Die Prinzessin
im Sarg 307
Märchentyp AT: 307
Grimm KHM:
Eine Königin und ein König haben
keine Kinder. Eine alte Frau gibt einen zauberischen
Kräutertee. Der König spricht jedoch eine Verwünschung
aus, so dass sie eine völlig schwarze Prinzessin
bekommen. Diese wächst unglaublich schnell heran. Die
schwarze Prinzessin verlangt an ihrem Geburtstag einen
Eisensarg mit einer Wache - diese soll in der Kirche
aufgestellt werden. Jede Nacht verschwindet eine Wache,
welche die verwünschte Prinzessin gefressen hat. Ein
Junge erhält den Auftrag, ebenfalls bei dem Sarg zu
wachen. Er bekommt Hilfe und Anweisung, wie er sich in der
Nacht verhalten muss, und erlöst die Prinzessin. Diese
ist nun völlig weiss geworden und heiratet den Jungen.
Anmerkung
Die einzelnen Märchenmotive nehmen hier die Gestalt
einer Schreckgeschichte an, was sehr wahrscheinlich auf
christlichen Einfluss zurückzuführen ist. Eine ähnliche
Veränderung unter christlicher Dämonologie hat das
Märchen AT 706 (Das Mädchen ohne Hände) und vom
Marienkind (AT 710 Die Schwarze Madonna) erfahren, das
erst im 17. Jahrhundert zur legendenhaften Geschichte
tendiert, wobei eine alte mythologische Frauengestalt zur
Madonna und Maria wird. Sowohl in diesem Märchen als auch
in Die Prinzessin im Sarg ist das Hauptmotiv eine Schwarze
Frau bzw. eine alte Erdgöttin, wie sie weltweit in
verschiedenen Ausformungen verehrt wurde. So verehren z.B.
die Zigeuner eine schwarze Sarah-la-Kali am Meeresstrand
in Südfrankreich, die nach Selbstaussagen eindeutig auf
eine vorchristliche Göttin zurückgeht. Den
vorchristlich-christlichen Zwischenbereich erkennen wir
auch in einem Märchen aus Österreich: Eine Frau wünscht
sich sehnlichst ein Kind und versucht verschiedene
Ratschläge. Sie geht häufig zu einem christlichen
Bildnis, doch ihre Bitten werden nicht erhört. Da
entschliesst sie sich zu einem Stein (Teufelsstein) neben
einer Brücke zu gehen, und bringt dort ihre Wünsche an.
Tatsächlich zeigt das Steinansuchen seine Wirkung, und
die Königin gebärt eine Tochter, die jedoch ganz schwarz
ist. - Auch in dieser Erzählung zeigt sich die
Dämonisierung ganz offen, denn der Stein des
Kinderwunsches war nicht ein "Teufelsstein",
sondern wird im Zuge der Christianisierung so genannt.
Dahinter steht wiederum ein archaischer Glaube, dass die
Kinderherkunft und die Empfängnis von einem Ahnenstein
bewirkt werden kann.
Literatur
Derungs, K.: Archaische Naturmotive in den
Zaubermärchen. In: Die ursprünglichen Märchen der
Brüder Grimm. Bern 1999.
Derungs, K.: Brautstein und Ahnenstätte. In:
Mythologische Landschaft Deutschland. Hrsg. von Heide
Göttner-Abendroth und Kurt Derungs. Bern 1999.
Früh, S./Derungs, K.: Schwarze Madonna im Märchen.
Mythen und Märchen von der Schwarzen Frau. Bern 1998.
Hock, S.: Die Vampyrsagen und ihre Verwertung in der
deutschen Literatur. Berlin 1900.
Jellinek, A.L.: Zur Vampyrsage. In: Zeitschrift für
Volkskunde 14, 1904, p. 322-328.
Propp, V.J.: Die historischen Wurzeln des Zaubermärchens.
München 1987.
Röth, D.: Kleines Typenverzeichnis.
Hohengehren 1998.
Märchen
>> Das grosse Buch der
Zaubermärchen
Hinweise
Variantenverzeichnis
>> Märchen-Suchdienst
Hans, der Grafensohn, und die
schwarze Königstochter. Jahn/Deutschland 16
Wie Ivan Kaufmannssohn die Carevna gesund betete.
Afanasjew/Russland 364
Die Birke und die drei Falken. Afanasjew/Russland 275
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