Das tapfere Schneiderlein KHM 20 (1857)
Märchentyp AT: 1640
An einem Sommermorgen sass ein Schneiderlein auf seinem Tisch am Fenster, war guter
Dinge und nähte aus Leibeskräften. Da kam eine Bauersfrau die Strasse herab und rief:
"Gut Mus feil! Gut Mus feil!" Das klang dem Schneiderlein lieblich in die Ohren,
er steckte sein zartes Haupt zum Fenster hinaus und rief: "Hier herauf, liebe Frau,
hier wird sie ihre Ware los."
Die Frau stieg die drei Treppen mit ihrem schweren Korbe zu dem Schneider herauf und
musste die Töpfe sämtlich vor ihm auspacken. Er besah sie alle, hob sie in die Höhe,
hielt die Nase dran und sagte endlich: "Das Mus scheint mir gut, wieg sie mir doch
vier Lot ab, liebe Frau, wenns auch ein Viertelpfund ist, kommt es mir nicht darauf
an." Die Frau, welche gehofft hatte, einen guten Absatz zu finden, gab ihm, was er
verlangte, ging aber ganz ärgerlich und brummig fort. "Nun, das Mus soll mir Gott
gesegnen", rief das Schneiderlein, "und soll mir Kraft und Stärke geben",
holte das Brot aus dem Schrank, schnitt sich ein Stück über den ganzen Laib und strich
das Mus darüber. "Das wird nicht bitter schmecken", sprach er, "aber erst
will ich den Wams fertig machen, eh ich anbeisse." Er legte das Brot neben sich,
nähte weiter und machte vor Freude immer grössere Stiche.
Indes stieg der Geruch von dem süssen Mus hinauf an die Wand, wo die Fliegen in
grosser Menge sassen, so dass sie herangelockt wurden und sich scharenweis darauf
niederliessen. "Ei, wer hat euch eingeladen?" sprach das Schneiderlein und jagte
die ungebetenen Gäste fort. Die Fliegen aber, die kein Deutsch verstanden, liessen sich
nicht abweisen, sondern kamen in immer grösserer Gesellschaft wieder. Da lief dem
Schneiderlein endlich, wie man sagt, die Laus über die Leber, es langte aus seiner Hölle
nach einem Tuchlappen, und "wart, ich will es euch geben!" schlug es
unbarmherzig drauf. Als es abzog und zählte, so lagen nicht weniger als sieben vor ihm
tot und streckten die Beine. "Bist du so ein Kerl?" sprach er und musste selbst
seine Tapferkeit bewundern, "das soll die ganze Stadt erfahren." Und in der Hast
schnitt sich das Schneiderlein einen Gürtel, nähte ihn und stickte mit grossen
Buchstaben darauf "siebene auf einen Streich!"
"Ei was Stadt! " sprach er weiter, "die ganze Welt solls erfahren!
Und sein Herz wackelte ihm vor Freude wie ein Lämmerschwänzchen. Der Schneider band sich
den Gürtel um den Leib und wollte in die Welt hinaus, weil er meinte, die Werkstätte sei
zu klein für seine Tapferkeit. Eh er abzog, suchte er im Haus herum, ob nichts da wäre,
was er mitnehmen könnte, er fand aber nichts als einen alten Käs, den steckte er ein.
Vor dem Tore bemerkte er einen Vogel, der sich im Gesträuch gefangen hatte, der musste zu
dem Käse in die Tasche. Nun nahm er den Weg tapfer zwischen die Beine, und weil er leicht
und behend war, fühlte er keine Müdigkeit.
Der Weg führte ihn auf einen Berg, und als er den höchsten Gipfel erreicht hatte, so
sass da ein gewaltiger Riese und schaute sich ganz gemächlich um. Das Schneiderlein ging
beherzt auf ihn zu, redete ihn an und sprach: "Guten Tag, Kamerad, gelt, du sitzest
da und besiehst dir die weitläufige Welt? Ich bin eben auf dem Wege dahin und will mich
versuchen. Hast du Lust mitzugehen?"
Der Riese sah den Schneider verächtlich an und sprach: "Du Lump! du miserabler
Kerl!" "Das wäre!" antwortete das Schneiderlein, knöpfte den Rock auf und
zeigte dem Riesen den Gürtel, "da kannst du lesen, was ich für ein Mann bin."
