Schwester und
Bruder 450
Märchentyp AT: 450; cf. 403, 480,
533
Grimm KHM: Brüderchen und Schwesterchen 11; Das Lämmchen
und Fischchen 141
Es herrschen Trockenheit und
Hungersnot. Eine Frau will ihre Kinder, einen Knaben und
ein Mädchen, schlachten. Ihr Hund warnt die Kinder. Sie
fliehen zusammen mit dem Hund, indem sie ein Messer, einen
Kamm und eine Handvoll Salz mitnehmen. Als die Frau sie
verfolgt, wird aus dem Messer eine gewaltige Ebene, aus
dem Kamm ein Wald und aus dem Salz ein Meer. Da gibt sie
die Verfolgung auf. Überwältigt von Durst trinkt der
Knabe trotz der Warnung der Schwester das Wasser, das sich
in einer Fährte, meist der eines Lammes, gesammelt hat,
und wird dann in ein Lamm verwandelt. Bei einer Quelle
angekommen, setzt sich das Mädchen auf einen Baum,
während der Hund und das Lamm darunter umhergehen. Ein
Prinz kommt zur Quelle, lockt das Mädchen herunter (oft
mit Hilfe einer listigen Frau), trägt sie in die Stadt
und verheiratet sich mit ihr, aber die Stiefmutter (Amme,
Zigeunerin) lässt sie in einen Brunnen werfen, wo sie in
eine Ente verwandelt oder von einem Fisch verschluckt
wird, während die eigene Tochter der Stiefmutter den
Platz als Gemahlin des Prinzen einnimmt. Als die
Stiefmutter das Lamm schlachten will, geht es zum Brunnen,
und die Geschwister klagen einander ihr Leid, der Bruder,
weil man "die Messer wetzt", die Schwester wegen
ihres ungeborenen oder neugeborenen Kindes, das sie
stillt. Einmal belauscht der Prinz das Gespräch, worauf
die Wiederverwandlung geschieht, die richtige Gemahlin
ihren Platz wiedererhält und die Ungerechten bestraft
werden.
Anmerkung
Dieses Märchen, in dem die Usurpation nach der
Hochzeit geschieht, liegt allen anderen Märchen zugrunde,
die zu dem Kreis Die schwarze und die weisse Braut (403AB,
408, 533) gehören und auf die wir mit der Bemerkung
hinweisen, dass Entlehnungen zwischen vereinzelten
Varianten der verschiedenen Märchen selbstverständlich
vorkommen.
Wir wollen nun den ersten Teil des Märchens mit der
Mythe von Phrixos und Helle vergleichen. Diese Mythe
findet sich als ein Glied der Argonautensage. Als der
thessalische König Athamas die Wolkengöttin Nephele
verstiess, um sich mit Ino zu verehelichen, wurde das Land
von einer Trockenheit heimgesucht. Da wollte Ino, einen
falschen Orakelspruch vorschützend, Nepheles Sohn Phrixos
opfern. Von einem Widder mit einem goldenen Fell gewarnt,
flieht Nephele auf dem Widder zusammen mit ihrem Sohn
Phrixos und ihrer Tochter Helle, und wie auf der magischen
Flucht im Märchen werden sie durch die Luft nach Kolchis
geführt. Das Motiv ist jedoch in der Mythe so umgewandelt
worden, dass nur der Name Hellespont (Helles Meer), nicht
das Meer selbst dadurch entsteht, da die Wolkengöttin
dort ihre Tochter Helle verliert. Der Widder wird Zeus
geopfert und das Fell - das berühmte Goldene Vlies der
Argonauten - auf einer Eiche aufgehängt. Nach einer
Version der Mythe heisst es, dass die Kinder vor dem
rasenden Dionysos in einen Wald fliehen. Plutarch bezeugt,
dass noch zu seiner Zeit in Orchomenos in Böotien, zu
dessen Königsgeschlecht Phrixos gehörte, Menschenopfer
vorkamen, dass man aber dem Opfer - gleich Phrixos, dem
Erstgeborenen - Gelegenheit zur Flucht zu geben pflegte.
Die älteste schriftliche Quelle der Mythe geht bis ins 5.
Jahrhundert v.u.Z. zurück, aber sie wird als allgemein
bekannt schon von Homer erwähnt. Sie dürfte gleich der
gesamten Argonautensage in die homerisch-mykenische
Periode verlegt werden können.
Der zweite Teil des Märchens ist ein typisches
Verwandlungsmärchen. Die Verwandlungsmärchen gehören
sicher zu unseren allerältesten. Sie kommen ausser in
diesem Märchen und in den hiervon abgeleiteten (403AB und
408) auch im Riesen ohne Herz (302) und zusammen mit dem
Hauptmotiv des letzteren im Batamärchen (318) und im
Märchen vom Zauberer und seinem Lehrling (325) vor.
Vielleicht können wir auch das Kuh- und Baummotiv im
Aschenputtelkomplex (511) hierzu zählen. Wenn man es für
möglich hielt, seine Seele an einen Ort ausserhalb des
Körpers zu verlegen, so konnte sie auch in ein Tier oder
einen Baum verwandelt werden. Der für Ekstase
empfängliche Mensch glaubt in diesem Zustand, seine
irdische Hülle zu verlassen und fühlt sich an andere
Orte und in andere Gestalt versetzt.
