Der Riese ohne
Herz 302
Märchentyp AT: 302; cf. 665, 400,
425
Grimm KHM: Die Kristallkugel 197
Das Hauptmotiv dieses Märchens ist, dass
das Herz (die Seele, das Leben) eines übernatürlichen
Wesens versteckt ist, so dass es die Gegner nicht
vernichten können. Wir erkennen zwei Haupttypen. In einem
ist der Riese eine Art Zauberer, der fast die ganze
Familie des Helden (Mutter, Brüder, Schwägerinnen etc.)
zu Stein verwandelt. Er hält die Braut (Mutter) des
Helden gefangen, die nach Weisung des Helden in Erfahrung
bringt, wo das Herz wirklich verborgen ist, bis der Held
dadurch und mit Hilfe von dankbaren Tieren die
verschiedenen Tiergestalten töten kann, die der Zauberer
durch eine Reihe von Verwandlungen hervorbringt und zum
Vehikel des verborgenen Herzens macht. Die
Verwandlungsserie wird gewöhnlich mit einem Vogel
abgeschlossen, in dessen Ei das Herz eingeschlossen wurde.
Besonders oft begegnen wir der Serie: Ochse, Schwein,
Greif. Der Riese stirbt, wenn der Vogel, das Ei etc.
zerschlagen wird, worauf der Held die Seinen wieder
verwandelt und befreit. Der zweite Haupttyp lässt dem
Helden sowohl durch die Prinzessin, die der Riese gefangen
hält, Hilfe zuteil werden, als auch durch dankbare Tiere
(Löwe, Hund, Falke, Ameise), von welchen der Held die
Fähigkeit erhält, nach Belieben ihre Gestalt oder ihre
Eigenschaften anzunehmen. Auch in diesem Typ wird das Herz
des Riesen in einem Ei verborgen, das manchmal in einen
See fällt, aber schliesslich von einem Fisch aufgefangen
wird. Wird das Ei zerschlagen, stirbt der Riese. In
gewissen Varianten zerschlägt der Held das Ei an der
Stirne des Riesen.
Anmerkung
Da der Glaube an die Möglichkeit, das
Herz ausserhalb des eigenen Körpers aufzubewahren, bis in
die jüngste Vergangenheit um den Indischen Ozean zu
finden war, und da diese Vorstellung in einer mit dem hier
behandelten Märchen übereinstimmenden Weise im Orient
früh (im Batamärchen) dokumentiert wurde, muss man
voraussetzen, dass zumindest das Hauptmotiv dort seinen
Ursprung hat, und zwar, näher bestimmt, in Kleinasien
oder Nordsyrien, von wo das Batamärchen wahrscheinlich
ausgegangen ist. Für Kleinasien sind auch die hilfreichen
Tiere (Adler, Biene), wenn auch in anderem Zusammenhang
helfend, früh bei den Hethitern belegt. Die Erzählungen
darüber sind ungefähr aus der gleichen Zeit wie die
erste Aufzeichnung des Batamärchens (13. Jahrhundert
v.u.Z.). Auch die im Märchen auftretenden Tierarten
sprechen für den kleinasiatischen Ursprung. Die
Grundzüge des Märchens gehören selbstverständlich der
homerisch-mykenischen Periode (vor 700 v.u.Z.) an. Alt
sind auch die serienmässigen Tierverwandlungen (siehe
450).
Von sehr grossem Interesse sind in diesem
Zusammenhang zwei Episoden in der Hymiskvida der älteren
Edda (vielleicht aus dem 10. Jahrhundert). Darin kommen
Thor und der Gott Tyr zum Riesen Hymir. Der Riese ist
nicht zu Hause, zwei Frauen - die Mutter und die
Grossmutter des Begleiters empfangen sie. Die Mutter warnt
Thor und den Sohn vor dem Riesen und verbirgt sie unter
einem Kessel. Es gelingt ihr auch, Hymir zu beruhigen, als
er heimkehrt. Wenn uns diese Szene auch gut bekannt ist,
so wird doch nur in der Hymiskvida und im ersten
Haupttypus des Märchens die Frau als Mutter oder andere
Verwandte des Besuchers bezeichnet.
Literatur
Derungs, K.: Struktur des
Zaubermärchens I. Bern, Stuttgart, Wien 1994.
Horalek, K.: Der Märchentypus AaTh 302 (302C*) in Mittel-
und Osteuropa. In: Deutsches Jahrbuch für Volkskunde 13,
1967, p. 260-287.
