Die drei Männlein im Walde KHM 13 (1857)
Märchentyp AT: 403B
Es war ein Mann, dem starb seine Frau, und eine Frau, der starb ihr Mann; und der Mann
hatte eine Tochter, und die Frau hatte auch eine Tochter. Die Mädchen waren miteinander
bekannt und gingen zusammen spazieren und kamen hernach zu der Frau ins Haus. Da sprach
sie zu des Mannes Tochter: "Hör, sag deinem Vater, ich wollt ihn heiraten, dann
sollst du dich jeden Morgen in Milch waschen und Wein trinken, meine Tochter aber soll
sich in Wasser waschen und Wasser trinken." Das Mädchen ging nach Haus und erzählte
seinem Vater, was die Frau gesagt hatte.
Der Mann sprach: "Was soll ich tun das Heiraten ist eine Freude und ist auch eine
Qual." Endlich, weil er keinen Entschluss fassen konnte, zog er seinen Stiefel aus
und sagte: "Nimm diesen Stiefel, der hat in der Sohle ein Loch, geh damit auf den
Boden, häng ihn an den grossen Nagel und giess dann Wasser hinein. Hält er das Wasser,
so will ich wieder eine Frau nehmen, läufts aber durch, so will ich nicht."
Das Mädchen tat, wie ihm geheissen war; aber das Wasser zog das Loch zusammen, und der
Stiefel ward voll bis obenhin. Es verkündete seinem Vater, wies ausgefallen war. Da stieg
er selbst hinauf, und als er sah, dass es seine Richtigkeit hatte, ging er zu der Witwe
und freite sie, und die Hochzeit ward gehalten.
Am andem Morgen, als die beiden Mädchen sich aufmachten, da stand vor des Mannes
Tochter Milch zum Waschen und Wein zum Trinken, vor der Frau Tochter aber stand Wasser zum
Waschen und Wasser zum Trinken. Am zweiten Morgen stand Wasser zum Waschen und Wasser zum
Trinken so gut vor des Mannes Tochter als vor der Frau Tochter. Und am dritten Morgen
stand Wasser zum Waschen und Wasser zum Trinken vor des Mannes Tochter, und Milch zum
Waschen und Wein zum Trinken vor der Frau Tochter, und dabei bliebs. Die Frau ward
ihrer Stieftochter spinnefeind und wusste nicht, wie sie es ihr von einem Tag zum andem
schlimmer machen sollte. Auch war sie neidisch, weil ihre Stieftochter schön und lieblich
war, ihre rechte Tochter aber hässlich und widerlich. Einmal im Winter, als es steinhart
gefroren hatte und Berg und Tal vollgeschneit lag, machte die Frau ein Kleid von Papier,
rief das Mädchen und sprach: "Da zieh das Kleid an, geh hinaus in den Wald und hol
mir ein Körbchen voll Erdbeeren; ich habe Verlangen danach."
"Du lieber Gott," sagte das Mädchen, "im Winter wachsen ja keine
Erdbeeren, die Erde ist gefroren, und der Schnee hat auch alles zugedeckt. Und warum soll
ich in dem Papierkleide gehen? Es ist draussen so kalt, dass einem der Atem friert: da
weht ja der Wind hindurch, und die Dornen reissen mirs vom Leib."
"Willst du mir noch widersprechen?" sagte die Stiefmutter, "mach dass du
fortkommst, und lass dich nicht eher wieder sehen, als bis du das Körbchen voll Erdbeeren
hast." Dann gab sie ihm noch ein Stück hartes Brot und sprach: "Davon kannst du
den Tag über essen," und dachte: "Draussen wirds erfrieren und verhungern
und mir nimmermehr wieder vor die Augen kommen." Nun war das Mädchen gehorsam, tat
das Papierkleid an und ging mit dem Körbchen hinaus.
Da war nichts als Schnee die Weite und Breite, und war kein grünes Hälmchen zu
merken. Als es in den Wald kam, sah es ein kleines Häuschen, daraus guckten drei kleine
Haulemännerchen. Es wünschte ihnen die Tageszeit und klopfte bescheidentlich an die
Tür. Sie riefen herein, und es trat in die Stube und setzte sich auf die Bank am Ofen, da
wollte es sich wärmen und sein Frühstück essen. Die Haulemännerchen sprachen:
"Gib uns auch etwas davon." "Gerne," sprach es, teilte sein Stückchen
Brot entzwei und gab ihnen die Hälfte. Sie fragten: "Was willst du zur Winterzeit in
deinem dünnen Kleidchen hier im Wald?"
