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Die drei geraubten Prinzessinnen 301

Märchentyp AT: 301AB; cf. 300, 513A, 650
Grimm KHM: Das Erdmännchen 91


Das Märchen beginnt mit der Vorgeschichte entweder des Helden oder der Heldin. Im ersten Fall wird der Held als ein Mann übernatürlicher Herkunft und übernatürlicher Kraft geschildert. Es heisst von ihm, dass er der Sohn eines Bären sei oder auch der Sohn einer Frau, die eine wunderbare Frucht oder einen Fisch verzehrt hatte. Wie schwer die Eisenstangen auch sein mögen, die er sich schmieden lässt, er vermag sie immer hoch in die Luft zu schleudern. Der Held findet den Weg in die Unterwelt mit Hilfe eines Zwerges, der zuerst die ihn begleitenden Brüder oder Gefährten und schliesslich ihn selbst bei der Küchenarbeit stört. Er versetzt dem aufdringlichen Zwerg einen Schlag, so dass dessen Haupt in einen Brunnen rollt. Dieser Brunnen erweist sich dann als Abstieg in die Unterwelt. In anderen Varianten verwundet der Held einen, wie es heisst, diebischen Zwerg, auf den seine Brüder und er längere Zeit gelauert haben, und dann werden sie durch die Blutspur zum Abstieg geführt. Der Held wird sodann in die Unterwelt hinuntergelassen und findet dort drei Prinzessinnen. Jede wird von einem mehrköpfigen Drachen bewacht und muss ihn lausen.
Wenn das Märchen mit der Heldin beginnt, wird beschrieben, wie sie und ihre beiden Schwestern plötzlich, geraubt von drei liebeskranken Drachen, verschwinden. Wie immer das Märchen auch anfangen mag, es sind jedenfalls diese ihre Opfer bewachenden Drachen, die der Held in der Unterwelt vorfindet und nach blutigem Kampf, oft mit Hilfe eines dort gefundenen Schwertes und eines stärkenden Trankes, erlegt. Aber als der Held und die Prinzessinnen hinaufgezogen werden sollen, wird er von seinen verräterischen Gefährten oder Brüdern im Stich gelassen, und wenn er statt des Steines, den er am Seil festband, sich selbst hätte hinaufziehen lassen, wäre er zu Tode gestürzt, als dieses abgeschnitten wurde. Die Gefährten verschwinden sodann mit den Prinzessinnen. In verschiedenen Varianten wird der einsame Held nun von einem Bock oder einem anderen Tier noch tiefer in die Unterwelt geführt und kämpft dort noch einmal, wie unter 300 beschrieben, gegen einen Drachen. Mit Hilfe eines Vogels oder auf eine andere übernatürliche Weise kommt er jedoch wieder aus der Unterwelt herauf. Die treulosen Freunde spielen dann die Rolle des falschen Rivalen oder des Betrügers, während der Held, sich als Handwerker ausgebend, seine Identität dadurch beweist, dass er die Kleider oder die Kronen vorweist, mit welchen die Prinzessinnen geraubt wurden. Er gewinnt die Hand der jüngsten Prinzessin.


Anmerkung

Es scheint, als ob die Version mit der übernatürlichen Geburt des Helden durch eine Frucht (einen Fisch) die ursprüngliche wäre. Das letztgenannte Motiv ist auch aus dem Märchen Die Zwillingsbrüder (303), aus dem Batamärchen (318) und dem unter 519 erwähnten Märchen Der Drachenkampf auf der Brücke bekannt, wenn es dort auch oft mit dem Motiv der gleichzeitigen Geburt erweitert ist. Alle diese Märchen haben Drachenkampfmotive. Die von Frankreich bis zum Ural belegte Vorstellung von der Abstammung des Helden von einem vierbeinigen Tier dürfte sowohl mit dem Märchen Der starke Hans (650) als auch mit ähnlichen Sagentypen in Verbindung gebracht werden. Solche waren in Griechenland schon in der Antike bekannt, und in unserer Zeit finden wir sie von China und Indien über Europa bis zur Westküste des Grossen Ozeans. Der Bär spielt darin eine wichtige Rolle.