Literatur
Arfert, P.: Das Motiv von der unterschobenen
Braut in der internationalen Erzählungslitteratur.
Rostock 1897.
Derungs, K.: Struktur des Zaubermärchens II. Hildesheim,
Zürich, New York 1994.
Derungs, K.: Amalia oder Der Vogel der Wahrheit. Mythen
und Märchen aus Rätien im Kulturvergleich. Chur 1994.
Göttner-Abendroth, H.: Die Göttin und ihr Heros.
München 1993.
Köhler, I.: Brüderchen und Schwesterchen. In: EM 2, p.
919-925.
Krzyzanowski, J.: Brother lamp and his sister. In:
Fabula 2, 1959. p. 83-91.
Märchen
>> The
Stepmother
>> Schwester
Alenuschka und Brüderchen Iwanuschka
Hinweise
Nach zwei Erzählungen aus den Maingegenden, die sich
vervollständigen; in der einen fehlt der Umstand, dass
das Hirschlein in die Jagd hineinspringt und den König
durch seine Schönheit lockt. Die erste, vom 10. März
1811, ist in der ersten Ausgabe der Brüder Grimm von 1812
gedruckt:
Brüderchen nahm sein Schwesterchen an der Hand und
sagte "Seit die Mutter tot ist, haben wir keine gute
Stunde mehr. Die Stiefmutter schlägt uns alle Tage, und
wenn wir zu ihr kommen, stösst sie uns mit dem Fuss fort;
sie gibt uns auch nichts zu essen als harte Brotkrusten;
dem Hündlein unter dem Tisch gehts besser, dem wirft sie
doch manchmal was Gutes zu; dass Gott erbarm, wenn das
unsre Mutter wüsste! Komm, lass uns miteinander
fortgehen!" Sie gingen zusammen fort und kamen in
einen grossen Wald, da waren sie so traurig und so müde,
dass sie sich in einem hohlen Baum setzten und da Hungers
sterben wollten.
Sie schliefen zusammen ein, und wie sie am Morgen
aufwachten, war die Sonne schon lange aufgestiegen und
schien [recht] heiss in den hohlen Baum hinein.
"Schwesterchen", sagte das Brüderchen nach
einer Zeit, "mich dürstet so gewaltig; wenn ich ein
Brünnlein in der Nähe wüsste, ich ging hin und tränk
einmal; es ist mir auch als hörte ich eins
rauschen." - "Was hilft das", antwortete
das Schwesterchen, "warum willst du trinken, da wir
doch Hungers sterben wollen?" - Brüderchen aber
schwieg still und stieg heraus, und weil es das
Schwesterchen immer fest mit der Hand hielt, musste es mit
heraussteigen. Die böse Stiefmutter aber war eine Hexe,
und wie sie die zwei Kinder hatte fortgehen sehen, war sie
ihnen nachgegangen und hatte ein klares Brünnlein in der
Nähe des Baums aus dem Felsen springen lassen, das sollte
durch sein Rauschen die Kinder herbeilocken und zum
Trinken reizen; wer aber davon trank, der wurde in ein
Rehkälbchen verwandelt. Brüderchen kam bald mit dem
Schwesterchen zu dem Brünnlein, und als er es so
glitzerig über die Steine springen sah, wurde seine Lust
immer grösser, und er wollte davon trinken. Aber dem
Schwesterchen war angst; es meinte, das Brünnlein
spräche im Rauschen und sagte: "Wer mich trinkt,
wird zum Rehkälbchen; wer mich trinkt, wird zum
Rehkälbchen". Da bat es das Brüderchen, nicht von
dem Wasser zu trinken. "Ich höre nichts", sagte
das Brüderchen, "als wie das Wasser so lieblich
rauscht. Lass mich nur gehen!" Damit legte es sich
nieder, beugte sich herab und trank, und wie der erste
Tropfen auf seine Lippen gekommen war, da lag ein
Rehkälbchen an dem Brünnlein.
Das Schwesterchen weinte und weinte, die Hexe aber war
böse, dass sie es nicht auch zum Trinken hatte verführen
können. Nachdem es drei Tage geweint, stand es auf und
sammelte die Binsen in dem Wald und flocht ein weiches
Seil daraus. Dann band es das Rehkälbchen daran und
führte es mit sich. Es suchte ihm auch eine Höhle, trug
Moos und Laub hinein und machte ihm ein weiches Lager; am
Morgen ging es mit ihm hinaus, wo zartes Gras war, und
sammelte das allerschönste, das frass es ihm aus der
Hand, und das Rehkälbchen war dann vergnügt und spielte
auf den Hügeln. Abends aber, wenn Schwesterchen müde
war, legte es seinen Kopf auf den Rücken des
Rehkälbchens, das war sein Kissen, und so schlief es ein.
Und hätte das Brüderchen nur seine menschliche Gestalt
gehabt, das wäre ein herrliches Leben gewesen.