Horalek, K.: Zur slawischen Überlieferung des
Märchentyps AaTh 302B (Zwei-Brüder-Märchen). In:
Ethnologia slavica 4, 1972, p. 179-197.
Mudrak, E.: Herr und Herrin der Tiere. In: Fabula 4, 1961,
p. 163-173.
Röhrich, L.: Herr der Tiere. In: EM 6, p. 866-879.
Röth, D.: Kleines Typenverzeichnis.
Hohengehren 1998.
Tuczay, C.: Der Unhold ohne Seele. Wien 1982.
Märchen
>> Das grosse Buch der
Zaubermärchen
Hinweise
Wir haben hier eine Fassung des zuerst bei Basile
auftauchenden Märchens von den Tierschwägern, das uns
schon den aus Musäus Erzählung abgeleiteten "Drei
Schwestern" in vollerer Gestalt entgegentrat. Dort
sucht ein Königssohn seine drei Schwestern auf, die sein
Vater bereits vor seine Geburt an einen Bären, Adler und
Walfisch (bei Basile einen Falken, Hirsch und Delphin)
vermählt hatte, besiegt mit Hilfe seiner Schwäger einen
übernatürlichen Stier (bei Basile Drachen) und befreit
dadurch eine gefangene Jungfrau und zugleich seine in
Tiergestalt verwünschten Schwäger. In unserer Fassung
sucht der Held statt der Tierschwäger zwei in Adler und
Walfisch verzauberte Brüder auf; ausserdem ist das Motiv
des den streitenden Riesen weggenommenen Wünschhutes
eingeschaltet, und in dem Ei des getöteten Auerochsen,
das bei Musäus den Schlüssel zum Gefängnis der
Prinzessin enthält, steckt als Dotter eine Kristallkugel,
welche die Macht des Zauberers vernichtet, während bei
Basile dies wunderbar eingeschachtelte Ei ganz fehlt. Den
durch den eifersüchtigen Dämon bewirkten Zauberschlaf
der Jungfrau, hat Musäus offenbar aus der persischen
Erzählung "Seyf el-Muluk" entlehnt; dort bricht
der Held ebenfalls den Zauber, indem er die Marmortafel
umstösst. Auch der kirgisische Held Säipül Mälik sieht
auf dem Kopf des schlafenden Mädchens eine beschriebene
Tafel und entfernt sie. In dem persischen Roman "Der
Frauenhüter" führt der Jüngling, indem er den
Schlafzettel auf die Erde wirft, nicht nur das Erwachen
der Schönen, sondern auch den Tod des Divs herbei. In
indischen Märchen erwacht die Jungfrau, als der Prinz sie
mit dem neben ihr liegenden goldenen Stäbchen berührt,
und schläft ein, wenn er statt dessen das silberne
Stäbchen nimmt. In andern Fassungen wird das Wunder noch
gesteigert: enthauptet liegt die Prinzessin da, erwacht
aber zum Leben, als der Held Haupt und Rumpf
zusammenfügt. - In dem kärntischen Märchen "Das
Zauberbüchel", das zu den "treuen Tieren"
gehört, schenken die drei Riesen ihrem Schwager
Wunschstiefel, Beutel und Mantel, so dass er dadurch und
mit Hilfe zweier Ratten Zaubertalisman und Gattin
wiedergewinnen kann.
Bretonisch: "Le château suspendu dans les
airs"; König der Fische, der Vögel und Ratten. -
Irisch: "The weaver's son and the giant of the white
hill"; Widder, Lachs, Adler; Leben des Zauberers im
Ei. - Italienisch: "La bella Fiorita"; statt der
Tierschwäger ein Schweinehirt, Jäger und Totengräber;
ihre Gaben helfen dem Helden die Aufgaben des Königs
lösen, ein Gewölbe voll Früchte verzehren, die
Prinzessin durch Vogelgesang einschläfern, in einer Nacht
ein zweijähriges Kind zeugen. "Von der schönen
Cardia"; König der Raben, der wilden Tiere, der
Vögel; Aufgaben der Hexe. "La bella del mondo".
