Der Bärenhäuter KHM 101 (1857)
Märchentyp AT: 361
Es war einmal ein junger Kerl, der liess sich als Soldat anwerben, hielt sich tapfer
und war immer der vorderste, wenn es blaue Bohnen regnete. So lange der Krieg dauerte,
ging alles gut, aber als Friede geschlossen war, erhielt er seinen Abschied, und der
Hauptmann sagte, er könnte gehen, wohin er wollte. Seine Eltern waren tot, und er hatte
keine Heimat mehr, da ging er zu seinen Brüdern und bat, sie möchten ihm so lange
Unterhalt geben, bis der Krieg wieder anfinge. Die Brüder aber waren hartherzig und
sagten: "Was sollen wir mit dir? Wir können dich nicht brauchen, sieh zu, wie du
dich durchschlägst."
Der Soldat hatte nichts übrig als sein Gewehr, das nahm er auf die Schulter und wollte
in die Welt gehen. Er kam auf eine grosse Heide, auf der nichts zu sehen war als ein Ring
von Bäumen; darunter setzte er sich ganz traurig nieder und sann über sein Schicksal
nach. "Ich habe kein Geld", dachte er, "ich habe nichts gelernt als das
Kriegshandwerk, und jetzt, weil Friede geschlossen ist, brauchen sie mich nicht mehr; ich
sehe voraus, ich muss verhungern." Auf einmal hörte er ein Brausen, und wie er sich
umblickte, stand ein unbekannter Mann vor ihm, der einen grünen Rock trug, recht
stattlich aussah, aber einen garstigen Pferdefuss hatte. "Ich weiss schon, was dir
fehlt", sagte der Mann, "Geld und Gut sollst du haben, soviel du mit aller
Gewalt durchbringen kannst, aber ich muss zuvor wissen, ob du dich nicht fürchtest, damit
ich mein Geld nicht umsonst ausgebe."
"Ein Soldat und Furcht, wie passt das zusammen?" antwortete er, "du
kannst mich auf die Probe stellen." "Wohlan", antwortete der Mann,
"schau hinter dich." Der Soldat kehrte sich um und sah einen grossen Bär, der
brummend auf ihn zutrabte. "Oho", rief der Soldat, "dich will ich an der
Nase kitzeln, dass dir die Lust zum Brummen vergehen soll", legte an und schoss dem
Bär auf die Schnauze, dass er zusammenfiel und sich nicht mehr regte. "Ich sehe
wohl", sagte der Fremde, "dass dirs an Mut nicht fehlt, aber es ist noch eine
Bedingung dabei, die musst du erfüllen."
"Wenn mirs an meiner Seligkeit nicht schadet", antwortete der Soldat,
der wohl merkte, wen er vor sich hatte, "sonst lass ich mich auf nichts ein."
"Das wirst du selber sehen", antwortete der Grünrock, "du darfst in den
nächsten sieben Jahren dich nicht waschen, dir Bart und Haare nicht kämmen, die Nägel
nicht schneiden und kein Vaterunser beten. Dann will ich dir einen Rock und Mantel geben,
den musst du in dieser Zeit tragen. Stirbst du in diesen sieben Jahren, so bist du mein,
bleibst du aber leben, so bist du frei und bist reich dazu für dein Lebtag." Der
Soldat dachte an die grosse Not, in der er sich befand, und da er so oft in den Tod
gegangen war, wollte er es auch jetzt wagen und willigte ein.
Der Teufel zog den grünen Rock aus, reichte ihn dem Soldaten hin und sagte: "Wenn
du den Rock an deinem Leibe hast und in die Tasche greifst, so wirst du die Hand immer
voll Geld haben." Dann zog er dem Bären die Haut ab und sagte "das soll dein
Mantel sein und auch dein Bett, denn darauf musst du schlafen und darfst in kein anderes
Bett kommen. Und dieser Tracht wegen sollst du Bärenhäuter heissen." Hierauf
verschwand der Teufel. Der Soldat zog den Rock an, griff gleich in die Tasche und fand,
dass die Sache ihre Richtigkeit hatte. Dann hing er die Bärenhaut um, ging in die Welt,
war guter Dinge und unterliess nichts, was ihm wohl und dem Gelde wehe tat.
