Schwester und
  Bruder 450
  Märchentyp AT: 450; cf. 403, 480,
  533
  Grimm KHM: Brüderchen und Schwesterchen 11; Das Lämmchen
  und Fischchen 141
  
  
  Es herrschen Trockenheit und
  Hungersnot. Eine Frau will ihre Kinder, einen Knaben und
  ein Mädchen, schlachten. Ihr Hund warnt die Kinder. Sie
  fliehen zusammen mit dem Hund, indem sie ein Messer, einen
  Kamm und eine Handvoll Salz mitnehmen. Als die Frau sie
  verfolgt, wird aus dem Messer eine gewaltige Ebene, aus
  dem Kamm ein Wald und aus dem Salz ein Meer. Da gibt sie
  die Verfolgung auf. Überwältigt von Durst trinkt der
  Knabe trotz der Warnung der Schwester das Wasser, das sich
  in einer Fährte, meist der eines Lammes, gesammelt hat,
  und wird dann in ein Lamm verwandelt. Bei einer Quelle
  angekommen, setzt sich das Mädchen auf einen Baum,
  während der Hund und das Lamm darunter umhergehen. Ein
  Prinz kommt zur Quelle, lockt das Mädchen herunter (oft
  mit Hilfe einer listigen Frau), trägt sie in die Stadt
  und verheiratet sich mit ihr, aber die Stiefmutter (Amme,
  Zigeunerin) lässt sie in einen Brunnen werfen, wo sie in
  eine Ente verwandelt oder von einem Fisch verschluckt
  wird, während die eigene Tochter der Stiefmutter den
  Platz als Gemahlin des Prinzen einnimmt. Als die
  Stiefmutter das Lamm schlachten will, geht es zum Brunnen,
  und die Geschwister klagen einander ihr Leid, der Bruder,
  weil man "die Messer wetzt", die Schwester wegen
  ihres ungeborenen oder neugeborenen Kindes, das sie
  stillt. Einmal belauscht der Prinz das Gespräch, worauf
  die Wiederverwandlung geschieht, die richtige Gemahlin
  ihren Platz wiedererhält und die Ungerechten bestraft
  werden.
  
  
  Anmerkung
  
  Dieses Märchen, in dem die Usurpation nach der
  Hochzeit geschieht, liegt allen anderen Märchen zugrunde,
  die zu dem Kreis Die schwarze und die weisse Braut (403AB,
  408, 533) gehören und auf die wir mit der Bemerkung
  hinweisen, dass Entlehnungen zwischen vereinzelten
  Varianten der verschiedenen Märchen selbstverständlich
  vorkommen.
  Wir wollen nun den ersten Teil des Märchens mit der
  Mythe von Phrixos und Helle vergleichen. Diese Mythe
  findet sich als ein Glied der Argonautensage. Als der
  thessalische König Athamas die Wolkengöttin Nephele
  verstiess, um sich mit Ino zu verehelichen, wurde das Land
  von einer Trockenheit heimgesucht. Da wollte Ino, einen
  falschen Orakelspruch vorschützend, Nepheles Sohn Phrixos
  opfern. Von einem Widder mit einem goldenen Fell gewarnt,
  flieht Nephele auf dem Widder zusammen mit ihrem Sohn
  Phrixos und ihrer Tochter Helle, und wie auf der magischen
  Flucht im Märchen werden sie durch die Luft nach Kolchis
  geführt. Das Motiv ist jedoch in der Mythe so umgewandelt
  worden, dass nur der Name Hellespont (Helles Meer), nicht
  das Meer selbst dadurch entsteht, da die Wolkengöttin
  dort ihre Tochter Helle verliert. Der Widder wird Zeus
  geopfert und das Fell - das berühmte Goldene Vlies der
  Argonauten - auf einer Eiche aufgehängt. Nach einer
  Version der Mythe heisst es, dass die Kinder vor dem
  rasenden Dionysos in einen Wald fliehen. Plutarch bezeugt,
  dass noch zu seiner Zeit in Orchomenos in Böotien, zu
  dessen Königsgeschlecht Phrixos gehörte, Menschenopfer
  vorkamen, dass man aber dem Opfer - gleich Phrixos, dem
  Erstgeborenen - Gelegenheit zur Flucht zu geben pflegte.
  Die älteste schriftliche Quelle der Mythe geht bis ins 5.
  Jahrhundert v.u.Z. zurück, aber sie wird als allgemein
  bekannt schon von Homer erwähnt. Sie dürfte gleich der
  gesamten Argonautensage in die homerisch-mykenische
  Periode verlegt werden können.
  Der zweite Teil des Märchens ist ein typisches
  Verwandlungsmärchen. Die Verwandlungsmärchen gehören
  sicher zu unseren allerältesten. Sie kommen ausser in
  diesem Märchen und in den hiervon abgeleiteten (403AB und
  408) auch im Riesen ohne Herz (302) und zusammen mit dem
  Hauptmotiv des letzteren im Batamärchen (318) und im
  Märchen vom Zauberer und seinem Lehrling (325) vor.
  Vielleicht können wir auch das Kuh- und Baummotiv im
  Aschenputtelkomplex (511) hierzu zählen. Wenn man es für
  möglich hielt, seine Seele an einen Ort ausserhalb des
  Körpers zu verlegen, so konnte sie auch in ein Tier oder
  einen Baum verwandelt werden. Der für Ekstase
  empfängliche Mensch glaubt in diesem Zustand, seine
  irdische Hülle zu verlassen und fühlt sich an andere
  Orte und in andere Gestalt versetzt.
