Der gelernte Jäger KHM 111 (1857)
Märchentyp AT: 304
Es war einmal ein junger Bursch, der hatte die Schlosserhantierung gelernt und sprach
zu seinem Vater, er wollte jetzt in die Welt gehen und sich versuchen. "Ja",
sagte der Vater, "das bin ich zufrieden", und gab ihm etwas Geld auf die Reise.
Also zog er herum und suchte Arbeit.
Auf eine Zeit, da wollt ihm das Schlosserwerk nicht mehr folgen und stand ihm auch
nicht mehr an, aber er kriegte Lust zur Jägerei. Da begegnete ihm auf der Wanderschaft
ein Jäger in grünem Kleide, der fragte, wo er herkäme und wo er hin wollte. Er wär
Schlossergesell, sagte der Bursch, aber das Handwerk gefiele ihm nicht mehr, und hätte
Lust zur Jägerei, ob er ihn als Lehrling annehmen wollte. "O ja, wenn du mit mir
gehen willst." Da ging der junge Bursch mit, vermietete sich etliche Jahre bei ihm
und lernte die Jägerei. Danach wollte er sich weiter versuchen, und der Jäger gab ihm
nichts zum Lohn als eine Windbüchse, die hatte aber die Eigenschaft, wenn er damit einen
Schuss tat, so traf er ohnfehlbar.
Da ging er fort und kam in einen sehr grossen Wald, von dem konnte er in einem Tag das
Ende nicht finden. Wies Abend war, setzte er sich auf einen hohen Baum, damit er aus
den wilden Tieren käme. Gegen Mitternacht zu, deuchte ihn, schimmerte ein kleines
Lichtchen von weitem, da sah er durch die Äste darauf hin und behielt in acht, wo es war.
Doch nahm er erst noch seinen Hut und warf ihn nach dem Licht zu herunter, dass er danach
gehen wollte, wann er herabgestiegen wäre, als nach einem Zeichen. Nun kletterte er
herunter, ging auf seinen Hut los, setzte ihn wieder auf und zog geradewegs fort. Je
weiter er ging, je grösser ward das Licht, und wie er nahe dabeikam, sah er, dass es ein
gewaltiges Feuer war, und sassen drei Riesen dabei und hatten einen Ochsen am Spiess und
liessen ihn braten. Nun sprach der eine: "Ich muss doch schmecken, ob das Fleisch
bald zu essen ist", riss ein Stück herab und wollt es in den Mund stecken, aber der
Jäger schoss es ihm aus der Hand. "Nun ja", sprach der Riese, "da weht mir
der Wind das Stück aus der Hand", und nahm sich ein anderes. Wie er eben anbeissen
wollte, schoss es ihm der Jäger abermals weg; da gab der Riese dem, der neben ihm sass,
eine Ohrfeige und rief zornig: "Was reisst du mir mein Stück weg?"
"Ich habe es nicht weggerissen", sprach der andere, "es wird dirs
ein Scharfschütz weggeschossen haben." Der Riese nahm sich das dritte Stück, konnte
es aber nicht in der Hand behalten, der Jäger schoss es ihm heraus. Da sprachen die
Riesen: "Das muss ein guter Schütze sein, der den Bissen vor dem Maul wegschiesst,
so einer wäre uns nützlich", und riefen laut: "Komm herbei, du Scharfschütze,
setze dich zu uns ans Feuer und iss dich satt, wir wollen dir nichts tun; aber kommst du
nicht, und wir holen dich mit Gewalt, so bist du verloren." Da trat der Bursch herzu
und sagte, er wäre ein gelernter Jäger, und wonach er mit seiner Büchse ziele, das
treffe er auch sicher und gewiss. Da sprachen sie, wenn er mit ihnen gehen wollte, sollte
ers gut haben, und erzählten ihm, vor dem Wald sei ein grosses Wasser, dahinter
ständ ein Turm, und in dem Turm säss eine schöne Königstochter, die wollten sie gern
rauben. "Ja", sprach er, "die will ich bald geschafft haben." Sagten
sie weiter: "Es ist aber noch etwas dabei, es liegt ein kleines Hündchen dort, das
fängt gleich an zu bellen, wann sich jemand nähert, und sobald das bellt, wacht auch
alles am königlichen Hofe auf;. und deshalb können wir nicht hineinkommen; unterstehst
du dich, das Hündchen totzuschiessen?"
"Ja", sprach er, "das ist mir ein kleiner Spass." Danach setzte er
sich auf ein Schiff und fuhr über das Wasser, und wie er bald beim Land war, kam das
Hündlein gelaufen und wollte bellen, aber er kriegte seine Windbüchse und schoss es tot.
