Die magische
Flucht 313
Märchentyp AT: 313AC; cf. 400,
465A
Grimm KHM: Fundevogel 51; Der liebste Roland 56; Die
Wassernixe 79; Die beiden Königskinder 113; Die wahre
Braut 186; Der Trommler 193
Ein Junge gerät in die Gewalt
eines übernatürlichen Wesens. Es werden ihm drei
unmöglich zu erfüllende Aufträge erteilt, wie in kurzer
Zeit einen Wald zu schlagen, ein Feld zu besäen und das
Getreide zur Reife zu bringen usw. Auch hat er seine
Liebste unter mehreren, sich gleichenden Schwestern
herauszufinden. Er erfährt Hilfe durch die in der
Zauberei bewanderte Tochter des übernatürlichen Wesens.
Da sie weiss, dass ihr Vater auf den Tod des Jungen sinnt,
beschliesst das Mädchen mit dem Jungen zu fliehen. Mit
Hilfe verzauberter Puppen, die aus ihren Blutstropfen oder
ihrem Speichel hergestellt sind und sprechen können,
macht sie den Geist glauben, dass die beiden Flüchtenden
noch immer anwesend sind. Sie fliehen auf einem mit
übernatürlichen Kräften begabten Pferd, und als der
Geist oder sein Bote sie verfolgt, werfen sie Gegenstände
weg, die meistens in gleich zauberhafter Weise zu grossen
Hindernissen emporwachsen, oder die Verfolgten verwandeln
sich in verschiedene Gegenstände oder Lebewesen. Oft
endigt die Flucht damit, dass der Übernatürliche platzt.
Dann kommen sie in die Welt der Menschen. Dort vergisst
der Junge seine Braut, weil er entgegen dem Verbot seine
Angehörigen küsst oder mit ihnen isst. Als er sich aber
mit einem anderen Mädchen verheiraten will oder als die
aufdringlichen Hofleute sich einfinden, um dem
zauberkundigen Mädchen ihre Aufwartung zu machen, weiss
sie sich einen Rat und versteht es, sowohl Wagen als auch
Menschen durch Zauber festzuhalten, und es gelingt ihr
zuletzt mit Hilfe ihrer Tiere, die Erinnerung des Liebsten
zu wecken.
Anmerkung
Dieses vielbemerkte und besonders von Aarne untersuchte
Märchen ist eines unserer ältesten. Gewisse Forscher
verlegen zumindest das eigentliche Fluchtmotiv in die
Megalithzeit (spätestens um 2500 v.u.Z.). Wie ein Echo
aus der Zeit, da Iolcos in Thessalien ein mykenisches
Handelszentrum mit Verbindungen bis nach Kolchis an der
Ostküste des Schwarzen Meeres war, wird in der
Argonautensage geschildert, wie der thessalische Held
Jason in Kolchis schwierige Aufträge von ungefähr
gleicher Art wie in unserem Märchen zu erfüllen hat, die
er von König Aietes erhält, und wie ihm dessen
zauberkundige Tochter Medea behilflich ist und er mit ihr
flieht. Dass das Motiv beliebt war, zeigt das Gegenstück
in der gleichen Sage über Phrixos’ und Helles Flucht
auf dem Goldenen Vlies (siehe auch 450). Wenn auch die
Hindernisse in diesen Darstellungen nicht in genau
derselben Weise wie in den modernen Märchen entstehen,
scheint doch eine solche Fassung der Grund zu den antiken
Versionen gewesen zu sein, besonders bezüglich der
Phrixos- und Helle-Mythe. In Japan finden wir schon zu
Beginn des 8. Jahrhunderts eine Erzählung, in der sich
die Flüchtenden in einer Weise retten, die teils an Jason
und Medeas Flucht erinnert, teils an die Hindernisse im
modernen Märchen. Im indischen Kathasaritsagara (um 1000)
begegnen wir sowohl den Aufgaben als auch der Flucht in
uns wohlbekannten Formen, und dort kommt neben den
hingezauberten Hindernissen auch die Verwandlung der
Flüchtenden selbst hinzu. Die Aufgaben im
Kathasaritsagara sind im grossen und ganzen dieselben wie
die oben auszugsweise wiedergegebenen. Das Märchen ist
heutzutage in grossen Teilen der asiatischen Welt bis nach
China bekannt, wenn auch öfters in fragmentarischer
Gestalt. Es hat auch Afrika, Australien und besonders
Amerika erreicht und ist eines der populärsten Märchen
dieses Weltteils.