Der Riese las: "Siebene auf einen Streich", meinte, das wären Menschen gewesen,
die der Schneider erschlagen hätte, und kriegte ein wenig Respekt vor dem kleinen Kerl.
Doch wollte er ihn erst prüfen, nahm einen Stein in die Hand, und drückte ihn zusammen,
dass das Wasser heraustropfte. "Das mach mir nach", sprach der Riese, "wenn
du Stärke hast."
"Ists weiter nichts?" sagte das Schneiderlein, "das ist bei
unsereinem Spielwerk", griff in die Tasche, holte den weichen Käs und drückte ihn,
dass der Saft herauslief. "Gelt", sprach er, "das war ein wenig
besser?"
Der Riese wusste nicht, was er sagen sollte, und konnte es von dem Männlein nicht
glauben. Da hob der Riese einen Stein auf und warf ihn so hoch, dass man ihn mit Augen
kaum noch sehen konnte: "Nun, du Erpelmännchen, das tu mir nach."
"Gut geworfen", sagte der Schneider, "aber der Stein hat doch wieder zur
Erde herabfallen müssen, ich will dir einen werfen, der soll gar nicht
wiederkommen"; griff in die Tasche, nahm den Vogel und warf ihn in die Luft. Der
Vogel, froh über seine Freiheit, stieg auf, flog fort und kam nicht wieder. "Wie
gefällt dir das Stückchen, Kamerad?" fragte der Schneider. "Werfen kannst du
wohl", sagte der Riese, "aber nun wollen wir sehen, ob du imstande bist, etwas
Ordentliches zu tragen." Er führte das Schneiderlein zu einem mächtigen Eichbaum,
der da gefällt auf dem Boden lag, und sagte "wenn du stark genug bist, so hilf mir
den Baum aus dem Walde heraustragen."
"Gerne", antwortete der kleine Mann, "nimm du nur den Stamm auf deine
Schulter, ich will die Äste mit dem Gezweig aufheben und tragen, das ist doch das
Schwerste." Der Riese nahm den Stamm auf die Schulter, der Schneider aber setzte sich
auf einen Ast, und der Riese, der sich nicht umsehen konnte, musste den ganzen Baum und
das Schneiderlein noch obendrein forttragen. Es war da hinten ganz lustig und guter Dinge,
pfiff das Liedchen "es ritten drei Schneider zum Tore hinaus", als wär das
Baumtragen ein Kinderspiel. Der Riese, nachdem er ein Stück Wegs die schwere Last
fortgeschleppt hatte, konnte nicht weiter und rief: "Hör, ich muss den Baum fallen
lassen."
Der Schneider sprang behendiglich herab, fasste den Baum mit beiden Armen, als wenn er
ihn getragen hätte, und sprach zum Riesen: "Du bist ein so grosser Kerl und kannst
den Baum nicht einmal tragen."
Sie gingen zusammen weiter, und als sie an einem Kirschbaum vorbeigingen, fasste der
Riese die Krone des Baums, wo die zeitigsten Früchte hingen, bog sie herab, gab sie dem
Schneider in die Hand und hiess ihn essen. Das Schneiderlein aber war viel zu schwach, um
den Baum zu halten, und als der Riese losliess, fuhr der Baum in die Höhe, und der
Schneider ward mit in die Luft geschnellt. Als er wieder ohne Schaden herabgefallen war,
sprach der Riese: "Was ist das, hast du nicht Kraft, die schwache Gerte zu
halten?"
"An der Kraft fehlt es nicht", antwortete das Schneiderlein, "meinst du,
das wäre etwas für einen, der siebene mit einem Streich getroffen hat? Ich bin über den
Baum gesprungen, weil die Jäger da unten in das Gebüsch schiessen. Spring nach, wenn dus
vermagst." Der Riese machte den Versuch, konnte aber nicht über den Baum kommen,
sondern blieb in den Ästen hängen, also dass das Schneiderlein auch hier die Oberhand
behielt.