Westlich und nördlich des Schwarzen Meeres gibt es mehrere Sondertypen des Märchens, u.a. einen, in dem der Held posthum seine Schwester befreit. Dieser Typ ist deswegen besonders interessant, weil er deutlich gewisse vom Ende des Mittelalters stammende niederdeutsche Varianten der Sigurdsage beeinflusst hat. Nach allem zu schliessen, dürfte es auch das Einleitungsmotiv des Märchens vom Bärensohn (650) sein, das den Zug der Sigurdsage, dass der Held Sigurd den Amboss des Schmiedes Regin spaltet, inspiriert hat. Das persische Heldengedicht hat denselben Zug erhalten, da Firdausi (um 1000 n.u.Z.) den Drachentöter Guschtasp (Hystaspes) bei einem "Schmied in Konstantinopel" Hammer und Amboss entzweischlagen lässt.

Dass die Heldin in diesem Typ den Drachen lausen muss, zeigt seinen erotischen Charakter. Der Drache gehört nicht zum menschenfressenden Drachentyp, den wir in dem Märchen Die Zwillingsbrüder (303) und Der Drachentöter (300) finden. Auch der Drachenkampf ist anderer Art. Der Drache in Bärensohn steht dem Drachentypus der Perser und Inder am nächsten (s. 300). Viele haben das Märchen aus den persisch-indischen Drachenkampfmythen ableiten wollen und berufen sich besonders darauf, dass der Held im Märchen vor dem Kampf mit dem Drachen oft einen kräftigen Trank erhält, wodurch er imstande ist, das ihm gegebene Schwert zu schwingen. Der Zaubertrank solle dem "Haoma" oder "Soma" der Perser oder Inder entsprechen, einen Trank, den der Held oder Heldengott vor dem Erlegen des Drachens zu sich nimmt. Diese Übereinstimmung des Motivs beweist jedoch nicht, dass das Märchen als solches gleichzeitig vorhanden war. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass die gefundene Waffe auch im Beowulf vorkommt (v. 1557). Näher steht dem Märchen eine von Konon (im 1. Jahrhundert v.u.Z.) wiedergegebene Episode, nach Ephesus in Kleinasien verlegt, laut welcher ein Hirt, genau wie der Held im Bärenmärchen, von einem Gefährten in eine Höhle mit einem Schatz hinuntergelassen und dann treulos verlassen wird, nachdem er dieselben Vorsichtsmassnahmen ergriffen hatte wie dieser. Auch er wird von einem Vogel herausgeführt, um dann Gelegenheit zu bekommen, seinen Freund zu bestrafen. Wenn man die Erzählung in ihrem Zusammenhang liest, kann man kaum am gemeinsamen Ursprung zweifeln. Es fehlen uns jedoch noch zwei Etappen zur vollständigen Übereinstimmung: einmal das Bezwingen eines Drachens, zum andern dessen Verwandlung in ein frauenraubendes Tier, mit einer Prinzessin statt eines Schatzes in seiner Gewalt. Der Ritt auf dem Vogelrücken ist schon aus dem sumerisch-babylonischen Etana-Märchen (3. Jahrtausend v.u.Z.) bekannt. Zum Schluss soll noch bemerkt werden, dass das Märchen in einigen Varianten dem Helden mehrere Menschen dienen lässt, die mit besonderen Eigenschaften ausgestattet sind, wie wir sie in 513 kennenlernen. Sie nehmen dann die Stellen der treulosen Gefährten ein, und gleichzeitig werden gewisse Aufträge damit verbunden. Dieser Typus findet sich im ganzen Verbreitungsgebiet des Märchens