Im Norden finden wir das Fluchtmotiv des Märchens
erstmalig, obwohl umstilisiert, bei Saxo (um 1200) in
seinem 5. Buch. Als die Finnen vor den Schweden unter
Arngrims Führung fliehen, werfen sie drei Steine hinter
sich, die zu Gebirgen werden, und nach dem Kampf des
zweiten Tages ein bisschen Schnee, der zu einem
schäumenden Fluss wird. Etwas weiter im gleichen Buch
verwandelt sich eine zauberkundige Frau, die von König
Frode verfolgt wird, in ein Pferd, dann in eine Meereskuh,
und ihre Söhne werden zu Kälbern, die an einem See
grasen. Beide Fluchtmotive, die hingezauberten Hindernisse
und die Verwandlungen, waren also im Norden zu dieser Zeit
bekannt, nur etwas mehr als ein Jahrhundert, nachdem sie
in Indien zum erstenmal nebeneinander genannt wurden.
Interessant ist eine Episode in einer Variante aus
Västergötland. Wir finden dort nämlich wieder den aus
der Antike und besonders aus der Pelopsmythe bekannten
Zug, dass ein Glied vergessen worden ist, als ein
zerstückelter Leib zusammengefügt wurde, um ihn zum
Leben zu erwecken. Das Mädchen in dem
Västergötland-Märchen sollte Stück für Stück
zerhackt werden, um als Stufen auf einen steilen Berg zu
führen, wo die Eier des Vogels Greif das erstrebte Ziel
waren oder, wie es vielleicht richtiger in
westeuropäischen Varianten heisst, auf einen glatten
Baum. Als alle Stücke wieder zusammengesetzt waren,
fehlte der kleine Finger, während es bei Pelops das
Schulterblatt war. Das ganze Motiv kehrt in anderer Form
in Griechenland und Indonesien wieder.
Es ist vielleicht auch kein Zufall, dass der
Märchenheld oft, sowohl im Norden als auch anderweitig,
den Auftrag erhält, den Stall des Zauberers zu reinigen,
wie Herkules den Augiasstall reinigen musste (1035*),
oder, dass er wie die Danaiden den Befehl erhält, mit
durchbohrten Gefässen Wasser zu schöpfen (siehe 1180 und
1248). Nordeuropäisch sind vor allem die Versionen, in
denen der Übernatürliche seine Axt oder dergl. holen
soll, um die Hindernisse zu beseitigen, und in denen
gewisse Tiere zu der Entstehung der Hindernisse beitragen
(327A).
Die hinterlassenen Puppen erinnern uns an die
Herstellungsart sog. Zauberhasen oder Ziehpuppen, und das
Binden der Hofleute an die Kunst unserer Weisen, "den
Dieb zu stellen". Das vom Helden gesagt wird, er
vergässe die Braut, wenn er das Verbot überträte, mit
den Seinen zu essen, hängt mit dem Glauben der Alten
zusammen, dass man nach langer Abwesenheit mit seinen
Angehörigen nicht vereint werden kann, ohne mit ihnen
zuerst zu essen. Aus dem gleichen Grund bieten die Russen
und Orientalen dem Fremdling Salz und Brot an. In der
japanischen Variante aus dem 8. Jahrhundert kehrt das
Motiv wieder, in dem eine der Personen des Märchens aus
dem Totenreich nicht zurückkehren kann, weil sie dort
eine ihr angebotene Speise verzehrt hat.
Gewisse, jedoch beinahe ausschliesslich europäische
Varianten werden mit einem verblichenen
Schwanenjungfraumotiv eingeleitet. Hierin nimmt der Held
einer Schwanenjungfrau, die er ihres Federkleides beraubt,
das Versprechen ab, ihm zu helfen oder ihn zu heiraten,
und dann gerät er in die Gewalt ihres bösartigen Vaters
(siehe 400). Eine Eigenheit des Märchens sind die häufig
vorkommenden Namen des Helden oder der Heldin. Vielleicht
stammen sie von den früh belegten literarischen Varianten
aus Italien. In dem italienischen messere (Herr) und
signora (Frau) erkennen wir zumindest Messeria und Signora
bei Hylten-Cavallius.
Literatur
Aarne, A.: Die magische Flucht. Helsinki 1930.