Der Riese sprach: "Wenn du ein so tapferer Kerl bist, so komm mit in unsere Höhle
und übernachte bei uns." Das Schneiderlein war bereit und folgte ihm. Als sie in der
Höhle anlangten, sassen da noch andere Riesen beim Feuer, und jeder hatte ein gebratenes
Schaf in der Hand und ass davon. Das Schneiderlein sah sich um und dachte: "Es ist
doch hier viel weitläufiger als in meiner Werkstatt." Der Riese wies ihm ein Bett an
und sagte, er sollte sich hineinlegen und ausschlafen. Dem Schneiderlein war aber das Bett
zu gross, er legte sich nicht hinein, sondern kroch in eine Ecke.
Als es Mitternacht war und der Riese meinte, das Schneiderlein läge in tiefem Schlafe,
so stand er auf, nahm eine grosse Eisenstange und schlug das Bett mit einem Schlag durch,
und meinte, er hätte dem Grashüpfer den Garaus gemacht.
Mit dem frühsten Morgen gingen die Riesen in den Wald und hatten das Schneiderlein
ganz vergessen, da kam es auf einmal ganz lustig und verwegen dahergeschritten. Die Riesen
erschraken, fürchteten, es schlüge sie alle tot, und liefen in einer Hast fort.
Das Schneiderlein zog weiter, immer seiner spitzen Nase nach. Nachdem es lange
gewandert war, kam es in den Hof eines königlichen Palastes, und da es Müdigkeit
empfand, so legte es sich ins Gras und schlief ein. Während es da lag, kamen die Leute,
betrachteten es von allen Seiten und lasen auf dem Gürtel: "Siebene auf einen
Streich." "Ach", sprachen sie, "was will der grosse Kriegsheld hier
mitten im Frieden? Das muss ein mächtiger Herr sein." Sie gingen und meldeten es dem
König, und meinten, wenn Krieg ausbrechen sollte, wäre das ein wichtiger und nützlicher
Mann, den man um keinen Preis fortlassen dürfte.
Dem König gefiel der Rat, und er schickte einen von seinen Hofleuten an das
Schneiderlein ab, der sollte ihm, wenn es aufgewacht wäre, Kriegsdienste anbieten. Der
Abgesandte blieb bei dem Schläfer stehen, wartete, bis er seine Glieder streckte und die
Augen aufschlug, und brachte dann seinen Antrag vor. "Eben deshalb bin ich hierher
gekommen", antwortete er, "ich bin bereit, in des Königs Dienste zu
treten." Also ward er ehrenvoll empfangen und ihm eine besondere Wohnung angewiesen.
Die Kriegsleute aber waren dem Schneiderlein aufgesessen und wünschten, es wäre tausend
Meilen weit weg. "Was soll daraus werden?" sprachen sie untereinander,
"wenn wir Zank mit ihm kriegen und er haut zu, so fallen auf jeden Streich siebene.
Da kann unsereiner nicht bestehen." Also fassten sie einen Entschluss, begaben sich
allesamt zum König und baten um ihren Abschied. "Wir sind nicht gemacht",
sprachen sie, "neben einem Mann auszuhalten, der siebene auf einen Streich
schlägt." Der König war traurig, dass er um des einen willen alle seine treuen
Diener verlieren sollte, wünschte, dass seine Augen ihn nie gesehen hätten, und wäre
ihn gerne wieder los gewesen. Aber er getrauete sich nicht, ihm den Abschied zu geben,
weil er fürchtete, er möchte ihn samt seinem Volke totschlagen und sich auf den
königlichen Thron setzen.
Er sann lange hin und her, endlich fand er einen Rat. Er schickte zu dem Schneiderlein
und liess ihm sagen, weil er ein so grosser Kriegsheld wäre, so wollte er ihm ein
Anerbieten machen. In einem Walde seines Landes hausten zwei Riesen, die mit Rauben,
Morden, Sengen und Brennen grossen Schaden stifteten, niemand dürfte sich ihnen nahen,
ohne sich in Lebensgefahr zu setzen. Wenn er diese beiden Riesen überwände und tötete,
so wollte er ihm seine einzige Tochter zur Gemahlin geben und das halbe Königreich zur
Ehesteuer; auch sollten hundert Reiter mitziehen und ihm Beistand leisten. "Das wäre
so etwas für einen Mann, wie du bist", dachte das Schneiderlein, "eine schöne
Königstochter und ein halbes Königreich wird einem nicht alle Tage angeboten."