Was die schwedischen Varianten betrifft, so erscheinen sie im allgemeinen sehr vereinfacht, und dennoch gibt es in Schweden die überhaupt älteste europäische Aufzeichnung des Märchens als Ganzes gesehen. Man findet darin Anleihen aus 506B. So trifft der Held u.a. die Prinzessin auf einer Insel statt in der Unterwelt. Dasselbe ist in etlichen norwegischen Versionen der Fall; die Anzahl der Prinzen und Prinzessinnen wird in diesem Typus oft auf sieben oder zwölf erhöht. Die schwedischen Versionen scheinen jedoch im allgemeinen auf späteren Schillingdrucken zu basieren. Der Held ist darin ein ganz gewöhnlicher Soldat, und die Erzählung beginnt damit, dass die Heldin und ihre Schwestern verschwinden, obwohl sie von "Trabanten" bewacht werden. Hier haben wir wirklich einen Fall, in dem ein Schillingdruck einen tiefgreifenden Einfluss auf die mündliche Überlieferung gehabt hat. Die erste Auflage erschien bereits 1772 und handelt von einem "König von Arabien", einer "Prinzessin von Amerika" und einem verzauberten Land in "Sibirien", und dieser Auflage folgten gegen 90 andere, die letzte 1904. In allen tritt ein in der echten Überlieferung unbekannter dienstbarer Geist namens Lunkentus auf, ähnlich dem in 561 (Aladin). Dieser Lunkentus ist eine feststehende Figur in den aus dem Volksbuch geholten "volkstümlichen" Versionen.


Literatur

Dukova, U.: Das Bild des Drachen im bulgarischen Märchen. In: Fabula 11, 1970, p. 209-252.
Findeisen, H.: Mensch und Tier als Liebespartner in der volksliterarischen Überlieferung Nordeurasiens und der amerikanischen Arktis. Augsburg 1956.
Ipsen. J.: Die Einleitung zu den Unterweltmärchen bei Grimm KHM Nr. 91 und Nr. 166. In: Norddeutsche Zeitschrift für Volkskunde 5, 1927. p. 65-88.
Panzer, F.: Das Märchen vom Bärensohn. In: Studien zur german. Sagengeschichte 1. München 1910.
Polivka, G.: Der weisse und der schwarze Widder. In: Zeitschrift für Volkskunde 26, 1916. p. 318-322.
Propp, V.J.: Die historischen Wurzeln des Zaubermärchens. München 1987.
Röth, D.: Kleines Typenverzeichnis. Hohengehren 1998.
Scherb, H.: Das Motiv vom starken Knaben in den Märchen der Weltliteratur. Stuttgart 1930.
Ting, N.: AT Type 301 in China and some countries adjacent to China. In: Fabula 11, 1970, p. 54-125.
Ward, D.: Bärensohn. In: EM 1, p. 1232-1235.