So lebten sie lange Jahre in dem Wald. Auf eine Zeit
jagte der König und verirrte sich darin. Da fand er das
Mädchen mit dem Tierlein in dem Wald und war erstaunt
über seine Schönheit. Er hob es zu sich auf sein Pferd
und nahm es mit, und das Rehkälbchen lief an dem Seile
nebenher. An dem königlichen Hof wurde ihm alle Ehre
angetan, schöne Jungfrauen mussten es bedienen, doch war
es selber schöner als alle andern; das Rehkälbchen liess
es niemals von sich und tat ihm alles Gute an. Bald darauf
starb die Königin, da wurde das Schwesterchen mit dem
König vermählt und lebte in allen Freuden.
Die Stiefmutter aber hatte von dem Glück gehört, das
dem armen Schwesterchen begegnet; sie dachte, es wäre
längst im Wald von den wilden Tieren gefressen worden;
aber die hatten ihm nichts getan, und nun war es Königin
im Reich. Die Hexe war so böse darüber, dass sie nur
darauf dachte, wie sie ihr das Glück verderben könnte.
Als im folgenden Jahr die Königin einen schönen Prinzen
zur Welt gebracht hatte und der König auf der Jagd war,
trat sie in der Gestalt der Kammerfrau in die Stube, worin
die Kranke lag. "Das Bad ist für Euch
bereitet", sagte sie, "das wird Euch wohltun und
stärken. Kommt, eh es kalt wird!" Sie führte sie
darauf in die Badestube; wie die Königin hineingetreten
war, schloss sie die Türe hinter ihr zu; drin aber war
ein Höllenfeuer angemacht, da musste die schöne Königin
ersticken. Die Hexe hatte eine rechte Tochter, der gab sie
ganz die äusserliche Gestalt der Königin und legte sie
an ihrer Stelle in das Bett. Der König kam am Abend heim
und wusste nicht, dass er eine falsche Frau habe. Aber in
der Nacht, sah die Kinderfrau, trat die rechte Königin in
die Stube; sie ging zur Wiege, nahm ihr Kind heraus, hob
es an ihre Brust und gab ihm zu trinken; dann schüttelte
sie ihm sein Bettchen auf, legte es wieder hinein und
deckte es zu. Darauf ging sie in die Ecke, wo das
Rehkälbchen schlief, und streichelte ihm über den
Rücken. So kam sie alle Nacht und ging wieder fort, ohne
ein Wort zu sprechen.
Einmal aber trat sie wieder ein und sprach:
"Was macht mein Kind? Was macht mein Reh?
Nun komm ich noch zweimal und dann nimmermehr".
und tat alles wie in den andern Nächten. Die
Kinderfrau weckte aber den König und sagte es ihm
heimlich. Der König wachte die andere Nacht, und da sah
er auch, wie die Königin kam, und hörte deutlich ihre
Worte:
"Was macht mein Kind? Was macht mein Reh?
Nun komm ich noch einmal und dann nimmermehr".
Aber er getraute sich nicht sie anzureden. In der
andern Nacht wacht er wieder, da sprach die Königin:
"Was macht mein Kind? Was macht mein Reh?
Nun komm ich noch diesmal her und dann nimmermehr".
Da konnte sich der König nicht länger halten, sprang
auf und umarmte sie; und wie er sie anrührte, wurde sie
wieder lebendig, frisch und rot. Die falsche Königin
wurde in den Wald geführt, wo die wilden Tiere sie
frassen; die böse Stiefmutter aber wurde verbrannt. Da
verwandelte sich das Rehkälbchen, und Brüderchen und
Schwesterchen waren wieder beisammen und lebten glücklich
ihr Leben lang.
Die andere Fassung ist im Anhang der ersten Ausgabe
mitgeteilt und im Handexemplar vervollständigt.
Eine ähnliche Erzählung kennen wir nur
fragmentarisch: Bruder und Schwester gingen eines Tags in
den Wald, und weil die Sonne so heiss und der Weg so weit
war, so fing den Bruder an zu dursten. Sie suchten Wasser
und kamen zu einer Quelle, daran stand geschrieben:
"Wer aus mir trinkt, ist es ein Mann, wird er ein
Tiger, ist es eine Frau, wird es ein Lamm". Da sprach
das Mädchen: "Ach lieber Bruder, trink nicht aus der
Quelle, sonst wirst du ein Tiger und zerreissest
mich". Da sagte der Bruder, er wolle noch warten, ob
ihn gleich der Durst so quäle, bis zur nächsten Quelle.