  
  Literatur
  Arfert, P.: Das Motiv von der unterschobenen
  Braut in der internationalen Erzählungslitteratur.
  Rostock 1897.
  Derungs, K.: Struktur des Zaubermärchens II. Hildesheim,
  Zürich, New York 1994.
  Derungs, K.: Amalia oder Der Vogel der Wahrheit. Mythen
  und Märchen aus Rätien im Kulturvergleich. Chur 1994.
  Göttner-Abendroth, H.: Die Göttin und ihr Heros.
  München 1993.
  Köhler, I.: Brüderchen und Schwesterchen. In: EM 2, p.
  919-925.
  Krzyzanowski, J.: Brother lamp and his sister. In:
  Fabula 2, 1959. p. 83-91.
  
  Märchen
  >> The
  Stepmother
  >> Schwester
  Alenuschka und Brüderchen Iwanuschka
  
  Hinweise
  Nach zwei Erzählungen aus den Maingegenden, die sich
  vervollständigen; in der einen fehlt der Umstand, dass
  das Hirschlein in die Jagd hineinspringt und den König
  durch seine Schönheit lockt. Die erste, vom 10. März
  1811, ist in der ersten Ausgabe der Brüder Grimm von 1812
  gedruckt:
  Brüderchen nahm sein Schwesterchen an der Hand und
  sagte "Seit die Mutter tot ist, haben wir keine gute
  Stunde mehr. Die Stiefmutter schlägt uns alle Tage, und
  wenn wir zu ihr kommen, stösst sie uns mit dem Fuss fort;
  sie gibt uns auch nichts zu essen als harte Brotkrusten;
  dem Hündlein unter dem Tisch gehts besser, dem wirft sie
  doch manchmal was Gutes zu; dass Gott erbarm, wenn das
  unsre Mutter wüsste! Komm, lass uns miteinander
  fortgehen!" Sie gingen zusammen fort und kamen in
  einen grossen Wald, da waren sie so traurig und so müde,
  dass sie sich in einem hohlen Baum setzten und da Hungers
  sterben wollten.
  Sie schliefen zusammen ein, und wie sie am Morgen
  aufwachten, war die Sonne schon lange aufgestiegen und
  schien [recht] heiss in den hohlen Baum hinein.
  "Schwesterchen", sagte das Brüderchen nach
  einer Zeit, "mich dürstet so gewaltig; wenn ich ein
  Brünnlein in der Nähe wüsste, ich ging hin und tränk
  einmal; es ist mir auch als hörte ich eins
  rauschen." - "Was hilft das", antwortete
  das Schwesterchen, "warum willst du trinken, da wir
  doch Hungers sterben wollen?" - Brüderchen aber
  schwieg still und stieg heraus, und weil es das
  Schwesterchen immer fest mit der Hand hielt, musste es mit
  heraussteigen. Die böse Stiefmutter aber war eine Hexe,
  und wie sie die zwei Kinder hatte fortgehen sehen, war sie
  ihnen nachgegangen und hatte ein klares Brünnlein in der
  Nähe des Baums aus dem Felsen springen lassen, das sollte
  durch sein Rauschen die Kinder herbeilocken und zum
  Trinken reizen; wer aber davon trank, der wurde in ein
  Rehkälbchen verwandelt. Brüderchen kam bald mit dem
  Schwesterchen zu dem Brünnlein, und als er es so
  glitzerig über die Steine springen sah, wurde seine Lust
  immer grösser, und er wollte davon trinken. Aber dem
  Schwesterchen war angst; es meinte, das Brünnlein
  spräche im Rauschen und sagte: "Wer mich trinkt,
  wird zum Rehkälbchen; wer mich trinkt, wird zum
  Rehkälbchen". Da bat es das Brüderchen, nicht von
  dem Wasser zu trinken. "Ich höre nichts", sagte
  das Brüderchen, "als wie das Wasser so lieblich
  rauscht. Lass mich nur gehen!" Damit legte es sich
  nieder, beugte sich herab und trank, und wie der erste
  Tropfen auf seine Lippen gekommen war, da lag ein
  Rehkälbchen an dem Brünnlein.
  Das Schwesterchen weinte und weinte, die Hexe aber war
  böse, dass sie es nicht auch zum Trinken hatte verführen
  können. Nachdem es drei Tage geweint, stand es auf und
  sammelte die Binsen in dem Wald und flocht ein weiches
  Seil daraus. Dann band es das Rehkälbchen daran und
  führte es mit sich. Es suchte ihm auch eine Höhle, trug
  Moos und Laub hinein und machte ihm ein weiches Lager; am
  Morgen ging es mit ihm hinaus, wo zartes Gras war, und
  sammelte das allerschönste, das frass es ihm aus der
  Hand, und das Rehkälbchen war dann vergnügt und spielte
  auf den Hügeln. Abends aber, wenn Schwesterchen müde
  war, legte es seinen Kopf auf den Rücken des
  Rehkälbchens, das war sein Kissen, und so schlief es ein.
  Und hätte das Brüderchen nur seine menschliche Gestalt
  gehabt, das wäre ein herrliches Leben gewesen.