Christiansen, R. Th.: Studies in Irish and Scandinavian
folktales. Copenhagen 1959.
Goldberg, C.: The Forgotten Bride (AT 313C). In:
Fabula 33, 1992. p. 39-54.
Haavio, M.: Der Etanamythos in Finnland. Helsinki 1955.
His, M.: Die magische Flucht und das Wettverwandeln. In:
Schweizerisches Archiv für Volkskunde 30, 1930, p.
107-129.
Knapp, G.: The Motifs of the Jason and Medea Myth
in Modern Tradition. Stanford 1933.
Manusakas, M.I. u. Puchner, W.: Die vergessene Braut. Wien
1984.
Pancritius, M.: Die magische Flucht. In: Anthropos 8,
1913, p. 854 ff.
Märchen
>> Pulia
und der Morgenstern
Hinweise
Der liebste Roland:
Nach einer andern Erzählung stecken die zwei bei ihrer
Flucht eine Bohne in einen Kuchen, der eben auf dem Herd
liegt und backen soll. Als die Stiefmutter aufwacht und
ihre Tochter ruft, antwortet die Bohne für diese auf jede
Frage und sagt, sie sei in der Küche und koche, so lange
aber nur, als der Kuchen noch backt. Als er gar ist,
schweigt sie still, da ist ihre Kraft vorbei, und über
das Stillschweigen wird die Mutter aufmerksam und findet
dann ihre tote Tochter. - In einer weiteren Fassung wird
das Märchen mit dem von Hänsel und Gretel verbunden. Die
Hexe will das Hänsel, weil es fett ist, töten und
kochen; aber Gretel befreit es, und die Kinder laufen
fort, vorher speit aber Gretel vor dem Feuerherd. Wie nun
die Hexe ruft: "Ist das Wasser bald heiss?",
antwortet die Speie: "Jetzt hol ich's", und
hernach: "Jetzt kocht es" und "Jetzt bring
ich's", und jedesmal schläft die Alte ein bisschen
dazwischen. Beim letzten Ruf aber, wo die Speie
vertrocknet war, erhält sie keine Antwort; da steht sie
auf, und wie sie die Kinder nicht findet, so tut sie ihre
Schlittschuhe an und läuft ihnen nach. Aber das Mädchen
hat sich in einen Teich, sein Brüderchen in eine Ente
verwandelt, die darauf schwimmt. Die Hexe will den Teich
aussaufen, aber sie platzt von dem Wasser und bleibt tot
liegen. Die beiden nehmen ihre menschliche Gestalt an und
gehen nah Haus. - Eine Variante aus Schlesien "Das
Pfefferkuchenhaus" hängt gleichfalls an die
Geschichte Hänsels und Gretels, welche die Hexe in den
Ofen schieben, die Flucht beider Kinder an, die Spiegel,
Bürste und Schwamm hinter sich werfen und sich in einen
Teich und eine Ente darin verwandeln.
Dass das Mädchen nachts durch Tausch des Bettplatzes
mit ihrer Stiefschwester der Ermordung durch die böse
Stiefmutter entgeht, kommt häufig vor. - Meist aber
werden die Kopfbedeckungen der Schlafenden vertauscht. -
Beides, Bettplatz und Kopfbedeckung, wird vertauscht im
isländischen Märchen. - Im polnischen Märchen werden
die Hexentöchter durch Umstellung der Teller und
Weinbecher versteinert.
Über die an Stelle der Entflohenen antwortenden
Blutstropfen, wofür auch der Speichel, eine Bohne, ein
Apfel oder Holzstücke eintreten, sowie über die
Verwandlungen auf der Flucht s. KHM 113. Die letzte
Verwandlung, wo die Stiefmutter durch Tanzen in der
Dornhecke umkommt, erinnert an KHM 110. In der
Eyrbyggiasage c. 20 verwandelt Katla ihren Sohn immer, um
ihn zu schützen.
Dass die vergessene Braut vor Leid und Schmerz zu Stein
wird, wird von den Brüdern Grimm mit dem Erstarren, wenn
Licht und Wärme entzogen wird, verglichen. In andern
Fassungen, bleibt die Braut, als der Königssohn allein
ins Schloss geht, vor der Tür "auf dem breiten
Stein" wartend stehen. Vgl. über den breiten Stein
Erk-Böhme, Liederhort 1, 146 zu Nr. 421. Blätter für
pommersche Volkskunde 1, 6. 166. 10, 16.
