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Der Riese ohne Herz 302

Märchentyp AT: 302; cf. 665, 400, 425
Grimm KHM: Die Kristallkugel 197


Das Hauptmotiv dieses Märchens ist, dass das Herz (die Seele, das Leben) eines übernatürlichen Wesens versteckt ist, so dass es die Gegner nicht vernichten können. Wir erkennen zwei Haupttypen. In einem ist der Riese eine Art Zauberer, der fast die ganze Familie des Helden (Mutter, Brüder, Schwägerinnen etc.) zu Stein verwandelt. Er hält die Braut (Mutter) des Helden gefangen, die nach Weisung des Helden in Erfahrung bringt, wo das Herz wirklich verborgen ist, bis der Held dadurch und mit Hilfe von dankbaren Tieren die verschiedenen Tiergestalten töten kann, die der Zauberer durch eine Reihe von Verwandlungen hervorbringt und zum Vehikel des verborgenen Herzens macht. Die Verwandlungsserie wird gewöhnlich mit einem Vogel abgeschlossen, in dessen Ei das Herz eingeschlossen wurde. Besonders oft begegnen wir der Serie: Ochse, Schwein, Greif. Der Riese stirbt, wenn der Vogel, das Ei etc. zerschlagen wird, worauf der Held die Seinen wieder verwandelt und befreit. Der zweite Haupttyp lässt dem Helden sowohl durch die Prinzessin, die der Riese gefangen hält, Hilfe zuteil werden, als auch durch dankbare Tiere (Löwe, Hund, Falke, Ameise), von welchen der Held die Fähigkeit erhält, nach Belieben ihre Gestalt oder ihre Eigenschaften anzunehmen. Auch in diesem Typ wird das Herz des Riesen in einem Ei verborgen, das manchmal in einen See fällt, aber schliesslich von einem Fisch aufgefangen wird. Wird das Ei zerschlagen, stirbt der Riese. In gewissen Varianten zerschlägt der Held das Ei an der Stirne des Riesen.


Anmerkung

Da der Glaube an die Möglichkeit, das Herz ausserhalb des eigenen Körpers aufzubewahren, bis in die jüngste Vergangenheit um den Indischen Ozean zu finden war, und da diese Vorstellung in einer mit dem hier behandelten Märchen übereinstimmenden Weise im Orient früh (im Batamärchen) dokumentiert wurde, muss man voraussetzen, dass zumindest das Hauptmotiv dort seinen Ursprung hat, und zwar, näher bestimmt, in Kleinasien oder Nordsyrien, von wo das Batamärchen wahrscheinlich ausgegangen ist. Für Kleinasien sind auch die hilfreichen Tiere (Adler, Biene), wenn auch in anderem Zusammenhang helfend, früh bei den Hethitern belegt. Die Erzählungen darüber sind ungefähr aus der gleichen Zeit wie die erste Aufzeichnung des Batamärchens (13. Jahrhundert v.u.Z.). Auch die im Märchen auftretenden Tierarten sprechen für den kleinasiatischen Ursprung. Die Grundzüge des Märchens gehören selbstverständlich der homerisch-mykenischen Periode (vor 700 v.u.Z.) an. Alt sind auch die serienmässigen Tierverwandlungen (siehe 450).

Von sehr grossem Interesse sind in diesem Zusammenhang zwei Episoden in der Hymiskvida der älteren Edda (vielleicht aus dem 10. Jahrhundert). Darin kommen Thor und der Gott Tyr zum Riesen Hymir. Der Riese ist nicht zu Hause, zwei Frauen - die Mutter und die Grossmutter des Begleiters empfangen sie. Die Mutter warnt Thor und den Sohn vor dem Riesen und verbirgt sie unter einem Kessel. Es gelingt ihr auch, Hymir zu beruhigen, als er heimkehrt. Wenn uns diese Szene auch gut bekannt ist, so wird doch nur in der Hymiskvida und im ersten Haupttypus des Märchens die Frau als Mutter oder andere Verwandte des Besuchers bezeichnet.


Literatur

Derungs, K.: Struktur des Zaubermärchens I. Bern, Stuttgart, Wien 1994.
Horalek, K.: Der Märchentypus AaTh 302 (302C*) in Mittel- und Osteuropa. In: Deutsches Jahrbuch für Volkskunde 13, 1967, p. 260-287.