  So lebten sie lange Jahre in dem Wald. Auf eine Zeit
  jagte der König und verirrte sich darin. Da fand er das
  Mädchen mit dem Tierlein in dem Wald und war erstaunt
  über seine Schönheit. Er hob es zu sich auf sein Pferd
  und nahm es mit, und das Rehkälbchen lief an dem Seile
  nebenher. An dem königlichen Hof wurde ihm alle Ehre
  angetan, schöne Jungfrauen mussten es bedienen, doch war
  es selber schöner als alle andern; das Rehkälbchen liess
  es niemals von sich und tat ihm alles Gute an. Bald darauf
  starb die Königin, da wurde das Schwesterchen mit dem
  König vermählt und lebte in allen Freuden.
  Die Stiefmutter aber hatte von dem Glück gehört, das
  dem armen Schwesterchen begegnet; sie dachte, es wäre
  längst im Wald von den wilden Tieren gefressen worden;
  aber die hatten ihm nichts getan, und nun war es Königin
  im Reich. Die Hexe war so böse darüber, dass sie nur
  darauf dachte, wie sie ihr das Glück verderben könnte.
  Als im folgenden Jahr die Königin einen schönen Prinzen
  zur Welt gebracht hatte und der König auf der Jagd war,
  trat sie in der Gestalt der Kammerfrau in die Stube, worin
  die Kranke lag. "Das Bad ist für Euch
  bereitet", sagte sie, "das wird Euch wohltun und
  stärken. Kommt, eh es kalt wird!" Sie führte sie
  darauf in die Badestube; wie die Königin hineingetreten
  war, schloss sie die Türe hinter ihr zu; drin aber war
  ein Höllenfeuer angemacht, da musste die schöne Königin
  ersticken. Die Hexe hatte eine rechte Tochter, der gab sie
  ganz die äusserliche Gestalt der Königin und legte sie
  an ihrer Stelle in das Bett. Der König kam am Abend heim
  und wusste nicht, dass er eine falsche Frau habe. Aber in
  der Nacht, sah die Kinderfrau, trat die rechte Königin in
  die Stube; sie ging zur Wiege, nahm ihr Kind heraus, hob
  es an ihre Brust und gab ihm zu trinken; dann schüttelte
  sie ihm sein Bettchen auf, legte es wieder hinein und
  deckte es zu. Darauf ging sie in die Ecke, wo das
  Rehkälbchen schlief, und streichelte ihm über den
  Rücken. So kam sie alle Nacht und ging wieder fort, ohne
  ein Wort zu sprechen.
  Einmal aber trat sie wieder ein und sprach:
  "Was macht mein Kind? Was macht mein Reh?
  Nun komm ich noch zweimal und dann nimmermehr".
  und tat alles wie in den andern Nächten. Die
  Kinderfrau weckte aber den König und sagte es ihm
  heimlich. Der König wachte die andere Nacht, und da sah
  er auch, wie die Königin kam, und hörte deutlich ihre
  Worte:
  "Was macht mein Kind? Was macht mein Reh?
  Nun komm ich noch einmal und dann nimmermehr".
  Aber er getraute sich nicht sie anzureden. In der
  andern Nacht wacht er wieder, da sprach die Königin:
  "Was macht mein Kind? Was macht mein Reh?
  Nun komm ich noch diesmal her und dann nimmermehr".
  Da konnte sich der König nicht länger halten, sprang
  auf und umarmte sie; und wie er sie anrührte, wurde sie
  wieder lebendig, frisch und rot. Die falsche Königin
  wurde in den Wald geführt, wo die wilden Tiere sie
  frassen; die böse Stiefmutter aber wurde verbrannt. Da
  verwandelte sich das Rehkälbchen, und Brüderchen und
  Schwesterchen waren wieder beisammen und lebten glücklich
  ihr Leben lang.
  Die andere Fassung ist im Anhang der ersten Ausgabe
  mitgeteilt und im Handexemplar vervollständigt.
  Eine ähnliche Erzählung kennen wir nur
  fragmentarisch: Bruder und Schwester gingen eines Tags in
  den Wald, und weil die Sonne so heiss und der Weg so weit
  war, so fing den Bruder an zu dursten. Sie suchten Wasser
  und kamen zu einer Quelle, daran stand geschrieben:
  "Wer aus mir trinkt, ist es ein Mann, wird er ein
  Tiger, ist es eine Frau, wird es ein Lamm". Da sprach
  das Mädchen: "Ach lieber Bruder, trink nicht aus der
  Quelle, sonst wirst du ein Tiger und zerreissest
  mich". Da sagte der Bruder, er wolle noch warten, ob
  ihn gleich der Durst so quäle, bis zur nächsten Quelle.
