer Gemahlin
  lebe, die ihm keine menschlichen Erben, sondern Tiere zur
  Welt bringe, befahl also bei seiner Heimkunft, sie durch
  Feuer vom Leben zum Tod zu bringe. Nun war gerade der Tag
  der Hinrichtung der letzte von den sieben Jahren, und wie
  sie den letzten Stich tat, dachte sie seufzend: "Du
  lieber Gott, soll denn endlich die schwere Zeit um
  sein!" In demselben Augenblick waren ihre sieben
  Brüder erlöst und aus Raben wieder Menschen geworden,
  schwangen sich alsbald auf sieben gesattelte Pferde und
  sprengten durch den Wald. Mitten drin sehen sie bei einer
  Löwin drei Knäblein mit einem Goldkreuze auf der Stirn:
  "Das sind unserer lieben Schwester Kinder!",
  nehmen sie zu sich aufs Pferd. Als sie aus dem Wald
  reiten, sehen sie von weitem eine Menge Volks stehen und
  den Scheiterhaufen brennen, winken mit ihren Tüchern und
  reiten Galopp: "Liebste Schwester, wie geht's dir? Da
  sind auch deine drei Kinder wieder!" Sie wurde
  losgebunden, und da ihr die Sprache wieder erlaubt war, so
  dankte sie Gott mit lauter Stimme. An ihrer Stelle aber
  wurde die böse Alte zu Asche verbrannt.
  In dieser Fassung werden also die Brüder nicht durch
  die böse Stiefmutter verwandelt, sondern wie in KHM 25
  durch einen unbedachten Wunsch des Vaters; ihre Erlösung
  aber, die dort die Schwester durch mühevolle Erkundigung
  und Erklimmen des Glasberges erreicht, bewirkt sie hier
  durch eine freiwillig unter den grössten Gefahren und
  Seelenqualen bewahrte Stummheit; gerade wie in unsrer KHM
  9, 49 und in einigen zu KHM 25 angeführten Fassungen. -
  In einer dänischen Erzählung "Kong Lindorms
  dronning" schliesst sich an die Entzauberung des
  Schlangenbräutigams die Verleumdung seiner Gattin durch
  die Schwieger wie in unserm Märchen, und dann erlöst die
  verstossene Königin drei Schwanjünglinge, indem sie drei
  Tage lang schweigt und drei Hemden für sie näht. -
  Irisch: "Gilla of the enchantement"; Stiefmutter
  lässt die drei Brüder töten; die Schwester belebt sie
  wieder, aber sie werden Fisch-Ottern, dann Tauben, dann
  Raben und zuletzt durch drei Hemden von Efeublättern
  wieder Menschen. Der zum Tod verurteilten Schwester
  entfällt kurz vor der Entzauberung eine Träne.
  "Lirs Kinder"; in Schwäne verwandelt von der
  Stiefmutter, keine Erlösung durch eine Schwester. Viele
  Besonderheiten hat eine bretonische Überlieferung:
  "Les neuf frères métamorphosés en moutons et leur
  soeur". Eine Hexe verlangt, einer der neun Brüder
  solle sie ehelichen, und verwandelt sie in Schafe; die
  Schwester nimmt diese mit in das Schloss des Edelmanns,
  der sie zur Gattin erwählt hat, wird aber, durch die
  Tochter jener Hexe in einen Brunnen gestürzt. Die
  Entzauberung der Brüder findet nicht auf die gewöhnliche
  Weise statt, sondern in der Kirche bei der Taufe ihres
  Neffen. - Italienisch: "La maledizione di sèt
  fiù"; hier darf die Schwester sieben Jahre, sieben
  Monate, sieben Wochen, sieben Tage, sieben Stunden und
  sieben Minuten nicht sprechen. "I tre corvi";
  die Schwester erkennt die Hütte der drei von der
  Stiefmutter verzauberten Raben an den draussen hängenden
  Hemden und muss dreizehn Jahre stumm bleiben. -
  Weissrussisch: die Schwester sucht die zwölf in Wölfe
  verwandelten Brüder in der Waldhütte auf und muss vor
  ihnen auf eine Fichte flüchten, wo der Prinz sie findet.