"Ach," antwortete es, "ich soll ein Körbchen voll Erdbeeren suchen und
darf nicht eher nach Hause kommen, als bis ich es mitbringe." Als es sein Brot
gegessen hatte, gaben sie ihm einen Besen und sprachen: "Kehre damit an der
Hintertür den Schnee weg." Wie es aber draussen war, sprachen die drei Männerchen
untereinander "was sollen wir ihm schenken, weil es so artig und gut ist und sein
Brot mit uns geteilt hat?" Da sagte der erste: "Ich schenk ihm, dass es jeden
Tag schöner wird." Der zweite sprach: "Ich schenk ihm, dass Goldstücke ihm aus
dem Mund fallen, sooft es ein Wort spricht." Der dritte sprach: "Ich schenk ihm,
dass ein König kommt und es zu seiner Gemahlin nimmt."
Das Mädchen aber tat, wie die Haulemännerchen gesagt hatten, kehrte mit dem Besen den
Schnee hinter dem kleinen Hause weg, und was glaubt ihr wohl, dass es gefunden hat? Lauter
reife Erdbeeren, die ganz dunkelrot aus dem Schnee hervorkamen. Da raffte es in seiner
Freude sein Körbchen voll, dankte den kleinen Männern, gab jedem die Hand und lief nach
Haus, und wollte der Stiefmutter das Verlangte bringen. Wie es eintrat und "guten
Abend" sagte, fiel ihm gleich ein Goldstück aus dem Mund. Darauf erzählte es, was
ihm im Walde begegnet war, aber bei jedem Worte, das es sprach, fielen ihm die Goldstücke
aus dem Mund, so das bald die ganze Stube damit bedeckt ward. "Nun sehe einer den
Übermut," rief die Stiefschwester, "das Geld so hinzuwerfen," aber
heimlich war sie neidisch darüber und wollte auch hinaus in den Wald und Erdbeeren
suchen.
Die Mutter: "Nein, mein liebes Töchterchen, es ist zu kalt, du könntest mir
erfrieren." Weil sie ihr aber keine Ruhe liess, gab sie endlich nach, nähte ihm
einen prächtigen Pelzrock, den es anziehen musste, und gab ihm Butterbrot und Kuchen mit
auf den Weg. Das Mädchen ging in den Wald und gerade auf das kleine Häuschen zu. Die
drei kleinen Haulemänner guckten wieder, aber es grüsste nicht, und ohne sich nach ihnen
umzusehen und ohne sie zu grüssen, stolperte es in die Stube hinein, setzte sich an den
Ofen und fing an, sein Butterbrot und seinen Kuchen zu essen. "Gib uns etwas
davon," riefen die Kleinen, aber es antwortete "es schickt mir selber nicht, wie
kann ich andem noch davon abgeben?" Als es nun fertig war mit dem Essen, sprachen
sie: "Da hast du einen Besen, kehr uns draussen vor der Hintertür rein."
"Ei kehrt euch selber," antwortete es, "ich bin eure Magd nicht." Wie
es sah, dass sie ihm nichts schenken wollten, ging es zur Türe hinaus.
Da sprachen die kleinen Männer untereinander: "Was sollen wir ihm schenken, weil
es so unartig ist und ein böses neidisches Herz hat, das niemand etwas gönnt?" Der
erste sprach: "Ich schenk ihm, dass es jeden Tag hässlicher wird." Der zweite
sprach: "Ich schenk ihm, dass ihm bei jedem Wort, das es spricht, eine Kröte aus dem
Munde springt." Der dritte sprach: "Ich schenk ihm, dass es eines unglücklichen
Todes stirbt."