  Wie sie aber an die nächste Quelle kamen, stand daran:
  "Wer aus mir trinkt, wird ein Wolf". Da sprach
  das Mädchen wieder: "Lieber, ach lieber Bruder,
  trink nicht, sonst frisst du mich". Der Bruder
  sprach: "Noch einmal will ich meinen Durst bezähmen,
  aber länger kann ich nicht mehr". Und sie kamen zu
  einer dritten Quelle, daran war geschrieben: "Wer aus
  mir trinkt und ist ein Mann, wird er ein goldener Hirsch,
  ist es ein Mädchen, wird es gross und schön." - Da
  legt sich der Bruder nieder und trinkt und steht als ein
  goldener Hirsch auf; das Mädchen trinkt auch und wird
  noch schöner und gross, als wär es erwachsen. † Dann
  legt es den Hirsch an ein Seil und führt ihn fort; der
  König sieht den wunderbaren Hirsch und lässt ihn
  einfangen. Das Mädchen bleibt bei ihm und wird einmal
  behorcht, als sie mit ihm spricht; da hört der König,
  dass es die Schwester von dem Goldhirsch ist, und
  vermählt sich mit ihr. Die Mutter des Königs aber ist
  neidisch und will sie verderben; sie gibt ihr eine
  hässliche Gestalt und macht, dass sie soll getötet, der
  Hirsch aber vom Metzger geschlachtet werden. - Die
  Unschuld aber kommt an den Tag, die Schwiegermutter wird
  in eine mit scharfen Messern angefüllte Tonne getan und
  einen Berg herabgerollt.
  Die letzten Zeilen vom † an sind im Handexemplar
  durchstrichen, und am Rande steht von Wilhelm Grimms
  zierlicher Hand: "S. am Ende die teilweise
  Ergänzung". Diese lautet:
  Da spricht das Mädchen: "Sei still lieb
  Hirschchen!" und tut sein goldenes Strumpfband ab und
  bindet es dem Goldhirsch um den Hals und führt ihn daran
  fort in den Wald, tief, tief hinein. Da kommen sie zuletzt
  zu einem kleinen Häuschen und wohnen lange Zeit darin.
  Einmal aber hält der König grosse Jagd; da hört der
  Hirsch das Schreien und Hörnerblasen und möcht gar zu
  gern hinaus. "Ach lass mich ein wenig auf die
  Jagd", spricht er zum Schwesterchen und bittet so
  lang, bis es einwilligt und ihn hinauslässt. "Abends
  komm wieder an mein Türchen", sagt die, "und
  wenn du rufest (nun müsste ein Vers folgen), so mach ich
  dir wieder auf". Da sprang der Goldhirsch hinaus in
  den Wald und vor dem König her, und alle Jäger folgten
  ihm, es konnte ihn aber keiner fangen; endlich am Abend
  verschwand er. Er war aber vor das Häuschen gelaufen,
  hatte gerufen, und da hatte ihm das Schwesterchen die
  Türe aufgetan und ihn wieder eingelassen. Am andern Tag
  ist wieder Jagd, da lässt das Goldhirschchen dem
  Schwesterchen keine Ruhe, bis es ihm die Tür wieder
  aufmacht. Da springt es wieder lustig hinaus, aber am
  Abend kommt es langsam und hinkt; die Jäger hatten den
  Wald umzingelt, und einer hatte es verwundet, und nun ging
  ihm einer nach, der sieht, wie das Goldhirschchen vor das
  Haus schleicht, hört, was es spricht, und dass es darauf
  eingelassen wird, und geht dann zurück und sagts dem
  König. Das Schwesterchen pflegt das Goldhirschchen, bis
  es wieder gesund ist, und das ist bald. Wie der König nun
  auch denkt, es sei wieder gesund, stellt er aufs neue eine
  Jagd an. Das Goldhirschchen lässt sich da gar nicht
  abhalten, das Schwesterchen mag sagen, was es will. Wies
  aber bald Abend ist, geht der König vor das Haus, ruft
  die Worte des Goldhirschchens und wird alsbald
  eingelassen. Wie er hineinkommt, weiss er gar nicht, was
  er sagen soll, so schön ist das Mädchen. Da reicht er
  ihm endlich die Hand und sagt, ob es seine Gemahlin werden
  wolle, so solle es mit ihm in sein Schloss gehen. Das
  Mädchen sagt ja, aber jetzt könne es noch nicht fort, es
  müsse erst auf das Goldhirschchen warten. Da warten sie
  noch ein bisschen zusammen, da kommt es gesprungen; denn
  die Jäger hatten ihm nichts tun dürfen, das hatte der
  König befohlen. Das Mädchen bindet es wieder an sein
  Strumpfband und führt es mit ins Schloss. Da hält der
  König Hochzeit mit dem Mädchen, und sie leben lange Zeit
  vergnügt. - Das Mädchen aber hat eine Stiefmutter, die
  war immer neidisch und gönnte ihm sein Glück nicht. Wie
  nun die Königin soll in Wochen kommen, geht sie mit ihrer
  rechten Tochter, die aber garstig ist und nur ein Auge
  hat, ins Schloss, und da trifft sichs gerade, dass der
  König auf der Jagd ist und die Königin in dieser Zeit
  einen schönen Prinzen zur Welt bringt. Da fasst die
  gottlose Stiefmutter sie beim Kopf und ihre Tochter bei
  den Füssen, und so tragen sie die Kranke in einen tiefen
  Turm; und dann fangen sie das Goldhirschchen und geben es
  dem Metzger, der soll es schlachten. Und wie das alles
  getan ist, muss sich die garstige Tochter ins Bett legen,
  aber auf die scheele Seite, so dass ihr eines Auge oben
  hinkommt; dann setzt ihr die Alte noch eine Haube auf und
  zieht die Vorhänge dicht zu. Abends kommt der König nach
  Haus und freut sich, dass der Storch ihm einen Prinzen
  gebracht, und will ans Bett gehen und sehen, was die
  Königin macht. Die Alte aber ruft: "Lasst bei Leibe
  die Vorhänge zu! Eure Frau kann nicht ins Licht sehen und
  will auch ein bisschen schlafen. Da sprecht nicht mit
  ihr!" - Die Unschuld kommt aber an den Tag; der
  Metzger hat das Goldhirschchen nicht geschlachtet, und der
  König findet auch endlich seine rechte Frau wieder (dabei
  ist noch eine besondere Verwicklung). Die Alte wird in
  einem Fass voll Messer einen Berg herabgerollt, und die
  scheele Jungfer wird auch gestraft.