Wie sie aber an die nächste Quelle kamen, stand daran:
"Wer aus mir trinkt, wird ein Wolf". Da sprach
das Mädchen wieder: "Lieber, ach lieber Bruder,
trink nicht, sonst frisst du mich". Der Bruder
sprach: "Noch einmal will ich meinen Durst bezähmen,
aber länger kann ich nicht mehr". Und sie kamen zu
einer dritten Quelle, daran war geschrieben: "Wer aus
mir trinkt und ist ein Mann, wird er ein goldener Hirsch,
ist es ein Mädchen, wird es gross und schön." - Da
legt sich der Bruder nieder und trinkt und steht als ein
goldener Hirsch auf; das Mädchen trinkt auch und wird
noch schöner und gross, als wär es erwachsen. † Dann
legt es den Hirsch an ein Seil und führt ihn fort; der
König sieht den wunderbaren Hirsch und lässt ihn
einfangen. Das Mädchen bleibt bei ihm und wird einmal
behorcht, als sie mit ihm spricht; da hört der König,
dass es die Schwester von dem Goldhirsch ist, und
vermählt sich mit ihr. Die Mutter des Königs aber ist
neidisch und will sie verderben; sie gibt ihr eine
hässliche Gestalt und macht, dass sie soll getötet, der
Hirsch aber vom Metzger geschlachtet werden. - Die
Unschuld aber kommt an den Tag, die Schwiegermutter wird
in eine mit scharfen Messern angefüllte Tonne getan und
einen Berg herabgerollt.
Die letzten Zeilen vom † an sind im Handexemplar
durchstrichen, und am Rande steht von Wilhelm Grimms
zierlicher Hand: "S. am Ende die teilweise
Ergänzung". Diese lautet:
Da spricht das Mädchen: "Sei still lieb
Hirschchen!" und tut sein goldenes Strumpfband ab und
bindet es dem Goldhirsch um den Hals und führt ihn daran
fort in den Wald, tief, tief hinein. Da kommen sie zuletzt
zu einem kleinen Häuschen und wohnen lange Zeit darin.
Einmal aber hält der König grosse Jagd; da hört der
Hirsch das Schreien und Hörnerblasen und möcht gar zu
gern hinaus. "Ach lass mich ein wenig auf die
Jagd", spricht er zum Schwesterchen und bittet so
lang, bis es einwilligt und ihn hinauslässt. "Abends
komm wieder an mein Türchen", sagt die, "und
wenn du rufest (nun müsste ein Vers folgen), so mach ich
dir wieder auf". Da sprang der Goldhirsch hinaus in
den Wald und vor dem König her, und alle Jäger folgten
ihm, es konnte ihn aber keiner fangen; endlich am Abend
verschwand er. Er war aber vor das Häuschen gelaufen,
hatte gerufen, und da hatte ihm das Schwesterchen die
Türe aufgetan und ihn wieder eingelassen. Am andern Tag
ist wieder Jagd, da lässt das Goldhirschchen dem
Schwesterchen keine Ruhe, bis es ihm die Tür wieder
aufmacht. Da springt es wieder lustig hinaus, aber am
Abend kommt es langsam und hinkt; die Jäger hatten den
Wald umzingelt, und einer hatte es verwundet, und nun ging
ihm einer nach, der sieht, wie das Goldhirschchen vor das
Haus schleicht, hört, was es spricht, und dass es darauf
eingelassen wird, und geht dann zurück und sagts dem
König. Das Schwesterchen pflegt das Goldhirschchen, bis
es wieder gesund ist, und das ist bald. Wie der König nun
auch denkt, es sei wieder gesund, stellt er aufs neue eine
Jagd an. Das Goldhirschchen lässt sich da gar nicht
abhalten, das Schwesterchen mag sagen, was es will. Wies
aber bald Abend ist, geht der König vor das Haus, ruft
die Worte des Goldhirschchens und wird alsbald
eingelassen. Wie er hineinkommt, weiss er gar nicht, was
er sagen soll, so schön ist das Mädchen. Da reicht er
ihm endlich die Hand und sagt, ob es seine Gemahlin werden
wolle, so solle es mit ihm in sein Schloss gehen. Das
Mädchen sagt ja, aber jetzt könne es noch nicht fort, es
müsse erst auf das Goldhirschchen warten. Da warten sie
noch ein bisschen zusammen, da kommt es gesprungen; denn
die Jäger hatten ihm nichts tun dürfen, das hatte der
König befohlen. Das Mädchen bindet es wieder an sein
Strumpfband und führt es mit ins Schloss. Da hält der
König Hochzeit mit dem Mädchen, und sie leben lange Zeit
vergnügt. - Das Mädchen aber hat eine Stiefmutter, die
war immer neidisch und gönnte ihm sein Glück nicht. Wie
nun die Königin soll in Wochen kommen, geht sie mit ihrer
rechten Tochter, die aber garstig ist und nur ein Auge
hat, ins Schloss, und da trifft sichs gerade, dass der
König auf der Jagd ist und die Königin in dieser Zeit
einen schönen Prinzen zur Welt bringt. Da fasst die
gottlose Stiefmutter sie beim Kopf und ihre Tochter bei
den Füssen, und so tragen sie die Kranke in einen tiefen
Turm; und dann fangen sie das Goldhirschchen und geben es
dem Metzger, der soll es schlachten. Und wie das alles
getan ist, muss sich die garstige Tochter ins Bett legen,
aber auf die scheele Seite, so dass ihr eines Auge oben
hinkommt; dann setzt ihr die Alte noch eine Haube auf und
zieht die Vorhänge dicht zu. Abends kommt der König nach
Haus und freut sich, dass der Storch ihm einen Prinzen
gebracht, und will ans Bett gehen und sehen, was die
Königin macht. Die Alte aber ruft: "Lasst bei Leibe
die Vorhänge zu! Eure Frau kann nicht ins Licht sehen und
will auch ein bisschen schlafen. Da sprecht nicht mit
ihr!" - Die Unschuld kommt aber an den Tag; der
Metzger hat das Goldhirschchen nicht geschlachtet, und der
König findet auch endlich seine rechte Frau wieder (dabei
ist noch eine besondere Verwicklung). Die Alte wird in
einem Fass voll Messer einen Berg herabgerollt, und die
scheele Jungfer wird auch gestraft.