Im ersten Jahr ging es noch leidlich, aber in dem zweiten sah er schon aus wie ein
Ungeheuer. Das Haar bedeckte ihm fast das ganze Gesicht, sein Bart glich einem Stück
grobem Filztuch, seine Finger hatten Krallen, und sein Gesicht war so mit Schmutz bedeckt,
dass wenn man Kresse hineingesät hätte, sie aufgegangen wäre. Wer ihn sah, lief fort,
weil er aber allerorten den Armen Geld gab, damit sie für ihn beteten, dass er in den
sieben Jahren nicht stürbe, und weil er alles gut bezahlte, so erhielt er doch immer noch
Herberge.
Im vierten Jahr kam er in ein Wirtshaus, da wollte ihn der Wirt nicht aufnehmen und
wollte ihm nicht einmal einen Platz im Stall anweisen, weil er fürchtete, seine Pferde
würden scheu werden. Doch als der Bärenhäuter in die Tasche griff und eine Handvoll
Dukaten herausholte, so liess der Wirt sich erweichen und gab ihm eine Stube im
Hintergebäude; doch musste er versprechen, sich nicht sehen zu lassen, damit sein Haus
nicht in bösen Ruf käme.
Als der Bärenhäuter abends allein sass und von Herzen wünschte, dass die sieben
Jahre herum wären, so hörte er in einem Nebenzimmer ein lautes Jammern. Er hatte ein
mitleidiges Herz, öffnete die Türe und erblickte einen alten Mann, der heftig weinte und
die Hände über dem Kopf zusammenschlug. Der Bärenhäuter trat näher, aber der Mann
sprang auf und wollte entfliehen. Endlich, als er eine menschliche Stimme vernahm, liess
er sich bewegen, und durch freundliches Zureden brachte es der Bärenhäuter dahin, dass
er ihm die Ursache seines Kummers offenbarte. Sein Vermögen war nach und nach
geschwunden, er und seine Töchter mussten darben, und er war so arm, dass er den Wirt
nicht einmal bezahlen konnte und ins Gefängnis sollte gesetzt werden. "Wenn Ihr
weiter keine Sorgen habt", sagte der Bärenhäuter, "Geld habe ich genug."
Er liess den Wirt herbeikommen, bezahlte ihn und steckte dem Unglücklichen noch einen
Beutel voll Gold in die Tasche.
Als der alte Mann sich aus seinen Sorgen erlöst sah, wusste er nicht, womit er sich
dankbar beweisen sollte. "Komm mit mir", sprach er zu ihm, "meine Töchter
sind Wunder von Schönheit, wähle dir eine davon zur Frau. Wenn sie hört, was du für
mich getan hast, so wird sie sich nicht weigern. Du siehst freilich ein wenig seltsam aus,
aber sie wird dich schon wieder in Ordnung bringen." Dem Bärenhäuter gefiel das
wohl, und er ging mit.
Als ihn die älteste erblickte, entsetzte sie sich so gewaltig vor seinem Antlitz, dass
sie aufschrie und fortlief. Die zweite blieb zwar stehen und betrachtete ihn von Kopf bis
zu Füssen, dann aber sprach sie: "Wie kann ich einen Mann nehmen, der keine
menschliche Gestalt mehr hat? Da gefiel mir der rasierte Bär noch besser, der einmal hier
zu sehen war und sich für einen Menschen ausgab, der hatte doch einen Husarenpelz an und
weisse Handschuhe. Wenn er nur hässlich wäre, so könnte ich mich an ihn
gewöhnen." Die jüngste aber sprach: "Lieber Vater, das muss ein guter Mann
sein, der Euch aus der Not geholfen hat, habt Ihr ihm dafür eine Braut versprochen, so
muss Euer Wort gehalten werden."
Es war schade, dass das Gesicht des Bärenhäuters von Schmutz und Haaren bedeckt war,
sonst hätte man sehen können, wie ihm das Herz im Leibe lachte, als er diese Worte
hörte. Er nahm einen Ring von seinem Finger, brach ihn entzwei und gab ihr die eine
Hälfte, die andere behielt er für sich. In ihre Hälfte aber schrieb er seinen Namen,
und in seine Hälfte schrieb er ihren Namen und bat sie, ihr Stück gut aufzuheben.