  Diese Erzählungen gehören zu dem von Arfert (Das
  Motiv von der unterschobenen Braut in der internationalen
  Erzählungsliteratur) behandelten Märchen von der
  untergeschobenen Braut, in denen eine unschuldige Frau
  durch ihre Stiefmutter im Kindbett oder schon vorher auf
  dem Wege zur Hochzeit gewaltsam beseitigt und durch eine
  hässliche Stiefschwester ersetzt wird; nachts kehrt sie
  in Entengestalt wieder, um sich beim Küchenjungen nach
  den Ihrigen zu erkundigen, oder in Menschengestalt, um ihr
  Kind zu tränken. Die Schönheit der guten Schwester und
  die Hässlichkeit der bösen wird in den drei Männlein im
  Walde (KHM 13) und in der weissen und schwarzen Braut (KHM
  135) durch eine Begegnung mit überirdischen Wesen
  ähnlich wie in der Frau Holle (KHM 24) begründet; in
  mehreren Erzählungen aber, nämlich unsrer KHM 11, im
  Lämmchen und Fischchen (KHM 141) und in der weissen und
  schwarzen Braut (KHM 135) hat die Heldin einen rechten
  Bruder, der mit ihr leidet; in KHM 135 ist er Kutscher
  beim König, muss die schöne Schwester als Braut für
  diesen holen und wird, als er dafür unwissend die
  garstige Stiefschwester bringt, in eine Schlangengrube
  geworfen; in KHM 11 und 141 wird er gleich zu Anfang durch
  Veranstaltung der Stiefmutter in ein Reh oder Lamm
  verwandelt, von der Schwester mit an den Hof genommen und
  soll auf Befehl der falschen Königin geschlachtet werden;
  in Reimversen klagen die verwandelten Geschwister einander
  ihre Todesnot, was ein Lauscher dem König meldet, wie
  anderwärts die nächtliche Erscheinung der toten Gattin.
  Wir haben also folgende Motive zu unterscheiden:
  A. Ein Witwer lässt sich durch seine Tochter
  überreden, wieder zu heiraten. - B. Dem guten Mädchen
  wird Schönheit nebst andren Wundergaben, dem bösen
  Hässlichkeit verliehen. - C. Der Bruder wird durch die
  Stiefmutter in ein Reh oder Schaf verwandelt (C1) oder er
  tritt in den Dienst eines Königs, dem er von seiner
  schönen Schwester erzählt (C2). - D. Die Schwester, die
  zur Gattin eines Königs erhoben ist, wird auf dem Weg zur
  Hochzeit (D1) oder im Kindbett beseitigt (D2), ins Wasser
  gestürzt (D3) oder in einen Vogel oder Fisch verwandelt
  (D4), bisweilen von einer Meerfrau gefangen oder von einem
  Fisch verschlungen (D5) und dafür ihre Stiefschwester
  untergeschoben. - E. Der König lässt den Bruder in die
  Schlangengrube werfen und heiratet die untergeschobene
  Braut. - F. Lösung: 1. Gespräch der Geschwister, das ein
  Diener oder der König belauscht; 2. die Königin kehrt
  nachts in Tiergestalt wieder, um sich nach den Ihrigen zu
  erkundigen, und wird durch Enthauptung oder Zerhauen der
  Kette entzaubert; 3. die tote Königin kommt nachts aus
  dem Grab, ihr Kind zu tränken. In F1 und F2 zeigen
  vielfach die Klagereden Versform. - G. Die Stiefmutter
  erleidet die Strafe, die sie sich unwissend zugesprochen
  hat.
  Eine schwedische Fassung ist viel dürftiger und ohne
  besondere Eigentümlichkeiten. Die ermordete Königin
  kommt in der Donnerstagnacht im weissen Kleid und mit
  einer langen rasselnden Kette. Zu ihrem Hündchen, das
  sich in die Küche verkrochen hat, sagt sie: "Hast du
  nichts zu essen?" Da gibt ihr das Hündchen ein paar
  Bissen Brot. Sie fragt weiter: "Was macht mein
  kleines Kind?" - "Das schläft". -
  "Liegt der Hexe Tochter in meines Liebsten Arm?"
  - "Nein". Sie geht seufzend fort und kommt in
  der nächsten Donnerstagnacht wieder. Zum drittenmal weint
  sie bitterlich und sagt: "Dies ist das letztemal;
  errettet mich niemand, so bin ich dem Meerweib
  verfallen". Da erlöst sie der König, der gelauscht
  hat, indem er ihre Kette zerhaut. Die falsche Königin
  wird in geschmolzenes Blei geworfen. - In den
  italienischen Märchen "Von Sabedda und ihrem
  Brüderchen" und "Von Maria und ihrem
  Brüderchen" wird der Bruder in ein Schaf mit
  goldenen Hörnern verwandelt, die Schwester aber in eine
  Zisterne geworfen und von einem grossen Fisch verschluckt.