Wie die Riesen das sahen, freuten sie sich und meinten, sie hätten die Königstochter
schon gewiss, aber der Jäger wollte erst sehen, wie die Sache beschaffen war, und sprach,
sie sollten haussen bleiben, bis er sie riefe.
Da ging er in das Schloss, und es war mäuschenstill darin, und schlief alles. Wie er
das erste Zimmer aufmachte, hing da ein Säbel an der Wand, der war von purem Silber, und
war ein goldener Stein darauf und des Königs Name; daneben aber lag auf einem Tisch ein
versiegelter Brief, den brach er auf, und es stand darin, wer den Säbel hätte, könnte
alles ums Leben bringen, was ihm vorkäme. Da nahm er den Säbel von der Wand, hing ihn um
und ging weiter; da kam er in das Zimmer, wo die Königstochter lag und schlief; und sie
war so schön, dass er still stand und sie betrachtete und den Atem anhielt. Er dachte bei
sich selbst: "Wie darf ich eine unschuldige Jungfrau in die Gewalt der wilden Riesen
bringen, die haben Böses im Sinn." Er schaute sich weiter um, da standen unter dem
Bett ein paar Pantoffeln, auf dem rechten stand ihres Vaters Name mit einem Stern und auf
dem linken ihr eigener Name mit einem Stem. Sie hatte auch ein grosses Halstuch um, von
Seide, mit Gold ausgestickt, auf der rechten Seite ihres Vaters Name, auf der linken ihr
Name, alles mit goldenen Buchstaben. Da nahm der Jäger eine Schere und schnitt den
rechten Schlippen ab und tat ihn in seinen Ranzen, und dann nahm er auch den rechten
Pantoffel mit des Königs Namen und steckte ihn hinein.
Nun lag die Jungfrau noch immer und schlief, und sie war ganz in ihr Hemd eingenäht;
da schnitt er auch ein Stückchen von dem Hemd ab und steckte es zu dem andern, doch tat
er das alles, ohne sie anzurühren. Dann ging er fort und liess sie ungestört schlafen,
und als er wieder ans Tor kam, standen die Riesen noch draussen, warteten auf ihn und
dachten, er würde die Königstochter bringen. Er rief ihnen aber zu, sie sollten
hereinkommen, die Jungfrau wäre schon in seiner Gewalt; die Tür könnte er ihnen aber
nicht aufmachen, aber da wäre ein Loch, durch welches sie kriechen müssten.
Nun kam der erste näher, da wickelte der Jäger des Riesen Haar um seine Hand, zog den
Kopf herein und hieb ihn mit seinem Säbel in einem Streich ab, und duns (zog) ihn dann
vollends hinein. Dann rief er den zweiten und hieb ihm gleichfalls das Haupt ab, und
endlich auch dem dritten, und war froh, dass er die schöne Jungfrau von ihren Feinden
befreit hatte, und schnitt ihnen die Zungen aus und steckte sie in seinen Ranzen. Da
dachte er: "Ich will heim gehen zu meinem Vater und ihm zeigen, was ich schon getan
habe, dann will ich in der Welt herumziehen; das Glück, das mir Gott bescheren will, wird
mich schon erreichen."
Der König in dem Schloss aber, als er aufwachte, erblickte er die drei Riesen, die da
tot lagen. Dann ging er in die Schlafkammer seiner Tochter, weckte sie auf und fragte, wer
das wohl gewesen wäre, der die Riesen ums Leben gebracht hätte. Da sagte sie:
"Lieber Vater, ich weiss es nicht, ich habe geschlafen." Wie sie nun aufstand
und ihre Pantoffeln anziehen wollte, da war der rechte weg, und wie sie ihr Halstuch
betrachtete, war es durchschnitten und fehlte der rechte Schlippen, und wie sie ihr Hemd
ansah, war ein Stück heraus. Der König liess den ganzen Hof zusammenkommen, Soldaten und
alles, was da war, und fragte, wer seine Tochter befreit und die Riesen ums Leben gebracht
hätte.
Nun hatte er einen Hauptmann, der war einäugig und ein hässlicher Mensch, der sagte,
er hätte es getan. Da sprach der alte König, so er das vollbracht hätte, sollte er
seine Tochter auch heiraten. Die Jungfrau aber sagte: "Lieber Vater, dafür, dass ich
den heiraten soll, will ich lieber in die Welt gehen, so weit als mich meine Beine
tragen." Da sprach der König, wenn sie den nicht heiraten wollte, sollte sie die
königlichen Kleider ausziehen und Bauernkleider antun und fortgehen; und sie sollte zu
einem Töpfer gehen und einen Handel mit irdenem Geschirr anfangen. Da tat sie ihre
königlichen Kleider aus und ging zu einem Töpfer, und borgte sich einen Kram irden Werk;
sie versprach ihm auch, wenn sies am Abend verkauft hätte, wollte sie es bezahlen.
