Der gelernte
Jäger 304
Märchentyp AT: 304; cf. 300, 302,
400, 554, 555, 675, 950
Grimm KHM: Der gelernte Jäger 111
Ein Junge ist einer Schusswaffe
habhaft geworden, die immer trifft. Er verlässt seine
Brüder und geht mit einigen Riesen, deren Gunst er durch
seine Treffsicherheit gewonnen hat, in ein verzaubertes
Schloss, tötet aber die Riesen, gerade als sie sich durch
die Türe hineinbegeben wollen. Er findet eine schlafende
Prinzessin im Schloss, der er im Schlaf beiwohnt und die,
nachdem sie erwacht ist, allmählich entdeckt, dass sie
schwanger ist und dass sie ihren goldenen Apfel oder
andere Zauberdinge verloren hat. Sie verlässt das
Schloss, das durch den Tod der Riesen entzaubert wurde,
und begibt sich, nachdem sie einen Betrüger abgewiesen
hat, auf die Suche nach dem Jungen. Schliesslich errichtet
sie ein Wirtshaus, in welchem sie alle umsonst speist.
Dort findet und erkennt sie den Helden durch seine
Erzählung oder durch den goldenen Apfel.
Anmerkung
Dieses orientalisch-europäische Märchen hat einige
Züge aus 303 (Die Zwillingsbrüder) entlehnt, u.a. den
Betrüger und die Art, wie er entlarvt wird. In gewissen
Varianten muss der Jüngling mit seiner Schusswaffe sogar
einen Drachen erlegen. Wir haben keine Aufzeichnungen von
älteren orientalischen Varianten als die Erzählung Der
König und seine drei Söhne in Tausendundeiner Nacht, und
von den übrigen sind die meisten im Vorderen Orient zu
Hause. Am reichsten belegt ist das
Märchen jedoch im südlichen und östlichen Europa, aber
es hat auch Italien, Frankreich, Flandern, Deutschland,
Dänemark, Norwegen, Schweden und Finnland erreicht. In
Schweden findet sich nur eine geringfügige Anzahl
Varianten neben einem aus Grimm hervorgegangenen und
selten nachgedruckten Volksbuch aus dem Jahr 1824. Das
Volksbuch trägt den gleichen Titel wie manchmal das
Wirtshausschild im Märchen: "Heute umsonst, morgen
für Geld". Nach anderen Varianten lautet die
Inschrift jedoch: "Hier isst man umsonst, aber man
muss seine Lebensgeschichte erzählen". Die Kunst,
jemandem das Essen aus der Hand zu schiessen, wie es der
Held dieses Märchens tut, kennen wir aus Ans Saga
Bogsveigis, aber weder der Rahmen noch die übrigen
Details stimmen überein, ganz abgesehen davon, dass der
Schütze ein Bogenschütze ist. Das von der Heldin
während ihres Suchens errichtete Wirtshaus ist ein in den
mittelalterlichen Ritterromanen mit orientalischem
Hintergrund aus den auf das 11. Jahrhundert folgenden
Jahrhunderten oft verwendeter Zug. Ein solches Wirtshaus
errichtete u.a. die Tochter des Königs von Neapel,
Magelone, die ihren als Sklaven entführten Anbeter, Peter
von Provence, suchte.
Literatur
Kawan, C.S.: Jäger, der
gelernte. In: EM 7, p. 411-420.
Moser-Rath, E.: Betrüger. In: EM 2, p. 230-238.
Polivka, G.: Personifikationen von Tag und Nacht im
Volksmärchen. In: Zeitschrift für Volkskunde 26, 1916.
p. 313-322.
Propp, V.J.: Die historischen Wurzeln des Zaubermärchens.
München 1987.
Scherf, W.: Das Märchenlexikon. München 1995.
Thompson, S.: The Folktale. New York 1951.
Märchen
>> Das grosse Buch der
Zaubermärchen
Hinweise
In einer Zwehrner Erzählung ist der Sache nach einiges
abweichend. Der Schütze, als er in den Turm, wo er die
Schildwache durch einen Schlaftrunk erst eingeschläfert
hat, eingedrungen ist, findet in dem ersten und zweiten
Zimmer die Kammerjungfrau der Königstochter schlafend in
ihrem Bett. Er küsst jede, geht aber weiter und kommt in
das dritte Zimmer, wo die Königstochter selbst liegt,
aber nackt; er nimmt ein goldenes Halsgehänge, einen Ring
und ein Taschentuch von dem Tisch als Wahrzeichen weg und
legt sich dann zu ihr. Sie schläft fort und erwacht auch
nicht, als er wieder weggeht. Als sich hernach zeigt, dass
sie schwanger ist, ohne zu wissen von wem, lässt sie ihr
erzürnter Vater ins Gefängnis werfen; ein gemeiner
Diener gibt sich an, und sie soll ihn heiraten. Darauf
wird sie in das Wirtshaus gesetzt. Das übrige stimmt
wieder.
Eine dritte Erzählung hat denselben Inhalt; Nebenzüge
darin sind, dass bei der schlafenden Königstochter ein
Kelch gestanden, aus welchem der Jäger erst zwei Züge
tun musste, um die Kraft zur Führung des Degens zu
erlangen. Nach drei Jahren kommt er zurück und in das
Wirtshaus, wo die Königstochter sitzt, und das die
Überschrift hat: "Hier zehrt man umsonst, muss aber
seinen Lebenslauf erzählen". Sie hört nun, dass er
der Vater des Kindes ist, das sie geboren hat, und als sie
die Wahrzeichen gesehen, entdeckt sie sich. - Aus einer
vierten ist anzumerken, dass der kunstreiche Schütze mit
einem Pfeil dem Riesen gerade in den rechten Daumen
schiesst.
Griechisch: "Die drei Brüder, die ihre geraubte
Schwester suchen". - Albanisch: "Les trois
frères et les trois soeurs". - Grossrussisch: statt
der Räuber zwölf Drachen. - Ungarisch: "Die sechs
Drachen"; Tierschwäger.
Variantenverzeichnis
>> Märchen-Suchdienst
Der Hünentöter.
Haltrich/Deutschland 23
Der gelernte Jäger. Grimm/KHM 111
Der tapfere Ritterssohn. Zingerle/Tirol 1,33
Der Riesentöter. Haiding/Österreich 69
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