  Da klagt das Schaf am Brunnen:
  Schwesterchen, Schwesterchen, Ringelhaar,
  Für mich sie wetzen die Messer gar,
  Für mich sie setzen die Kessel blank,
  Mir abzuschneiden mein Hälschen schlank.
  Und aus dem Wasser antwortet eine Stimme:
  Ich kann dir nicht helfen, mein Brüderlein.
  Der böse Haifisch im Rachen mich hält;
  Mein Kindlein kann ich nicht bringen zur Welt.
  Bei "La parrastra" wird der Bruder ein Kalb
  mit Goldhörnern, der Vater sucht die verlorenen Kinder
  und findet die Tochter verheiratet. Bei "The king who
  goes out to dinner" ist der Bruder nicht verwandelt
  sondern Vizekönig, soll aber zur Genesung der falschen
  Königin getötet werden. Eine ähnliche Entstellung liegt
  auch in "Nennillo und Nennella" vor; die
  Geschwister werden auf Betreiben der Stiefmutter in den
  Wald geführt und trennen sich; Nennillo wird ein
  kunstreicher Messerschmied und steht am Ufer, als ein
  Fisch herbeischwimmt, der die Schwester verschlungen hat.
  Sie ruft ihn an und wird vom Fisch ausgespien; zum Schluss
  die Bestrafung der in einem Fass vom Berg herabgerollten
  Stiefmutter. Eine Vermischung mit dem Märchen von den
  zwölf Brüdern (KHM 9) zeigen mehrere toskanische
  Märchen. Nicht eine Stiefmutter verzaubert die mit ihrer
  Schwester im Waldhaus lebenden Brüder in Lämmer oder
  Schweine, sondern die Frau des von ihnen getöteten Orco,
  indem sie ihnen Mützen aus seiner Haut schenkt.
  Die schöne griechische Fassung "Asterinos und
  Pulja" hat viele Züge mit den slawischen gemeinsam.
  Wie im slowakischen, serbokroatischen und bulgarischen
  Märchen schneidet sich die Frau eine Brust ab, als die
  Katze ihr Fleisch gestohlen hat und setzt sie ihrem Mann
  vor, der nun auch die eigenen Kinder verzehren will. Wie
  im polnischen werfen die fliehenden Kinder Messer, Kamm
  und Salz hinter sich, und der Knabe trinkt aus der
  Lammspur. Wie im bulgarischen und im türkischen Märchen
  lockt eine Alte die Schwester vom Baum herab. An den
  Dialog des Lammes und der von der Schwieger in den Brunnen
  gestürzten Prinzessin schliesst sich ein Motiv aus unsrer
  KHM 130: aus den von der Schwester gesammelten Knochen des
  Lammes erwächst ein Apfelbaum; sie pflückt einen Apfel
  und geht davon. Gott aber macht sie (heisst es bei
  Geldart) zum Sternbild der Plejaden und den Bruder zum
  Abendstern. - In der serbischen Fassung ist die
  gewöhnliche Einleitung ausgefallen, das dem Mädchen vom
  Hirten geschenkte redende Schaf ist nicht der Bruder des
  Mädchens; es dringt wie bei Afanasjev in den Garten des
  Kaisers, der darauf das Mädchen heiratet. Eine Zigeunerin
  stösst die Kaiserin in den Brunnen und verlangt das Herz
  des Schafes. Zufällig wird ein goldener Karpfen aus dem
  Brunnen gezogen, der sich in die Kaiserin verwandelt. Eine
  entstellte Version: das Mädchen wird wie in der
  griechischen bei Hahn vom Baum heruntergelockt; beide
  Geschwister trinken aus derselben Quelle und werden zu
  Hirschen. Seit dieser Zeit gibt es Hirsche. - Bulgarisch:
  der Knabe wird ein Hirsch; eine Zigeunerin stürzt die
  Prinzessin in den Brunnen und setzt sich an ihre Stelle;
  aber der verfolgte Hirsch zeigt den Dienern die Schwester
  im Wasser. Einen andern Schluss hat die Version aus
  Silistria: die Schwester wird zu einem goldigen Fisch, den
  der Prinz fängt und zubereiten lässt; die falsche Gattin
  befiehlt alle Schuppen ins Feuer zu werfen; aber aus einer
  Schuppe, die eine Frau aufgehoben und mitgenommen hat,
  ersteht das Mädchen wieder und räumt heimlich das Zimmer
  auf. Als der Kaiser von dem Wunderwesen hört, bescheidet
  er es zu sich, und es erzählt statt eines Märleins die
  eigne Geschichte. In der Überlieferung aus Ochrid in
  Macedonien ruft der Hirsch: "Die Zigeunerin ist nicht
  meine Schwester", läuft auf den Fischmarkt und
  bewegt durch die Worte "Hier ist meine Schwester
  Elena" den Prinzen, den Fisch zu kaufen und
  aufzuschneiden; da springt Elena heraus. In einer weiteren
  Überlieferung ist die arglistige Nebenbuhlerin der
  Prinzessin ihre eigne hässliche Schwester; das Lamm wird
  von ihr wohl Bruder genannt, ist es aber nicht. Nur den
  Anfang von der Verwandlung des Bruders in einen Hirsch,
  und der Heirat der Schwester berichtet eine Erzählung aus
  Bitolia. - Tschechisch: der Knabe trinkt aus einer
  Lammspur; die Schwester wird durch Genuss eines Apfels zur
  Ente und erhält in der dritten Nacht durch das Blut des
  schwarzen Adlers, den ihr Gatte erschiesst, ihre
  menschliche Gestalt. - Slowakisch: das Lamm trägt nachts
  das Kind zur Donau; die goldene Ente schwimmt herbei,
  verwandelt sich in eine schöne Frau und säugt ihr Kind;
  sie entrinnt aber dem lauschenden Gatten, bis auf sein