- Portugiesisch: "Cravo, rosa e jasmim" und
"A torre de Babylonia". - Rumänisch:
"Schöne der Welt"; drei Raben. - Griechisch:
"Die Tochter des Königs Tsun Matsun". -
Albanesisch: "Les trois frères et les trois
soeurs"; Sonne, Mond, Südwind. - Serbokroatisch:
"Der Königssohn und die Vila"; Wind, Sonne,
Mond. Nikolic: auf einem Berg ein Sumpf, darin eine
Wildente, in deren Ei die Seele des "roten
Windes". - Tschechisch: "Sonnenkönig,
Mondkönig, Wildkönig". - Slowakisch: "Vom
Sonnenkönig, Mondkönig, Windkönig, der schönen Uliana
und zwei Zauberpferden". - Kaschubisch: im Ei ein
Schlüssel zum Zaubergarten. - Kleinrussisch: drei Drachen
mit 3, 6, 9 Köpfen. - Weissrussisch: zwei Schwestern;
Sonne, Donner. - Grossrussisch: drei Schwestern entführt
von 12 Bären, 12 Kaulbarschen, 12 Schwänen. - Litauisch:
"Von dem Königssohn, der auszog, um seine drei
Schwestern zu suchen". - Magyarisch:
"Strohkönig"; Sonne, Mond, Wind. -
Zigeunerisch: "Der Fischer und die Urme". -
Türkisch: "Der Windteufel"; Löwe, Tiger und
der smaragdene Anka-Vogel. - Neuaramäisch:
"Geschichte vom Kaufmann, seinen drei Söhnen und
drei Töchtern"; der jüngste Sohn holt für den
kranken Vater Lebensapfel und Nachtigall, wird von den
neidischen Brüdern in den Brunnen gestossen und erhält
vom dritten Schwager ein Blitzschwert. Prym-Socin: Wolf,
Adler und Vogel Sîmer beleben den von Schamâl
erschlagenen Schwager und helfen ihm seine beiden von
Schamâl geraubten Frauen wiedergewinnen. - Indisch:
"Der Knabe und sein Ochse"; Tiger, Schlange und
Ochse helfen ihrem Bruder die Königstochter gewinnen; er
soll Tigermilch und Lotosblumen holen und einen Elefanten
töten. - Aus Nigeria: Stier, Widder, Hund, Habicht helfen
dem Schwager das in einer Taube, Gazelle, einem Felsen und
See eingekapselte Kästchen mit dem Leben des Königs
gewinnen.
Verschieden davon sind die Erzählungen, in denen der
Held seinem dämonischen Schwager feindlich entgegentritt,
um die Schwester wieder heimzuführen. So gelingt es in
dem schwäbischen Märchen "Donner, Blitz und
Wetter" dem bei der Hexe aufgenommenen Helden, mit
Hilfe dreier dankbarer Tiere, des Wolfes, Fisches und der
Hornisse, ihre Aufgaben zu lösen; er soll ihre drei
Pferde, das sind seine Schwäger, die diese Gestalt
angenommen haben, hüten und bringt sie jedesmal abends
richtig heim; darauf tötet er sie allesamt, indem er ein
vierköpfiges Pferd enthauptet. In einem dänischen
Seitenstück zieht der Held mit einem Hasen, Fuchs, Wolf
und Bären zu dem rotbärtigen Troll, der seine Schwester
entführt und zwei ältere Brüder umgebracht hat, und
lässt dessen Mutter und ihn durch seine Tiere zerreissen.
- Schwedisch: "Ole Lur"; erhält von einer Alten
Zauberhandschuhe und befreit seine drei von den Riesen
geraubten Schwestern aus dem Berg. In dem schottischen
Märchen "Childe Rowland" besiegt der jüngste
der drei Brüder, der sich von Merlin beraten lässt, den
Elfenkönig im Zweikampf und nötigt ihn, die entführte
Schwester Ellen und die versteinerten Brüder
herauszugeben. Dagegen entrinnt in der dänischen Ballade
von Rosmer die vom Meermann geraubte Schwester durch List,
indem sie sich in der Goldkiste verbirgt, die der Meermann
dem scheidenden Schwager als Geschenk mitgibt. Im
serbischen Märchen "Stojscha und Mladen" lässt
sich der Held zuerst von seinen Drachenschwägern
bewirten, um sie dann im Verein mit dem Drachenkaiser zu
töten.