Märchen

>> Vassilissa Golden Tress, the Bareheaded Beauty


Hinweise

Eine Erzählung aus der Gegend von Köln am Rhein weicht in einigem ab. Ein mächtiger König hat drei schöne Töchter. Einmal bei einem herrlichen Fest gehen sie in den Garten spazieren und kommen abends nicht wieder. Als sie am andern Tag auch noch ausbleiben, lässt sie der König durchs ganze Reich suchen, aber niemand kann sie finden. Da macht er bekannt, wer sie wiederbringe, solle eine zur Gemahlin haben und Reichtümer dazu für sein Lebelang. Viele ziehen aus, aber umsonst; zuletzt machen sich drei Ritter auf den Weg und wollen nicht ruhen, als bis es ihnen glückt. Sie geraten in einen grossen Wald, wo sie den ganzen Tag hungrig und durstig fortreiten; endlich sehen sie in der Nacht ein Lichtlein, das sie zu einem prächtigen Schloss leitet, worin aber kein Mensch zu sehen ist. Weil sie so hungrig sind, suchen sie nach Speise; einer findet ein Stück Fleisch, es ist aber noch roh. Da spricht der jüngste: "Geht ihr beide und schafft einen Trank! Ich will derweil das Fleisch braten". Also steckt er den Braten an einen Spiess, und wie er brutzelt, steht auf einmal ein Erdmännchen neben ihm mit einem langen weissen Bart bis an die Knie und zittert an Händen und Füssen. "Lass mich beim Feuer meine Glieder wärmen", spricht es, "so will ich dafür den Braten wenden und mit Butter begiessen". Der Ritter erlaubt ihm das; nun dreht es flink den Braten, aber so oft der Ritter wegsieht, steckt es seine Finger in die Bratpfanne und leckt die warme Brühe auf. Der Ritter ertappt es ein paarmal und sagt, es sollt's bleiben lassen, aber das kleine Ding kann nicht und ist immer wieder mit dem Finger in der Pfanne. Da wird der Ritter zornig, fasst das Erdmännchen beim Bart und zaust es, dass es ein Zetergeschrei erhebt und fortläuft. Die zwei andern kommen indes mit Wein, den sie im Keller gefunden haben, und nun essen und trinken sie zusammen. Am andern Morgen suchen sie weiter und finden ein tiefes Loch. "Darin", sagen sie, "müssen die Königstöchter verborgen sein", und losen, wer sich soll hinunterlassen, die beiden andern wollen dann den Strick halten. Das Los trifft den, welcher mit dem Erdmännchen zu tun gehabt hat. Es dauert lang, bis er auf Grund kommt, und unten ist's stockfinster; da geht eine Türe auf, und das Erdmännchen, das er am Bart gezogen, kommt und spricht: "Ich sollte dir vergelten, was du mir Böses getan, aber du erbarmst mich. Ich bin der König der Erdmännlein, ich will dich aus der Höhle bringen; denn wenn du noch einen Augenblick länger bleibst, so ist's um dich geschehen." Der Ritter antwortet: "Sollt ich gleich Todes sterben, so geh ich nicht weg, bis ich weiss, ob die Königstöchter hier versteckt sind." Da spricht es: "Sie sind in diesem unterirdischen Stein von drei Drachen bewacht. In der ersten Höhle sitzt die älteste und ein dreiköpfiger Drache neben ihr, jeden Mittag legt er seine Köpfe in ihren Schoss, da muss sie ihn lausen, bis er eingeschlafen ist. Vor der Türe hängt ein Korb, darin liegt eine Flöte, eine Rute und ein Schwert, und die drei Kronen der Königstöchter liegen auch darin. Den Korb musst du dir erst wegtragen und in Sicherheit bringen, dann fasse das Schwert, geh hinein und hau dem Drachen die Köpfe ab, aber alle drei auf einmal! Verfehlst du einen, so wachsen alsbald die andern wieder, und es kann dich nichts mehr retten". Dann gibt er ihm auch eine Glocke, wenn er daran ziehe, wolle er ihm zu Hilfe eilen. Nach der ältesten erlöst er auch die zweite, die ein siebenköpfiger, und die dritte, die ein neunköpfiger Drache bewacht. Dann führt er sie zu dem Eimer, worin er herabgelassen war, und ruft seinen Gesellen zu, sie sollten wieder hinaufwinden. Also ziehen sie die drei Königstöchter nacheinander in die Höhe. Wie sie oben sind, werfen die zwei Treulosen das Seil hinunter und meinen, er solle in der Tiefe umkommen. Er zieht aber das Glöckchen, da erscheint das Erdmännchen und heisst ihn auf der Flöte pfeifen, und wie er das tut, kommen aus allen Ecken viel tausend Erdmännchen herbeigelaufen. Da heisst sie ihr König eine Treppe für den Ritter machen und sagt ihm, oben solle er nur mit der Rute aus dem Korb auf die Erde schlagen. Also legen sich die kleinen Männer aufeinander und bilden eine Treppe, worauf der Ritter hinaufgeht; oben schlägt er mit der Rute, da sind sie alsbald wieder verschwunden.