Nach einer stark ausgeschmückten böhmischen Sage,
gewahrt Czekanka (Wegwarte), die Tochter des Zauberers
Batir, in ihrem Spiegel, dass ihr Geliebter von einem
Nebenbuhler im Altvaterwalde ermordet ist, ersticht sich
an der Leiche und wird zu einer Wegwarte.
Bei Panzer 2, 204 wird die um den untreuen Liebhaber
trauernde Königstochter eine weisse, ihre Jungfrauen aber
blaue Wegwarten. So harrt auch bei Ovid, Metam. 4, 256 f.
die vom geliebten Phöbus verschmähte Clytia neun Tage
vergebens auf derselben Stelle, nur den Blick zur Sonne
wendend, bis sie sich in eine Blume verwandelt, die immer
zum Sonnenlicht emporstrebt.
Die Wassernixe:
Der Eingang erinnert an Frau Holle (KHM 24). Die
Verfolgung der Kinder durch die Hexe ist ein Seitenstück
zu der wunderbaren Flucht im Fundevogel (KHM 51), im
liebsten Roland (KHM 56), und in den zwei Königskindern
(KHM 113); wie dort die Flüchtlinge durch Verwandlung
ihrer Gestalt den Verfolger täuschen, so werfen sie hier
Bürste, Kamm und Spiegel hinter sich, aus denen drei
Berge entstehen. - Dass die Hexe eine Wasserfrau ist,
stimmt zu verschiedenen skandinavischen Fassungen von KHM
113.
Meist handelt es sich nicht um eine Flucht zu zweien
(wie in KHM 113), sondern der Held entrinnt allein auf
einem sprechenden Pferd und gewinnt erst später (als
vermeinter Grindkopf) die Gunst einer Königstochter. -
Isländisch: "Die Kuh Búkolla"; drei
Schwanzhaare der Kuh. "Das Pferd Gullfaxi";
Zweig, Stein, Stock. "Thorsteinn mit dem
Goldhaar"; Kessel, Schwert. - Schottisch: "The
battle of the birds"; Schlehenzweig, Stein,
Wasserblase. - Irisch: "The giant and his royal
servants"; Zweig, Wasserblase, Apfel. - Französisch:
"La perle"; Berg und Strom durch ein
Zauberstäbchen geschaffen. - Italienisch: "Der Prinz
mit den goldenen Haaren"; Kamm, Schere, Spiegel.
"Petrosinella"; drei Galläpfel werden Hund,
Löwe, Wolf. "Fata Morgana"; drei Granatäpfel
werden Strom, Dornen, Feuer. - Spanisch: weisse und rote
Rosen. - Portugiesisch: Asche, Salz, Kohle. - Baskisch:
"Ezkabi-Fidel"; dreimal stampft das Pferd die
Erde.
Die beiden Königskinder:
Dies "sehr eigentümliche, gut und vollständig
aufgefasste" Märchen gehört zu der zu KHM 51
"Fundevogel" gekennzeichneten Gruppe. Es
enthält folgende Teile: A. Ein Prinz wird von einem
Zauberer (Hexe) geraubt (wie in KHM 51) oft infolge eines
unbedachten Versprechens seines Vaters oder nach einer
Weissagung. - B. Er löst die ihm gestellten Aufgaben mit
Hilfe der jüngsten Tochter des Zauberers: drei Nächte
wachen, einen Wald fällen, einen Teich ausschöpfen, ein
Schloss bauen (Weinberg pflanzen, Stall reinigen,
schwarzes Garn weiss waschen, Roggen und Weizen sondern)
wozu er nur untaugliche Werkzeuge erhalten hatte. - C. Er
entflieht mit dem Mädchen, das unterwegs beide in Rose
und Dornbusch, Kirche und Pfarrer, Teich und Fische (Ente,
Weinberg und Hecke, Fels und Steinklopfer, Reisfeld und
Wachtel, Baum und Apfel oder Vogel, Mühle und Müller,
Karussell und Besitzer u. a.) verwandelt. - D. Er vergisst
seine Liebste beim Kuss der Mutter (oder des Hündchens,
oder weil er Speise geniesst). - E. Die Jungfrau erkauft
durch drei kostbare Kleider aus den von der Mutter
mitgegebenen Nüssen von der zweiten Braut drei Nächte an
seiner Seite, vermag ihn aber erst in der dritten
aufzuwecken. - F. Anderwärts erwehrt sie sich dreier
Liebhaber, indem sie diese nachts zu sich bestellt und
festzaubert (vgl. zu KHM 88). - G. Sie zaubert den
Hochzeitswagen fest. - H1. Sie weckt des Prinzen
Erinnerung durch ein Gespräch mit ihren Tauben - H2 oder
durch Verwandlungen, - H3 oder er erinnert sich selber und
sucht sie auf. - J. Zwischen den beiden Bräuten
entscheidet das Gleichnis von dem wiedergefundenen alten
Schlüssel (wie KHM 67).