In einer verwandten Gruppe handelt es sich nicht um die
Befreiung der Schwester, sondern um die der Braut sowie
der Brüder, oder der Mutter. Eine holsteinische Fassung
berichtet "vom Manne ohne Herz", einem alten
Zauberer, dessen Leben in einem Vogel in einer fernen
Kirche steckt; der verwandelt sechs Brüder samt ihren
Bräuten in Stein und nimmt die Braut des daheim
gebliebenen jüngsten Bruders zu sich; dieser bemächtigt
sich, unterstützt von einem dankbaren Ochsen, Wildschwein
und Greifen, des Vogels, tötet den Riesen und zieht mit
den Erlösten davon. Ähnlich "Vom Zauberer, der kein
Herz im Leibe hatte". Siebenbürgisch: "Von den
zwölf Brüdern, die zwölf Schwestern zu Frauen
suchen"; Löwe, Adler, Fisch helfen den Talisman der
Hexe, ein Ei, gewinnen. In der waldeckischen Fassung
"Die sieben Prinzessinnen und der Zauberer"
offenbart der Zwerg selber dem Helden das Geheimnis seiner
im Ei verborgenen Seele und wird zu einem Prinzen
entzaubert. - Dänisch: sieben Brüder; neun Brüder; zehn
Brüder; zwölf Brüder. - Norwegisch: "Von dem
Riesen, der kein Herz im Leibe hatte"; sieben
Brüder; Rabe, Lachs, Wolf. - Rumänisch: "Fritz der
tapfre, geboren aus Blumen"; gewinnt zwei Eier aus
Ente und Sau und nötigt den Drachen, der seine Mutter
geheiratet hat, den versteinerten Vater und sein Heer zu
entzaubern; keine dankbaren Tiere. - Griechisch: der
Drache, der die Schwester entführte, hat drei goldene
Haare am Kopf, mit denen man das Zimmer mit den drei
Tauben, an die sein Leben geknüpft ist, öffnen kann. -
Serbokroatisch: "Ein Bursche erlöst zwölf
verwunschene Mädchen"; Drachen, in dem ein Ei
steckt. - Bulgarisch: Mutter von einem Drachen entführt;
in seinem Pelz eine Dose mit drei goldenen Hühnchen. -
Polnisch: "Der Mann ohne Herz"; sieben Brüder;
der jüngste holt mit Hilfe eines Ochsen, Schweins und
Adlers das in einer von Wasser umgebenen Kirche
aufgehängte Herz des Zauberers. Kolberg: Schwanjungfrau
bei einem Drachen; Held als Löwe, Hund, Habicht und
Ameise überwältigt den Drachen, Hasen, die Taube und
findet im Ei die drei Schlüssel. - Grossrussisch: der
jüngste Sohn befreit die vom Wind entführte Mutter und
verbrennt das Sandkorn, in das dieser sich verwandelt;
wird von den Brüdern in der Unterwelt zurückgelassen.
Afanasjev: die entführte Mutter entlockt dem
unsterblichen Košcej sein Geheimnis; dankbarer Wolf,
Rabe, Hecht. Sadovnikov: Braut entführt; Ei in einer Ente
unter einer Eiche am Meer; Hecht hilft. - Magyarisch:
Pengös ältere Brüder erlegen den Geier und Eber und
heiraten die von diesen umworbenen Königstöchter;
Pengö, dessen Gattin vom spannenlangen Mann geraubt wird,
sucht diesen auf und bringt sein in einem Käfer
verborgenes Leben mit Hilfe von Wolf, Adler und Rabe an
sich. - Imeretinisch: Mutter vom jüngsten Sohn befreit,
der sich am Strick hinablässt und den Entführer mit
dessen Schwert tötet. - Lappländisch: "Der Riese,
dessen Leben in einem Hühnerei verborgen war". -
Samojedisch: der Held nötigt eine Schwanjungfrau, deren
Gewand er raubt, den sieben Brüdern ohne Herz, die ihm
die Schwester entführt und die Mutter getötet haben,
ihre sieben Herzen zu stehlen; sechs Herzen wirft er zu
Boden und zwingt den noch übrigen ältesten Bruder, seine
Mutter wieder zu beleben. - Indisch: der Sohn der
siebenten Prinzessin befreit seine Mutter, seinen
versteinerten Vater und seine sechs Oheime, nachdem ein
dankbarer Adler ihn zu dem Papagei getragen, an den des
Zauberers Leben geknüpft ist. "How a prince was
chased by a Yaksani, and what befel"; Leben im
Papagei. - Arabisch aus Ägypten: "Histoire
d'Ours-de-cuisine"; der listige Mohammed holt die
Flasche, in der das Leben der Dämonin steckt, sowie die
Augen seiner Mutter und der 39 andern Frauen des Königs,
und nötigt die Dämonin, die Augen wieder einzusetzen;
als er ihr dann die Flasche reicht, lässt sie diese aus
Angst zu Boden fallen.
