Der Geliebte
als Vogel 432
Märchentyp AT: 432
Grimm KHM:
Die Jüngste von drei Schwestern
wünscht sich einen Vogel (Feder) als Geschenk oder als
Geliebten. Dieser erscheint, wenn sie ein Becken mit
Wasser ans Fenster stellt, seine Feder verbrennt oder
durch einen magischen Spiegel, in Menschengestalt als
schöner Jüngling, der ein verzauberter Prinz ist. Durch
die neidischen Schwestern (Stiefmutter) verletzt sich der
Vogel-Jüngling an Glasstücke (Messer) im Becken oder an
spitzen Gegenständen am Fenster, worauf der Vogelgeliebte
entschwindet. Die Jüngste sucht ihn und erfährt von
Vögeln oder Dämonen, wie sie den Geliebten heilen kann:
Sie muss eine Salbe aus deren Fett oder Asche herstellen.
Nachdem ihr dies gelungen ist, sucht sie als Nonne oder
Arzt den Jüngling, der sie wieder erkennt.
Anmerkung
In diesem Märchen handelt es sich weniger um die Frage
der Wiederverwandlung als um die Gefahr, der sich der
Liebhaber aussetzt für den Fall, dass sein Wunsch
verwirklicht würde, gleich einem Vogel zu seiner Liebsten
fliegen zu können. Um den Ursprung des Märchens zu
finden, müssen wir auch hier bis zur Lyrik und Romantik
der Ritterzeit zurückgehen. Die ältesten Vorbilder
finden wir bei Marie de France (um 1150 in Yonec) und
hauptsächlich im westlichen Europa. Marie de France wurde
jedoch, wie es oft der Fall ist, auch hier vom Osten
inspiriert. In orientalischen Märchen, wenn auch in
ziemlich späten, besonders im indischen und persischen,
besuchen Könige ihre Liebsten oft in Vogelgestalt. Am
bekanntesten ist vielleicht König Papagei in der
türkischen Version der Sieben weisen Meister (Vierzig
Wesire) aus dem 15. Jahrhundert. Den Liebhaber in
Vogelgestalt nennt man im Norden oft ungenau den
"grünen Ritter".
Der Zusammenhang zwischen diesem Märchen und 425 (Amor
und Psyche) wird oft als selbstverständlich angesehen,
ist aber nur ganz lose. Dennoch gibt es eine Anzahl
Varianten, die gleich dem langen Typ des Amor- und
Psychemärchens das Motiv von der Wanderung der Heldin und
dem Wiederaufsuchen des Helden sowie dessen endgültige
Rückverwandlung hinzugefügt haben.
Literatur
Megas, G.A.: Das Mädchen von Amor und Psyche in
der griechischen Volksüberlieferung. Athen 1971.
Propp, V.J.: Die historischen Wurzeln des Zaubermärchens.
München 1987.
Schenda, R. (Hg.): Das Märchen der Märchen. Das
Pentamerone. Giambattista Basile. München 2000, p. 585.
Scherf, W.: Das Märchenlexikon. München 1995.
Thompson, S.: The Folktale. New York 1951.
Märchen
>> The
feather of Bright Finest the falcon
>> L'oiseau
bleu
Hinweise
Variantenverzeichnis
>> Märchen-Suchdienst
Der blaue Vogel. Aulnoy/Frankreich
1,3
Yonec. Marie de France/Frankreich
Verdeprato. Basile/Italien 2,2
Die Feder von Finist, dem lichten Falken.
Afanasjew/Russland 234
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