Der arme Müllerbursch und das Kätzchen KHM 106 (1857)
Märchentyp AT: 402
In einer Mühle lebte ein alter Müller, der hatte weder Frau noch Kinder, und drei
Müllerburschen dienten bei ihm. Wie sie nun etliche Jahre bei ihm gewesen waren, sagte er
eines Tags zu ihnen: "Ich bin alt und will mich hinter den Ofen setzen: zieht aus,
und wer mir das beste Pferd nach Haus bringt, dem will ich die Mühle geben, und er soll
mich dafür bis an meinen Tod verpflegen." Der dritte von den Burschen war aber der
Kleinknecht, der ward von den andere für albern gehalten, dem gönnten sie die Mühle
nicht; und er wollte sie hernach nicht einmal.
Da zogen sie alle drei miteinander aus, und wie sie vor das Dorf kamen, sagten die zwei
zu dem albernen Hans: "Du kannst nur hier bleiben, du kriegst dein Lebtag keinen
Gaul." Hans aber ging doch mit, und als es Nacht war, kamen sie an eine Höhle,
dahinein legten sie sich schlafen. Die zwei Klugen warteten, bis Hans eingeschlafen war,
dann stiegen sie auf, machten sich fort und liessen Hänschen liegen, und meintens
recht fein gemacht zu haben; ja, es wird euch doch nicht gut gehen!
Wie nun die Sonne kam, und Hans aufwachte, lag er in einer tiefen Höhle: er guckte
sich überall um und rief: "Ach Gott, wo bin ich!" Da erhob er sich und
krabbelte die Höhle hinauf, ging in den Wald und dachte: "Ich bin hier ganz allein
und verlassen, wie soll ich nun zu einem Pferd kommen! " Indem er so in Gedanken
dahinging, begegnete ihm ein kleines buntes Kätzchen, das sprach ganz freundlich
"Hans, wo willst du hin?"
"Ach, du kannst mir doch nicht helfen." "Was dein Begehren ist, weiss
ich wohl", sprach das Kätzchen, "du willst einen hübschen Gaul haben. Komm mit
mir und sei sieben Jahre lang mein treuer Knecht, so will ich dir einen geben, schöner,
als du dein Lebtag einen gesehen hast."
"Nun, das ist eine wunderliche Katze", dachte Hans, "aber sehen will ich
doch, ob das wahr ist, was sie sagt." Da nahm sie ihn mit in ihr verwünschtes
Schlösschen und hatte da lauter Kätzchen, die ihr dienten; die sprangen flink die Treppe
auf und ab, waren lustig und guter Dinge. Abends, als sie sich zu Tisch setzten, mussten
drei Musik machen: eins strich den Bass, das andere die Geige, das dritte setzte die
Trompete an und blies die Backen auf, so sehr es nur konnte. Als sie gegessen hatten,
wurde der Tisch weggetragen, und die Katze sagte: "Nun komm, Hans, und tanze mit
mir."
"Nein", antwortete er, "mit einer Miezekatze tanze ich nicht, das habe
ich noch niemals getan." "So bringt ihn ins Bett", sagte sie zu den
Kätzchen. Da leuchtete ihm eins in seine Schlafkammer, eins zog ihm die Schuhe aus, eins
die Strümpfe, und zuletzt blies eins das Licht aus.
Am andern Morgen kamen sie wieder und halfen ihm aus dem Bett: eins zog ihm die
Strümpfe an, eins band ihm die Strumpfbänder, eins holte die Schuhe, eins wusch ihn, und
eins trocknete ihm mit dem Schwanz das Gesicht ab. "Das tut recht sanft", sagte
Hans. Er musste aber auch der Katze dienen und alle Tage Holz klein machen; dazu kriegte
er eine Axt von Silber, und die Keile und Säge von Silber, und der Schläger war von
Kupfer. Nun, da machte ers klein, blieb da im Haus, hatte sein gutes Essen und
Trinken, sah aber niemand als die bunte Katze und ihr Gesinde.