Diese Erzählungen gehören zu dem von Arfert (Das
Motiv von der unterschobenen Braut in der internationalen
Erzählungsliteratur) behandelten Märchen von der
untergeschobenen Braut, in denen eine unschuldige Frau
durch ihre Stiefmutter im Kindbett oder schon vorher auf
dem Wege zur Hochzeit gewaltsam beseitigt und durch eine
hässliche Stiefschwester ersetzt wird; nachts kehrt sie
in Entengestalt wieder, um sich beim Küchenjungen nach
den Ihrigen zu erkundigen, oder in Menschengestalt, um ihr
Kind zu tränken. Die Schönheit der guten Schwester und
die Hässlichkeit der bösen wird in den drei Männlein im
Walde (KHM 13) und in der weissen und schwarzen Braut (KHM
135) durch eine Begegnung mit überirdischen Wesen
ähnlich wie in der Frau Holle (KHM 24) begründet; in
mehreren Erzählungen aber, nämlich unsrer KHM 11, im
Lämmchen und Fischchen (KHM 141) und in der weissen und
schwarzen Braut (KHM 135) hat die Heldin einen rechten
Bruder, der mit ihr leidet; in KHM 135 ist er Kutscher
beim König, muss die schöne Schwester als Braut für
diesen holen und wird, als er dafür unwissend die
garstige Stiefschwester bringt, in eine Schlangengrube
geworfen; in KHM 11 und 141 wird er gleich zu Anfang durch
Veranstaltung der Stiefmutter in ein Reh oder Lamm
verwandelt, von der Schwester mit an den Hof genommen und
soll auf Befehl der falschen Königin geschlachtet werden;
in Reimversen klagen die verwandelten Geschwister einander
ihre Todesnot, was ein Lauscher dem König meldet, wie
anderwärts die nächtliche Erscheinung der toten Gattin.
Wir haben also folgende Motive zu unterscheiden:
A. Ein Witwer lässt sich durch seine Tochter
überreden, wieder zu heiraten. - B. Dem guten Mädchen
wird Schönheit nebst andren Wundergaben, dem bösen
Hässlichkeit verliehen. - C. Der Bruder wird durch die
Stiefmutter in ein Reh oder Schaf verwandelt (C1) oder er
tritt in den Dienst eines Königs, dem er von seiner
schönen Schwester erzählt (C2). - D. Die Schwester, die
zur Gattin eines Königs erhoben ist, wird auf dem Weg zur
Hochzeit (D1) oder im Kindbett beseitigt (D2), ins Wasser
gestürzt (D3) oder in einen Vogel oder Fisch verwandelt
(D4), bisweilen von einer Meerfrau gefangen oder von einem
Fisch verschlungen (D5) und dafür ihre Stiefschwester
untergeschoben. - E. Der König lässt den Bruder in die
Schlangengrube werfen und heiratet die untergeschobene
Braut. - F. Lösung: 1. Gespräch der Geschwister, das ein
Diener oder der König belauscht; 2. die Königin kehrt
nachts in Tiergestalt wieder, um sich nach den Ihrigen zu
erkundigen, und wird durch Enthauptung oder Zerhauen der
Kette entzaubert; 3. die tote Königin kommt nachts aus
dem Grab, ihr Kind zu tränken. In F1 und F2 zeigen
vielfach die Klagereden Versform. - G. Die Stiefmutter
erleidet die Strafe, die sie sich unwissend zugesprochen
hat.
Eine schwedische Fassung ist viel dürftiger und ohne
besondere Eigentümlichkeiten. Die ermordete Königin
kommt in der Donnerstagnacht im weissen Kleid und mit
einer langen rasselnden Kette. Zu ihrem Hündchen, das
sich in die Küche verkrochen hat, sagt sie: "Hast du
nichts zu essen?" Da gibt ihr das Hündchen ein paar
Bissen Brot. Sie fragt weiter: "Was macht mein
kleines Kind?" - "Das schläft". -
"Liegt der Hexe Tochter in meines Liebsten Arm?"
- "Nein". Sie geht seufzend fort und kommt in
der nächsten Donnerstagnacht wieder. Zum drittenmal weint
sie bitterlich und sagt: "Dies ist das letztemal;
errettet mich niemand, so bin ich dem Meerweib
verfallen". Da erlöst sie der König, der gelauscht
hat, indem er ihre Kette zerhaut. Die falsche Königin
wird in geschmolzenes Blei geworfen. - In den
italienischen Märchen "Von Sabedda und ihrem
Brüderchen" und "Von Maria und ihrem
Brüderchen" wird der Bruder in ein Schaf mit
goldenen Hörnern verwandelt, die Schwester aber in eine
Zisterne geworfen und von einem grossen Fisch verschluckt.