Hierauf nahm er Abschied und sprach: "Ich muss noch drei Jahre wandern. Komm ich aber
nicht wieder, so bist du frei, weil ich dann tot bin. Bitte aber Gott, dass er mir das
Leben erhält." Die arme Braut kleidete sich ganz schwarz, und wenn sie an ihren
Bräutigam dachte, so kamen ihr die Tränen in die Augen. Von ihren Schwestern ward ihr
nichts als Hohn und Spott zuteil. "Nimm dich in acht", sprach die älteste,
"wenn du ihm die Hand reichst, so schlägt er dir mit der Tatze darauf."
"Hüte dich", sagte die zweite, "die Bären lieben die Süssigkeit, und
wenn du ihm gefällst, so frisst er dich auf." "Du musst nur immer seinen Willen
tun", hub die älteste wieder an, "sonst fängt er an zu brummen." Und die
zweite fuhr fort "aber die Hochzeit wird lustig sein, Bären, die tanzen gut."
Die Braut schwieg still und liess sich nicht irre machen. Der Bärenhäuter aber zog in
der Welt herum, von einem Ort zum andern, tat Gutes, wo er konnte, und gab den Armen
reichlich, damit sie für ihn beteten.
Endlich, als der letzte Tag von den sieben Jahren anbrach, ging er wieder hinaus auf
die Heide und setzte sich unter den Ring von Bäumen. Nicht lange, so sauste der Wind, und
der Teufel stand vor ihm und blickte ihn verdriesslich an; dann warf er ihm den alten Rock
hin und verlangte seinen grünen zurück. "So weit sind wir noch nicht",
antwortete der Bärenhäuter, "erst sollst du mich reinigen." Der Teufel mochte
wollen oder nicht, er musste Wasser holen, den Bärenhäuter abwaschen, ihm die Haare
kämmen und die Nägel schneiden. Hierauf sah er wie ein tapferer Kriegsmann aus und war
viel schöner als je vorher.
Als der Teufel glücklich abgezogen war, so war es dem Bärenhäuter ganz leicht ums
Herz. Er ging in die Stadt, tat einen prächtigen Sammetrock an, setzte sich in einen
Wagen mit vier Schimmeln bespannt und fuhr zu dem Haus seiner Braut. Niemand erkannte ihn,
der Vater hielt ihn für einen vornehmen Feldobrist und führte ihn in das Zimmer, wo
seine Töchter sassen. Er musste sich zwischen den beiden ältesten niederlassen; sie
schenkten ihm Wein ein, legten ihm die besten Bissen vor und meinten, sie hätten keinen
schönern Mann auf der Welt gesehen.
Die Braut aber sass in schwarzem Kleide ihm gegenüber, schlug die Augen nicht auf und
sprach kein Wort. Als er endlich den Vater fragte, ob er ihm eine seiner Töchter zur Frau
geben wollte, so sprangen die beiden ältesten auf, liefen in ihre Kammer und wollten
prächtige Kleider anziehen, denn eine jede bildete sich ein, sie wäre die Auserwählte.
Der Fremde, sobald er mit seiner Braut allein war, holte den halben Ring hervor und
warf ihn in einen Becher mit Wein, den er ihr über den Tisch reichte. Sie nahm ihn an,
aber als sie getrunken hatte und den halben Ring auf dem Grund liegen fand, so schlug ihr
das Herz. Sie holte die andere Hälfte, die sie an einem Band um den Hals trug, hielt sie
daran, und es zeigte sich, dass beide Teile vollkommen zueinander passten. Da sprach er:
"Ich bin dein verlobter Bräutigam, den du als Bärenhäuter gesehen hast, aber durch
Gottes Gnade habe ich meine menschliche Gestalt wiedererhalten, und bin wieder rein
geworden." Er ging auf sie zu, umarmte sie und gab ihr einen Kuss.
Indem kamen die beiden Schwestern in vollem Putz herein, und als sie sahen, dass der
schöne Mann der jüngsten zuteil geworden war, und hörten, dass das der Bärenhäuter
war, liefen sie voll Zorn und Wut hinaus; die eine ersäufte sich im Brunnen, die andere
erhenkte sich an einem Baum.
Am Abend klopfte jemand an der Türe, und als der Bräutigam öffnete, so wars
der Teufel im grünen Rock, der sprach: "Siehst du, nun habe ich zwei Seelen für
deine eine."
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