Siebenbürgisch: "Von den hundert Söhnen";
er findet die Liebste in einen Stein verwandelt wie im
liebsten Roland KHM 56. Schlesisch: "Der Fischerssohn
und die Tochter des Wassermännchens". Aus Hannover:
"Der Königssohn Johannes"; Jungfrau als Blume.
Aus Norddeutschland: "Der Prinz und der
Zauberer"; er gewinnt ihren Beistand, nachdem er der
Badenden die Kleider geraubt. Aus Holstein:
"Goldfeder und Goldmariken"; wo das Mädchen
gleichfalls von der Hexe geraubt ist, aber zuvor bei einer
alten Frau das Wünschen gelernt hat; bei der Flucht
heisst sie den Jüngling auf ihren linken Fuss treten und
über ihre rechte Schulter ausschauen; beim Hochzeitsmahl
rufen ihre Tauben:
Täubchen, Täubchen mag nicht essen,
Goldfeder hat Goldmariken auf dem Stein vergessen.
"Alexander und Annelore"; Alexander muss die
verlassene Braut im Schloss zwischen Himmel und Erde
aufsuchen, nachdem er Zauberstiefel, Mantel und Sattel
erhalten. - Ostpreussisch: "Die Prinzessin mit dem
goldenen Kalb" und "Der junge Kaufmann und die
Schwanenjungfrau"; die Kopfkissen antworten wie sonst
die Speie. - Dänisch: Weizen-, Gersten- und Haferkorn
ausgeworfen; das hilfreiche Pferd wird zur Prinzessin.
"Veline"; Storten raubt der mit ihren Schwestern
badenden Veline ihr Kleid; die vergessene Braut wird zu
einer Lilie, die ein Mönch pflückt. "Kejser Krebses
Datter"; Kleiderraub, Braut wird zur Ente; zum
Schluss Erlösung des versteinerten Dieners wie im treuen
Johannes KHM 6. - Kleinrussisch: die Geliebte dreimal
unter zwölf Mädchen erkannt. - Ungarisch: "Die
gläserne Hacke"; Entzauberung des Mädchens durch
Tötung eines Ebers, Hasen und einer Taube.
Merkwürdig entspricht die Geschichte Sringabhujas. Der
Königssohn verfolgt einen Rákshasa-Fürsten Agnisikha,
den er in Kranichgestalt verwundet hat, bis zu dessen
Schloss, gewinnt die Liebe von dessen Tochter Rúpasikha
und löst mit ihrer Hilfe verschiedene Aufgaben: er findet
sie unter hundert Schwestern heraus, sät hundert Khari
Sesam aus und sammelt die Körner wieder, ladet des
Fürsten Bruder zur Hochzeit und rettet sich vor dessen
Verfolgung durch Auswerfen von Erde, Wasser, Dornen und
Feuer. Nach der Hochzeit reiten die beiden heimlich davon;
als ihnen der Dämon nachsetzt, macht Rúpasikha den
Prinzen und das Pferd unsichtbar und verwandelt sich in
einen Holzhacker, das zweite Mal in einen Boten. Der
Rákshasa lässt sich betören und kehrt um, während die
Liebenden glücklich in die Heimat des Prinzen gelangen. -
Dieselben Motive erscheinen in einem samoanischen Lied:
Siati folgt dem von ihm im Gesang überwundenen Dämon,
dessen Tochter Puapae ihn vor des Vaters Arglist warnt,
ihm dessen Aufgaben (Haus bauen, Hund bekämpfen, Ring aus
dem Meer holen) lösen hilft und mit ihm entflieht; ein
ausgeworfener Kamm, Erde und Wasser schaffen dem Verfolger
Hindernisse; daheim aber vergisst Siati seine Braut; als
sie ihm seine Treulosigkeit vorhält, sinkt er tot zu
Boden. - Verblasste Erinnerungen an unser Märchen bietet
eine japanische Erzählung bei Aino folktales
"Yoshitsuno", wo ein Jüngling dem Okikurumi
seine Geheimnisse ablernt und mit dessen Schwester Tureshi
zu Schiff entflieht, deren Kot zu einem grossen Berg wird.
