Die weisse und die schwarze Braut KHM 135 (1857)
Märchentyp AT: 403A
Eine Frau ging mit ihrer Tochter und Stieftochter über Feld, Futter zu schneiden. Da
kam der liebe Gott als ein armer Mann zu ihnen gegangen und fragte: "Wo führt der
Weg ins Dorf?" "Wenn Ihr ihn wissen wollt", sprach die Mutter, "so
sucht ihn selber", und die Tochter setzte hinzu: "Habt Ihr Sorge, dass Ihr ihn
nicht findet, so nehmt Euch einen Wegweiser mit." Die Stieftochter aber sprach:
"Armer Mann, ich will dich führen, komm mit mir." Da zürnte der liebe Gott
über die Mutter und Tochter, wendete ihnen den Rücken zu und verwünschte sie, dass sie
sollten schwarz werden wie die Nacht und hässlich wie die Sünde. Der armen Stieftochter
aber war Gott gnädig und ging mit ihr, und als sie nahe am Dorf waren, sprach er einen
Segen über sie und sagte: "Wähle dir drei Sachen aus, die will ich dir
gewähren." Da sprach das Mädchen: "Ich möchte gern so schön und rein werden
wie die Sonne;" alsbald war sie weiss und schön wie der Tag. "Dann möchte ich
einen Geldbeutel haben, der nie leer würde;" den gab ihr der liebe Gott auch, sprach
aber: "Vergiss das Beste nicht." Sagte sie: "Ich wünsche mir zum dritten
das ewige Himmelreich nach meinem Tode." Das ward ihr auch gewährt, und also schied
der liebe Gott von ihr.
Als die Stiefmutter mit ihrer Tochter nach Hause kam und sah, dass sie beide
kohlschwarz und hässlich waren, die Stieftochter aber weiss und schön, so stieg die
Bosheit in ihrem Herzen noch höher, und sie hatte nichts anders im Sinn, als wie sie ihr
ein Leid antun könnte.
Die Stieftochter aber hatte einen Bruder namens Reginer, den liebte sie sehr und
erzählte ihm alles, was geschehen war. Nun sprach Reginer einmal zu ihr: "Liebe
Schwester, ich will dich abmalen, damit ich dich beständig vor Augen sehe, denn meine
Liebe zu dir ist so gross, dass ich dich immer anblicken möchte." Da antwortete sie:
"Aber ich bitte dich, lass niemand das Bild sehen." Er malte nun seine Schwester
ab und hing das Bild in seiner Stube auf; er wohnte aber in des Königs Schloss, weil er
bei ihm Kutscher war. Alle Tage ging er davor stehen und dankte Gott für das Glück
seiner lieben Schwester.
Nun war aber gerade dem König, bei dem der diente, seine Gemahlin verstorben, die so
schön gewesen war, dass man keine finden konnte, die ihr gliche, und der König war
darüber in tiefer Trauer. Die Hofdiener bemerkten aber, dass der Kutscher täglich vor
dem schönen Bilde stand, missgönntens ihm und meldeten es dem König. Da liess
dieser das Bild vor sich bringen, und als er sah, dass es in allem seiner verstorbenen
Frau glich, nur noch schöner war, so verliebte er sich sterblich hinein. Er liess den
Kutscher vor sich kommen und fragte, wen das Bild vorstellte. Der Kutscher sagte, es wäre
seine Schwester, so entschloss sich der König, keine andere als diese zur Gemahlin zu
nehmen, gab ihm Wagen und Pferde und prächtige Goldkleider und schickte ihn fort, seine
erwählte Braut abzuholen.
Wie Reginer mit der Botschaft ankam, freute sich seine Schwester, allein die Schwarze
war eifersüchtig über das Glück, ärgerte sich über alle Massen und sprach zu ihrer
Mutter: "Was helfen nun all Eure Künste, da Ihr mir ein solches Glück doch nicht
verschaffen könnt." "Sei still", sagte die Alte, "ich will dirs
schon zuwenden." Und durch ihre Hexenkünste trübte sie dem Kutscher die Augen, dass
er halb blind war, und der Weissen verstopfte sie die Ohren, dass sie halb taub war.
Darauf stiegen sie in den Wagen, erst die Braut in den herrlichen königlichen Kleidern,
dann die Stiefmutter mit ihrer Tochter, und Reginer sass auf dem Bock, um zu fahren. Wie
sie eine Weile unterwegs waren, rief der Kutscher:
"Deck dich zu, mein Schwesterlein,
Dass Regen dich nicht nässt,
Dass Wind dich nicht bestäubt,
Dass du fein schön zum König kommst."
Die Braut fragte: "was sagt mein lieber Bruder?"