Eine Erzählung erhält folgendes Besondere. Die drei Königstöchter kommen beim Baden fort. Statt des Zwerges erscheint hier den Dreien, welche ausgehen die Königstöchter zu suchen, ein Alter, den der Dritte, als er Essen von ihm fordert, einen Keil aus dem gespaltenen Holz ziehen heisst. Wie sich der Alte nun bückt, so zieht jener die Axt heraus und klemmt ihn mit dem Bart fest, der in die Spalte hineinhing. Der Alte reisst sich den Bart mit Gewalt aus und läuft fort; sie folgen seiner blutigen Spur und gelangen auf diese Weise zu der Erdhöhle, worin die Königstöchter sitzen. Als der dritte allein zurückgeblieben ist und auf einer Flöte bläst, kommt ein schöner Mann, der bringt ihn durch einen langen Gang die Höhle heraus, gibt ihm die Kleider, in welchen die drei Königstöchter gestohlen waren und die sie mitzunehmen vergessen hatten, und sagt ihm, er solle zum Hofschneider gehen, sich als Geselle bei ihm verdingen und, wenn eine von den Königstöchtern das Brautkleid bestelle, das ihrige bringen, so würden sie ihn erkennen. Das führt er aus; jede Königstochter verlangt ein Kleid so gemacht wie das, worin sie ist gestohlen worden. Der Geselle verspricht's zu liefern, lebt aber mit dem Meister lustig, und als dieser abends endlich an die Arbeit will, sagt er zu ihm, er solle sich nur schlafen legen, er wolle das Kleid schon in der Nacht fertig machen. Die zwei ältesten merken nicht darauf, aber die dritte erkennt ihr Kleid, lässt den Gesellen kommen und hört nun, dass er ihr Erretter ist, und vermählt sich mit ihm.

Erzählung aus Steinau im Hanauischen. Das kleine graue Männchen unterwirft sich dem dritten Königssohn nicht eher, als bis er es zwischen zwei Eichstöcke geschraubt hat. Darauf entdeckt es ihm den Aufenthalt der Königstöchter, die von drei Riesen in einer Höhle gefangen gehalten werden. Er wird hinabgelassen, zwei Löwen werden durch vorgeworfenes Fleisch beschäftigt; er findet die älteste, die aber erst seine Stärke versucht, indem er einen Eisenstab aufheben muss. Der Riese nähert sich, sie versteckt den Königssohn unter ihr Bett, macht jenen mit süssem Wein trunken, so dass er einschläft, und winkt dann dem Versteckten, der mit dem Eisenstab auf einen Hieb dem Riesen den Kopf entzwei schlägt. Auf dieselbe Weise werden die andern Riesen getötet und die drei Jungfrauen befreit. Sie ziehen ihre seidenen Oberkleider aus und schenken sie ihm, gleichfalls ihre goldnen Ringe vom Finger. Als er hernach unten eingesperrt ist, kommt ein Zwerg mit einer grossen Schramme auf dem Backen; es ist das graue Männchen, das er zwischen die Eichstöcke geschraubt hatte. Es zeigt ihm eine Öffnung, wo ein tiefer Bach fliesst; er setzt sich in ein Schifflein und gelangt wieder an das Tageslicht. Er wird ein Schneidergesell, und als die Königstöchter Kleider verlangen, schickt er ihnen die seidenen Oberkleider, die sie ihm geschenkt hatten. Dann geht er zu einem Goldschmied, und als sie Ringe verlangen, schickt er gleichfalls die goldenen, die er von ihnen in der Höhle bekommen hat. Sie werden dadurch aufmerksam, alles kommt an den Tag, die zwei bösen Brüder werden in einen Sack voll Schlangen eingenäht und in den Abgrund geworfen.