Vertauscht sind die Rollen des Liebespaares in dem
italienischen Märchen "Le due Belegioje" und im
bretonischen "Le morgan et la fille de la
terre"; hier hilft der Sohn des Unholds der von
diesem gefangen gehaltenen Prinzessin entrinnen und wird
von ihr vergessen.
Der Trommler:
Es sind hier zwei verschiedene Märchen
zusammengeschweisst, erstens die gewonnene, entflohene und
wieder aufgesuchte Schwanjungfrau, zweitens das Märchen
von den mit Hilfe der Liebsten gelösten Aufgaben der Hexe
und dem Vergessen der Braut. Den Anlass zu dieser
Verbindung hat vermutlich eine Fassung des zweiten
Märchens gegeben, in welcher der Held auf dem Weg zum
Unhold sich den Beistand der jüngsten Tochter des Dämons
dadurch zu sichern sucht, dass er der Badenden das Schwan-
oder Entengewand raubt und erst gegen das Versprechen
ihrer Hilfe zurückgibt.
Wir unterscheiden folgende Teile: A) Der Held raubt
einer badenden Schwanjungfrau ihr Federgewand und gewinnt
sie zur Frau. - B) Die Frau findet das versteckte Gewand
und entflieht in ihre Heimat (zum Glasberg). - C) Der Held
folgt ihr und gewinnt sie wieder, nachdem er (C1) Hilfe
von Riesen oder Vögeln und verschiedene Wunschdinge
(Sattel, Hut, Mantel, Stiefel, Schwert) erhalten (wie in
KHM 92. 93) oder (C2) Aufgaben (wie in KHM 113) gelöst
hat. - C3) Bisweilen auch gemeinsame magische Flucht.
Deutsch: "Der geraubte Schleier"; ein Eremit,
der selbst die geliebte Schwanjungfrau verloren,
unterweist den Helden. Schwäbisch: "Von drei
Schwänen"; Erlösung durch Peinigung während dreier
Nächte, wie in Varianten KHM 93. Tirolisch: "Der
gläserne Berg". Siebenbürgisch: "Die
Schwanenfrau". Odenwald: "Von der schönen
Schwanenjungfer"; Verbot, von der Braut zu sprechen;
der Vogel Greif trägt den Helden zur "finstern
Welt" empor; Peinigung während dreier Nächte.
Böhmisch: "Die drei weissen Tauben"; der
befreite Drache schenkt dem Helden drei Leben, hilfreiches
Pferd. "Die Jungfrau auf dem gläsernen Berge";
drei Enten; hilfreiche Tiere. Niederrheinisch: "Der
gläserne Berg"; ein Vogel trägt empor.
Holsteinisch: "De twölf Swön"; Hans belauscht
die im Weizenfeld tanzenden Jungfrauen, erhält für den
geraubten Mantel einen Wunschbeutel und erlöst jene mit
Hilfe eines redenden Schimmels. Pommerisch: "Der
Hühnenberg". Westpreussisch: "Die beiden
Schwäne"; Ring statt Gewand.
Dänisch: "Jomfru Lene af Søndervand"; die
Schwanjungfrau kommt nach einem Jahr am Johannistag, um
Hochzeit zu halten, kehrt aber um, weil der König zugegen
ist. "Prinsessen i Babylonien". - Schwedisch:
"Die geflügelten Elfen". "Das schöne
Schloss östlich von der Sonne, nördlich von der
Erde"; drei Taubenjungfrauen zertreten die Wiese. -
Norwegisch: "Südlicher als Süden und nördlicher
als Norden und in dem grossen Goldberg"; drei Tauben
im Weizenfeld. "Daverdana av Egreteland";
Stelldichein dreimal verschlafen. - Isländisch: "Die
Burg östlich vom Mond und nördlich von der Sonne";
drei Schwanjungfrauen holen nachts die Blumen fort; der
Held fragt Vögel und Winde. - Färöisch: "Das
Seehundweibchen". - Englisch: "Die verheiratete
Meermaid"; Seehundsfell geraubt. - Rätoromanisch:
"Die Schwanenjungfrau". - Italienisch: "Die
Heirat mit der Hexe"; statt des geraubten
Schwanenkleides die Bedingung, die Gattin nie bei
Kerzenlicht anzusehen und "Die drei Tauben".