  Geheiss das Lamm in der dritten Nacht ihr Kleid
  festnagelt. Durch das Blut der Stiefmutter wird der Bruder
  entzaubert. - In einem polnischen Märchen aus
  Oberschlesien stürzt nicht die Stiefmutter, sondern eine
  Köchin die Frau in den See, die als Ente zu ihrem Kind
  und dem Lamm zurückkehrt. In einer Krakauer Aufzeichnung
  entfliehen Bruder und Schwester, weil die Eltern sie
  töten wollen, und werfen ein Ei und einen Kamm hinter
  sich, die sich in Wasser und Gestrüpp verwandeln. Die
  Schwieger ertränkt die Frau und vertauscht ihr Kind; das
  Lamm führt den Gatten, der sich in eine Ochsenhaut hüllt
  zum Fluss. Ebenso folgt in einer andern Krakauer Version
  der Gatte in einer Rindshaut dem Lamm und erlöst die ihr
  Kind säugende Frau, indem er ihr die Zaubernadeln aus den
  Ohren zieht. Ebenso in der Erzählung aus Lublin wo der
  Knabe zum Lamm wird, als er aus den Fussstapfen von
  Lämmern trinkt, und die vom König gepackte Gans sich in
  eine Schlange, Otter, Kröte und endlich in eine Frau
  verwandelt, ein aus der griechischen Sage von Peleus und
  Thetis bekanntes Motiv. -
  Grossrussisch: der Knabe wird zum Ziegenbock und nicht
  erlöst, die Schwester als Kaiserin von einer Hexe durch
  einen um den Hals gehängten Stein verwandelt. Bei
  Afanasjev3: die Kinder kommen zur Waldhütte der Jagababa,
  wo der Knabe Ziegenfett aufleckt und zur Ziege wird. Bei
  Oncukov: das dem Teufel verschriebene Mädchen flieht mit
  dem Bock, von der Hexe Ichibicha ins Meer gestossen, vom
  Gatten solange geschlagen, bis sie wieder Mensch wird. -
  Kleinrussisch aus der Ukraine: die Ente wird auf Betreiben
  der falschen Frau geschlachtet, ein aus zwei vergrabenen
  Federn entsprossener Baum umgehauen, ein vom Lamm
  geretteter Span gerät in die Truhe einer Frau, die eines
  Tages ein fremdes Mädchen im Zimmer findet und darauf den
  Herrn zu sich ladet. Aus Poltawa: die verwaisten
  Zarenkinder kommen, der Bruder als Ziegenbock, an einen
  fürstlichen Hof. Die frühere Geliebte des Fürsten
  stösst seine Braut ins Meer und will den Bock schlachten
  lassen. Als der Fürst die Klagen der Geschwister hört,
  fliegt die falsche Braut als Drache davon. Der Bruder wird
  durch dasselbe Wasser, das ihn verwandelt hatte, wieder
  entzaubert. - In einer weissrussischen Erzählung verirren
  sich Geschwister im Wald in die Behausung eines Drachen
  und schieben diesen in den Backofen, aber der Knabe leckt
  vom Drachenfett und wird zu einem Lamm. Die Schwester wird
  im Badehaus von einer Schlange ertränkt, die sich in ihre
  Kleider hüllt und das Lamm schlachten will; der Kutscher
  belauscht das Gespräch der Geschwister. - Finnisch:
  "Die wunderbare Birke" knüpft an das Märchen
  von Aschenputtel (KHM 21) die Verwandlung der jungen
  Königin in eine Renntierkuh; auf den Rat einer weisen
  Frau lockt der König diese zum Säugen des Kindes herbei
  und verbrennt die abgelegte Tierhaut. Der Bruder fehlt
  völlig. - Ungarisch: "The two orphans" wo die
  verwaisten Geschwister in die Welt ziehen und die vierte
  Wasserlache den Bruder in ein Reh verwandelt. -
  Unvollständig bei den Gagausen: der Knabe wird zum Stier
  mit goldenen Hörnern und silbernen Hufen, das Mädchen
  wird von der Pappel heruntergelockt und des Prinzen
  Gattin. - Ein Märchen der Sarten berichtet, wie von fünf
  Töchtern und einem Sohn, die der Vater auf Drängen der
  Stiefmutter in den Wald führt und verlässt, vier
  Töchter sich in einen Affen, Wolf, Fuchs und Tiger, der
  Knabe sich in einen Ziegenbock verwandelt. Die jüngste
  Schwester, der der Ziegenbock nachläuft, wird Gattin des
  Kaisers, aber von den 39 älteren Frauen desselben
  ertränkt. Als der zurückgekehrte Kaiser das Gespräch
  der Geschwister anhört lässt er den See von 10 000
  Arbeitern ausschöpfen und findet am Boden in einem
  silbernen Häuschen seine Gattin, wie sie zwei Söhnlein
  wiegt. - Armenisch: "Der Hammelbruder"; der
  Bruder wird zum Hammel, weil er aus den Hammelfussspuren
  getrunken; das Mädchen erhält bei der alten Dew goldene
  Haare, ihre Stiefschwester aber Hässlichkeit; Schuhprobe
  wie im Aschenputtelmärchen; die Stiefmutter stösst die
  Prinzessin ins Meer, ein Fisch verschlingt sie, den der
  Prinz aufschneidet. Die falsche Frau und die Stiefmutter
  werden an den Schwanz eines Pferdes gebunden und zu Tode
  geschleift. - Im türkischen Märchen "Brüderchen
  und Schwesterchen" fehlt die Stiefmutter; das
  Mädchen wird wie im Bulgarischen und Griechischen durch
  eine Hexe vom Baum herabgelockt und zum Padischah
  geführt; eine schwarze Sklavin stürzt sie ins Wasser,
  und der zum Schlachten bestimmte Bruder Hirsch klagt:
  Man wetzt die Messer,
  Im Kessel siedet das Wasser;
  Mein Schwesterchen, eile, eil!