Wir unterscheiden folgende Motive: A. Der Held ist von wunderbarer Abstammung und Stärke: (A1) der Sohn eines Bären, der eine Frau im Wald überfällt, oder (A2) eines Zwergs oder Räubers, aus dessen Gewalt der Knabe sich und die Mutter befreit, oder (A3) von einem Mann mit einer Bärin oder Stute gezeugt, oder nur (A4) von einer Bärin oder Kuh gesäugt, (A5) durch Genuss einer Frucht entstanden, (A6) vom Wind erzeugt oder endlich (A7) aus einem brennenden Holz entstanden. - B1. Mit zwei Genossen kommt er in ein leeres Waldhaus, dessen dämonischer Besitzer die Gefährten misshandelt, aber vom Helden bezwungen wird. - B2. Der dritte Königssohn verwundet, was seine Brüder nicht vermocht hatten, den Dämon, der nachts des Königs Apfelbaum plündert, und verfolgt ihn bis zu einem Brunnenloch. - C. Drei Prinzessinnen werden von einem Dämon geraubt; der Held zieht allein oder mit Gefährten aus, sie zu suchen. - D. Der Held lässt sich in das Brunnenloch hinab, besiegt in der unterirdischen Welt mit einem dort gefundenen Schwert mehrere dämonische Wesen und befreit drei Jungfrauen, die seine Gefährten am Strick emporziehen. - E. Er selbst wird von den treulosen Gefährten zurückgelassen, gelangt aber mit Hilfe eines Geistes (Ring) oder eines Vogels (den er mit dem eignen Fleisch füttert) auf die Oberwelt, oder (E2) wird hinaufgezogen. - F. Er gibt sich den Jungfrauen zu erkennen, indem er die von diesen vor der Hochzeit geforderten Ringe oder Kleider liefert, führt die Bestrafung der treulosen Gefährten herbei und hält mit der dritten Prinzessin Hochzeit.

Maltesisch: "Der goldene Apfel und die siebenköpfige Schlange"; der Vogel trägt den Helden samt dem befreiten Mädchen hinauf. - Griechisch: "Der Goldäpfelbaum und die Höllenfahrt". Bei "Vom jüngsten Bruder, der seine geraubte Schwester vom Drakenberge holt" wird die Schwester auf einen hohen Berg entführt, eine Schlange trägt den Helden hinauf, der drei Prinzessinnen befreit und durch ein Pferd des Drachen hinuntergebracht wird. - Albanisch: "La belle de la terre". - Serbokroatisch: "Das Luftschloss"; der Held schiesst einen Pfeil mit einem Riemen nach dem in der Luft schwebenden Schloss und klimmt empor; die Schwester führt ihn zu drei andern Jungfrauen. Aus Slavonien: Stutensohn befreit Schwester und zwei Jungfrauen. Aus Bosnien: für den erblindeten König holen seine Söhne das Fett des schwarzen Fuchses; weisser und schwarzer Widder, Greif. Bos.: der nachgeborene Bruder befreit die vom Drachen entführte Schwester; Drachenzungen. - Bulgarisch: hier trifft der Held wie in vielen orientalischen Fassungen einen weissen und einen schwarzen Widder, von denen ihn der erste aus dem Brunnenloch emporwerfen kann; er steigt aber auf den schwarzen, der ihn noch tiefer wirft und befreit dort eine Jungfrau vom Drachen.