Horalek, K.: Zur slawischen Überlieferung des Märchentyps AaTh 302B (Zwei-Brüder-Märchen). In: Ethnologia slavica 4, 1972, p. 179-197.
Mudrak, E.: Herr und Herrin der Tiere. In: Fabula 4, 1961, p. 163-173.
Röhrich, L.: Herr der Tiere. In: EM 6, p. 866-879.

Röth, D.: Kleines Typenverzeichnis. Hohengehren 1998.
Tuczay, C.: Der Unhold ohne Seele. Wien 1982.


Märchen

>> Das grosse Buch der Zaubermärchen


Hinweise

Wir haben hier eine Fassung des zuerst bei Basile auftauchenden Märchens von den Tierschwägern, das uns schon den aus Musäus Erzählung abgeleiteten "Drei Schwestern" in vollerer Gestalt entgegentrat. Dort sucht ein Königssohn seine drei Schwestern auf, die sein Vater bereits vor seine Geburt an einen Bären, Adler und Walfisch (bei Basile einen Falken, Hirsch und Delphin) vermählt hatte, besiegt mit Hilfe seiner Schwäger einen übernatürlichen Stier (bei Basile Drachen) und befreit dadurch eine gefangene Jungfrau und zugleich seine in Tiergestalt verwünschten Schwäger. In unserer Fassung sucht der Held statt der Tierschwäger zwei in Adler und Walfisch verzauberte Brüder auf; ausserdem ist das Motiv des den streitenden Riesen weggenommenen Wünschhutes eingeschaltet, und in dem Ei des getöteten Auerochsen, das bei Musäus den Schlüssel zum Gefängnis der Prinzessin enthält, steckt als Dotter eine Kristallkugel, welche die Macht des Zauberers vernichtet, während bei Basile dies wunderbar eingeschachtelte Ei ganz fehlt. Den durch den eifersüchtigen Dämon bewirkten Zauberschlaf der Jungfrau, hat Musäus offenbar aus der persischen Erzählung "Seyf el-Muluk" entlehnt; dort bricht der Held ebenfalls den Zauber, indem er die Marmortafel umstösst. Auch der kirgisische Held Säipül Mälik sieht auf dem Kopf des schlafenden Mädchens eine beschriebene Tafel und entfernt sie. In dem persischen Roman "Der Frauenhüter" führt der Jüngling, indem er den Schlafzettel auf die Erde wirft, nicht nur das Erwachen der Schönen, sondern auch den Tod des Divs herbei. In indischen Märchen erwacht die Jungfrau, als der Prinz sie mit dem neben ihr liegenden goldenen Stäbchen berührt, und schläft ein, wenn er statt dessen das silberne Stäbchen nimmt. In andern Fassungen wird das Wunder noch gesteigert: enthauptet liegt die Prinzessin da, erwacht aber zum Leben, als der Held Haupt und Rumpf zusammenfügt. - In dem kärntischen Märchen "Das Zauberbüchel", das zu den "treuen Tieren" gehört, schenken die drei Riesen ihrem Schwager Wunschstiefel, Beutel und Mantel, so dass er dadurch und mit Hilfe zweier Ratten Zaubertalisman und Gattin wiedergewinnen kann.

