Das
Batamärchen 318
Märchentyp AT: 318; cf. 303, 315,
590, 590A
Grimm KHM:
Durch eine wunderbare Frucht
schwanger geworden, hat eine Frau zwei Söhne geboren. Der
Jüngste zieht mit einem Schwert aus, das ihm
übermenschliche Stärke verleiht, aber vorher übergibt
er seinem Bruder einen Gegenstand (Lebensindiz), der zu
erkennen gibt, wenn er in Gefahr gerät. Er begegnet einem
Drachen, der ein wunderschönes junges Mädchen bewacht,
tötet den Drachen und heiratet das Mädchen. Andere
erzählen, dass das schöne Mädchen über die Massen
stark ist und ihn in einen verzauberten Wald lockt, wo er
gegen verschiedene Ungeheuer kämpfen muss und
schliesslich auch gegen sie, die, nachdem er sie besiegt
hat, seine Gemahlin wird. Eines Tages verliert sie beim
Baden eine Locke ihres duftenden Haares im Wasser, und
diese wird von der Strömung zu einem weit entfernt
wohnenden König getrieben. Der ist so bezaubert, dass er
um eine schlaue Frau schickt, damit sie ihm sage, wo seine
Angebetete wohnt. Als die Gesandten des Königs daraufhin
die Schöne mit Gewalt zu ihm bringen wollen, erschlägt
sie der Held mit seinem wunderbaren Schwert. Der König
schickt sodann neue Boten und mit ihnen auch die listige
Frau, die herausbringen soll, worin die Stärke des Helden
liegt. Sie bringt die junge Gattin dazu, ihr ungewollt
sein Geheimnis zu verraten. Die Frau stiehlt das Schwert,
der Held wird zerstückelt und seine Gattin dem König
zugeführt. Da wird der ältere Bruder durch das
Lebensindiz gewarnt, er sucht seinen Bruder, setzt die
Teile seines Körpers zusammen und übergiesst sie mit
Lebenswasser. Der Bruder wird wieder lebendig und
verwandelt sich in ein Pferd. Der ältere Bruder führt
das Pferd zum König, der es kauft. Die listige Frau
veranlasst, dass das Pferd geschlachtet wird, aber aus
zwei Tropfen seines Blutes wachsen zwei Bäume. Sie werden
gefällt, aber aus einem Span, der in den Teich fällt,
wird eine Ente. Der König entkleidet sich und schwimmt
hinaus, um die Ente zu fangen, aber da nimmt der Held
wieder seine menschliche Gestalt an, ergreift das Schwert
und besiegt ihn. Dann straft er die listige Frau und
führt seine Gemahlin heim.
Anmerkung
Die älteste Variante dieses Märchens, die
höchstwahrscheinlich nicht mit der Ursprungsform
identisch ist, ist die früheste vollständige
Aufzeichnung eines Zaubermärchens. Sie wurde in Ägypten
1200 v.u.Z. aufgezeichnet, während das Märchen selbst
aus Kleinasien oder Nordsyrien stammt, spätestens aus der
Zeit um 1300 v.u.Z., demnach einer ziemlich genau
bestimmten Zeit innerhalb der homerisch-mykenischen
Periode angehört. Das Volk, das zu jener Zeit diese
Gegend bewohnte, waren die Hethiter.
Von Kleinasien können wir einen Zweig des Märchens
über Indien in die Mongolei und nach Hinterindien
einerseits und nach Marokko, Ägypten, Sokotra, dem Balkan
und Rumänien andererseits verfolgen. Diesen Zweig nennen
wir den östlichen. Den westlichen Zweig treffen wir auch
in Rumänien an, aber er hat auch eine Verzweigung über
Budapest und Hessen in die Bretagne, eine über Pokucie
ostwärts nach Perm und Ufa, eine nördlich nach
Archangelsk sowie eine nordwestliche nach Dänemark,
Smaland und Gotland. Eine Variante scheint sogar von
Frankreich aus die französisch sprechende Bevölkerung
von Missouri erreicht zu haben. Der östliche Zweig,
dessen Ursprungsform wir oben im Auszug wiedergegeben
haben, ist ca. 3200 Jahre alt. Der westliche hingegen -
zumindest nördlich von Klausenburg in Siebenbürgen -
kann nach der Zahl von späten Zügen (wie Schürze,
Schiesswaffe, Tabak etc.) mit deutlichem innerem
Zusammenhang in der Überlieferung nicht für älter als
aus dem 17. Jahrhundert gehalten werden. Wir können trotz
des Altersunterschiedes zwischen den beiden Zweigen die
Entwicklung des Märchens Schritt für Schritt verfolgen.
Das Zerstückelungsmotiv, das sowohl im östlichen als
auch im westlichen Zweig zu finden war, dürfte mit dem
Zerstückeln zu vergleichen sein, das Medea nach Homer im
Zusammenhang mit ihren Verjüngungskuren vornahm. Es
gehört demnach an und für sich der homerisch-mykenischen
Zeit an.
Vom Gesichtspunkt der Zeitgebung aus ist es ferner
interessant zu sehen, dass das Märchen in mehreren
Varianten - und darunter den ältesten, ägyptischen -
Züge aus dem Märchen Der Riese ohne Herz (302) entliehen
hat. Das entliehene Motiv dürfte demnach auf mehr als
3200 Jahre geschätzt werden. Wir verweisen schliesslich
auf das Märchen Die Zwillingsbrüder (303), das direkt
aus diesem abgeleitet wurde.
Literatur
Boratav, P.N.: Elif und Mahmud. In: EM 3, p.
1353-1356.
Gehrts, H.: Das Märchen und das Opfer. Bonn 1967.
Horalek, K.: Brüdermärchen. In: EM 2, p. 925-940.
Horalek, K.: Ein Beitrag zur volkskundlichen Balkanologie.
In: Fabula 7, 1964, p. 1-32.
Mudrak, E.: Herr und Herrin der Tiere. In: Fabula 4, 1961,
p. 163-173.
Pieper, M.: Das ägyptische Märchen. Leipzig 1935.
Märchen
>> Das grosse Buch der
Zaubermärchen
Hinweise
Variantenverzeichnis
>> Märchen-Suchdienst
Das Brüdermärchen (Bata und
Anubis). Brunner-Traut/Aegypten 5
Wie aus einem Schweinehirten ein König ward.
Jahn/Deutschland 33
Das Zauberhemd. Afanasjew/Russland 208
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