  Bei Glinski verwandelt die Stiefmutter die zwölf Brüder
  in Adler und ihre Schwester in eine Taube; doch erhält
  diese durch einen Greis ihre menschliche Gestalt wieder
  und erlöst in einer andern Welt die Brüder, die sie aus
  dem mit ihren Tränen gefüllten Becher besprengt; ein
  Riesenvogel trägt sie zurück. - Lettisch: der König
  verspricht der Hexe, seine zwölf Söhne zu töten, falls
  ihm eine Tochter geboren werde; die Schwester sucht die
  Brüder bei der Hexe auf und erfährt von dieser, dass sie
  fünf Jahre weder sprechen noch lachen darf, um sie zu
  erlösen; als Mann verkleidet verleumdet die Hexe die
  junge Königin, aber die zwölf Raben löschen den
  Scheiterhaufen und werden wieder zu Menschen. - In einem
  französischen Märchen aus Louisiana verwandelt die
  Stiefmutter die elf Brüder in Vögel, die Schwester aber
  in eine Negerin.
  Das Märchen zeigt ein hohes Alter. Bereits im 12.
  Jahrhundert wurde es mit der Sage vom Schwanritter, in die
  es ursprünglich nicht hineingehört, verbunden. Um 1190
  erzählt der Mönch Johannes der lothringischen Abtei
  Haute-Seille in seinem lateinischen Dolopathos, wie ein
  junger Ritter auf der Jagd eine schöne Nixe (nympha)
  findet und heimführt. Sie gebiert ihm nach Jahresfrist
  sechs Söhne und eine Tochter, jedes mit einem goldenen
  Kettchen um den Hals. Die Schwieger aber lässt sie
  aussetzen, legt statt ihrer junge Hunde ins Bett und
  bewegt den Ritter, seine Frau lebendig bis zur Brust
  eingraben zu lassen. Nach sieben Jahren erblickt dieser
  seine von einer Hindin gesäugten und von einem Einsiedler
  erzogenen Kinder im Wald, ohne sie erreichen zu können.
  Seine Mutter sendet nun einen Diener aus, die Goldketten
  zu rauben; das gelingt ihm, da die Knaben als Schwäne
  sich im Fluss tummeln, während die Schwester neben den
  abgelegten Ketten am Ufer steht. Das Mädchen erbettelt
  nun im Schloss Nahrung für sich und die Schwäne und
  teilt auch ihrer noch unerkannten gefangenen Mutter davon
  mit. Endlich entdeckt der Ritter den Frevel und lässt die
  Halsketten den Schwänen umlegen, sodass sie ihre
  menschliche Gestalt wieder gewinnen bis auf einen, dessen
  Kette der Goldschmied zerbrochen hatte; die unschuldige
  Gattin wird befreit und die boshafte Schwieger an ihrer
  Stelle eingekerkert. - Deutlich treten uns in dieser und
  den verwandten Fassungen der Schwanrittersage die
  hauptsächlichen Züge des Märchens entgegen: die
  verzauberten und bis auf einen erlösten Schwanbrüder,
  ihre hilfreiche Schwester, die unschuldig von der argen
  Schwieger verklagte Frau, freilich ist die Doppelgestalt
  der kettentragenden Schwankinder hier in der Feennatur
  ihrer Mutter mitbegründet, und ihre Erlösung wird nicht
  ausschliesslich durch die Schwester bewirkt. Verblasst und
  entstellt erscheint diese alte Form des Märchens in einer
  jungen irischen Sage "The fate of the children of
  Lir, or the four white swans". Aoifé, die zweite
  Frau des Königs Lir, verwandelt dessen aus der ersten Ehe
  stammende drei Söhne und eine Tochter, während sie
  baden, in Singschwäne. Neunhundert Jahre leben sie
  verzaubert, da sieht sie der h. Mochaomhog und lässt
  ihnen zwei silberne Ketten machen. Als der König Lairgnen
  sie mit Gewalt vom Altar wegreisst, werden sie zu Menschen
  und sinken, nachdem sie die Taufe empfangen, tot zu Boden.
  
  Variantenverzeichnis
  >> Märchen-Suchdienst
  Die sechs Schwäne. Grimm/KHM 49
  Die sieben Schwanen. Bechstein/Deutschland 54
  Die sieben Raben. Grimm/KHM 25
  Die sieben Tauben. Basile/Italien 4,8
  Die zwölf Brüder. Grimm/KHM 9
  Die wilden Schwäne. Andersen/Dänemark 13
  
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