Bretonisch: "Le château suspendu dans les airs"; König der Fische, der Vögel und Ratten. - Irisch: "The weaver's son and the giant of the white hill"; Widder, Lachs, Adler; Leben des Zauberers im Ei. - Italienisch: "La bella Fiorita"; statt der Tierschwäger ein Schweinehirt, Jäger und Totengräber; ihre Gaben helfen dem Helden die Aufgaben des Königs lösen, ein Gewölbe voll Früchte verzehren, die Prinzessin durch Vogelgesang einschläfern, in einer Nacht ein zweijähriges Kind zeugen. "Von der schönen Cardia"; König der Raben, der wilden Tiere, der Vögel; Aufgaben der Hexe. "La bella del mondo". - Portugiesisch: "Cravo, rosa e jasmim" und "A torre de Babylonia". - Rumänisch: "Schöne der Welt"; drei Raben. - Griechisch: "Die Tochter des Königs Tsun Matsun". - Albanesisch: "Les trois frères et les trois soeurs"; Sonne, Mond, Südwind. - Serbokroatisch: "Der Königssohn und die Vila"; Wind, Sonne, Mond. Nikolic: auf einem Berg ein Sumpf, darin eine Wildente, in deren Ei die Seele des "roten Windes". - Tschechisch: "Sonnenkönig, Mondkönig, Wildkönig". - Slowakisch: "Vom Sonnenkönig, Mondkönig, Windkönig, der schönen Uliana und zwei Zauberpferden". - Kaschubisch: im Ei ein Schlüssel zum Zaubergarten. - Kleinrussisch: drei Drachen mit 3, 6, 9 Köpfen. - Weissrussisch: zwei Schwestern; Sonne, Donner. - Grossrussisch: drei Schwestern entführt von 12 Bären, 12 Kaulbarschen, 12 Schwänen. - Litauisch: "Von dem Königssohn, der auszog, um seine drei Schwestern zu suchen". - Magyarisch: "Strohkönig"; Sonne, Mond, Wind. - Zigeunerisch: "Der Fischer und die Urme". - Türkisch: "Der Windteufel"; Löwe, Tiger und der smaragdene Anka-Vogel. - Neuaramäisch: "Geschichte vom Kaufmann, seinen drei Söhnen und drei Töchtern"; der jüngste Sohn holt für den kranken Vater Lebensapfel und Nachtigall, wird von den neidischen Brüdern in den Brunnen gestossen und erhält vom dritten Schwager ein Blitzschwert. Prym-Socin: Wolf, Adler und Vogel Sîmer beleben den von Schamâl erschlagenen Schwager und helfen ihm seine beiden von Schamâl geraubten Frauen wiedergewinnen. - Indisch: "Der Knabe und sein Ochse"; Tiger, Schlange und Ochse helfen ihrem Bruder die Königstochter gewinnen; er soll Tigermilch und Lotosblumen holen und einen Elefanten töten. - Aus Nigeria: Stier, Widder, Hund, Habicht helfen dem Schwager das in einer Taube, Gazelle, einem Felsen und See eingekapselte Kästchen mit dem Leben des Königs gewinnen.

Verschieden davon sind die Erzählungen, in denen der Held seinem dämonischen Schwager feindlich entgegentritt, um die Schwester wieder heimzuführen. So gelingt es in dem schwäbischen Märchen "Donner, Blitz und Wetter" dem bei der Hexe aufgenommenen Helden, mit Hilfe dreier dankbarer Tiere, des Wolfes, Fisches und der Hornisse, ihre Aufgaben zu lösen; er soll ihre drei Pferde, das sind seine Schwäger, die diese Gestalt angenommen haben, hüten und bringt sie jedesmal abends richtig heim; darauf tötet er sie allesamt, indem er ein vierköpfiges Pferd enthauptet. In einem dänischen Seitenstück zieht der Held mit einem Hasen, Fuchs, Wolf und Bären zu dem rotbärtigen Troll, der seine Schwester entführt und zwei ältere Brüder umgebracht hat, und lässt dessen Mutter und ihn durch seine Tiere zerreissen. - Schwedisch: "Ole Lur"; erhält von einer Alten Zauberhandschuhe und befreit seine drei von den Riesen geraubten Schwestern aus dem Berg. In dem schottischen Märchen "Childe Rowland" besiegt der jüngste der drei Brüder, der sich von Merlin beraten lässt, den Elfenkönig im Zweikampf und nötigt ihn, die entführte Schwester Ellen und die versteinerten Brüder herauszugeben. Dagegen entrinnt in der dänischen Ballade von Rosmer die vom Meermann geraubte Schwester durch List, indem sie sich in der Goldkiste verbirgt, die der Meermann dem scheidenden Schwager als Geschenk mitgibt. Im serbischen Märchen "Stojscha und Mladen" lässt sich der Held zuerst von seinen Drachenschwägern bewirten, um sie dann im Verein mit dem Drachenkaiser zu töten.