"Ach", sprach die Alte, "er hat gesagt, du solltest dein gülden Kleid
ausziehen und es deiner Schwester geben." Da zog sies aus und tats der
Schwarzen an, die gab ihr dafür einen schlechten grauen Kittel. So fuhren sie weiter;
über ein Weilchen rief der Bruder abermals:
"Deck dich zu, mein Schwesterlein,
Dass Regen dich nicht nässt,
Dass Wind dich nicht bestäubt,
Dass du fein schön zum König kommst."
Die Braut fragte "was sagt mein lieber Bruder?"
"Ach", sprach die Alte, "er hat gesagt, du solltest deine güldene Haube
abtun und deiner Schwester geben." Da tat sie die Haube ab und tat sie der Schwarzen
auf und sass im blossen Haar. So fuhren sie weiter; wiederum über eine Weile rief der
Bruder:
"Deck dich zu, mein Schwesterlein,
Dass Regen dich nicht nässt,
Dass Wind dich nicht bestäubt,
Dass du fein schön zum König kommst."
Die Braut fragte "was sagt mein lieber Bruder?"
"Ach", sprach die Alte, "er hat gesagt, du möchtest einmal aus dem
Wagen sehen." Sie fuhren aber gerade auf einer Brücke über ein tiefes Wasser. Wie
nun die Braut aufstand und aus dem Wagen sich herausbückte, da stiessen sie die beiden
hinaus, dass sie mitten ins Wasser stürzte.
Als sie versunken war, in demselben Augenblick stieg eine schneeweisse Ente aus dem
Wasserspiegel hervor und schwamm den Fluss hinab. Der Bruder hatte gar nichts davon
gemerkt und fuhr den Wagen weiter, bis sie an den Hof kamen. Da brachte er dem König die
Schwarze als seine Schwester und meinte, sie wärs wirklich, weil es ihm trübe vor
den Augen war und doch die Goldkleider schimmern sah. Der König, wie er die grundlose
Hässlichkeit an seiner vermeinten Braut erblickte, ward sehr bös und befahl, den
Kutscher in eine Grube zu werfen, die voll Ottern und Schlangengezücht war. Die alte Hexe
aber wusste den König doch so zu bestricken und durch ihre Künste ihm die Augen zu
verblenden, dass er sie und ihre Tochter behielt, ja dass sie ihm ganz leidlich vorkam und
er sich wirklich mit ihr verheiratete.
Einmal abends, während die schwarze Braut dem König auf dem Schosse sass, kam eine
weisse Ente zum Gossenstein in die Küche geschwommen und sagte zum Küchenjungen:
"Jüngelchen, mach Feuer an,
Dass ich meine Federn wärmen kann."
Das tat der Küchenjunge und machte ihr ein Feuer auf dem Herd; da kam die Ente und
setzte sich daneben, schüttelte sich und strich sich die Federn mit dem Schnabel zurecht.
Während sie so sass und sich wohltat, fragte sie: "Was macht mein Bruder
Reginer?" Der Küchenjunge antwortete: "Liegt in der Grube gefangen bei Ottern
und bei Schlangen." Fragte sie weiter: "Was macht die schwarze Hexe im
Haus?" Der Küchenjunge antwortete: "Die sitzt warm, Ins Königs
Arm." Sagte die Ente: "Dass Gott erbarm!" und schwamm den Gossenstein
hinaus.
Den folgenden Abend kam sie wieder und tat dieselben Fragen und den dritten Abend noch
einmal. Da konnte es der Küchenjunge nicht länger übers Herz bringen, ging zu dem
König und entdeckte ihm alles.
Der König aber wollte es selbst sehen, ging den andern Abend hin, und wie die Ente den
Kopf durch den Gossenstein hereinstreckte, nahm er sein Schwert und hieb ihr den Hals
durch, da ward sie auf einmal zum schönsten Mädchen, und glich genau dem Bild, das der
Bruder von ihr gemacht hatte. Der König war voll Freuden; und weil sie ganz nass dastand,
liess er köstliche Kleider bringen und liess sie damit bekleiden. Dann erzählte sie ihm,
wie sie durch List und Falschheit wäre betrogen und zuletzt in den Fluss hinabgeworfen
worden; und ihre erste Bitte war, dass ihr Bruder aus der Schlangenhöhle herausgeholt
würde.
Und als der König diese Bitte erfüllt hatte, ging er in die Kammer, wo die alte Hexe
sass, und fragte: "Was verdient die, welche das und das tut?" Und erzählte, was
geschehen war. Da war sie so verblendet, dass sie nichts merkte und sprach: "Die
verdient, dass man sie nackt auszieht und in ein Fass mit Nägeln legt, und dass man vor
das Fass ein Pferd spannt und das Pferd in alle Welt schickt." Das geschah alles an
ihr und ihrer schwarzen Tochter. Der König aber heiratete die weisse und schöne Braut
und belohnte den treuen Bruder, indem er ihn zu einem reichen und angesehenen Mann machte.
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