Die drei Federn KHM 63 (1857)
Märchentyp AT: 402
Es war einmal ein König, der hatte drei Söhne, davon waren zwei klug und gescheit,
aber der dritte sprach nicht viel, war einfältig und hiess nur der Dummling.
Als der König alt und schwach ward und an sein Ende dachte, wusste er nicht, welcher
von seinen Söhnen nach ihm das Reich erben sollte. Da sprach er zu ihnen: "Zieht
aus, und wer mir den feinsten Teppich bringt, der soll nach meinem Tod König sein."
Und damit es keinen Streit unter ihnen gab, führte er sie vor sein Schloss, blies drei
Federn in die Luft und sprach: "Wie die fliegen, so sollt ihr ziehen." Die eine
Feder flog nach Osten, die andere nach Westen, die dritte flog aber geradeaus, und flog
nicht weit, sondern fiel bald zur Erde.
Nun ging der eine Bruder rechts, der andere ging links, und sie lachten den Dummling
aus, der bei der dritten Feder, da, wo sie niedergefallen war, bleiben musste. Der
Dummling setzte sich nieder und war traurig.
Da bemerkte er auf einmal, dass neben der Feder eine Falltüre lag. Er hob sie in die
Höhe, fand eine Treppe und stieg hinab. Da kam er vor eine andere Türe, klopfte an und
hörte, wie es inwendig rief:
"Jungfer grün und klein, Hutzelbein, Hutzelbeins Hündchen, Hutzel hin und her,
Lass geschwind sehen, Wer draussen wär." Die Türe tat sich auf, und er sah eine
grosse dicke Itsche (Kröte) sitzen und rings um sie eine Menge kleiner Itschen. Die dicke
Itsche fragte, w sein Begehren wäre. Er antwortete: "Ich hätte gerne den schönsten
und feinsten Teppich." Da rief sie eine junge und sprach: "Jungfer grün und
klein, Hutzelbein, Hutzelbeins Hündchen, Hutzel hin und her, Bring mir die grosse
Schachtel her."
Die junge Itsche holte die Schachtel, und die dicke Itsche machte sie auf und gab dem
Dummling einen Teppich heraus, so schön und so fein, wie oben auf der Erde keiner konnte
gewebt werden. Da dankte er ihr und stieg wieder hinauf.
Die beiden andern hatten aber ihren jüngsten Bruder für so albern gehalten, dass die
glaubten, er würde gar nichts finden und aufbringen. "Was sollen wir uns mit Suchen
gross Mühe geben", sprachen sie, nahmen dem ersten besten Schäfersweib, das ihnen
begegnete, die groben Tücher vom Leib und trugen sie dem König heim.
Zu derselben Zeit kam auch der Dummling zurück und brachte seinen schönen Teppich,
und als der König den sah, staunte er und sprach: "Wenn es dem Recht nach gehen
soll, so gehört dem jüngsten das Königreich." Aber die zwei andern liessen dem
Vater keine Ruhe und sprachen, unmöglich könnte der Dummling, dem es in allen Dingen an
Verstand fehlte, König werden, und baten ihn, er möchte eine neue Bedingung machen.
Da sagte der Vater: "Der soll das Reich erben, der mir den schönsten Ring
bringt", führte die drei Brüder hinaus, und blies drei Federn in die Luft, denen
sie nachgehen sollten. Die zwei ältesten zogen wieder nach Osten und Westen, und für den
Dummling flog die Feder geradeaus und fiel neben der Erdtüre nieder. Da stieg er wieder
hinab zu der dicken Itsche und sagte ihr, dass er den schönsten Ring brauchte.
Sie liess sich gleich ihre grosse Schachtel holen, und gab ihm daraus einen Ring, der
glänzte von Edelsteinen und war so schön, dass ihn kein Goldschmied auf der Erde hätte
machen können. Die zwei ältesten lachten über den Dummling, der einen goldenen Ring
suchen wollte, gaben sich gar keine Mühe, sondern schlugen einem alten Wagenring die
Nägel aus und brachten ihn dem König.
Als aber der Dummling seinen goldenen Ring vorzeigte, so sprach der Vater abermals:
"Ihm gehört das Reich." Die zwei ältesten liessen nicht ab, den König zu
quälen, bis er noch eine dritte Bedingung machte und den Ausspruch tat, der sollte das
Reich haben, der die schönste Frau heimbrächte. Die drei Federn blies er nochmals in die
Luft, und sie flogen wie die vorige Male.
Da ging der Dummling ohne weiteres hinab zu der dicken Itsche und sprach: "Ich
soll die schönste Frau heimbringen." "Ei", antwortete die Itsche,
"die schönste Frau! die ist nicht gleich zur Hand, aber du sollst sie doch
haben." Sie gab ihm eine ausgehöhlte gelbe Rübe mit sechs Mäuschen bespannt. Da
sprach der Dummling ganz traurig: "Was soll ich damit anfangen?" Die Itsche
antwortete: "Setze nur eine von meinen kleinen Itschen hinein."
Da griff er auf Geratewohl eine aus dem Kreis und setzte sie in die gelbe Kutsche, aber
kaum sass sie darin, so ward sie zu einem wunderschönen Fräulein, die Rübe zur Kutsche,
und die sechs Mäuschen zu Pferden. Da küsste er sie, jagte mit den Pferden davon und
brachte sie zu dem König.
Seine Brüder kamen nach, die hatten sich gar keine Mühe gegeben, eine schöne Frau zu
suchen, sondern die ersten besten Bauernweiber mitgenommen. Als der König sie erblickte,
sprach er: "Dem jüngsten gehört das Reich nach meinem Tod." Aber die zwei
ältesten betäubten die Ohren des Königs aufs neue mit ihrem Geschrei: "Wir
könnens nicht zugeben, dass der Dummling König wird", und verlangten, der
sollte den Vorzug haben, dessen Frau durch einen Ring springen könnte, der da mitten in
dem Saal hing. Sie dachten "die Bauernweiber können das wohl, die sind stark genug,
aber das zarte Fräulein springt sich tot."
Der alte König gab das auch noch zu. Da sprangen die zwei Bauernweiber, sprangen auch
durch den Ring, waren aber so plump, dass sie fielen und ihre groben Arme und Beine
entzweibrachen. Darauf sprang das schöne Fräulein, das der Dummling mitgebracht hatte,
und sprang so leicht hindurch wie ein Reh, und aller Widerspruch musste aufhören. Also
erhielt er die Krone und hat lange in Weisheit geherrscht.
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