Vermutlich ist die Erzählung von den Tierschwägern
hervorgegangen aus dem einfacheren Märchen von dem im Ei
verborgenen Leben des Unholds, dessen sich der Held, der
zur Befreiung einer von jenem gefangen gehaltenen Jungfrau
ausgezogen ist, bemächtigt, indem er sich entweder mit
Hilfe dankbarer Tiere in die Gestalt eines Löwen, Vogels
und Fisches verwandelt (A1) oder indem diese selber auf
seinen Ruf herbei eilen (A2). - Schwedisch: Prinz
Alexander teilt einen Büffel unter einen Löwen, Bären,
Hund, Falken und Ameise, fliegt als Falke in die Kammer
der Königstochter, wird ihr vermählt, muss sie dann aber
aus dem Berg, in den sie ein Troll entführt, befreien und
ein Steinchen holen, das in einer Taube, einem Hasen und
einem Drachen steckt; als er dies auf den Berg schleudert,
wird dieser zu einem Palast, der Troll wird entzaubert und
heiratet eine Schwägerin des Helden. - Isländisch:
"Die hilfreichen Tiere"; Vögel, Hunde, Rinder;
Lebenseier der 13 Riesinnen. "Rauðiboli"; der
Stier, der dem Helden das Lebensei des Riesen gewinnen
hilft, ist ein verzauberter Königssohn. Bei "Der von
Riesinnen geraubte Königssohn", wird der geraubte
Prinz Hlini von der Bauerntochter Signy in der Höhle
aufgesucht und fragt auf ihren Rat die Riesin nach ihrem
Lebensei; mit Signy zusammen fährt er auf dem Zauberbett
zum Wald und zerbricht das Ei. - Katalanisch: beleuchtet
im Zauberschloss die Bettgenossin, erhält von ihr die
Gabe, sich in eine Ameise oder Taube zu verwandeln, und
holt den Edelstein aus dem Kopf einer Schlange. -
Griechisch: "Der starke Hans"; Leben des
Zauberers, der des Helden Frau entführt hat, in einer
zehnköpfigen Schlange. - Bulgarisch: neun Herzen im Eber,
darunter das des Unholds. - Litauisch: unter dem Bett des
Vaters der Prinzessin steht die Kiste mit Hasen, Ente, Ei.
- Armenisch: dankbare Krähen und Greife; Seele in einer
Blase im Kopf eines Hirsches. - Sartisch: Herz in einer
Taube im zehnten der vergrabenen Koffer. - Tatarisch:
"Säipül Mälik"; erweckt die gefangene
Jungfrau, indem er die Zaubertafel wegnimmt und tötet den
Zauberer, dessen Leben in einer Taube in einem ins Meer
versenkten Kasten liegt. "Chosha Sultan";
gewinnt durch dankbare Tiere das steinerne Herz seiner
erzürnten Geliebten wieder. - Indisch: der Held erfährt
von der gefangenen Prinzessin, wie er den Unhold
enthaupten und den Knaben, in dem sein Leben verborgen
ist, erstechen kann; dann belebt er die Menschen, deren
Herzen der Unhold gefressen hat. - Arabisch: die Seele des
Dschinni im Sperling in einer ins Meer versenkten Büchse,
durch den Ring Salomos heraufgeholt. In einer andern
Geschichte entdeckt die gefangene Prinzessin aus den
Zauberbüchern, dass das Leben des Dämons an seinen
Säbel geknüpft ist, und tötet ihn selber. - Sudan:
"Les trois insatiables"; der König stirbt, als
der Held ihm sagt, sein Leben sei in dem und dem Kästchen
verborgen. - Kabylisch: der Unhold offenbart dem Helden
selber, dass sein Schicksal in einem Ei stecke.