"L'isola della felicità". "Von Joseph, der
auszog sein Glück zu suchen"; ein Vogel, der den in
eine Tierhaut eingenähten Helden auf den Diamantberg
trägt. - Spanisch: "El marqués del Sol". -
Albanisch: "La loubie et la belle de la terre".
- Serbokroatisch: "Der Prinz und die drei
Schwäne". "Die Vila in der goldenen Burg".
Strohal: der Schlüssel des Glasbergs liegt im Herzen
eines Drachen. "Die Frau eine Wölfin". -
Bulgarisch: "Der Hirt und die drei Samovilen". -
Böhmisch: "Der goldene Berg". "Die Taube
mit den drei goldnen Federn". Kulda: der Held kann
sich in Tiere verwandeln, überwindet dadurch den Drachen
und befreit die Jungfrau; die Braut wird zu einem Pferd,
auf dem der Held drei Tage ohne Speise und Trank reiten
soll; er muss sie im gläsernen Palast suchen; es hilft
der von der Frau gekreuzigte Vater der Braut; Taube, der
der Held drei goldene Federn ausreisst, wird zur Jungfrau,
er hütet die Pferde der Hexe mit Hilfe dankbarer Tiere,
erhält ein Zauberschwert, tötet den Drachen und befreit
die drei Tauben. - Slowakisch: der jüngste Sohn fängt
die drei Schwanjungfrauen, die die Goldbirnen stehlen, mit
Hilfe einer Maus; die Schöne verschwindet, als eine Hexe
in der dritten Nacht ihre goldenen Haare abschneidet, bis
hinter das rote Meer; Erlösung der Prinzessinnen im
eisernen, kupfernen und gläsernen Berg. - Polnisch:
"Die goldenen Tauben"; mit Hilfe dankbarer Tiere
gelangt der Held auf den Glasberg, besiegt den Drachen,
öffnet mit dem Schlüssel, den er der aus diesem
entfliegenden Taube entnommen, das verwünschte Schloss. -
Grossrussisch: "Yelena the wise". -
Lappländisch: "Das Mädchen aus dem Meere".
"Die Tochter des Beivekönigs". - Ungarisch:
"Fairy Elizabeth".
Die arabische Erzählung vom Juwelier Hassan von Basra
in der 1001 Nacht gehört zu den ausführlichsten und
ausgeschmücktesten der Sammlung. Ein tückischer Magier
will sich durch den jungen Hassan das kostbare Holz vom
Wolkenberg verschaffen, dessen er zu seinen
alchimistischen Arbeiten bedarf. Nachdem der Jüngling in
eine Tierhaut genäht und von einem Geier zu dem
unersteigbaren Gipfel emporgetragen ist und das verlangte
Holz seinem Meister hinuntergeworfen hat, überlässt ihn
dieser seinem Schicksal. Hassan stürzt sich ins Meer und
gelangt zu einem Schloss, wo er von weiblichen Genien
freundlich aufgenommen wird. Nachdem er eine verbotene
Tür geöffnet, belauscht er in einem Garten zehn badende
Schwanjungfrauen, gewinnt eine davon zur Gattin und zieht
mit ihr heim zu seiner Mutter. Nach Jahren findet die Frau
während seiner Abwesenheit ihr Federkleid und entfliegt
mit ihren beiden Kindern nach den Inseln Wâk (Japan?).