Da klagt das Schaf am Brunnen:
Schwesterchen, Schwesterchen, Ringelhaar,
Für mich sie wetzen die Messer gar,
Für mich sie setzen die Kessel blank,
Mir abzuschneiden mein Hälschen schlank.
Und aus dem Wasser antwortet eine Stimme:
Ich kann dir nicht helfen, mein Brüderlein.
Der böse Haifisch im Rachen mich hält;
Mein Kindlein kann ich nicht bringen zur Welt.
Bei "La parrastra" wird der Bruder ein Kalb
mit Goldhörnern, der Vater sucht die verlorenen Kinder
und findet die Tochter verheiratet. Bei "The king who
goes out to dinner" ist der Bruder nicht verwandelt
sondern Vizekönig, soll aber zur Genesung der falschen
Königin getötet werden. Eine ähnliche Entstellung liegt
auch in "Nennillo und Nennella" vor; die
Geschwister werden auf Betreiben der Stiefmutter in den
Wald geführt und trennen sich; Nennillo wird ein
kunstreicher Messerschmied und steht am Ufer, als ein
Fisch herbeischwimmt, der die Schwester verschlungen hat.
Sie ruft ihn an und wird vom Fisch ausgespien; zum Schluss
die Bestrafung der in einem Fass vom Berg herabgerollten
Stiefmutter. Eine Vermischung mit dem Märchen von den
zwölf Brüdern (KHM 9) zeigen mehrere toskanische
Märchen. Nicht eine Stiefmutter verzaubert die mit ihrer
Schwester im Waldhaus lebenden Brüder in Lämmer oder
Schweine, sondern die Frau des von ihnen getöteten Orco,
indem sie ihnen Mützen aus seiner Haut schenkt.
Die schöne griechische Fassung "Asterinos und
Pulja" hat viele Züge mit den slawischen gemeinsam.
Wie im slowakischen, serbokroatischen und bulgarischen
Märchen schneidet sich die Frau eine Brust ab, als die
Katze ihr Fleisch gestohlen hat und setzt sie ihrem Mann
vor, der nun auch die eigenen Kinder verzehren will. Wie
im polnischen werfen die fliehenden Kinder Messer, Kamm
und Salz hinter sich, und der Knabe trinkt aus der
Lammspur. Wie im bulgarischen und im türkischen Märchen
lockt eine Alte die Schwester vom Baum herab. An den
Dialog des Lammes und der von der Schwieger in den Brunnen
gestürzten Prinzessin schliesst sich ein Motiv aus unsrer
KHM 130: aus den von der Schwester gesammelten Knochen des
Lammes erwächst ein Apfelbaum; sie pflückt einen Apfel
und geht davon. Gott aber macht sie (heisst es bei
Geldart) zum Sternbild der Plejaden und den Bruder zum
Abendstern. - In der serbischen Fassung ist die
gewöhnliche Einleitung ausgefallen, das dem Mädchen vom
Hirten geschenkte redende Schaf ist nicht der Bruder des
Mädchens; es dringt wie bei Afanasjev in den Garten des
Kaisers, der darauf das Mädchen heiratet. Eine Zigeunerin
stösst die Kaiserin in den Brunnen und verlangt das Herz
des Schafes. Zufällig wird ein goldener Karpfen aus dem
Brunnen gezogen, der sich in die Kaiserin verwandelt. Eine
entstellte Version: das Mädchen wird wie in der
griechischen bei Hahn vom Baum heruntergelockt; beide
Geschwister trinken aus derselben Quelle und werden zu
Hirschen. Seit dieser Zeit gibt es Hirsche. - Bulgarisch:
der Knabe wird ein Hirsch; eine Zigeunerin stürzt die
Prinzessin in den Brunnen und setzt sich an ihre Stelle;
aber der verfolgte Hirsch zeigt den Dienern die Schwester
im Wasser. Einen andern Schluss hat die Version aus
Silistria: die Schwester wird zu einem goldigen Fisch, den
der Prinz fängt und zubereiten lässt; die falsche Gattin
befiehlt alle Schuppen ins Feuer zu werfen; aber aus einer
Schuppe, die eine Frau aufgehoben und mitgenommen hat,
ersteht das Mädchen wieder und räumt heimlich das Zimmer
auf. Als der Kaiser von dem Wunderwesen hört, bescheidet
er es zu sich, und es erzählt statt eines Märleins die
eigne Geschichte. In der Überlieferung aus Ochrid in
Macedonien ruft der Hirsch: "Die Zigeunerin ist nicht
meine Schwester", läuft auf den Fischmarkt und
bewegt durch die Worte "Hier ist meine Schwester
Elena" den Prinzen, den Fisch zu kaufen und
aufzuschneiden; da springt Elena heraus. In einer weiteren
Überlieferung ist die arglistige Nebenbuhlerin der
Prinzessin ihre eigne hässliche Schwester; das Lamm wird
von ihr wohl Bruder genannt, ist es aber nicht. Nur den
Anfang von der Verwandlung des Bruders in einen Hirsch,
und der Heirat der Schwester berichtet eine Erzählung aus
Bitolia. - Tschechisch: der Knabe trinkt aus einer
Lammspur; die Schwester wird durch Genuss eines Apfels zur
Ente und erhält in der dritten Nacht durch das Blut des
schwarzen Adlers, den ihr Gatte erschiesst, ihre
menschliche Gestalt. - Slowakisch: das Lamm trägt nachts
das Kind zur Donau; die goldene Ente schwimmt herbei,
verwandelt sich in eine schöne Frau und säugt ihr Kind;
sie entrinnt aber dem lauschenden Gatten, bis auf sein