Die Vorstellung von der ausserhalb des Leibes in einem
Ei (doch auch in einem Kästchen, Edelstein, Halsband,
Schwert, in einer Biene, einem Vogel, Fisch, Baum)
verborgenen Seele, die den Besitzer gegen Hieb und Stich
unüberwindlich macht, begegnet uns schon im
altägyptischen Brüdermärchen. Hier erfährt der König
durch die Frau des Bata-u, dass dieser sein Herz in der
Spitze der Akazienblüte versteckt hat, und lässt den
Baum umhauen; aber Anepu, der ältere Bruder des
Getöteten, legt das Herz in Wasser, da lebt Bata-u wieder
auf. An die Einschachtelung in mehrere Tierleiber erinnert
die Einschachtelung des Zauberbuches in sechs Kisten im
ägyptischen Märchen von Setna. Verwandt ist die
Verknüpfung eines Menschenlebens mit einem bestimmten
Baum oder mit einem dem Feuer entrissenen Holzscheit, wie
in der griechischen Sage von Meleager, den seine Mutter
tötet, indem sie das Scheit verbrennt.
In einem siebenbürgischen Märchen enthält das Ei ein
brennendes Lebenslicht. - Das Leben steckt in einem
Edelstein. Steinchen im Schwert, Messer, in der Säule, in
einer Biene, im Fisch, in einer zwölfköpfigen Schlange,
in einem Vogel, im dreibeinigen Pferd oder in der lahmen
Ziege, im goldenen Widder oder Hasen usw. - Im
magyarischen Märchen sind zwei Käfer in der Taube
eingeschachtelt; der schwarze ist die Kraft der Hexe, der
leuchtende ihr Leben. Im burjätischen hat ein Held sogar
drei Seelen, die eine in einer Elster, die zweite in einem
Tempel, wo dreizehn Wachteln sitzen, die dritte im weissen
Stein im See, worauf ein silberner Hase sitzt; die Seelen
eines andern Helden stecken in drei Fischen in einer Grube
im Tempel, in einem Hund und einem Hasen. Im altaischen
Märchen hängen die Brüder, bevor sie sich schlafen
legen, ihre Herzen auf einen Baum.
Das Leben des Riesen steckt in einem indischen Märchen
in drei Palmen, in einem mongolischen in einer Pappel. In
der persischen Heldensage führt der Wundervogel Simurg
den Helden Rustem zu einer fernen Ulme, an die das Leben
seines Feindes Isfendiar gebunden ist. Bei
Asbjörnsen-Moe, wird die Prinzessin erlöst, wenn der
Held ein Sandkorn findet, das unter der neunten Zunge des
neunten Drachen liegt. In Zigeunermärchen wird das
Lebensei ins Wasser oder Feuer geworfen, wie sonst auch
das Schwert, in dem das Leben des Helden steckt. Der
slowakische Held dagegen trinkt das Ei aus, um dadurch die
Kraft des Zauberers zu erhalten, während dieser schwach
wie ein Kind wird, oder er verzehrt zu gleichem Zweck das
Herz des Täuberichs. In einer Erzählung der Armenier
stirbt der goldene Vogel, der des Riesen Leben enthält,
als der Held aus seinem Brunnen trinkt; in einem
Blaubartmärchen der Zigeuner stirbt der Zauberer, als er
von seiner Lebenskröte isst, die ihm seine dritte Frau
gebraten vorsetzt, statt sie zu füttern.
Das Motiv gelangt noch in andern Verbindungen zur
Verwendung. So kommt in einer dänischen Sage während des
Zweikampfes zwischen dem Christenkönig und dem
Heidenkönig eine mit einer Goldkette geschmückte weisse
Hinde gesprungen; die Christenkrieger erschiessen sie, da
sinkt der Heidenkönig tot nieder. In einer siamesischen
Erzählung vermag Rama seinen Gegner, den König
Thossakan, nicht zu verwunden, da dieser seine Seele einem
Einsiedler in Verwahrung gegeben hat; erst als ein
Begleiter Hanuman Thossakans Gestalt annimmt und das
Kästchen dem Einsiedler abfordert und zerdrückt, endet
des Zauberers Leben. Dagegen ist indem malaiischen Gedicht
"Sjaïr Bidasari" das Leben der unschuldig
verfolgten Heldin in einem goldenen Fisch gebannt; solange
ihre Widersacherin diesen am Hals trägt, sinkt Bidasari
in totenähnliche Starrheit; wird der Fisch aber in Wasser
gelegt, so lebt sie auf wie im altägyptischen
Brüdermärchen.
Variantenverzeichnis
>> Märchen-Suchdienst
Das Brüdermärchen (Bata und
Anubis). Brunner-Traut/Aegypten 5
Die drei Schwestern. Musäus/Deutschland 1,1
Die Kristallkugel. Grimm/KHM 197
Vom Mann ohne Herz. Bechstein/Deutschland 17
Carevna Unke. Afanasjew/Russland 269
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