"0 ja", gab er zur Antwort, "die Riesen will ich schon bändigen, und
habe die hundert Reiter dabei nicht nötig: wer siebene auf einen Streich trifft, braucht
sich vor zweien nicht zu fürchten."
Das Schneiderlein zog aus, und die hundert Reiter folgten ihm. Als er zu dem Rand des
Waldes kam, sprach er zu seinen Begleitern: "Bleibt hier nur halten, ich will schon
allein mit den Riesen fertig werden." Dann sprang er in den Wald hinein und schaute
sich rechts und links um. Über ein Weilchen erblickte er beide Riesen: sie lagen unter
einem Baume und schliefen und schnarchten dabei, dass sich die Äste auf- und niederbogen.
Das Schneiderlein, nicht faul, las beide Taschen voll Steine und stieg damit auf den Baum.
Als es in der Mitte war, rutschte es auf einen Ast, bis es gerade über die Schläfer zu
sitzen kam, und liess dem einen Riesen einen Stein nach dem andern auf die Brust fallen.
Der Riese spürte lange nichts, doch endlich wachte er auf, stiess seinen Gesellen an und
sprach: "Was schlägst du mich?"
"Du träumst", sagte der andere, "ich schlage dich nicht." Sie
legten sich wieder zum Schlaf, da warf der Schneider auf den zweiten einen Stein herab.
"Was soll das?" rief der andere, "warum wirfst du mich?"
"Ich werfe dich nicht", antwortete der erste und brummte. Sie zankten sich
eine Weile herum, doch weil sie müde waren, liessen sies gut sein, und die Augen fielen
ihnen wieder zu. Das Schneiderlein fing sein Spiel von neuem an, suchte den dicksten Stein
aus und warf ihn dem ersten Riesen mit aller Gewalt auf die Brust. "Das ist zu
arg!" schrie er, sprang wie ein Unsinniger auf und stiess seinen Gesellen wider den
Baum, dass dieser zitterte. Der andere zahlte mit gleicher Münze, und sie gerieten in
solche Wut, dass sie Bäume ausrissen, aufeinander losschlugen, so lang, bis sie endlich
beide zugleich tot auf die Erde fielen. Nun sprang das Schneiderlein herab. "Ein
Glück nur", sprach es, "dass sie den Baum, auf dem ich sass, nicht ausgerissen
haben, sonst hätte ich wie ein Eichhörnchen auf einen andere springen müssen; doch
unsereiner ist flüchtig!" Es zog sein Schwert und versetzte jedem ein paar tüchtige
Hiebe in die Brust, dann ging es hinaus zu den Reitern und sprach: "Die Arbeit ist
getan, ich habe beiden den Garaus gemacht; aber hart ist es hergegangen, sie haben in der
Not Bäume ausgerissen und sich gewehrt, doch das hilft alles nichts, wenn einer kommt wie
ich, der siebene auf einen Streich schlägt."
"Seid Ihr denn nicht verwundet?" fragten die Reiter. "Das hat gute
Wege", antwortete der Schneider, "kein Haar haben sie mir gekrümmt." Die
Reiter wollten ihm keinen Glauben beimessen und ritten in den Wald hinein; da fanden sie
die Riesen in ihrem Blute schwimmend, und ringsherum lagen die ausgerissenen Bäume. Das
Schneiderlein verlangte von dem König die versprochene Belohnung, den aber reute sein
Versprechen und er sann aufs neue, wie er sich den Helden vom Halse schaffen könnte.
"Ehe du meine Tochter und das halbe Reich erhältst", sprach er zu ihm,
"musst du noch eine Heldentat vollbringen. In dem Walde läuft ein Einhorn, das
grossen Schaden anrichtet, das musst du erst einfangen."
"Vor einem Einhorne fürchte ich mich noch weniger als vor zwei Riesen; siebene
auf einen Streich, das ist meine Sache." Er nahm sich einen Strick und eine Axt mit,
ging hinaus in den Wald, und hiess abermals die, welche ihm zugeordnet waren, aussen
warten.
Er bauchte nicht lange zu suchen, das Einhorn kam bald daher und sprang geradezu auf
den Schneider los, als wollte es ihn ohne Umstände aufspiessen. "Sachte,
sachte", sprach er, "so geschwind geht das nicht", blieb stehen und
wartete, bis das Tier ganz nahe war, dann sprang er behendiglich hinter den Baum. Das
Einhorn rannte mit aller Kraft gegen den Baum und spiesste sein Horn so fest in den Stamm,
dass es nicht Kraft genug hatte, es wieder herauszuziehen, und so war es gefangen.