Das Mädchen suchte draussen nach Erdbeeren, als es aber keine fand, ging es
verdriesslich nach Haus. Und wie es den Mund auftat und seiner Mutter erzählen wollte,
was ihm im Walde begeeet war, da sprang ihm bei jedem Wort eine Kröte aus dem Mund, so
dass alle einen Abscheu vor ihm bekamen. Nun ärgerte sich die Stiefmutter noch viel mehr
und dachte nur darauf, wie sie der Tochter des Mannes alles Herzeleid antun wollte, deren
Schönheit doch alle Tage grösser ward. Endlich nahm sie einen Kessel, setzte ihn zum
Feuer und sott Garn darin. Als es gesotten war, hing sie es dem armen Mädchen auf die
Schulter, und gab ihm eine Axt dazu, damit sollte es auf den gefrorenen Fluss gehen, ein
Eisloch hauen und das Garn schlittern. Es war gehorsam, ging hin und hackte ein Loch in
das Eis, und als es mitten im Hacken war, kam ein prächtiger Wagen hergefahren, worin der
König sass. Der Wagen hielt still und der König fragte: "Mein Kind, wer bist du und
was machst du da?"
"Ich bin ein armes Mädchen und schlittere Garn." Da fühlte der König
Mitleiden, und als er sah, wie es so gar schön war, sprach er: "Willst du mit mir
fahren?" "Ach ja, von Herzen gern," antwortete es, denn es war froh, dass
es der Mutter und Schwester aus den Augen kommen sollte. Also stieg es in den Wagen und
fuhr mit dem König fort, und als sie auf sein Schloss gekommen waren, ward die Hochzeit
mit grosser Pracht gefeiert, wie es die kleinen Männlein dem Mädchen geschenkt hatten.
Über ein Jahr gebar die junge Königin einen Sohn, und als die Stiefmutter von dem
grossen Glücke gehört hatte, so kam sie mit ihrer Tochter in das Schloss und tat, als
wollte sie einen Besuch machen.
Als aber der König einmal hinausgegangen und sonst niemand zugegen war, packte das
böse Weib die Königin am Kopf, und ihre Tochter packte sie an den Füssen, hoben sie aus
dem Bett und warfen sie zum Fenster hinaus in den vorbeifliessenden Strom. Darauf legte
sich ihre hässliche Tochter ins Bett, und die Alte deckte sie zu bis über den Kopf.
Als der König wieder zurückkam und mit seiner Frau sprechen wollte, rief die Alte:
"Still, still, jetzt geht das nicht, sie liegt in starkem Schweiss, Ihr müsst sie
heute ruhen lassen." Der König dachte nichts Böses dabei und kam erst am andem
Morgen wieder, und wie er mit seiner Frau sprach, und sie ihm Antwort gab, sprang bei
jedem Wort eine Kröte hervor, während sonst ein Goldstück herausgefallen war. Da fragte
er, was das wäre, aber die Alte sprach, das hätte sie von dem starken Schweiss gekriegt,
und würde sich schon wieder verlieren.
In der Nacht aber sah der Küchenjunge, wie eine Ente durch die Gosse geschwommen kam,
die sprach: "König, was machst du? Schläfst du oder wachst du?" Und als er
keine Antwort gab, sprach sie: "Was machen meine Gäste?" Da antwortete der
Küchenjunge: "Sie schlafen feste" Fragte sie weiter: "Was macht mein
Kindelein?" Antwortete er: "Es schläft in der Wiege fein."
Da ging sie in der Königin Gestalt hinauf, gab ihm zu trinken, schüttelte ihm sein
Bettchen, deckte es zu und schwamm als Ente wieder durch die Gosse fort. So kam es zwei
Nächte, in der dritten sprach sie zu dem Küchenjungen: "Geh und sage dem König,
dass er sein Schwert nimmt und auf der Schwelle dreimal über mir schwingt." Da lief
der Küchenjunge und sagte es dem König, der kam mit seinem Schwert und schwang es
dreimal über dem Geist; und beim drittenmal stand seine Gemahlin vor ihm, frisch,
lebendig und gesund, wie sie vorher gewesen war.
Nun war der König in grosser Freude, er hielt aber die Königin in einer Kammer
verborgen bis auf den Sonntag, wo das Kind getauft werden sollte. Und als es getauft war,
sprach er: "Was gehört einem Menschen, der den andem aus dem Bett trägt und ins
Wasser wirft?" "Nichts Besseres," antwortete die Alte, "als dass man
den Bösewicht in ein Fass steckt, das mit Nägelnausgeschlagen ist, und den Berg hinab
ins Wasser rollt." Da sagte der König "du hast dein Urteil gesprochen,"
liess ein solches Fass holen und die Alte mit ihrer Tochter hineinstecken, dann ward der
Boden zugehämmert und das Fass bergab gekullert, bis es in den Fluss rollte.
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