Polnisch: der Held besteigt statt des Ochsen mit goldenen Hörnern den silbergehörnten, der ihn in Sümpfe trägt; ein dankbarer Löwe bringt ihn übers Meer heim. - Kleinrussisch: der nachgeborene Percovyc befreit seine neun Brüder und die Schwester, indem er das Untier aufschlitzt, und sendet drei Jungfrauen, Morgenstern, Mond und Sonne, aus der Unterwelt hinauf. Aus Galizien: zweimal sieben Jahre von der Kuh gesäugt; Drillinge nach Genuss eines Fisches geboren. Die Schwester, die der Teufel entführt, wird von dem später geborenen Bruder Erbsenkorn befreit. - Weissrussisch: die Jungfrauen sind Töchter der Hexe. Brüder nach Genuss eines Fisches geboren. Mogilev: den vom Unhold getöteten Helden beleben Vögel, die seine Mutter gesandt hatte. Mater: Anfang wie Grimm KHM 46; ein Bär zeugt mit dem dritten Mädchen einen Sohn. Romanov: die treulose Mutter, drei Töchter des unsterblichen Košcej, den von Košcej getöteten Helden beleben seine treuen Tiere, Leben Košcejs im Ei. Mogilev: die Jungfrauen sitzen in drei verschiedenen Schlössern; der Held gefangen, als er die vergessenen Handschuhe holen will; Ring befreit. Smolensk: der Held erklimmt ebenfalls den steilen Berg, auf den der Drache seine Mutter und drei Jungfrauen entführt hat; da die Brüder das Seil zerschneiden, wünscht er sich durch seine Zauberrute heim. - Grossrussisch: Frau aus einer Rübe, Töchter der Hexe. Olonetz: Held von Košcej überwunden, von der Mutter belebt. Tomsk: die vierzig badenden Mädchen umschliesst Usyna der Grossbart mit seinem Barte; mit Košcejs Tochter vermählt, wird der Held von Košcej erschlagen und belebt; nach Košcejs Tötung legt ihm dessen Vater Satana schwierige Aufgaben auf. Aus Tula: "Die Reiche aus Kupfer, Silber und Gold". Afanasjev: die Drillinge heissen Abend, Mitternacht und Morgendämmerung. Drillinge ziehen über den Fluss, nachdem der Held eine Kette hinübergeworfen; er erschlägt drei Drachen, ertrinkt aber, da die Brüder die Kette fortreissen; ein Vogel trägt ihn empor. Aus Olonetz: Kuhsohn Burza Volovic, gleich dem Sohn der Zarin und dem der Kindsfrau nach dem Genuss eines Hechtes geboren, befreit eine Prinzessin vom Drachen, die der Prinz heimführt, holt für den andern Pflegebruder eine Schöne aus dem Abgrund und wird vom Greifen zum Zaren Achramej getragen, dessen Tochter er vom Seedrachen rettet. Aus dem Kaukasus: der Held wirft einen Anker mit Kette nach dem Berg, auf dem die Jungfrauen gefangen sind; Vogel hilft. Rjazan: der Held fliegt auf einem Pferd den Berg hinauf, bekommt vom Drachen eine sechsflüglige Stute. "Vom goldenen Berge"; Iwan befreit seine Mutter und drei Prinzessinnen, wird von den Brüdern auf dem Berg zurückgelassen; von einem Geist heimgetragen, tritt er in den Dienst eines Schuhmachers. Bei Afanasjev: die Mutter in eine Grube zu ihrem Vater Voron Voronovic gefahren, was der Held von einer gefangenen Schwanjungfrau erfährt; er lässt sich an Riemen hinunter und findet auch die Mädchen dort. Aus Sibirien: "Iwaschko mit den Bärenohren"; er lässt sich von einer Birke emporschleudern. - Litauisch: 14 Jahre gesäugt, Leben im Ei, mit der dritten Jungfrau zurückgelassen: Mutter und Jungfrau auf dem Berg befreit; Leben des Zauberers im Ei; treulose Brüder, Wind trägt heim. - Wotjakisch: als der Held auf eine gefundene Balalajka schlägt, erscheint ein Widder und trägt ihn auf die Oberwelt; er wird von den Prinzessinnen an den Zeichen erkannt, die ihm jede, während er schlief, auf die Stirn gedrückt hatte. - Zigeunerisch: "Vom kaiserlichen Prinzen und dem Drachen"; das schwarze Lamm trägt den Helden noch einmal so tief in den Schlund.