"Jetzt hab ich das Vöglein", sagte der Schneider, kam hinter dem Baum hervor,
legte dem Einhorn den Strick erst um den Hals, dann hieb er mit der Axt das Horn aus dem
Baum, und als alles in Ordnung war, führte er das Tier ab und brachte es dem König.
Der König wollte ihm den verheissenen Lohn noch nicht gewähren und machte eine dritte
Forderung. Der Schneider sollte ihm vor der Hochzeit erst ein Wildschwein fangen, das in
dem Wald grossen Schaden tat; die Jäger sollten ihm Beistand leisten. "Gerne",
sprach der Schneider, "das ist ein Kinderspiel." Die Jäger nahm er nicht mit in
den Wald, und sie warens wohl zufrieden, denn das Wildschwein hatte sie schon mehrmals so
empfangen, dass sie keine Lust hatten, ihm nachzustellen.
Als das Schwein den Schneider erblickte, lief es mit schäumendem Munde und wetzenden
Zähnen auf ihn zu und wollte ihn zur Erde werfen; der flüchtige Held aber sprang in eine
Kapelle, die in der Nähe war, und gleich oben zum Fenster in einem Satze wieder hinaus.
Das Schwein war hinter ihm hergelaufen, er aber hüpfte aussen herum und schlug die Türe
hinter ihm zu; da war das wütende Tier gefangen, das viel zu schwer und unbehilflich war,
um zu dem Fenster hinauszuspringen. Das Schneiderlein rief die Jäger herbei, die mussten
den Gefangenen mit eigenen Augen sehen; der Held aber begab sich zum Könige, der nun, er
mochte wollen oder nicht, sein Versprechen halten musste und ihm seine Tochter und das
halbe Königreich übergab. Hätte er gewusst, dass kein Kriegsheld, sondern ein
Schneiderlein vor ihm stand, es wäre ihm noch mehr zu Herzen gegangen. Die Hochzeit ward
also mit grosser Pracht und kleiner Freude gehalten, und aus einem Schneider ein König
gemacht.
Nach einiger Zeit hörte die junge Königin in der Nacht, wie ihr Gemahl im Traume
sprach: "Junge, mach mir den Wams und flick mir die Hosen, oder ich will dir die Elle
über die Ohren schlagen." Da merkte sie, in welcher Gasse der junge Herr geboren
war, klagte am andern Morgen ihrem Vater ihr Leid und bat, er möchte ihr von dem Manne
helfen, der nichts anders als ein Schneider wäre. Der König sprach ihr Trost zu und
sagte: "Lass in der nächsten Nacht deine Schlafkammer offen, meine Diener sollen
aussen stehen und, wenn er eingeschlafen ist, hineingehen, ihn binden und auf ein Schiff
tragen, das ihn in die weite Welt führt." Die Frau war damit zufrieden, des Königs
Waffenträger aber, der alles mit angehört hatte, war dem jungen Herrn gewogen und
hinterbrachte ihm den ganzen Anschlag. "Dem Ding will ich einen Riegel
vorschieben", sagte das Schneiderlein.
Abends legte es sich zu gewöhnlicher Zeit mit seiner Frau zu Bett; als sie glaubte, er
sei eingeschlafen, stand sie auf, öffnete die Tür und legte sich wieder. Das
Schneiderlein, das sich nur stellte, als wenn es schlief, fing an mit heller Stimme zu
rufen: "Junge, mach den Wams und flick mir die Hosen, oder ich will dir die Elle
über die Ohren schlagen! Ich habe siebene mit einem Streiche getroffen, zwei Riesen
getötet, ein Einhorn fortgeführt und ein Wildschwein gefangen, und sollte mich vor denen
fürchten, die draussen vor der Kammer stehen!" Als diese den Schneider sprechen
hörten, überkam sie eine grosse Furcht, sie liefen, als wenn das wilde Heer hinter ihnen
wäre, und keiner wollte sich mehr an ihn wagen. Also war und blieb das Schneiderlein sein
Lebtag König.
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