Nun sagte der König, sie sollte sich an eine Ecke damit setzen und es verkaufen. Dann
bestellte er etliche Bauernwagen, die sollten mitten durchfahren, dass alles in tausend
Stücke ginge. Wie nun die Königstochter ihren Kram auf die Strasse hingestellt hatte,
kamen die Wagen und zerbrachen ihn zu lauter Scherben. Sie fing an zu weinen und sprach:
"Ach Gott, wie will ich nun dem Töpfer bezahlen."
Der König aber hatte sie damit zwingen wollen, den Hauptmann zu heiraten, statt dessen
ging sie wieder zum Töpfer und fragte ihn, ob er ihr noch einmal borgen wollte. Er
antwortete nein, sie sollte erst das vorige bezahlen. Da ging sie zu ihrem Vater, schrie
und jammerte und sagte, sie wollte in die Welt hineingehen. Da sprach er: "Ich will
dir draussen in dem Wald ein Häuschen bauen lassen, darin sollst du dein Lebtag sitzen
und für jedermann kochen, du darfst aber kein Geld nehmen." Als das Häuschen fertig
war, ward vor die Türe ein Schild gehängt, darauf stand geschrieben: "Heute
umsonst, morgen für Geld." Da sass sie lange Zeit, und sprach es sich in der Welt
herum, da sässe eine Jungfrau, die kochte umsonst, und das stände vor der Türe an einem
Schild. Das hörte auch der Jäger und dachte: "Das wär etwas für dich, du bist
doch arm und hast kein Geld." Er nahm also seine Windbüchse und seinen Ranzen, worin
noch alles steckte, was er damals im Schloss als Wahrzeichen mitgenommen hatte, ging in
den Wald und fand auch das Häuschen mit dem Schild: "Heute umsonst, morgen für
Geld."
Er hatte aber den Degen umhängen, womit er den drei Riesen den Kopf abgehauen hatte,
trat so in das Häuschen hinein und liess sich etwas zu essen geben. Er freute sich über
das schöne Mädchen, es war aber auch bildschön. Sie fragte, wo er herkäme und hin
wollte, da sagte er: "Ich reise in der Welt herum." Da fragte sie ihn, wo er den
Degen her hätte, da stände ja ihres Vaters Name darauf. Fragte er, ob sie des Königs
Tochter wäre. "Ja", antwortete sie. "Mit diesem Säbel", sprach er,
"habe ich drei Riesen den Kopf abgehauen", und holte zum Zeichen ihre Zungen aus
dem Ranzen, dann zeigte er ihr auch den Pantoffel, den Schlippen vom Halstuch und das
Stück vom Hemd. Da war sie voll Freude und sagte, er wäre derjenige, der sie erlöst
hätte.
Darauf gingen sie zusammen zum alten König und holten ihn herbei, und sie führte ihn
in ihre Kammer und sagte ihm, der Jäger wäre der rechte, der sie von den Riesen erlöst
hätte. Und wie der alte König die Wahrzeichen alle sah, da konnte er nicht mehr zweifeln
und sagte, es wäre ihm lieb, dass er wüsste, wie alles zugegangen wäre, und er sollte
sie nun auch zur Gemahlin haben; darüber freute sich die Jungfrau von Herzen. Darauf
kleideten sie ihn, als wenn er ein fremder Herr wäre, und der König liess ein Gastmahl
anstellen.
Als sie nun zu Tisch gingen, kam der Hauptmann auf die linke Seite der Königstochter
zu sitzen, der Jäger aber auf die rechte; und der Hauptmann meinte, das wäre ein fremder
Herr und wäre zum Besuch gekommen. Wie sie gegessen und getrunken hatten, sprach der alte
König zum Hauptmann, er wollte ihm etwas aufgeben, das sollte er erraten: Wenn einer
spräche, er hätte drei Riesen ums Leben gebracht, und er gefragt würde, wo die Zungen
der Riesen wären, und er müsste zusehen, und wären keine in ihren Köpfen, wie das
zuginge? Da sagte der Hauptmann: "Sie werden keine gehabt haben."
"Nicht so", sagte der König, "jedes Getier hat eine Zunge", und
fragte weiter, was der wert wäre, dass ihm widerführe. Antwortete der Hauptmann:
"Der gehört in Stücken gerissen zu werden." Da sagte der König, er hätte
sich selber sein Urteil gesprochen, und ward der Hauptmann gefänglich gesetzt und dann in
vier Stücke zerrissen, die Königstochter aber mit dem Jäger vermählt. Danach holte er
seinen Vater und seine Mutter herbei, und die lebten in Freude bei ihrem Sohn, und nach
des alten Königs Tod bekam er das Reich.
top