In einer verwandten Gruppe handelt es sich nicht um die Befreiung der Schwester, sondern um die der Braut sowie der Brüder, oder der Mutter. Eine holsteinische Fassung berichtet "vom Manne ohne Herz", einem alten Zauberer, dessen Leben in einem Vogel in einer fernen Kirche steckt; der verwandelt sechs Brüder samt ihren Bräuten in Stein und nimmt die Braut des daheim gebliebenen jüngsten Bruders zu sich; dieser bemächtigt sich, unterstützt von einem dankbaren Ochsen, Wildschwein und Greifen, des Vogels, tötet den Riesen und zieht mit den Erlösten davon. Ähnlich "Vom Zauberer, der kein Herz im Leibe hatte". Siebenbürgisch: "Von den zwölf Brüdern, die zwölf Schwestern zu Frauen suchen"; Löwe, Adler, Fisch helfen den Talisman der Hexe, ein Ei, gewinnen. In der waldeckischen Fassung "Die sieben Prinzessinnen und der Zauberer" offenbart der Zwerg selber dem Helden das Geheimnis seiner im Ei verborgenen Seele und wird zu einem Prinzen entzaubert. - Dänisch: sieben Brüder; neun Brüder; zehn Brüder; zwölf Brüder. - Norwegisch: "Von dem Riesen, der kein Herz im Leibe hatte"; sieben Brüder; Rabe, Lachs, Wolf. - Rumänisch: "Fritz der tapfre, geboren aus Blumen"; gewinnt zwei Eier aus Ente und Sau und nötigt den Drachen, der seine Mutter geheiratet hat, den versteinerten Vater und sein Heer zu entzaubern; keine dankbaren Tiere. - Griechisch: der Drache, der die Schwester entführte, hat drei goldene Haare am Kopf, mit denen man das Zimmer mit den drei Tauben, an die sein Leben geknüpft ist, öffnen kann. - Serbokroatisch: "Ein Bursche erlöst zwölf verwunschene Mädchen"; Drachen, in dem ein Ei steckt. - Bulgarisch: Mutter von einem Drachen entführt; in seinem Pelz eine Dose mit drei goldenen Hühnchen. - Polnisch: "Der Mann ohne Herz"; sieben Brüder; der jüngste holt mit Hilfe eines Ochsen, Schweins und Adlers das in einer von Wasser umgebenen Kirche aufgehängte Herz des Zauberers. Kolberg: Schwanjungfrau bei einem Drachen; Held als Löwe, Hund, Habicht und Ameise überwältigt den Drachen, Hasen, die Taube und findet im Ei die drei Schlüssel. - Grossrussisch: der jüngste Sohn befreit die vom Wind entführte Mutter und verbrennt das Sandkorn, in das dieser sich verwandelt; wird von den Brüdern in der Unterwelt zurückgelassen. Afanasjev: die entführte Mutter entlockt dem unsterblichen Košcej sein Geheimnis; dankbarer Wolf, Rabe, Hecht. Sadovnikov: Braut entführt; Ei in einer Ente unter einer Eiche am Meer; Hecht hilft. - Magyarisch: Pengös ältere Brüder erlegen den Geier und Eber und heiraten die von diesen umworbenen Königstöchter; Pengö, dessen Gattin vom spannenlangen Mann geraubt wird, sucht diesen auf und bringt sein in einem Käfer verborgenes Leben mit Hilfe von Wolf, Adler und Rabe an sich. - Imeretinisch: Mutter vom jüngsten Sohn befreit, der sich am Strick hinablässt und den Entführer mit dessen Schwert tötet. - Lappländisch: "Der Riese, dessen Leben in einem Hühnerei verborgen war". - Samojedisch: der Held nötigt eine Schwanjungfrau, deren Gewand er raubt, den sieben Brüdern ohne Herz, die ihm die Schwester entführt und die Mutter getötet haben, ihre sieben Herzen zu stehlen; sechs Herzen wirft er zu Boden und zwingt den noch übrigen ältesten Bruder, seine Mutter wieder zu beleben. - Indisch: der Sohn der siebenten Prinzessin befreit seine Mutter, seinen versteinerten Vater und seine sechs Oheime, nachdem ein dankbarer Adler ihn zu dem Papagei getragen, an den des Zauberers Leben geknüpft ist. "How a prince was chased by a Yaksani, and what befel"; Leben im Papagei. - Arabisch aus Ägypten: "Histoire d'Ours-de-cuisine"; der listige Mohammed holt die Flasche, in der das Leben der Dämonin steckt, sowie die Augen seiner Mutter und der 39 andern Frauen des Königs, und nötigt die Dämonin, die Augen wieder einzusetzen; als er ihr dann die Flasche reicht, lässt sie diese aus Angst zu Boden fallen.