Einmal sagte sie zu ihm: "Geh hin und mähe meine Wiese, und mache das Gras
trocken", und gab ihm von Silber eine Sense und von Gold einen Wetzstein, hiess ihn
aber auch alles wieder richtig abliefern. Da ging Hans hin und tat, was ihm geheissen war;
nach vollbrachter Arbeit trug er Sense, Wetzstein und Heu nach Haus und fragte, ob sie ihm
noch nicht seinen Lohn geben wollte. "Nein", sagte die Katze, "du sollst
mir erst noch einerlei tun, da ist Bauholz von Silber, Zimmeraxt, Winkeleisen, und was
nötig ist, alles von Silber, daraus baue mir erst ein kleines Häuschen." Da baute
Hans das Häuschen fertig und sagte, er hätte nun alles getan, und hätte noch kein
Pferd. Doch waren ihm die sieben Jahre herumgegangen wie ein halbes. Fragte die Katze, ob
er ihre Pferde sehen wollte? "Ja", sagte Hans.
Da machte sie ihm das Häuschen auf, und weil sie die Türe so aufmacht, da stehen
zwölf Pferde, ach, die waren gewesen ganz stolz, die hatten geblänkt und gespiegelt,
dass sich sein Herz im Leibe darüber freute. Nun gab sie ihm zu essen und zu trinken und
sprach: "Geh heim, dein Pferd geb ich dir nicht mit; in drei Tagen aber komm ich und
bringe dirs nach."
Also machte Hans sich auf, und sie zeigte ihm den Weg zur Mühle. Sie hatte ihm aber
nicht einmal ein neues Kleid gegeben, sondern er musste sein altes lumpiges Kittelchen
behalten, das er mitgebracht hatte und das ihm in den sieben Jahren überall zu kurz
geworden war. Wie er nun heim kam, so waren die beiden andern Müllerburschen auch wieder
da; jeder hatte zwar sein Pferd mitgebracht, aber des einen seins war blind, des andern
seins lahm. Sie fragten: "Hans, wo hast du dein Pferd?" "In drei Tagen
wirds nachkommen." Da lachten sie und sagten: "Ja du Hans, wo willst du
ein Pferd herkriegen, das wird was Rechtes sein!"
Hans ging in die Stube, der Müller sagte aber, er sollte nicht an den Tisch kommen, er
wäre so zerrissen und zerlumpt, man müsste sich schämen, wenn jemand hereinkäme. Da
gaben sie ihm ein bisschen Essen hinaus, und wie sie abends schlafen gingen, wollten ihm
die zwei andern kein Bett geben, und er musste endlich ins Gänseställchen kriechen und
sich auf ein wenig hartes Stroh legen.
Am Morgen, wie er aufwacht, sind schon die drei Tage herum, und es kommt eine Kutsche
mit sechs Pferden, ei, die glänzten, dass es schön war, und ein Bedienter, der brachte
noch ein siebentes, das war für den armen Müllerbursch. Aus der Kutsche aber stieg eine
prächtige Königstochter und ging in die Mühle hinein, und die Königstochter war das
kleine bunte Kätzchen, dem der arme Hans sieben Jahr gedient hatte. Sie fragte den
Müller, wo der Mahlbursch, der Kleinknecht wäre. Da sagte der Müller: "Den können
wir nicht in die Mühle nehmen, der ist so verrissen und liegt im Gänsestall." Da
sagte die Königstochter, sie sollten ihn gleich holen.
Also holten sie ihn heraus, und er musste sein Kittelchen zusammenpacken, um sich zu
bedecken. Da schnallte der Bediente prächtige Kleider aus, und musste ihn waschen und
anziehen, und wie er fertig war, konnte kein König schöner aussehen. Danach verlangte
die Jungfrau, die Pferde zu sehen, welche die andern Mahlburschen mitgebracht hatten, eins
war blind, das andere lahm. Da liess sie den Bedienten das siebente Pferd bringen; wie der
Müller das sah, sprach er, so eins wär ihm noch nicht auf den Hof gekommen; "und
das ist für den dritten Mahlbursch", sagte sie.
"Da muss er die Mühle haben", sagte der Müller, die Königstochter aber
sprach, da wäre das Pferd, er sollte seine Mühle auch behalten und nimmt ihren treuen
Hans und setzt ihn in die Kutsche und fährt mit ihm fort. Sie fahren zuerst nach dem
kleinen Häuschen, das er mit dem silbernen Werkzeug gebaut hat, da ist es ein grosses
Schloss, und ist alles darin von Silber und Gold; und da hat sie ihn geheiratet, und war
er reich, so reich, dass er für sein Lebtag genug hatte. Darum soll keiner sagen, dass,
wer albern ist, deshalb nichts Rechtes werden könne.
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