Hassan folgt ihr und befreit nach vielen Abenteuern, von
einer hässlichen Alten unterstützt und mit Hilfe einer
unsichtbar machenden Mütze und eines Zauberstabes, die er
streitenden Erben abgenommen, die Seinigen aus der Gewalt
der grausamen Königstochter Nur-el-Hudã, der Schwester
seiner Gattin. - Eine kürzere und ursprünglichere Form
bietet die Geschichte Azems in derselben Sammlung,
während die Geschichte Dschânschâhs ebenda den Helden
zu einem Prinzen macht, der bei der Verfolgung einer
Gazelle in die Reiche der Affen und der Ameisen kommt und
von einem jüdischen Zauberer zum Diamantberg gebracht
wird; statt der Schwäne erblickt er drei Tauben; die
Heimat, in die seine Gattin zurückfliegt, heisst Takni. -
Tatarisch: der Held beschleicht drei badende
Königstöchter, die seine Schwester in Taubengestalt
besuchen, in dem verschlossenen Park, raubt das
Taubengewand der einen und macht sie zu seiner Frau, wird
aber wegen des gebrochenen Gastrechts von seinem Vater
verstossen; als er wider die Vorschrift der Frau sein
erstes Kind in die Hände nimmt, zerreisst es die Frau;
als er es beim zweiten wiederholt, verschwindet sie; um
sie noch einmal zu sehen, verbrennt er die mit ihrem Geld
gekauften Waren. - Ajsorisch: Zar Bagrej findet im Palast
des Zaren Kischmir einen marmornen Springbrunnen, zu dem
täglich drei Königstöchter aus dem Diamantenreich als
Tauben geflogen kommen, und gewinnt eine von ihnen; sie
verlässt ihn, weil sie gezwungen ist sich mit dem Schwert
zu wehren; er lässt sich vom Adler zu ihrem Vater tragen
und kehrt nach einigen Jahren mit ihr heim. - Indisch:
"Toria the goatherd and the daughter of the
sun". "The king's son and his fairy bride"
und "The monkey princess". - Annamitisch:
"L'étoile du soir et l'étoile du matin"; der
Mann sucht mit seinem Kind die Gattin auf, stürzt aber
ins Meer und wird in den Abendstern verwandelt, sie in den
Morgenstern. - Java: "Dewi Nawang Wulan";
Widôdari heissen die Himmelsnymphen. - Guyana: "The
royal vultures"; der Jüngling wird von der Vogelfrau
in ihr Wolkenreich getragen, verlässt sie, um seine
Mutter aufzusuchen, kämpft gegen die Geier, um seine Frau
wiederzuerhalten, und wird vom unerkannten eignen Sohn
erschlagen. - Eskimo: "Ititaujang"; die Wildgans
verwandelt sich, nachdem ihr der Held ihre Schuhe
wiedergegeben hat, in ein Mädchen und wird seine Frau;
als er aber einmal verlangt, dass sie von dem erlegten
Walfisch esse, rafft sie Vogelfedern auf, wird mit ihrem
Kind zur Wildgans und entfliegt; der Held findet sie nach
verschiedenen Abenteuern mit einem andern Gatten auf einer
fernen Insel und tötet sie.
In der Völundarkviþa (Edda) lassen sich drei
Walküren am Seestrand nieder, um zu baden; Wölund und
seine Brüder nehmen ihnen ihre Schwanhemden und machen
sie zu ihren Frauen, aber im neunten Winter entfliegen
diese. Im Epos "Friedrich von Schwaben" nimmt
der Held der schönen Angelburg, die mittags mit ihren
zwei Jungfrauen in Taubengestalt zu einem Quell fliegt,
während des Bades die Gewänder und gibt sie nicht eher
heraus, als bis ihm Angelburg die Ehe angelobt hat. - Auf
andre Sagen von Ehen mit überirdischen Frauen, wie
Melusine, Liombruno, Donaunixen, brauchen wir hier nicht
einzugehen; doch sei auf das irische Märchen "Die
Nixe von Gollerus" hingewiesen, wo die geraubte
Mütze der Meerfrau diese in die Gewalt des Fischers
bringt, und auf das galizische, wo der geraubte Schuh der
wilden Frau das Gleiche vollbringt. - Der in
holsteinischen, skandinavischen, finnischen und
lappländischen Fassungen erscheinende Eingang, dass der
jüngste von drei Brüdern auf dem Feld wacht, um den
ausfindig zu machen, der nachts die Saat zertritt oder den
Garten plündert, ist wohl aus einem andern Märchen
herübergenommen. - Zu dem Glasberg, der mehrfach durch
einen Silber-, Gold- oder Smaragdberg oder ein Wolkenreich
ersetzt wird, vgl. BP 1, 233. 2, 273. - Zur
Befragung der Winde BP 2, 272.
Variantenverzeichnis
>> Märchen-Suchdienst
Die beiden Königskinder. Grimm/KHM
113
Der Floh. Basile/Italien 1,5
Der Fundevogel. Grimm/KHM 51
Pulia und der Morgenstern. Megas/Griechenland 18
Rosella. Basile/Italien 3,9
Der Orangenbaum und die Biene. Aulnoy/Frankreich 2,4
Der goldene Rehbock. Bechstein/Deutschland 14
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