Vermutlich ist die Erzählung von den Tierschwägern hervorgegangen aus dem einfacheren Märchen von dem im Ei verborgenen Leben des Unholds, dessen sich der Held, der zur Befreiung einer von jenem gefangen gehaltenen Jungfrau ausgezogen ist, bemächtigt, indem er sich entweder mit Hilfe dankbarer Tiere in die Gestalt eines Löwen, Vogels und Fisches verwandelt (A1) oder indem diese selber auf seinen Ruf herbei eilen (A2). - Schwedisch: Prinz Alexander teilt einen Büffel unter einen Löwen, Bären, Hund, Falken und Ameise, fliegt als Falke in die Kammer der Königstochter, wird ihr vermählt, muss sie dann aber aus dem Berg, in den sie ein Troll entführt, befreien und ein Steinchen holen, das in einer Taube, einem Hasen und einem Drachen steckt; als er dies auf den Berg schleudert, wird dieser zu einem Palast, der Troll wird entzaubert und heiratet eine Schwägerin des Helden. - Isländisch: "Die hilfreichen Tiere"; Vögel, Hunde, Rinder; Lebenseier der 13 Riesinnen. "Rauðiboli"; der Stier, der dem Helden das Lebensei des Riesen gewinnen hilft, ist ein verzauberter Königssohn. Bei "Der von Riesinnen geraubte Königssohn", wird der geraubte Prinz Hlini von der Bauerntochter Signy in der Höhle aufgesucht und fragt auf ihren Rat die Riesin nach ihrem Lebensei; mit Signy zusammen fährt er auf dem Zauberbett zum Wald und zerbricht das Ei. - Katalanisch: beleuchtet im Zauberschloss die Bettgenossin, erhält von ihr die Gabe, sich in eine Ameise oder Taube zu verwandeln, und holt den Edelstein aus dem Kopf einer Schlange. - Griechisch: "Der starke Hans"; Leben des Zauberers, der des Helden Frau entführt hat, in einer zehnköpfigen Schlange. - Bulgarisch: neun Herzen im Eber, darunter das des Unholds. - Litauisch: unter dem Bett des Vaters der Prinzessin steht die Kiste mit Hasen, Ente, Ei. - Armenisch: dankbare Krähen und Greife; Seele in einer Blase im Kopf eines Hirsches. - Sartisch: Herz in einer Taube im zehnten der vergrabenen Koffer. - Tatarisch: "Säipül Mälik"; erweckt die gefangene Jungfrau, indem er die Zaubertafel wegnimmt und tötet den Zauberer, dessen Leben in einer Taube in einem ins Meer versenkten Kasten liegt. "Chosha Sultan"; gewinnt durch dankbare Tiere das steinerne Herz seiner erzürnten Geliebten wieder. - Indisch: der Held erfährt von der gefangenen Prinzessin, wie er den Unhold enthaupten und den Knaben, in dem sein Leben verborgen ist, erstechen kann; dann belebt er die Menschen, deren Herzen der Unhold gefressen hat. - Arabisch: die Seele des Dschinni im Sperling in einer ins Meer versenkten Büchse, durch den Ring Salomos heraufgeholt. In einer andern Geschichte entdeckt die gefangene Prinzessin aus den Zauberbüchern, dass das Leben des Dämons an seinen Säbel geknüpft ist, und tötet ihn selber. - Sudan: "Les trois insatiables"; der König stirbt, als der Held ihm sagt, sein Leben sei in dem und dem Kästchen verborgen. - Kabylisch: der Unhold offenbart dem Helden selber, dass sein Schicksal in einem Ei stecke.