  Die vom Fisch verschluckte Schwester antwortet:
  Hier bin ich in des Fisches Magen,
  In meiner Hand eine goldne Trinkschale,
  An meinen Füssen silberne Schuhe,
  In meinem Schosse ein kleiner Padischah.
  Arabisch: "Die Wildziege"; die Geschwister
  fliehen, weil der Vater sie schlachten will, und
  entkommen, obwohl ihnen der Verfolger als Hemmnisse einen
  Haufen Gold, ein wütendes Kamel und einen Giessbach in
  den Weg wünscht; Gespräch des Bruders Ziege und der
  Sultanin, die von der zweiten Frau des Sultans in den
  Brunnen gestürzt und vom Hai verschlungen ist.
  Unvollständig mit gleicher Einleitung "Die beiden
  Kinder"; der Bruder wird von Hexen, von denen er den
  Kamm seiner Schwester fordert, in einen Stier verwandelt;
  die Schwester wird auf dem Tamarindenbaum vom Sultan
  erblickt und zur Frau erkoren. - Auch in einer Erzählung
  in Marokko fehlt die Unterschiebung der falschen Frau; der
  in einen Vogel verwandelte Knabe redet nachts mit der
  Schwester, die sich ein Hundefell übergezogen und im
  Schloss Unterkunft gefunden hat:
  "Schwesterchen, mein Schwesterchen,
  Was hast du gestern abend bekommen, mein
  Schwesterchen?"
  worauf sie erwidert:
  "Brüderchen, mein Brüderchen,
  Kleie bekam ich wie die andern Hunde, mein Brüderchen,
  Und auf dem Misthaufen muss ich schlafen, mein
  Brüderchen."
  Nun entdecken die Hofleute in der Hündin ein schönes
  Mädchen; der Prinz heiratet sie und entzaubert den
  Bruder. - Die Haussa erzählen die Geschichte in andrer
  Reihenfolge: die Heldin wird von ihrer älteren Schwester
  in den See gestossen und vom Wassergeist gefangen
  gehalten, steigt aber empor, um ihren kleinen Bruder zu
  kämmen, der am Ufer die Schafe hütet; ein Königssohn
  tötet den Wassergeist und heiratet das Mädchen. Aus
  Nigeria: "The slave girl who tried to kill her
  mistress"; an Stelle des Bruders erscheint hier eine
  kleine Schwester der auf der Brautfahrt von der Sklavin in
  die Quelle gestürzten schönen Emme; ein Jäger erzählt
  dem Mann von dem belauschten Gespräch der Schwestern;
  dieser bewegt den Wassergeist durch ein reiches Opfer, ihm
  die rechte Frau herauszugeben.
  Bei den indischen Kols verwandelt sich der Bruder erst,
  nachdem seine Schwester vom König entführt ist, in einen
  Hirsch und wird vom König erlegt; aber die Schwester
  erkennt das Fleisch als Menschenfleisch und sammelt die
  Stücke, da wird der Bruder wieder lebendig. Ein anderes
  Motiv des Märchens begegnet in Benares: eine tote Mutter
  erfleht vom Gott Khuda, dass sie nachts in Vogelgestalt in
  ihr Haus zurückkehren darf; sie fragt den Pförtner nach
  ihren Kindern und dem Gatten und fügt hinzu: "Was
  für ein Tor ist euer König!" Als sie weint
  entfallen ihr Perlen und als sie lacht Rubine. In der
  nächsten Nacht lässt der König den Vogel mit einem Netz
  fangen, zieht ihm die Zaubernadel aus dem Kopf und hat
  seine Gattin wieder.
  
  Variantenverzeichnis
  >> Märchen-Suchdienst
  Die Hindin im Wald. Aulnoy/Frankreich 5,3
  Brüderchen und Schwesterchen. Grimm/KHM 11
  Das Lämmchen und das Fischchen. Grimm/KHM 141
  Schwester Alenuschka und Brüderchen Ivanuschka.
  Afanasjew/Russland 261
  Pulia und der Morgenstern. Megas/Griechenland 18
  
  top