Geheiss das Lamm in der dritten Nacht ihr Kleid
festnagelt. Durch das Blut der Stiefmutter wird der Bruder
entzaubert. - In einem polnischen Märchen aus
Oberschlesien stürzt nicht die Stiefmutter, sondern eine
Köchin die Frau in den See, die als Ente zu ihrem Kind
und dem Lamm zurückkehrt. In einer Krakauer Aufzeichnung
entfliehen Bruder und Schwester, weil die Eltern sie
töten wollen, und werfen ein Ei und einen Kamm hinter
sich, die sich in Wasser und Gestrüpp verwandeln. Die
Schwieger ertränkt die Frau und vertauscht ihr Kind; das
Lamm führt den Gatten, der sich in eine Ochsenhaut hüllt
zum Fluss. Ebenso folgt in einer andern Krakauer Version
der Gatte in einer Rindshaut dem Lamm und erlöst die ihr
Kind säugende Frau, indem er ihr die Zaubernadeln aus den
Ohren zieht. Ebenso in der Erzählung aus Lublin wo der
Knabe zum Lamm wird, als er aus den Fussstapfen von
Lämmern trinkt, und die vom König gepackte Gans sich in
eine Schlange, Otter, Kröte und endlich in eine Frau
verwandelt, ein aus der griechischen Sage von Peleus und
Thetis bekanntes Motiv. -
Grossrussisch: der Knabe wird zum Ziegenbock und nicht
erlöst, die Schwester als Kaiserin von einer Hexe durch
einen um den Hals gehängten Stein verwandelt. Bei
Afanasjev3: die Kinder kommen zur Waldhütte der Jagababa,
wo der Knabe Ziegenfett aufleckt und zur Ziege wird. Bei
Oncukov: das dem Teufel verschriebene Mädchen flieht mit
dem Bock, von der Hexe Ichibicha ins Meer gestossen, vom
Gatten solange geschlagen, bis sie wieder Mensch wird. -
Kleinrussisch aus der Ukraine: die Ente wird auf Betreiben
der falschen Frau geschlachtet, ein aus zwei vergrabenen
Federn entsprossener Baum umgehauen, ein vom Lamm
geretteter Span gerät in die Truhe einer Frau, die eines
Tages ein fremdes Mädchen im Zimmer findet und darauf den
Herrn zu sich ladet. Aus Poltawa: die verwaisten
Zarenkinder kommen, der Bruder als Ziegenbock, an einen
fürstlichen Hof. Die frühere Geliebte des Fürsten
stösst seine Braut ins Meer und will den Bock schlachten
lassen. Als der Fürst die Klagen der Geschwister hört,
fliegt die falsche Braut als Drache davon. Der Bruder wird
durch dasselbe Wasser, das ihn verwandelt hatte, wieder
entzaubert. - In einer weissrussischen Erzählung verirren
sich Geschwister im Wald in die Behausung eines Drachen
und schieben diesen in den Backofen, aber der Knabe leckt
vom Drachenfett und wird zu einem Lamm. Die Schwester wird
im Badehaus von einer Schlange ertränkt, die sich in ihre
Kleider hüllt und das Lamm schlachten will; der Kutscher
belauscht das Gespräch der Geschwister. - Finnisch:
"Die wunderbare Birke" knüpft an das Märchen
von Aschenputtel (KHM 21) die Verwandlung der jungen
Königin in eine Renntierkuh; auf den Rat einer weisen
Frau lockt der König diese zum Säugen des Kindes herbei
und verbrennt die abgelegte Tierhaut. Der Bruder fehlt
völlig. - Ungarisch: "The two orphans" wo die
verwaisten Geschwister in die Welt ziehen und die vierte
Wasserlache den Bruder in ein Reh verwandelt. -
Unvollständig bei den Gagausen: der Knabe wird zum Stier
mit goldenen Hörnern und silbernen Hufen, das Mädchen
wird von der Pappel heruntergelockt und des Prinzen
Gattin. - Ein Märchen der Sarten berichtet, wie von fünf
Töchtern und einem Sohn, die der Vater auf Drängen der
Stiefmutter in den Wald führt und verlässt, vier
Töchter sich in einen Affen, Wolf, Fuchs und Tiger, der
Knabe sich in einen Ziegenbock verwandelt. Die jüngste
Schwester, der der Ziegenbock nachläuft, wird Gattin des
Kaisers, aber von den 39 älteren Frauen desselben
ertränkt. Als der zurückgekehrte Kaiser das Gespräch
der Geschwister anhört lässt er den See von 10 000
Arbeitern ausschöpfen und findet am Boden in einem
silbernen Häuschen seine Gattin, wie sie zwei Söhnlein
wiegt. - Armenisch: "Der Hammelbruder"; der
Bruder wird zum Hammel, weil er aus den Hammelfussspuren
getrunken; das Mädchen erhält bei der alten Dew goldene
Haare, ihre Stiefschwester aber Hässlichkeit; Schuhprobe
wie im Aschenputtelmärchen; die Stiefmutter stösst die
Prinzessin ins Meer, ein Fisch verschlingt sie, den der
Prinz aufschneidet. Die falsche Frau und die Stiefmutter
werden an den Schwanz eines Pferdes gebunden und zu Tode
geschleift. - Im türkischen Märchen "Brüderchen
und Schwesterchen" fehlt die Stiefmutter; das
Mädchen wird wie im Bulgarischen und Griechischen durch
eine Hexe vom Baum herabgelockt und zum Padischah
geführt; eine schwarze Sklavin stürzt sie ins Wasser,
und der zum Schlachten bestimmte Bruder Hirsch klagt:
Man wetzt die Messer,
Im Kessel siedet das Wasser;
Mein Schwesterchen, eile, eil!
