Im Haushalt der
Hexe 334
Märchentyp AT: 334; cf. 333, 480
Grimm KHM: Frau Trude 43
Frau Trude (334): Ein Mädchen beschliesst, die Frau
Trude aufzusuchen. Es begegnet verschiedenen Gestalten:
Einem schwarzem Mann (Köhler), einem grünen Mann
(Jäger), einem blutroten Mann (Metzger) und der Frau
Trude (Hexe). Diese wirft das Mädchen als Holzblock ins
Feuer.
Die wunderschöne Wassilissa (480): Eine Mutter gibt
ihrer Tochter Wassilissa vor ihrem Tod ein Püppchen.
Gerät die Tochter in Not, so soll sie dem Püppchen zu
essen geben, dann erhält sie von ihm Hilfe und Rat. Die
Stiefmutter und die beiden Stiefschwestern sind neidisch
auf Wassilissa, weil diese immer schöner wird. Sie muss
viel ertragen und hart arbeiten, doch die Puppe hilft ihr,
alles zu bewältigen, da sie stets mit Essen versorgt
wird. Eines Tages im Herbst beim Spinnen richten es die
Stiefmutter und die Stiefschwestern so ein, dass ihnen bei
der Arbeit das Licht ausgeht. Wassilissa wird beauftragt,
zur gefürchteten Hexe Baba Jaga in den Wald zu gehen, um
Feuer zu holen. Die Augen des Püppchens leuchten ihr
jedoch den Weg. Unterwegs trifft sie einen weissen Ritter
(lichter Tag), einen roten Ritter (rote Sonne) und einen
schwarzen Ritter (finstere Nacht). Wassilissa gelangt zur
Baba Jaga, spricht sie mit Grossmütterchen an und muss
sich das Feuer mit Arbeit verdienen. Das Püppchen berät
sie und hilft ihr, die aufgetragenen Arbeiten zu
erledigen, so dass die Baba Jaga nichts auszusetzen hat.
Die alte Frau erfährt von dem Mädchen, dass der Segen
der toten Mutter ihr beistehe. Darauf entlässt sie das
Mädchen und gibt ihr einen leuchtenden Schädel mit. Zu
Hause wird sie freundlich empfangen, denn seit ihrem
Weggang, verlöscht jedes Feuer im Haus. Der leuchtende
Totenschädel verfolgt die Stiefmutter und die
Stiefschwestern und versengt sie zu Asche. Mit Hilfe des
Püppchens (Zauberkamm) wird Wassilissa zur besten
Spinnerin und Weberin und schliesslich vom Zaren
geheiratet.
Anmerkung
Die Geschichte von Frau Trude KHM 43 ist ein Fragment
eines Zaubermärchens, wie es das russische Märchen Die
wunderschöne Wassilissa oder Frau Holle KHM 24
darstellen. So oder ähnlich muss es einmal gelautet
haben. Beide überliefern einen Handlungsvorgang, der bei
KHM 43 nur noch als isoliertes Einzelmotiv erscheint.
Daher resultieren auch die Schwierigkeiten, die Geschichte
zu interpretieren. Interessant sind die auffallenden
Gemeinsamkeiten der Wassilissa-Erzählung und KHM 43:
Beide Frauengestalten - Frau Trude und die Baba Jaga -
haben einen dreifachen männlichen Partner bei sich, der
drei heilige Symbolfarben auf sich trägt. Weiss wird
durch einen weissen Ritter bzw. durch einen grünen Mann
repräsentiert, Rot durch einen roten Ritter bzw. einen
blutroten Mann, Schwarz durch einen schwarzen Ritter bzw.
einen Köhler. Dies sind die mythologischen Symbolfarben
der Frau Trude oder der Baba Jaga, und so wie diese
dreifach sind, so besitzt auch die Baba Jaga eine alte
Dreigestalt, die sie als dreifaltige Göttin ausweist.
Denn sie war nicht immer eine dämonische
Kinderschreckfigur, genauso war auch die Frau Trude einmal
eine gütige Erdmutter, die das Wetter bzw. den Regen
brachte (Regenmacherin). Daher die spätere Verteufelung
der Frau Trude zur "Hexe" oder die groteske
Darstellung der Baba Jaga, der alten Grossmutter (baba),
was unter anderem durch christlichen Einfluss geschehen
ist (jaga = "Hexe"). Gerade aber AT 480 Frau
Holle hat eine solche Dämonisierung der alten Erd- und
Muttergöttin nicht mehr mitgemacht, denn sie ist im
Gegensatz zur Frau Trude oder der Baba Jaga eine gütige
Schenkerin im Jenseitsparadies geblieben, was die vielen
Volksmärchen und Sagen von ihr berichten. Ebenso
tradieren noch alte, ungarische Überlieferungen von einer
nicht-dämonisierten Baba (alte Frau), die ursprünglich
eine gute Fee bzw. Muttergöttin war, die dann zur
"Hexe" gemacht wurde.
Literatur
Becker, R.: Die weibliche Initiation im
ostslawischen Zaubermärchen. Berlin 1990.
Früh, S.: Der Kult der drei heiligen Frauen.
Märchen, Sagen und Brauch. Bern 1998.
Früh, S./Derungs, K.: Schwarze Madonna im
Märchen. Mythen und Märchen von der Schwarzen Frau. Bern
1998.
Göttner-Abendroth, H.: Die Göttin und ihr Heros.
München 1993.
Henssen, G.: Frau Trude. In: Zeitschrift für Volkskunde
50, 1953, p. 93-95.
Kerbelyte, B.: Haushalt der Hexe. In: EM 6, p. 617-620.
Polivka, J.: Zu dem roten, weissen und schwarzen Reiter.
In. Zeitschrift für Volkskunde 26, 1916, p. 315-316.
Propp, V.J.: Die historischen Wurzeln des Zaubermärchens.
München 1987.
Rumpf, M.: Spinnstubenfrauen, Kinderschreckgestalten und
Frau Perchta. In: Fabula 17, 1976, p. 215-242.
Rumpf, M.: Ursprung und Entstehung von Warn- und
Schreckmärchen. Helsinki 1955.
Märchen
>> Das grosse Buch der
Zaubermärchen
Hinweise
Variantenverzeichnis
>> Märchen-Suchdienst
Frau Trude. Grimm/KHM 43
Das Feuer der Hexe. Kerbelyte/Litauen 27
Wassilissa die Wunderschöne. Afanasjew/Russland 104
Das wundertätige Madonnenbild. Meier/Spanien 63
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