Die Vorstellung von der ausserhalb des Leibes in einem Ei (doch auch in einem Kästchen, Edelstein, Halsband, Schwert, in einer Biene, einem Vogel, Fisch, Baum) verborgenen Seele, die den Besitzer gegen Hieb und Stich unüberwindlich macht, begegnet uns schon im altägyptischen Brüdermärchen. Hier erfährt der König durch die Frau des Bata-u, dass dieser sein Herz in der Spitze der Akazienblüte versteckt hat, und lässt den Baum umhauen; aber Anepu, der ältere Bruder des Getöteten, legt das Herz in Wasser, da lebt Bata-u wieder auf. An die Einschachtelung in mehrere Tierleiber erinnert die Einschachtelung des Zauberbuches in sechs Kisten im ägyptischen Märchen von Setna. Verwandt ist die Verknüpfung eines Menschenlebens mit einem bestimmten Baum oder mit einem dem Feuer entrissenen Holzscheit, wie in der griechischen Sage von Meleager, den seine Mutter tötet, indem sie das Scheit verbrennt.

In einem siebenbürgischen Märchen enthält das Ei ein brennendes Lebenslicht. - Das Leben steckt in einem Edelstein. Steinchen im Schwert, Messer, in der Säule, in einer Biene, im Fisch, in einer zwölfköpfigen Schlange, in einem Vogel, im dreibeinigen Pferd oder in der lahmen Ziege, im goldenen Widder oder Hasen usw. - Im magyarischen Märchen sind zwei Käfer in der Taube eingeschachtelt; der schwarze ist die Kraft der Hexe, der leuchtende ihr Leben. Im burjätischen hat ein Held sogar drei Seelen, die eine in einer Elster, die zweite in einem Tempel, wo dreizehn Wachteln sitzen, die dritte im weissen Stein im See, worauf ein silberner Hase sitzt; die Seelen eines andern Helden stecken in drei Fischen in einer Grube im Tempel, in einem Hund und einem Hasen. Im altaischen Märchen hängen die Brüder, bevor sie sich schlafen legen, ihre Herzen auf einen Baum.

Das Leben des Riesen steckt in einem indischen Märchen in drei Palmen, in einem mongolischen in einer Pappel. In der persischen Heldensage führt der Wundervogel Simurg den Helden Rustem zu einer fernen Ulme, an die das Leben seines Feindes Isfendiar gebunden ist. Bei Asbjörnsen-Moe, wird die Prinzessin erlöst, wenn der Held ein Sandkorn findet, das unter der neunten Zunge des neunten Drachen liegt. In Zigeunermärchen wird das Lebensei ins Wasser oder Feuer geworfen, wie sonst auch das Schwert, in dem das Leben des Helden steckt. Der slowakische Held dagegen trinkt das Ei aus, um dadurch die Kraft des Zauberers zu erhalten, während dieser schwach wie ein Kind wird, oder er verzehrt zu gleichem Zweck das Herz des Täuberichs. In einer Erzählung der Armenier stirbt der goldene Vogel, der des Riesen Leben enthält, als der Held aus seinem Brunnen trinkt; in einem Blaubartmärchen der Zigeuner stirbt der Zauberer, als er von seiner Lebenskröte isst, die ihm seine dritte Frau gebraten vorsetzt, statt sie zu füttern.

Das Motiv gelangt noch in andern Verbindungen zur Verwendung. So kommt in einer dänischen Sage während des Zweikampfes zwischen dem Christenkönig und dem Heidenkönig eine mit einer Goldkette geschmückte weisse Hinde gesprungen; die Christenkrieger erschiessen sie, da sinkt der Heidenkönig tot nieder. In einer siamesischen Erzählung vermag Rama seinen Gegner, den König Thossakan, nicht zu verwunden, da dieser seine Seele einem Einsiedler in Verwahrung gegeben hat; erst als ein Begleiter Hanuman Thossakans Gestalt annimmt und das Kästchen dem Einsiedler abfordert und zerdrückt, endet des Zauberers Leben. Dagegen ist indem malaiischen Gedicht "Sjaïr Bidasari" das Leben der unschuldig verfolgten Heldin in einem goldenen Fisch gebannt; solange ihre Widersacherin diesen am Hals trägt, sinkt Bidasari in totenähnliche Starrheit; wird der Fisch aber in Wasser gelegt, so lebt sie auf wie im altägyptischen Brüdermärchen.


Variantenverzeichnis

>> Märchen-Suchdienst

Das Brüdermärchen (Bata und Anubis). Brunner-Traut/Aegypten 5
Die drei Schwestern. Musäus/Deutschland 1,1
Die Kristallkugel. Grimm/KHM 197
Vom Mann ohne Herz. Bechstein/Deutschland 17
Carevna Unke. Afanasjew/Russland 269


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