Die vom Fisch verschluckte Schwester antwortet:
Hier bin ich in des Fisches Magen,
In meiner Hand eine goldne Trinkschale,
An meinen Füssen silberne Schuhe,
In meinem Schosse ein kleiner Padischah.
Arabisch: "Die Wildziege"; die Geschwister
fliehen, weil der Vater sie schlachten will, und
entkommen, obwohl ihnen der Verfolger als Hemmnisse einen
Haufen Gold, ein wütendes Kamel und einen Giessbach in
den Weg wünscht; Gespräch des Bruders Ziege und der
Sultanin, die von der zweiten Frau des Sultans in den
Brunnen gestürzt und vom Hai verschlungen ist.
Unvollständig mit gleicher Einleitung "Die beiden
Kinder"; der Bruder wird von Hexen, von denen er den
Kamm seiner Schwester fordert, in einen Stier verwandelt;
die Schwester wird auf dem Tamarindenbaum vom Sultan
erblickt und zur Frau erkoren. - Auch in einer Erzählung
in Marokko fehlt die Unterschiebung der falschen Frau; der
in einen Vogel verwandelte Knabe redet nachts mit der
Schwester, die sich ein Hundefell übergezogen und im
Schloss Unterkunft gefunden hat:
"Schwesterchen, mein Schwesterchen,
Was hast du gestern abend bekommen, mein
Schwesterchen?"
worauf sie erwidert:
"Brüderchen, mein Brüderchen,
Kleie bekam ich wie die andern Hunde, mein Brüderchen,
Und auf dem Misthaufen muss ich schlafen, mein
Brüderchen."
Nun entdecken die Hofleute in der Hündin ein schönes
Mädchen; der Prinz heiratet sie und entzaubert den
Bruder. - Die Haussa erzählen die Geschichte in andrer
Reihenfolge: die Heldin wird von ihrer älteren Schwester
in den See gestossen und vom Wassergeist gefangen
gehalten, steigt aber empor, um ihren kleinen Bruder zu
kämmen, der am Ufer die Schafe hütet; ein Königssohn
tötet den Wassergeist und heiratet das Mädchen. Aus
Nigeria: "The slave girl who tried to kill her
mistress"; an Stelle des Bruders erscheint hier eine
kleine Schwester der auf der Brautfahrt von der Sklavin in
die Quelle gestürzten schönen Emme; ein Jäger erzählt
dem Mann von dem belauschten Gespräch der Schwestern;
dieser bewegt den Wassergeist durch ein reiches Opfer, ihm
die rechte Frau herauszugeben.
Bei den indischen Kols verwandelt sich der Bruder erst,
nachdem seine Schwester vom König entführt ist, in einen
Hirsch und wird vom König erlegt; aber die Schwester
erkennt das Fleisch als Menschenfleisch und sammelt die
Stücke, da wird der Bruder wieder lebendig. Ein anderes
Motiv des Märchens begegnet in Benares: eine tote Mutter
erfleht vom Gott Khuda, dass sie nachts in Vogelgestalt in
ihr Haus zurückkehren darf; sie fragt den Pförtner nach
ihren Kindern und dem Gatten und fügt hinzu: "Was
für ein Tor ist euer König!" Als sie weint
entfallen ihr Perlen und als sie lacht Rubine. In der
nächsten Nacht lässt der König den Vogel mit einem Netz
fangen, zieht ihm die Zaubernadel aus dem Kopf und hat
seine Gattin wieder.
Variantenverzeichnis
>> Märchen-Suchdienst
Die Hindin im Wald. Aulnoy/Frankreich 5,3
Brüderchen und Schwesterchen. Grimm/KHM 11
Das Lämmchen und das Fischchen. Grimm/KHM 141
Schwester Alenuschka und Brüderchen Ivanuschka.
Afanasjew/Russland 261
Pulia und der Morgenstern. Megas/Griechenland 18
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