Armenisch: roter, schwarzer und weisser Widder; Greif. - Georgisch: tötet den Unhold, der seine Schwester und seine drei Brüder gefangen hält, wird von den Brüdern im Schlaf gefesselt. - Grusinisch: drei Brüder wollen den in des Vaters Kirche fehlenden Vogel holen; in der Zisterne findet der jüngste eine vom Drachen gefangene Jungfrau, die hinaufgezogen wird; er setzt sich auf den weissen Widder, der ihn auf die weisse Welt trägt. - Mingrelisch: drei Brüder wollen für den blinden Vater ein Heilmittel holen; drei Jungfrauen aus der Grube geholt; der im Stich gelassene Held setzt sich auf die schwarze Ziege statt auf die weisse. - Tatarisch: drei Prinzen wollen den Papagei holen, dessen Gesang ihren Vater heilen soll; schwarzer und weisser Widder, Vogel Roch. - Jakutisch: der Kuhsohn findet in der Jurte, auf die sein Pfeil gefallen, drei Mädchen, verfolgt die Alte in die Grube, von den Genossen verlassen; er schläft drei Monate lang, klettert dann an einer inzwischen gewachsenen Birke empor und tötet die treulosen Gefährten. - Indisch: "Kúngóri"; Hoohtir folgt der geraubten Geliebten in die Unterwelt, wird vom Gefährten im Stich gelassen und klettert an einer Pflanze empor. "Gunda the hero"; wirft einen Elefanten über sieben Seen; der Genosse angelt mit einem Palmbaum, an den er als Köder einen Elefanten gebunden. G. tötet Ingiraja, der die Gefährten misshandelte, und heiratet die Witwe. - Arabisch: der unterirdische Dämon zerstört nachts die Häuser der drei Königssöhne, weil sie über den Schlössern seiner drei Töchter stehen; der jüngste Bruder verwundet und verfolgt ihn in den Brunnen, wo er ihn mit Hilfe der Töchter erlegt. Von den Brüdern im Stich gelassen, wird er von einem schwarzen Stier, den er statt des roten packt, in eine noch tiefere Unterwelt geführt; er rettet dort eine dem Drachen preisgegebene Jungfrau und schützt die Jungen des Vogels Rok vor einer Schlange; zum Dank dafür trägt ihn dieser auf die Oberwelt. Während der Hochzeit seiner Brüder sendet er den Prinzessinnen durch den Schneider, bei dem er Unterkunft gefunden, deren Kleider, die er gleich ihren Palästen in Kugelgestalt bei sich verwahrt. Beim Turnier tötet er seine treulosen Brüder und gibt sich dann zu erkennen.

Die Loucheux-Indianer Nordamerikas kennen ein entsprechendes Märchen: die treulosen Gefährten heissen Breaking mountains und Breaking sticks; nachdem der Held von dankbaren Tieren die Gabe erhalten, sich in ihre Gestalt zu verwandeln, bekämpft er den Riesen, dessen Leben ausserhalb seines Leibes weilt.

Dem weitverbreiteten Märchen möchte man gern ein hohes Alter zuschreiben. Die Schwestern sind Ausdehnungen der einen mythischen Gestalt, ebenso ist unter den Dreien, die sie zu befreien ausziehen, der jüngste der eigentliche und einzige. In griechischen, serborkroatischen, klein- und grossrussischen Fassungen ziehen die Brüder aus, um ihre geraubte Schwester, in weissrussischen, grossrussischen und lettischen Varianten, um ihre verschwundene Mutter aufzusuchen, wobei sich denn Gelegenheit bietet, noch andre Jungfrauen zu erlösen und eine als Braut heimzuführen. Schon Polyphonte gebiert, in der Aphrodite eine Leidenschaft für einen Bären erregt hat, diesem zwei wilde Söhne Agrios und Oreios.

Vielfach zeigen sich die Einflüsse andrer Märchenkreise, der hilfreichen Kuh im Einäuglein (KHM 130), der nächtlichen Wache am Apfelbaum im goldenen Vogel (KHM 57), des vom Ausziehenden zurückgelassenen Lebenszeichens im Zweibrüdermärchen (KHM 60), der Gefährten mit den wunderbaren Eigenschaften (KHM 71), der treulosen Brüder im Wasser des Lebens (KHM 97) u. a.


Variantenverzeichnis

>> Märchen-Suchdienst

Dragan Cenusa. Karlinger/Rumänien 16
Die drei Musikanten. Bechstein/Deutschland 40
Das Erdmännchen. Grimm/KHM 91
Die Nonne, der Bergmann und der Schmied. Bechstein/Deutschland 80a
Das winzige, winzige Männchen. Bechstein/Deutschland 13


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